Man sieht nur, was man kennt. Heute: Das Serotoninsyndrom

Früher hörte man häufiger vom Serotoninsyndrom. In der Zeit, in der irreversible MAO-Hemmer wie zum Beispiel Jatrosom N (Tranylcypromin) häufiger in der Therapie der Depression eingesetzt wurden, klärten die Psychiater auf, dass diese Medikamente nur mit einer bedachten Ernährungsweise eingenommen werden dürfen. Tranylcypromin hemmt den Abbau endogener Amine, was die antidepressive Wirkung erklärt. Es hemmt aber auch den Abbau von Aminen, die mit der Nahrung zugeführt werden, wie etwa Tyramin, das in höherer Konzentration in Käse, Rotwein, Bananen, Geflügelleber oder Schokolade vorkommt. Eine zu hohe Tyramin Konzentration macht sympathomimetische Nebenwirkungen wie Blutdrucksteigerung und Tachykardie. Das muss man auch heute noch wissen, denn es gibt immer wieder Patienten, die Jatrosom N verordnet bekommen. Und hier kann es natürlich im Rahmen von unangemessener Diät zu einem monoaminergen Syndrom kommen.
Die Kombination von Jatrosom mit einem anderen serotonergen Medikament ist kontraindiziert, wäre aber natürlich ein klassischer Auslöser eines Serotonin Syndroms. Weitere Stoffe, deren gleichzeitige Einnahme ein Serotonin-Syndrom auslösen kann, sind:

  • MAO-Hemmer
  • SSRI wie Citalopram
  • SNRI wie Duloxetin und Venlafaxin
  • Trizyklische Antidepressiva
  • Lithium
  • Opiat-Schmerzmittel
  • Triptane (zur Behandlung der Migräne)
  • Kokain, Amphetamine, Ecstasy

Für das Serotonin Syndrom gelten die Diagnosekriterien nach Sternbach:
A) Neuverordnung oder Dosissteigerung eines serotoninergen Medikaments
B) Vorliegen von mindestens drei der folgenden Symptome:

  • Bewusstseinsstörung
  • Agitation (Aufgeregtheit ohne erkennbaren Grund)
  • Myoklonien (Muskelverkrampfungen)
  • Hyperreflexie (gesteigerte Reflexe)
  • Schwitzen
  • Frösteln
  • Tremor (Zittern)
  • Diarrhoe (Durchfall)
  • Koordinationsstörung
  • Fieber

C) Ausschluss anderer Ursachen: Infektionen, metabolische Störungen, Abusus oder Entzug von Substanzen
D) Keine kürzlich begonnene Therapie oder Dosissteigerung eines Neuroleptikums.

Differenzialdiagnose

Das klinische Bild des Serotonin-Syndroms ähnelt dem des Malignen Neuroleptischen Syndroms (MNS), das ebenfalls durch die neueren Antidepressiva ausgelöst werden kann.

„Faustregel“ zur Unterscheidung: Beim Serotonin-Syndrom ist der Betroffene hyperaktiv und agitiert, beim MNS gehemmt bis bewegungsunfähig.

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p>In der Wikipedia finden sich noch einige weitere Informationen zum Serotoninsyndrom: Wikipedia:Serotoninsyndrom.

8 Gedanken zu “Man sieht nur, was man kennt. Heute: Das Serotoninsyndrom

  1. Carsten Erber 19. Januar 2013 / 00:56

    Unvorstellbar, dass jemand, der mit einem Serotonin-Sydrom z.B. in der Notaufnahme aufschlägt, hier die richtige Diagnose erhält.

    • psychiatrietogo 19. Januar 2013 / 07:50

      Da muss ich Dir leider Recht geben, die Wahrscheinlichkeit, dass das Serotoninsyndrom nicht richtig erkannt wird, ist sehr hoch….

  2. annaarbeit 15. März 2013 / 15:46

    Ich als aktive Hypochonderin diagnostiziere bei mir sofort das Syndrom. Nur wie komme ich an eine entsprechende Differentialdiagnose? Kann man das im Blut oder so feststellen?

  3. Anna 10. Januar 2014 / 03:33

    Ich habe im Juni 2008 angefangen, 20 mg Citalopram zu nehmen. 2 Tage nach der ersten Tablette hatte ich einen starren oberen Rücken, starren Nacken und die rechte Schulter hat sich schmerzhaft nach vorn gezogen und war auch starr. Die Krämpfe waren ziemlich schmerzhaft. Die Krämpfe haben die ganze Nacht immer wieder nachgelassen und dann wieder angezogen.
    Erst 2 Jahre später ist mir aufgegangen, dass das ein Serotoninsyndrom gewesen sein könnte.

  4. Daniel Sanford 4. November 2020 / 10:03

    Inter,n, nur für Jan zum Korrigieren:

    „Tyramin, das in höherer“

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