Liebe Psychoszene!
In den letzten Jahren haben sich viele von Euch angewöhnt, bei jeder mittleren Belastung eine “Traumatisierung”, bei Schwierigkeiten eine “schwere Traumatisierung” und bei ernsthaften Widrigkeiten eine “schwerste Traumatisierung” zu sehen und das den Leuten auch mit genau diesen Begriffen ins Gehirn zu brennen.
Nun fangen Gedanken, Gefühle und Selbstbilder aber eben mit Worten an, und diese formen unsere inneren Konzepte. Es ist daher wichtig, mit Worten sorgsam und differenziert umzugehen. Manche Dinge im Leben sind einfach
- doof
- unangenehm
- lästig
- mühselig
- unerfreulich
- anstrengend
- belastend
- eine schwere Kindheit
- Stress am Arbeitsplatz
- erschreckend
- erschütternd
- schwierig
- verstörend
- beängstigend
- besorgniserregend
- schlimm
- furchtbar
- schrecklich
- dramatisch
- oder ein großer Verlust.
In diesen Fällen bitte diese Worte verwenden.
Andere Dinge sind “traumatisierend”. Bitte in diesen Fällen und nur in diesen Fällen diesen Begriff in die Menschen einpflanzen.
Der Begriff “traumatisiert” ist wie sehr viele vom professionellen System verwendete Worte eine mechanistische Analogie zu physikalischen oder körperlichen Prozessen. Das Trauma kennt man in der Medizin ursprünglich von Unfällen, in denen ein oft schwerer mechanischer Gewebedefekt entsteht. Dieser kann heilen, verheilt aber oft nicht vollständig, das heißt, der Begriff impliziert die Vermutung der teilweisen Irreversibilität. 1990 wurde der Begriff der “Psychotraumatologie” in die Welt gesetzt. Und dieser Begriff hat auch seine Berechtigung. Es gibt singuläre und es gibt wiederholte Ereignisse, die eine gesunde Psyche so erheblich verletzen, dass selbst nach einer langen Heilung nicht sicher ist, ob nicht Narben oder Funktionseinbußen zurückbleiben.
Aber man darf nicht übersehen, dass die menschliche Psyche eben keine starre Maschine ist und daher sehr weitreichende Möglichkeiten hat, zu heilen und sich neu zu organisieren. Wenn einem ein Hai in die Wade beißt und ein Stück Muskelfleisch herausreißt, wird diese Wade auch nach langer Heilung nicht mehr so aussehen, wie vorher. Auch nach einer psychischen Verletzung ist man nachher nicht unbedingt derselbe wie zuvor. Vielleicht ist man aber stärker, bewusster und auf die eine oder andere Art “gewachsen”.
Von vielen wird der Begriff “Traumatisierung” mit einem sehr negativen Script verknüpft. Das Script enthält oft die Elemente Opfer, Irreversibilität und dem sich Abfinden mit Funktionseinschränkungen. Das kann manchmal richtig sein, oft ist es aber auch unpassend.
Ich möchte daher jeden bitten, anderen Menschen den Begriff und das Konzept der “Traumatisierung” nur noch dann ins Gehirn zu pflanzen, wenn er zuvor mindestens 15 Sekunden darüber in Ruhe nachgedacht hat und alle milderen Alternativen aus gutem Grund verworfen hat. Und in diesem Fall soll er eine angemessene Hilfestellung anbieten.
Alles andere kann traumatisierend wirken.
Wenn körperlich Einschränkungen zurück bleiben, bleibt die Psyche auch traumatisiert? Und wünscht sich den Zustand vor dem Unfall wieder?
Rational denke ich, damit kann ich leben, aber es wühlt mich trotzdem auf, wenn ich dran denke was ich nicht mehr bzw. Nicht mehr so wie früher tun kann. Was dann?
Traumatherapie und Medikamente laufen
DANKE DANKE DANKE! Habs schon oft genug erlebt daß auch psychiatrische Chefärzte den Unterschied zwischen einer Anpassungsstörung und einer Akuten Belastungsstörung bzw einer PTSD nicht kannten. Hilfreich kann es schon sein mal einen Blick in ICD10 oder DSMIV bezüglich der Ursachen einer „Traumatisierung“ zu werfen, so schlecht ist die Definition nicht.
Allerdings ist’s für das Ego des Behandlers natürlich schon besser, wenn er einen traumatisierten Patienten behandeln darf als wenn er ihn „nur“ durch eine mühselige / schwierige / versörende Zeit begleiten. Und bei manchen Psychotherapeuten (nicht nur ärztliche oder psychologische) hat man sogar den Eindruck daß als vollwertiger Psychotherapeut nur gilt, wer mit traumatisierten Patienten arbeitet…
Es ist Konsens das Folter bei den meisten Menschen zu einer Traumatisierung führt.
Der UN-Sonderberichterstatter über Folter, Juan E Méndez, beim UN-Hochkommissariat für Menschenrechte hat in der 22. Sitzung des „Human Rights Council“ am 4. März 2013 Zwangsbehandlung in der Psychiatrie zu Folter, bzw. grausamer, unmenschlicher oder entwürdigender Behandlung erklärt hat.
Zitatanfang:
States should impose an absolute ban on all forced and non-consensual medical interventions against persons with disabilities, including the non-consensual administration of psychosurgery, electroshock and mind-altering drugs, for both long- and short- term application. The obligation to end forced psychiatric interventions based on grounds of disability is of immediate application and scarce financial resources cannot justify postponement of its implementation.
Zitatende
Siehe:
Klicke, um auf march_4_torture.pdf zuzugreifen
(Seite 5)
Siehe auch
http://www.folter-absschaffen.de
Was ist denn das für ein nettes Bild? O_O ^^
ein „richtiges“ TRAUMAbild eben …
DAS ist ein Trauma, das wohl eine Narbe hinterlassen wird… (Ich weiß auch nicht, was da schief gegangen ist…)
*g*
Stimmt 😉
Böse Zungen behaupten, je schockierender das Bild, desto höher die Klicks *unschuldiges pfeifen*
danke, danke!
ich erlebe beruflich-therapeutisch auch immer wieder, das jede unbill des lebens als trauma bezeichnet wird. ist es aber nicht!
selbige begriffsverwaschung (und damit abschwächung der tatsächlichen definition und tatbestandes) findet übrigens mit dem wort „vergewaltigung“ statt und stösst seit jahrzehnten bei mir auf großen ärger!
eine rose ist eine rose ist eine…….
Wenn Sie sich mit Worten so gut auskennen, dann können Sie ja auch mal Vordenker für Ihre Kollegen sein:
Das „Recht“ der Zwangsbehandlung nach § 1906 BGB ist ein „Recht“ des Betroffenen (auf das viele gerne verzichten möchten und größtenteils ja auch können). Es ist kein „Zwangsbehandlungsrecht“ des die Behandlung empfehlenden Arztes.
ich stimme zu, fürchte aber auch das gegenteil – bagatellisierung bei bestehenden traumatisierungen…
Hallo,
ich stimme dem zu – allerdings finde ich auch, daß es eben auch oft das Gegenstück nämlich die Bagatellisierung von Traumatisierunge gibt.
Ich selbst bin 23 Jahre alt und bin u.a., aber es ist einer der Hauptgründe wegen massivem Mobbing in der Schule von der Grundschule an (!) und das durchzieht meine komplette Schullaufbahn – was immerhin 11 Jahre waren, 5 Tage die Woche -komplex traumatisiert. Ich hatte keinerlei Rückhalt weder von meiner Familie oder der Schule. Ich hatte nie Freunde und war grundsätzlich immer allein. Mal abgesehen davon, dass „Missgeburt “ und „Hässlichster Mensch der Welt“ u. a. Worte waren, die ich täglich in der Schule hörte, gab es eben auch körperliche Auseinandersetzungen und massive Ausgrenzung. Meine Symptome entsprechen der einer komplexen PTBS mit dissoziativen Störungen. Ich hab damals die Schule abgebrochen, weil es einfach nicht mehr ging. Heute in ich in der Ausbildung zur Kauffrau für Büromangement und werde im Oktober in eine traumaspezifische Fachklinik gehen, weil ich einen Notendurchdchnitt von 5,2 habe. Ich bin nicht beschulbar.
Und das alles eigentlich nur, weil es immer hieß ich solle „einfach“ wieder in die Schule gehen und „Das bildet Die sich alles nur ein – war doch nicht schlimm!“ Niemand kann sich anscheinend vorstellen, wie schlimm es ist belächelt zu werden nur, weil man mehr emotionalen Mißbrauch und Mißhandlungen als Trauma hat…
Ich traue mich nicht mal mehr das Thema mit der Schule in der Klinik anzusprechen – war ja nicht so schlimm! – ich schäme mich dafür. Ich bin so „anders“. Im schlimmsten Fall belächelt man mich dort auch noch.