Kann Ritalin eine Substitutionsbehandlung für Kokainabhängige werden?

Langjährig Opiatabhängige, die trotz mehrerer Therapieversuche kein opiatabstinentes Leben mehr schaffen, werden fast weltweit in schönem Einvernehmen mit Methadon oder Polamidon behandelt. Diese Substanzen substituieren das Opiat, dessen Entzug sonst dauerhaft unaushaltbar sein kann, ohne ein ausgeprägtes Glücksgefühl zu vermitteln. Methadon und Polamidon haben eine Halbwertszeit von etwa einem Tag, so dass sie keinen Kick machen, aber 24 Stunden wirken.

Für Kokainabhängige gibt es bislang keine etablierte Substitutionstherapie. Dabei drängt sich pharmakologisch ein Wirkstoff auf: Retardiertes Methylphenidat aktiviert sehr ähnliche Rezeptoren und Netzwerke, wirkt aber länger und führt daher zu einer dauerhaften Besetzung der entsprechenden Rezeptoren, ohne bei Einnahme einen Kick zu verursachen.

Dies ist pharmakologisch sehr analog der Methadonsubstitution bei Opiatabhängigen.

Dieser Artikel im JAMA beschreibt eine sehr lesenswerte Studie, die in der funktionellen Bildgebung Hinweise darauf findet, dass Methylphenidat bei Kokainsüchtigen bestimmte neuronale Aktivierungen normalisiert.

Klinische Studien hierzu gibt es noch nicht, aber sollte es sich zeigen, dass Methylphenidat (z.B. Ritalin®) in der Lage ist, Kokainabhängige durch Substitution in die Lage zu versetzen, vom illegalen Markt Abstand zu nehmen und sollten sich ähnlich positive Auswirkungen zeigen, wie sie die Opiatsubstitution zeigt (weniger Beschaffungskriminalität, weniger körperliche Erkrankungen, besserer Weg ins Hilfesystem…), dann könnte für bestimmte Patienten viel gewonnen sein.

Quelle: http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/54971/Ritalin-koennte-gegen-Kokainabhaengigkeit-helfen

9 Gedanken zu “Kann Ritalin eine Substitutionsbehandlung für Kokainabhängige werden?

  1. wjl 29. Juni 2013 / 11:41

    Anmerkung:
    Eine kurze MedLine-Suche ergibt eine größere Anzahl an Artikeln zu Desipramin als erfolgversprechendes Präparat bei Kokain-Entwöhnung. Man könnte mutmaßen daß das an der größeren Rolle von Noradrenalin bei Kokain liegt (verglichen mit den Amphetaminen und deren Derivaten).
    Keine Ahnung ob sich die Menge der Artikel mit der tatsächlichen Anwendung deckt – falls ja wäre das immerhin eine Erklärung dafür warum Desipramin sich in Nord-Amerika nach wie vor großer Beliebtheit erfreut obwohl es in Europa mehr oder weniger komplett vom Markt verschwunden ist.
    Meiner Meinung nach auch bei Depression ein unterschätztes Präparat da bei vielen Patienten die übermäßige Sedierung durch Antidepressiva beklagt wird.
    Es ist auch über die meisten internationalen Apotheken ohne Schwierigkeiten zu beziehen und wird in begründeten Fällen auch von den gesetzlichen Kassen erstattet.

    • Psydoc 30. Juni 2013 / 17:00

      Gibt es das in Deutschland noch? Bei uns in der Schweiz nicht mehr.

      Davon abgesehen existieren bei einer Depression mit ausgeprägter Antriebsschwäche durchaus modernere Alternativen: Wellbutrin z.B. wird nach meiner Erfahrung meist gut vertragen, hat praktisch keine Absetzproblematik und ist bei vorwiegend antriebslosen Patienten oft als alleinige Medikation ausreichend. Wenn dennoch eine serotonerge Wirkung benötigt wird, bieten sich u.a. Cymbalta oder Efexor an, wobei gerade letzteres eine erhebliche Absetzproblematik mit sich bringt.

  2. Kae 3. Juli 2013 / 08:49

    Auf die Gefahr hin das es eine dumme Frage ist…

    Ich hab mal gelesen, ich glaube in einer Fachzeitschrift für Psychologie, dass Ritalin sehr wohl in einem bestimmten Maß abhängig machen soll? Das es total unsinnig wäre es mit 18 abzusetzten, da es Menschen gibt die ein Leben lang an den Symptomen von ADS oder ADHS leiden? Gibt es dazu Studien?
    Sollte das nicht stimmen, dann ist es natürlich ne prima alternative in der Substitutionsbehandlung. Sonst wäre es als würde man den Süchtigen helfen von einer Sucht in die nächste (vielleicht nicht ganz so schlimme) Sucht zu schlittern.

    Ich bitte meine Unwissenheit zu entschuldigen, ich werde Sozialarbeiter und interessiere mich einfach nur am Rande für Medizin.

    • Psydoc 3. Juli 2013 / 21:51

      Dumme Fragen gibt es nicht, jedoch solche, die nicht ganz leicht zu beantworten sind. Was ist schon „Abhängigkeit“?

      Eine körperliche Abhängigkeit von Methylphenidat gibt es nicht, ebenso verursacht die Substanz gewöhnlich keinerlei „Absetzbeschwerden“.

      Psychisch sieht das schon etwas anders aus, insbesondere wenn es missbraucht wird. Zum einen können zumindest die unretardierten Formulierungen ohne weiteres zerstossen und nasal als Speed- oder Cocainersatz konsumiert werden, auch eine Umwandlung zur (rauchbaren) Freebase ist einfach möglich.
      Zum anderen wird Methylphenidat recht gerne zum sogenannten Neuro-Enhancement missbraucht. Immer wieder kommen Patienten, die sich bereits selbst mit einer ADHS diagnostiziert haben und regelmässig auch direkt einen Medikationsvorschlag unterbreiten. Es ist mitunter faszinierend, wie ausführlich diese Patienten über das Krankheitsbild informiert sind, mir stellt sich dann immer die Frage, ob ein tatsächlich ADHS-Betroffener zu derart umfangreichen Recherchen überhaupt fähig wäre…“Drug-Seeking Behaviour“ im Lehrbuchbeispiel!
      In diesen Fällen wird sich früher oder später natürlich eine psychische Abhängigkeit einstellen.

      Bei einer Substitutionstherapie sind derartige Überlegungen ohnehin nicht verfänglich, natürlich wird hierbei letztlich eine Substanz nur durch eine andere ersetzt, aber das ist ja auch Sinn der Sache: dem Abhängigen soll schlicht aus der Illegalität geholfen und das zusätzliche Risiko durch unreinen „Stoff“ vermindert werden, indem man den legalen Bezug pharmazeutisch reiner Substanzen aus der Apotheke ermöglicht.
      Hinzu tritt die spannende Frage, hinter wie vielen Fällen von Cocain- oder Amphetaminmissbrauch sich letztlich Selbstmedikation einer ADHS verbirgt.

  3. Jakup Bayrak 27. April 2016 / 12:02

    Hab methaentzg sei 10 o. 11 Tagen auf Null.in 4 Wochen von 8 ml af 1 ist OK.aber jetzt hab ich vorr paar ritalintabletten gekauft.es war auch ritalin aber jetzt kommt mir das wie ein turboenzug vor!!!!!Gruß J.

  4. Jakup Bayrak 27. April 2016 / 12:08

    Ich habe lyricbei Methadon reduziert, also Metha langsam runter aber ich hab an den schweren St lyrica ,so min 300 bis 500 gekommen.jetzt seit 11 Tagen ohne Methadon ,nehme aber das ritalin ab und zu bei Bedarf. ZUSÄTZLICH bin ich auf 8 mg rivothril eingestellt weil ich mir dachte eins nach dem anderen

  5. Jakup Bayrak 27. April 2016 / 12:10

    Kann mir einer sagen was mit mir los ist?

  6. David Nikkels 13. Mai 2016 / 17:11

    Hallo Jakup, bei einem Turboentzug könntest du nicht mehr schreiben… Du bist wohl einfach nur aufgedreht, mehr Ritalin genommen als nötig,dazu Lyrica und bestimmt noch Bier… Das verträgt sich nicht! Eins nach dem anderen ist mMn. einfacher und Methadon ist schwer genug von weg zu kommen, bin auch gerade dabei… Lyrica ist das beste Mittel dafür, wirkt aber scheinbar nicht bei jedem. Vielleicht schreibst du in ein paar Monaten mal, ob du’s geschafft hast, viel Erfolg!

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