Anxiolytika sind keine Sedativa

Benzodiazepine sind keine Beruhigungsmittel

Benzodiazepine sind Anxiolytika, zu Deutsch Angstlöser. Das will uns sagen, dass man Benzodiazepine gibt, um die Angst zu lösen oder zu mindern. Dafür sind Benzodiazepine da.

In höheren Dosierungen wirken sie natürlich auch sedierend. Aber das soll einen eben gerade nicht verleiten, Benzodiazepine dauerhaft mit dem Ziel der Sedierung zu verordnen. Dafür gibt es die Sedativa; niederpotente Neuroleptika wie Promethazin oder Chlorprotixen. Die machen nicht abhängig und können dauerhaft gegeben werden.

Wir rekapitulieren. Es gibt:

  • Benzodiazepine. Wirken gegen ANGST. Dagegen soll man sie auch verschreiben. Zum Beispiel bei einer akuten Psychose, die mit großer psychotisch bedingter Angst einher geht, bevor die Neurolepsie diese ursächlich beseitigt. Aber nicht dauerhaft geben. Machen abhängig.
  • Niederpotente Neuroleptika. Sedieren. Kann man immer dann verordnen, wenn jemand zeitweilig stark unter innerer Unruhe oder innerer Anspannung leidet. Verordnet man sinnigerweise am ehesten bei Bedarf. Eine Verordnung „auf Schiene“ kann natürlich bei bestimmten Krankheiten mal für eine kurze Zeit sinnvoll sein, aber kaum sehr lange… Sedativa sollen beruhigen. Sie sollen in der Regel in einer Dosis verordnet werden, die zur Beruhigung führt, aber nicht zum Schlaf.
  • Schlafmittel: Sind entweder Benzodiazepine, benzodiazepinähnliche Wirkstoffe, niederpotente Neuroleptika oder eines von einigen chemisch und pharmakologisch sehr unterschiedlichen Medikamenten, die mit dem Ziel verordnet werden, Schlaf auszulösen. Beachte: Auch ein Benzodiazepin, das als Schlafmittel verordnet wird, macht abhängig.

Natürlich gibt es Situationen, in denen man Anxiolyse, Sedierung und Schlafanstoß gleichzeitig beabsichtigt. (Dann gibt man ein Benzodiazepin). Dennoch sind das drei unterschiedliche Ziele, die man mit einem Medikament dieser Gruppen anstreben kann. Es ist sinnvoll, sich bei jeder Verordnung klar zu sein, was man bewirken will: Anxiolyse, Sedierung oder Schlaf. Und wenn man lediglich Sedierung will, ist es nicht sinnvoll, dauerhaft Benzodiazepine zu verordnen.

9 Gedanken zu “Anxiolytika sind keine Sedativa

  1. fiirvogu 27. Januar 2013 / 20:25

    Dieser Artikel stimmt mich schon gerade etwas nachdenklich, seit ich weiss, wie grosszügig viele Ärzte bei uns in der Schweiz mit Benzodiazepinen umgehen. In der Psychiatrischen Klinik, in der ich einen 10wöchigen stationären Aufenthalt hatte (Depression), gab es auf „meiner“ Station keinen Patienten, dem keine Benzodiazepine verordnet wurden. Auf die Gefahr der Abhängigkeit bei regelmässiger Einnahme wird nicht hingewiesen. Wer sich nicht selber informiert, hat irgendwann das böse Erwachen. Ich würde mir wünschen, dass gegenüber den Patienten diesbezüglich mehr Transparenz und mehr Sorgfalt gefordert würde.

    • psychiatrietogo 28. Januar 2013 / 08:00

      Die allzu gießkannenartige Verschreibung von Benzodiazepinen auf manchen psychiatrischen Stationen ist ein Mißstand. In den ersten Tagen einer Behandlung kann der Einsatz eines Benzodiazepins oft ja sinnvoll sein. Aber nicht selten könnte man die Gabe des Benzodiazepins deutlich schneller reduzieren, als das tatsächlich geschieht. Und man braucht in vielen Fällen natürlich gar kein Benzodiazepin.
      Noch viel schlimmer sind allerdings die monatelangen Verschreibungen von Benzodiazepinen im ambulanten Gereicht…

  2. snoopylife 28. Januar 2013 / 10:20

    Danke für den aufschlussreichen Artikel, schön klar ausgedrückt für Leute, die nicht vom Fach sind.

  3. M.B. 1. März 2016 / 05:03

    Ein guter Text, entspricht der richtigen Anwendung bei klinischer Psychiatrie und Langzeittherapie, aber ich bin mit sicher, jeder Notarzt und Anästhesist sieht glaube die Bezeichnung, das Benzodiazepine nicht zur Sedierung indiziert sind etwas anderst, Sie wissen wie ich es meine und ich weiß wie Sie es meinen. Trotzdem ,machen Sie weiter, solche Blogs gibt es viel zu selten. Liebe grüße aus dem Rettungsdienst, Max B. 😉

    • psychiatrietogo 1. März 2016 / 07:29

      Da haben Sie völlig recht: Im Rettungsdienst sind Benzodiazepine oft die Sedativa erster Wahl! Viele Grüße ins Blaulicht-Milieu!

  4. Charly brown 27. August 2016 / 10:43

    Wie sehen die anxeolylitika aus rot ohne bruchrille

  5. Susanne_Meyer 28. August 2016 / 00:58

    Die „psychotische Erregung“ nervt oft nur die anderen.

    Zu behaupten, derjenige sei doch selber am Leiden und man würde ihm mit Prothipendyl einen Gefallen tun, ist da sehr bequem.

    Da sollte man ihn schon selber fragen, wie es ist.

    „Was haben Sie denn gegen das Seroquel, Sie sind doch viel RUHIGER geworden, seitdem Sie es nehmen“ hat eine Klinikärztin zu mir gesagt.

    Habe ich ihr gesagt, dass ich ruhiger werden will?? Missachtung des Behandlungsauftrags, nennt sich so was.

    Und nein, Unruhe bedeutet nicht, dass man randaliert, Leute bedroht, etc.

    War alles nicht der Fall, habe ich nicht gemacht.

    Es ist schlicht Missachtung des Behandlungsauftrags, so was. (Meiner Einschätzung nach hat die überhaupt nicht daran gedacht, ist nicht auf die Idee gekommen, dass ihre Vorstellung davon wie sie mich haben will und meine Ziele verschieden sein könnten,)

    Soll sie mich aus der Klinik schmeißen, wenn sie genervt ist, meinetwegen. Aber so nicht.

  6. Susanne_Meyer 28. August 2016 / 01:04

    Und zum Thema Abhängigkeit,

    auch Amitriptylin (TCA) macht angeblich nicht abhängig.

    Ich habe es 3 Jahre lang jeden Abend Schlafmittel genommen, 25 mg Amitriptylin.

    Wie ich das Amitriptylin loswerden wollte, habe ich über 4 Wochen langsam reduziert und dann abgesetzt. Ohne Amitriptylin konnte ich dann 1 Woche immer noch gut schlafen, aber dann habe ich massive Schlafprobleme gekriegt, und das hat sich die nächsten 5 Wochen nicht wirklich gebessert.

    Ich bin dann auf 12,5 mg (Hälfte der ursprünglichen Dosis) zurück und damit konnte ich dann wieder schlafen. Ich bin dann 8 Wochen lang bei diesen 12,5 mg geblieben und konnte wieder schlafen. Dann nach den 8 Wochen habe ich dann über 8 Monate langsam reduziert und das war problemlos und ohne Schlafprobleme.

    Ich bin jetzt seit mehr als 2 Jahren ohne Schlafmittel.

    Die Schlafprobleme nach dem Absetzen waren also nicht das Wiederkommen der ursprünglichen Schlafprobleme, weswegen ich mit dem Amitriptylin angefangen hatte.
    Sondern es waren Entzugserscheinungen, obwohl ich mir mit dem Ausschleichen 4 Wochen Zeit gelassen hatte. Das war aber nicht langsam genug, ich hatte trotzdem Entzugseffekte.
    Durch das superlangsame Ausschleichen über 8 Monate sind Entzugseffekte ausgeblieben.

    Schnelles Absetzen hat nicht funktioniert, langsames Absetzen aber schon. Meine Psyche hat es nicht mehr gebraucht, es waren nur noch die Folgen der Abhängigkeitsentwicklung.

    • Susanne_Meyer 28. August 2016 / 01:08

      Aber ganz allgemein gibt es bei Schlafmitteln ein Bewusstsein für die Möglichkeit von Abhängigkeitsentwicklung, die Möglichkeit einer Abhängigkeitsentwicklung wird da in Betracht gezogen.

      Wenn jemand ohne das Schlafmittel, das er_sie schon jahrelang nimmt, nicht schlafen kann, geht man normalerweise davon aus, dass da eine Abhängigkeitsentwicklung stattgefunden hat. Bei Neuroleptika und Antidepressiva heißt es aber in ähnlich gelagerten Fällen, dass man doch sehe, dass der_die das Psychopharmakon eben „braucht“. Ist irgendwie inkonsequent. Wie rum denn jetzt

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