Psychotherapeuten in Ausbildung haben Recht auf Vergütung

Psychotherapeuten in Ausbildung (PIA) sind Psychologen, die ihren Hochschulabschluss in Psychologie in der Tasche haben und nun eine Weiterbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten machen. Diese Weiterbildung enthält neben theoretischer und praktischer Ausbildung zwei Pflichtpraktika über insgesamt 18 Monate in psychiatrischen Kliniken und psychotherapeutischen Praxen. Die Vergütung ist nicht tariflich geregelt. Es ist in den attraktiven Großstädten gängige Praxis, den PIAs wenig bis gar nichts zu bezahlen. Lediglich auf dem Lande wird oft eine Vergütung bezahlt, die bis zum regulären Gehalt eines Psychologen geht, weil die Stellen dort nicht anders zu besetzen sind.

Das Oberlandesgericht Hamm hat am 29.11.2012 für Recht erkannt, dass es sittenwidrig ist, PIAs unentgeltlich anzustellen. Im konkreten Fall wurde einer Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeutin zugesprochen, dass die Klinik ihr rückwirkend für ihren Einsatz 1000€ pro Monat zu zahlen hat. Die Klinik darf noch in Revision gehen.

LAG Hamm, Urteil vom 29.11.2012. Aktenzeichen: 11 Sa 74/12

Originalquelle dieser Nachricht: http://www.bund-verlag.de/aktuelles/2012/12/lag-hamm-nulltarif-fuer-psychotherapeuten-ist-sittenwidrig.php

10 Gedanken zu “Psychotherapeuten in Ausbildung haben Recht auf Vergütung

  1. flame81 19. Februar 2013 / 13:53

    Könnte ich als Pflegepraktikant (3 Monate), Famulant (4 Monate) und PJler (12 Monate) dann bitte auch bezahlt werden? Zumindest in der tariflich niedrigsten Stufe (immernoch besser als nüscht)? Danke…

    • psychiatrietogo 19. Februar 2013 / 16:53

      In den von Ihnen genannten Funktionen hat man noch keinen Hochschulabschluss und Lernen steht ganz im Vordergrund. Wenn Sie den Hochschulabschluss haben, sind Sie Ärztin und verdienen dann auch Geld. Obwohl sie dann in Weiterbildung sein werden. Die PIA Zeit entspricht der Facharztweiterbildung: Hochschulabschluss, aber noch kein Niederlassungsrecht. In der Zeit verpflichtend Arbeit in einem vorgeschriebenen Fachgebiet. Ihre Frage müsste also lauten: Warum bekomme ich eigentlich während der Facharztausbilding Geld?

      • flame81 22. Februar 2013 / 08:52

        Dummerweise ist Medizin aber mein Zweitstudium und ich hatte sogar schon einen Hochschulabschluß und eine Promotion (Naturwissenschaft). Und gsd einen Mann, der mich so lange „ausgehalten“ hat wie ich kostenlos irgendwo Handtücher faltete und Getränke holte.
        Und ich dachte der Sinn eines „Praktikas“ sollte es sein etwas praktischen zu lernen. Also ich kann jetzt 1A Betten beziehen und Bettlaken falten, Kinder bespaßen (Pädiatrie) und Betten durch die Gegend schieben. Wie gut das es diese „Praktika“ gibt, sonst hätte ich mir dieses wertvolle Wissen unmöglich selbst aneignen können…
        Ach ja, und als PJler ist man auch schonmal gerne einige Stunden alleine für eine Station verantwortlich mit allen Pflichten die dazu gehören, nur leider keinen Rechten (also zum Beispiel einer Bezahlung). Gerne ist man auch der Briefe-Schreib Depp vom Dienst und verbringt auch auf chirurgischen Stationen keine Minute im OP (es sei denn es gibt mal mehr als zwei Haken zum halten). Studientage wurden kürzlich komplett gestrichen, Krankentage gibt es gar nicht bzw. sind nachzuholen (ganz toll als Mutti mit Kleinkind). Ach ja, und wenn einen der Chefarzt auf dem Gang vor versammelter Mannschaft und Patienten anbrüllt hat man das gefälligst zu schlucken, denn wenn der am Ende der (genau!) 30 Tage seine Unterschrift verweigert hat man halt Pech gehabt.
        Ich würde gerne mal wissen, ob man mit Ingenieurs-Studenten, die bei BMW für 2000 EUR / Monat in den Ferien Jobben auch sowas abziehen würde. Aber andererseits: wir Ärzte verdienen nach dem Studium doch auch so richtig dolle (also nach dem Studium, dem PJ, der Assistenzzeit und wenn wir auf keinen Fall Hausärzte auf dem Land werden)…

      • Solo 23. Februar 2013 / 19:32

        @flame81: Warum studierst du denn Medizin, im Zweitstudium!, wenn du das alles nicht so toll findest?

  2. Alba 20. Februar 2013 / 09:43

    Vielen Dank für den Artikel, und für die Reaktion auf Flame81s Kommentar.
    Das ist eins der Hauptprobleme, denke ich – viele Menschen wissen nicht, was der Unterschied zwischen Psychologe und Psychotherapeut (und Psychiater) ist, bzw auch dass man fertig studierter Psychologe sein muss um Psychotherapeut werden zu können. Wie Sie sagen, es ist zu vergleichen mit der Facharztweiterbildung.
    Wenn es dann darum geht, in der Ausbildung Geld verdienen zu wollen, wird man schief angeguckt, weil man ja nur eine Ausbildung macht und man da halt nicht gut verdient. Dazu kommt noch, dass die Ausbildung ja nicht gratis ist sondern mehrere zehntausend Euro kostet.
    Man hat einen Universitätsabschluss; und mit dem arbeitet man aber verdient nichts, sondern bezahlt drauf. Weil man aber auch schon fertig studiert hat, hat man keinen Anspruch mehr auf Unterhalt oder Bafög oder sonstige Zuschüsse oder zumindest Studentenermäßigung.

    Persönliches Beispiel: Ich bin fertig studierte Psychologin und arbeite aktuell als Doktorandin. Nach meiner Promotion werde ich mit einem Dr-Titel vor meinem Namen die Therapeutenausbildung beginnen und nichts verdienen (und zwar tatsächlich 0 Euro) sondern mich verschulden.
    Dass das eine Frechheit ist (und nicht zu vergleichen mit einem Pflegepraktikum), erklärt sich doch von selbst. Natürlich haben auch Psychologen während des Studiums unentgeltlich Praktika geleistet.
    Aber hier geht es um die Weiterbildung _nach_ dem Studium.

    • flame81 22. Februar 2013 / 09:00

      Das Psychologie-Studium dauert 5 Jahre. Das Medizinstudium ohne PJ dauert 5 Jahre. Als PJler hat man das komplette Studium und zwei Staatsexamina hinter sich, wird idR als volle ärztliche Kraft eingerechnet und eingesetzt (inkl. Alleinverantwortung für ganze Stationen) und man hat auch keinen Anspruch auf irgendeine Form von Lehre, sondern ist einzig vom Goodwill des Chefs abhängig. Ich kenne auch Fälle, da haben sich die Chefs am Ende einen Tertiärs geweigert dieses abzuzeichnen ohne das es einen Grund gegeben hätte. Ich sehe da keinen Unterschied zu den Psychologen und der psychotherapeutischen Weiterbildung.

      • Solo 23. Februar 2013 / 19:34

        Findest du den Fressneid hilfreich?

  3. Enibas 20. Februar 2013 / 13:32

    Ich finde das sind gute Nachrichten. Bleibt nur zu hoffen, dass sich das dann auch allgemein durchsetzt. Ich empfand es schon lange als unfair, dass PIAs oft, wenn nicht sogar in der Regel nichts vergütet bekommen.

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