Authentizität versus Neutralität

Eine Grundsozialisation in der Psychotherapie lautete früher, dass der Psychotherapeut sich “Neutral” zu geben habe, das heißt, dass er alles, was der Patient ihm sagte, wie eine weiße Projektionsfläche auf sich scheinen ließ, ohne es zu bewerten, ohne eine eigene Stellung zu beziehen und ohne sich selbst zu positionieren. Erlaubt waren lediglich gleichschwebende Akzeptanz und uneingeschränktes Verständnis. Explizit gewünscht war und ist immer noch die “Validierung von Gefühlen”, also etwa die Aussage: “Ich kann sehr gut nachempfinden, dass sie sich hierdurch verletzt gefühlt haben.” Also grundsätzlich Zustimmen, Akzeptieren und sich selbst und seine eigenen Wertungen zurückhalten.
Freud hat das noch so durchgezogen.

Aber in einer heutigen Einzeltherapie muss man sich schon oftmals fragen, ob man dem Patienten mit dieser “Therapeutischen Abstinenz” wirklich den größten Dienst erweist.

Spätestens in der Paartherapie wird man aber regelmäßig auf die Probe gestellt, wenn die beiden Partner grundsätzlich unterschiedliche Varianten ein- und derselben Geschichte berichten. Dann beginnt der Therapeut gerne einen gewissen Eiertanz: “Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Sie, Hr. X, sich ungerecht behandelt gefühlt haben, und zugleich Sie, Fr. X, das Gefühl gehabt haben, ihr Mann habe übertrieben reagiert…”
Kann man alles machen.

Aber dann gibt es irgendwann mal Situationen, zu denen man eine nicht zu leugnende innere Haltung hat, die man auch ganz gerne äußern würde. Extrembeispiel: Hr. X schlägt seine Frau. Da möchte ich dann nicht mehr sagen: “Hr. X, ich kann mir sehr gut vorstellen, dass sie sich immer, wenn sie betrunken sind, von alltäglichen Aussagen ihrer Frau gekränkt fühlen, und dann einfach mal zuschlagen.”

Spätestens hier ist jeder automatisch einverstanden, dass es mit der Neutralität auch so seine Grenzen hat, und dass jetzt mal “Authentizität” gefragt ist; also schlicht und ergreifend zu sagen, was man wirklich empfindet und denkt.

Authentizität gilt auch ganz grundsätzlich als gut und richtig. Aber, um mal die Wahrheit zu sagen, “Authentizität” auf der einen Seite und “Neutralität” oder “Therapeutische Abstinenz” auf der anderen Seite, schließen sich oft aus.

Ich selbst finde schon, dass man das, was einem ein Patient sagt, erst mal so annehmen soll, wie er es sagt. Auch Validierung ist gut, wo sie angemessen ist. Und eine Paartherapie kann man nicht sicherer an die Wand fahren, als indem man sich auf die Seite des einen und gegen den Anderen schlägt.

Aber wenn Sie mich fragen, sollte nach einem Zugang unter den Zeichen der Neutralität dann eine wertschätzende Authentizität folgen. Sonst kann ich als Patient doch gleich mit einer Flasche Weichspüler sprechen. So viel Mut darf man meiner Erfahrung nach als Psychotherapeut ruhig zeigen. Wenn ich mir einen Psychotherapeuten aussuchen müßte, würde ich höfliche und wertschätzende Umgangsformen voraussetzen. Und dann sollte er ehrlich zu mir sein. Authentisch. Das hielte ich schon aus.

Ich glaube, dass Therapien sehr oft genau dann vorwärts kommen, wenn die beiden Menschen, die in der Therapie zusammen kommen (Patient und Therapeut), ehrlich zueinander sind. Wertschätzend und ehrlich.

Welche Erfahrungen habt ihr mit Psychotherapeuten gemacht? Was ist oder wäre Euch wichtig?

21 Gedanken zu “Authentizität versus Neutralität

  1. Tired 16. Januar 2014 / 19:56

    Also ich habe mit meinem Therapeuten echt Glück gehabt.
    Er ist neutral wenn Neutralität sinnvoll ist, aber auch sehr oft authentisch, meist kann ich ihm sehr genau ansehen was er zu der ein oder anderen Sache denkt (wohl auch weil wir uns schon recht lange kennen) und gerade das macht ihn sympathisch. Er ist aber auch ehrlich zu mir, auch wenn er mal anderer Meinung ist, etwas anders sieht, allerdings vermittelt er das ganz geschickt (halt neutral) so das man sich auch nicht auf die Füße getreten fühlt.

    Was mir sehr geholfen hat die Therapie überhaupt solange durchzuhalten ist der Faktor Humor, da sind wir so ziemlich auf einer Wellenlänge und das hat schon so manche Therapiestunde aufgelockert. Anfangs war er extrem neutral und ich hatte da echt Probleme mit klar zu kommen, aber durch die Entdeckung das wir in Sachen Humor sehr ähnlich ticken ist dann vieles nicht mehr so schwer gefallen. Ich bin der Meinung das jeder Therapeut auch mal eine Stunde einfach zum erzählen und lachen reservieren sollte, gerade wenn es vorwiegend um ernste Themen geht, findet man dadurch ein besseren Zugang, zueinander. Das steigert auch ungemein das Vertrauen vom Klienten in den Therapeuten und wirkt auch auflockernd, besonders wenn es über längere Strecken um aufwühlende Themen geht, finde ich. Natürlich funktioniert das auch nur wenn beide auch einen ähnlichen Humor haben, ansonsten sollte man es dann wohl doch lieber lassen.

    Wahrscheinlich würden die meisten Therapeuten eine etwas aufgelockerte Sitzung auch eher als verplempern von Therapiestunden sehen, oder es lassen weil es Schwierigkeiten mit dem finden des richtigen Maßes, an entspannter Atmosphäre, gibt. Mir persönlich hat das eher Mut gemacht auch mal was anzusprechen was ich sonst sicher nicht erwähnt hätte, bei einem absolut neutralen Therapeuten würde ich es wahrscheinlich auch nicht so lange aushalten, denn es ist wirklich so, mit einem Weichspüler hätte ich dann wahrscheinlich ähnliche Gespräche.
    Ich brauche auch einfach bestimmte, ehrliche Reaktionen um weiter zu machen.
    Wenn da eine ewig neutrale Mine ist, dann habe ich das Gefühl das da auch kein ehrliches Feedback kommen kann und ohne das würde mir eine Therapie doch recht sinnlos erscheinen.
    Ich habe auch festgestellt das unerfahrenere Therapeuten meist jene sind die sehr auf Neutralität achten und fast nach Lehrbuch vorgehen, bei den Erfahreneren fließt mehr Individualität mit ein, die Therapie orientiert sich stärker an dem Klienten als am Lehrbuch, Es gibt halt mehr Erfahrungswerte die mit einfließen und das auf eine sehr flexible Weise, was unerfahrenere oft sogar unbedingt zu vermeiden suchen, das erscheint dann alles ein bisschen klinisch.

  2. wunschleben 16. Januar 2014 / 20:00

    Vor- und Nachteile sehe ich in dieser Authentizität. Ich schätze sie an meinen beiden Therapeuten sehr. Und ja, auch ich habe das Gefühl auch (!) deswegen komme ich in dieser Therapie sehr viel mehr vorwärts, als in allen bisherigen.
    Die andere Seite der Medaille ist allerdings, dass die therapeutische Abstinenz darunter leiden kann. Dies ist mir so passiert… In meinem Blog habe ich (allerdings PW geschützt) darüber geschrieben und dort auch verarbeitet.
    Natürlich brauchte es mehr als nur Authentizität um diese Krise auszulösen, aber sie spielt doch eine grosse Rolle. Mitfühlen und sich einfinden gehört eben dazu um authentisch zu sein. Dieses mitschwingen war dann wohl auch schlichtweg zuviel…
    Trotzdem bin ich weiterhin pro…

  3. Yezrel 16. Januar 2014 / 21:13

    Wertschätzung und Authentizität – genau das waren meine Bedingungen an meinen Therapeuten. Er war mir zu nett, das nervte mich. Ich konnte ihm diese übertriebene Freundlichkeit nicht abnehmen. Deshalb setzte ich diese Regeln. Ich möchte Ehrlichkeit, aber dies mit Wertschätzung, weil das auch mein Motto ist anderen gegenüber. Mittlerweile weiß ich nicht so recht: Vielleicht ist er ja wirklich so nett und kann nicht anders. Aber es wird langsam besser mit ihm!! Er kommt langsam runter von der „Patientenidealisierung“.

  4. Eva Graz 17. Januar 2014 / 04:06

    Was hilft überhaupt JEDE art von psychotherapie, wenn authentizität nicht gegeben ist?
    für mich undenkbar… und das UM und AUF in der psychotherapie. ich hab lieber negative rückmeldungen (die von therapeuten doch recht gut rübergebracht werden können…) -als ich spüre, dass das, was der/die sagt.. aufgesetzt ist..

    HERZLICH
    Eva

  5. Nadjeschda 17. Januar 2014 / 10:59

    Neutral geht gar nicht…
    wie auch schon geschrieben wurde – wertschätzend muss es sein! Und ehrlich. Da muss auch wer hinterstehen.
    Ganz ehrlich…sonst könnte ich mich doch auch mit ner Maschine unterhalten…
    Und ganz genau so hab ich mich früher immer gefühlt. Bei meiner jetzigen Therapeutin ist das zum Glück anders! Und es ist das allererste mal, dass ich denke, dass mir die Therapie wirklich helfen kann!!

  6. Anna 17. Januar 2014 / 13:02

    Ich war vor nun fast 10 Jahren bei einem Psychater da mir im Studium alles zu viel, ich dauernd niedergeschlagen war, Konzentrationsschwierigkeiten hatte und einfach keine Perspektive mehr sa….
    Den Therapieversuch mit Medikamenten habe ich nach einem Monat beendet da die Nebenwirkungen (ich hab 16 Stunden geschlafen und war den Rest der Zeit kaum in der Lage auch nur einzukaufen) für mich schlimmer als die psychischen Probleme ohne Medikamente waren.

    Der Therapeut war extrem neutral…… das hat in mir das Gefühl erweckt gegen eine Wand zu reden,…. ich wollte Möglichkeiten finden mit der Situation zurecht zu kommen, für Selbstgespräche oder ausheulen wäre kein studierter Ansprechpartner notwendig gewesen.

    Eine einzelne Therapiestunde ist mir allerdings immer noch in positiver Erinnerung: Kurz vor dem Prüfungstermin in Anatomie (als Humanbiologe bei den Medizinern abzulegen) war ich vollkommen verzweifelt und verängstigt: Da hat es mir ungemein geholfen ein paar Anatomiefragen gestellt zu bekommen, mit der anschließenden Bemerkung: Klingt ja ganz gut, kein Grund zu verzweifeln. 😉

  7. Psychotante 17. Januar 2014 / 14:58

    Aus meiner therapeutischen Sicht versuche ich ebenfalls eine Balance hinzubekommen. Ich hoffe, wertschätzend und annehmend zu sein, aber auch authentisch. Mein Glück bzw. Pech dabei – ich bin ein sehr schlechter Lügner, wenn ich Dinge sagen würde, die ich nicht meine, merkt man mir das (und vor allem meine Patienten!) sofort an… Andererseits ist es mir wichtig Entscheidungen und Verhaltensweisen meiner Patienten akzeptierten, die ich anders getroffen hätte.

    Den Beitrag von Tired find eich sehr schön und anregend – denn genau diese auflockern mag ich auch sehr – ich gehe z.B. immer mal wieder gern mit meinen Patienten spazieren. Und es ist für mich seeehr spannend zu lesen, wie soetwas auch ankommt.

    • Rommy 27. Dezember 2022 / 20:53

      Das wäre mir viel zuviel.Ich komme mit dieser ,,erzwungenen nähe „gar nicht klar und denke deswegen über den Abbruch meiner Therapie nach.Ich brauche ein neutrales gegnüber und niemand,der immer wieder rote Augen bekommt oder sich rückversichert, ob er mich nervt oder mir zuviel ist,Ich bin nicht dort,um einen Freund zu finden,sondern um meine vielen Traumata zu bearbeiten.
      Ich finde diese ,,Therapeutische Beziehung“ problematisch.Ich möchte mich nicht auf so einer ebene näher auf jemanden einlassen,ich sehe darin auch keinen sinn.Wenn ich mit Husten zum Hausarzt gehe,dann behandelt er meinen Husten,nicht mehr und nicht weniger.

  8. Jorinde von Undzu 18. Januar 2014 / 18:00

    Ich erwarte von einem Therapeuten Ehrlichkeit, dann bin ich in der Lage meine Probleme zu erkennen. Auf diese Art wird mir am besten geholfen. Zur Zeit bin ich in einer Therapie, wo mir diese Ehrlichkeit sehr fehlt. leider……

  9. Marmotta 18. Januar 2014 / 18:46

    Neutralität und Therapeutische Abstinenz bedeuten meiner Meinung nach nicht, dass der Therapeut dem Patienten uneingeschränktes Verständnis gegenüber signalisiert. In der Psychoanalyse ist es wichtig, dass der Analytiker sich zurücknimmt, damit sich nicht die Probleme des Analytikers mit denen des Analysanden vermischen. Das bedeutet aber nicht, dass der Analytiker alles kritiklos stehen lässt. Es gibt verschiedene Techniken, um dem Analysanden die Augen zu öffnen und ihn begreifen zu lassen, worin das Problem liegt.

    Bei dem Beispiel von der Paartherapie könnte man zB den Partnern den Spiegel vor die Augen halten, indem man ihnen – ohne zu werten – ihren Konflikt aus neutraler Sicht erzählt. Wenn man sich jedoch auf die Seite eines der beiden Partner stellt, so ist man nicht mehr neutral. Und genau diese Gefahr besteht, wenn man als Therapeut authentisch sein will.

    Wenn der Therapeut dem Mann, der seine Frau schlägt, die Meinung sagt, dann wird dieser Mann nicht mehr über sein Problem sprechen. Denn wenn er sich zu einer Psychotherapie entschlossen hat, dann weiß er, dass sein Verhalten nicht richtig ist, denn er will dieses ändern. Statt ihm gehörig die Meinung zu sagen, sollte man ihm neutral und ohne zu werten helfen, den Grund für sein Verhalten herauszufinden. So könnte man ihn fragen, wodurch er sich konkret provoziert gefühlt hat.

    Ich denke, je mehr ein Therapeut sich persönlich in eine Therapie einbringt, um so schwieriger wird es für den Patienten, seinen eigenen Weg zu finden. Und um so schwieriger wird es auch, über die tieferen Probleme zu sprechen. Dann bleibt alles oberflächlich.

    Ich mache selbst gerade eine Psychoanalyse und empfinde es als sehr hilfreich, dass meine Analytikerin mir neutral begegnet, dass sie niemals wertet, dass sie mich nicht kritisiert. Statt dessen hilft sie mir, meine Probleme selbst zu erkennen, Zusammenhänge zu verstehen und eigene Lösungen zu finden. Würde meine Analytikerin mich direkt kritisieren, wäre ich nicht mehr in der Lage, mich der freien Assoziation hinzugeben und alles zu sagen, was mir gerade einfällt. Dann bliebe Vieles, für das ich mich schäme, ungesagt. Dann könnte dich diese Probleme nicht bearbeiten.

    Jeder Mensch ist anders, für jeden ist eine andere Methode die Richtige. Ich sehe bei mir die Erfolge. Ich habe mich deutlich verändert, die meisten meiner psychischen Probleme haben sich weitgehend aufgelöst, ich bin selbstbewusster und ruhiger geworden. Ich bin einfach nur begeistert von dieser Methode. Und ich bin sicher, ich hätte das in einer Verhaltenstherapie mit einem Therapeuten, der mir „authentisch“ begegnet, niemals erreicht.

  10. Caldwhyn 20. Januar 2014 / 16:22

    Ich möchte mich ganz integrativ ein wenig gegen den wahrgenommenen „Gegensatz“ zwischen Authetizität und Neutralität wenden. Auch wenn mich als Verhaltenstherapeut dieser wahrgenommene Gegesatz nicht so sehr stört, glaube ich doch, dass die Kollegen aus der Gesprächstherapie hier wiedereinmal gequält zusammenzucken würden.
    Authentizität geht ja auf Carl Rogers zurück (jedenfalls wird es idR auf ihn zurückgeführt), aber sagt eben nicht aus, dass ich als Therapeut dem Klienten gegenüber alle meine Gefühle ungefiltert und „authetisch“ in die therapeutische Beziehung einbringen soll.
    Vielmehr wird doch anders herum ein Schuh daraus: Was Rogers mMn mit der Forderung der Athetizität (eigentlich ja: Kongruenz) bezweckte, war, den Therapeuten zu vermitteln, dass ein gespieltes oder professionelles Interesse von einem guten Teil der Patienten wahrgenommen wird und wir uns daher um ein echtes Interesse bemühen und wenn wir emotionale Reaktionen in der Therapie nutzbar machen wollen, nur auf echte emotionale Reaktionen beziehen sollten.
    Natürlich ist das dann immer noch nicht neutral, aber für mich wird der Widerspruch so doch kleiner.
    Und in den 3rd wave Verfahren bzw. den integrativen Verfahren die ja doch immer stärkere Verbreitung finden (DBT, CBASP, Schema ect.) gibt es ja immer häufiger eine Möglichkeit, die eigene emotionale Reaktion für den Patienten sichtbar zu machen. Wobei CBASP es mit der Bezeichnung denke ich am besten trifft: DPI, disciplined personal involvement. Diszipliniertes persönliches Einbringen. Dafür kann man sich durchaus auch mal die Erlaubnis des Klienten holen: „Möchten Sie wissen wie diese Aussage auf mich wirkt, was die bei mir auslöst?“.
    Und in anderen Situationen ist unconditional acceptance angesagt und wichtig und hilfreich für den Klienten, vor allem natürlich in der Phase des Beziehungsaufbaus. Und die ist dann aber bitte wieder authentisch.

    Und um mich diversen Vorrednern anzuschließen – ich empfinde das doch eher mittelbare Feedback über beispielsweise Einträge hier im Blog und die Kommentare von Patienten als eine sehr wichtige Informationsquelle, vielen Dank allen, die sich hier beteiligen!

  11. Anna_Cranach 23. Januar 2014 / 00:23

    uuups, da schreibt noch jemand unter dem Namen Anna Kommentare

    OK, ab jetzt nenne ich mich Anna_Cranach

    Ich fand meinen Therapeuten irritierend „neutral“. Irgendwie hätte ich mich manchmal genausogut mit der Wand unterhalten können.

    Besonders komisch fand ich es, wenn ich gute Laune hatte und einen Scherz gemacht habe. Entweder kam da garkeine Reaktion oder nur ein nicht interpretierbares Kopfschütteln ohne weiteren Kommentar. Meistens kam garkeine Reaktion.

    Normalerweise wenn ich einen Scherz mache, dann
    – lachen die Leute entweder mit
    – oder sie sagen mir, dass sie das überhaupt nicht witzig finden
    – oder sie sagen mir, sie verstehen den Witz nicht, ob ich ihn erklären könnte ? (typisch für Insiderwitze)

    aber da kam garkeine Reaktion.

    Geht der zum Lachen in den Keller ?

    Oder ist dieses Verhalten irgendwie „therapeutisch“ ?

  12. Tired 23. Januar 2014 / 09:19

    Mein Therapeut hat die ersten Stunden auch nicht gelacht und sehr wenig geredet.
    Das fand ich auch ziemlich unangenehm, besonders wenn mir nix eingefallen ist, zum reden.;-)
    Als wir uns besser einschätzen konnten wurde es aber viel lockerer, ich denke mal weil er dann auch meinen Humor usw. einschätzen konnte und nicht befürchten musste durch eine lockere, oder persönlichere Äußerung in ein Fettnäpfchen zu treten, ganz besonders in Sachen Humor wo es ja durchaus zu Empfindlichkeiten kommen kann und umgekehrt war es natürlich genauso.
    Jedenfalls ist dann manch Zeit nur der tiefschwarze Humor gepflegt und gelacht worden und ich glaube gerade durch diese Humorschiene habe ich mehr über mich preis gegeben als wenn es nur starre Gespräche gewesen wären. Ich denke manche Begebenheiten kann ich auch einfach nur mit einem gewissen humoristischen Touch erzählen, zu viel Ernsthaftigkeit wirkt bei mir eher blockierend, weil es dann einfach zu nah ist.
    Ich war auch schon bei anderen Therapeutinnen, da habe ich auch viel erzählt, aber nie das Wesentliche und deren Humor war auch sehr kontrolliert, was sicher mit ein Grund dafür war das mir diese Stunden nichts gebracht haben, auch weil bei einer lustig gemeinten Äußerung rein gar nichts zurück kam. Bei einer bin ich sogar hinauskomplimentiert worden, weil sie meine Ironie für bare Münze nahm und sie sich wohl nicht vorstellen konnte das jemand mit Problemen Humor haben kann und ihr war die Art meines Humores wohl auch nicht ganz geheuer.
    Ein guter Therapeut ist doch einer der eben nicht nur seine Schiene fährt, sein Programm durchzieht ohne davon abzuweichen, sondern einer der in der Lage ist sich auf gewisse Eigenheiten seiner Klienten einzustellen und sich darauf einlassen kann wenn ein Klient eher die ernsthafte Linie braucht, oder die authentische, oder aber auch mal eine entspanntere Stunde nötig ist um weiter zu kommen.
    Richtig gut ist das natürlich nur wenn er dabei authentisch ist und bleibt, ein Therapeut der Mühe hat an den richtigen Stellen authentisch zu reagieren sollte dann doch lieber bei der neutraleren Variante bleiben, es gibt nichts schlimmeres als wenn man bemerkt das die entspannteren Teile der Therapie überhaupt nicht das Ding des Gegenüber ist.

    Vielleicht würde es manch Therapeuten auch mal gut tun keine Angst davor zu haben seinem Klienten mit authentischem Verhalten auf die Füße zu treten. Das kommt in allen Lebenslagen vor und damit kann auch ein psychisch Kranker meist ganz gut umgehen, da es ja auch nicht bös gemeint ist sowieso, Mit ständig aufgesetzter professioneller Distanz können das sicher viel weniger Menschen, da so oft kein gemeinsamer Nenner gefunden werden kann und zumindest ich, brauche den um mich wohl zu fühlen,

  13. unendlichkeitscode 27. Januar 2014 / 07:27

    Nun das die Therapeuten ihre Neutralität abgelegt haben, ist mir schon seit Jahren aufgefallen, besonders bei einem bekannten Psychotherapeuten in Mecklenburg-Vorpommern, der offen und öffentlich erklärt, daß die Tabuzone zwischen Therapeut und Patientinnen gefallen sei und das es für die Patientinnen wichtig sei, daß sie ein Verhältnis mit ihrem Therapeuten beginnen bzw. sich darauf einlassen.

    Seine Liebschaften rekrutiert er deshalb aus seinen neusten Patientinnen. Ich halte dies für sehr fragwürdig, aber es zeigt auch das diese medizinische Branche mittlerweile genauso verkommen ist, wie das Rotlichtmilieu es schon immer war.

  14. Tired 27. Januar 2014 / 09:41

    Naja, ein Therapeut ist nicht eine gleich das Statussymbol einer ganzen Berufsklasse und diese Art von persönlicher Nähe vermeiden fast alle Therapeuten. Es ist ein Berufscredo sich nicht persönlich und emotional auf Klienten einzulassen, die Emotionalität die ich meine ist rein menschlich und auch auf das jeweilige Thema bezogen und bisher habe ich auch noch nicht erlebt das ein Therapeut diese persönliche Grenze überschreitet.

    Es gibt ja auch nicht umsonst diese Probestunden, alleine deren Existenz zeigt doch das es durchaus sehr relevante Unterschiede gibt, vor allem in der Art wie so ein Therapeut beim Klienten rüber kommt. Würden alle gleich neutral oder emotional, nach Chema F, die Sitzungen abhalten, wäre es gar nicht notwendig erst mal zu schauen ob die Chemie stimmt.

    Und man sollte auch nicht vergessen das ein Therapeut genauso ein Mensch ist wie alle anderen, es gibt keine Berufsgruppe die so einheitlich funktioniert, so edel und so beherrscht ist, das nicht irgendwo Grenzen überschritten werden und jemand der es mitbekommt und den ganzen Stand vereinheitlicht und verunglimpft ist meinen Augen einfach ein unzufriedener Mensch.
    Gerade in der Psychotherapie und Psychiatrie wird selten von einem Therapeuten oder Arzt geredet, subjektive Negativerfahrungen mit einzelnen Therapeuten und Ärzten werden fast immer der ganzen Berufsgruppe zugeschrieben und wenn jemand mit seinem sehr zufrieden ist dann heißt es meist nur: Da hab ich wohl großes Glück gehabt“. Was ja beinhaltet das alle anderen eher schlecht als recht sind.
    Das Bild von dem was geschieht wenn man sich in die Hände eines Fachmanns begibt ist immer nicht fast so negativ wie vor 30 Jahren (wo es ja auch noch gerechtfertigt war), von Gehirnwäsche, über Behandlungen die einen zum Zombie machen, bis hin zum Missbrauch der Patienten, in vielerlei Hinsicht, ist alles in den Vorstellungen vorhanden.
    Was ich aber besonders krass finde ist das dieses Bild im größten Maße von Menschen verbreitet wird die niemals in Behandlung waren und ihr Wissen nur durch Hörensagen, haben. Oder, die jemanden kennen der in Behandlung ist und sich so furchtbar verändert hat, was aber allerdings meist an der Erkrankung und nicht an der Behandlung liegt, die meisten wissen eh meist so gut Bescheid weil sie einen kennen, der einen kennt und das aus ganz sicherer Quelle………….

    Wie ich diese Verunglimpfungen hasse, besonders weil sie viele am Gang zum Psychotherapeuten oder Psychiater hindern sie somit wesentlich länger den Leidensdruck ertragen müssen als es nötig wäre.
    Und die Verantwortung dafür haben Schilderungen die die wenigsten selber erlebt haben, oder die sich auf einen einzigen Menschen aus dieser Berufsgruppe beziehen.

  15. Yezrel 27. Januar 2014 / 10:48

    Außerdem dürften solche sexuellen Vorfälle strafbar sein. Von daher wird das sicher ein Einzelfall bleiben. Und dass ein Psychotherapeut damit angibt oder es im großen Stil betreibt, halte ich für unwahrscheinlich angesichts der rechtlichen Lage und den daraus resultierenden Konsequenzen. In diesem Punkt ist die Abstinenzregel schon wichtig.

  16. Chaosteam 27. Januar 2014 / 11:39

    Für mich ist „Neutralität“ nicht identisch mit „nicht wertend“, und „Authentizität“ ist nicht gleichbedeutend mit „grenzüberschreitend“, wie es hier in manchen Kommentaren den Anschein erweckt.
    Ein Therapeut, der stumm dasitzt und nichts sagt, außer mir hin und wieder nickend zuzustimmen, den könnte ich mir wahrlich sparen. Dennoch finde ich nicht, dass ein Therapeut generell wertend sein sollte. Vielmehr sollte es ein respektvoller und ehrlich Umgang miteinander sein. Der Therapeut ist ein Mensch, genauso wie der Klient, und ganz genau das finde ich wichtig. Ich habe oft von Klienten gehört, denen die Vorstellung, dass der Therapeut ihnen als Privatperson außerhalb der Therapie über den Weg läuft, ein Graus war. Nun bin ich nicht unbedingt dafür, dass sich Therapeuten und Klienten außerhalb von Praxen treffen sollten. Nein, aber ich halte es für wichtig, dass Therapeuten auch Menschen bleiben. Irgendwie sind sie ja auch jemand, an dem man sich als Klient orientiert. Umso wichtiger finde ich es, dass der Therapeut in angemessener Weise Gefühle zeigt. Eben angemessen und mit dem nötigen Respekt.
    Auf Therapeuten die nicht authentisch waren, konnte ich mich nie einlassen. Wobei ich „authentisch“ so verstehe, dass jemand ehrlich ist und nicht Maske trägt und aufgesetzt freundlich tut. Ich würde es spüren und mich am falschen Platz fühlen. Und ich finde es auch unangebracht, wenn man bedenkt, dass Klienten doch oftmals durch die Therapie lernen sollen, sich selbst anzunehmen. Wenn der Therapeut den Eindruck vermittelt, dass er das auch nicht kann, wie kann ich ihm dann glauben, dass es für mich erstrebenswert ist?
    Mit meiner Therapeutin mache ich andere Erfahrungen. Wenn sie ihre Gefühle nicht zeigen würde, könnte ich es oft auch nicht, insbesondere wenn es um Traurigkeit geht. Dennoch kommt es vor, dass ich spüre, wie sie ihre Gefühle unterdrückt. Und gerade weil wir ein respektvolles Miteinander pflegen, kann ich ihr dann auch genau diese Widersprüchlichkeit aufzeigen.
    Ich denke Therapeuten sollten sich gut in den Klienten einfühlen und entsprechend einen Umgang finden mit dem sie sich authentisch fühlen können und die Grenzen des Klienten gut gewahrt bleiben. Nicht immer herauszuposaunen, was gedacht wird, zeigt nur, dass man einfühlsam genug ist, zu erspüren wann der Moment dafür passend ist und wann es völlig fehl am Platz wäre und das Gegenüber verschrecken oder verletzen könnte. Für mich zeichnet es einen guten Therapeuten aus, dass er genau dieses Gespür für seinen Klienten entwickelt. Und Fehler macht halt jeder mal. Eben weil auch Therapeuten nur Menschen sind.

  17. anjavonknobelsdorff 25. Oktober 2014 / 14:00

    Der therapeutische Prozess sollte m.E. darauf abzielen, dass der Patient sich besser kennen lernt. Das kann er aber nur, wenn er an passender Stelle ein echtes, d.h. authentisches Feedback von einem wertschätzenden Gegenüber bekommt. Das geht weit über ein mitfühlendes Abnicken des Gesagten hinaus!
    Ich hatte während langer Phasen meiner Therapie das Gefühl, einfach nur einer Freundin gegenüber zu sitzen. Ich war mit dem Wunsch zur Therapeutin gekommen, den Ursachen meiner Depressionen auf die Spur zu kommen, doch nichts von dem geschah. Statt dessen wurde ich depressiver und depressiver. An dieser Stelle hätte ich mehr Input seitens der Therapeutin gebraucht, ein offensiveres Vorgehen, eine Intervention.
    Ich weiss, dass es (auch) für Therapeuten schwierig sein kann, das Richtige zum richtigen Zeitpunkt zu entscheiden. Ich weiss aber auch, dass es fähigen Therapeuten möglich ist, Patienten durch Phasen der Depression zu begleiten, ohne gleich einen Psychiater als Co-Therapeuten bemühen zu müssen.
    Fakt ist: Meine Therapeutin war der Meinung, dass ich medikamentöse Hilfe benötigte, und tatsächlich: Durch Einnahme eines Antidepressivums ging es mir besser. Doch nun war ich weiter denn je davon entfernt, mich selbst besser kennen zu lernen. Warum? Weil es mir dafür schlichtweg zu gut ging.
    Dumm gelaufen, oder?
    Nicht ganz.

    Auch heute nehme ich ein Antidepressivum. Und ein Neuroleptikum dazu. Der Unterschied zu damals:
    Heute weiss ich, warum ich Medikamente brauche. Und kann sagen:
    Es ist besser, mit Erkenntnis in der Traufe zu stehen als im Trockenen, aber dumm.
    Den Weg hierher hat mir keine Therapie geebnet, kein Therapeut und auch kein Psychiater.
    Sondern nur die Zeit. Die Zeit, die ich bekam, um mich selbst zu kennen.

  18. bettyblue02 26. Oktober 2014 / 09:10

    Das erinnert mich an den Psychiater, der es in seiner therapeutischen Abstinenz schaffte, mir jahrelang Medikamente gegen meine Depressionen zu verschreiben, mich aber konsequent im Unklaren ließ über die Ursachen derselben. Offiziell reichte es ihm, von mir erfahren zu haben, dass auch mein Vater depressiv war, somit war ich für ihn in der Schublade „genetische Disposition“ gut aufgehoben.
    Dass auch bei diesem Arzt ein weitergehendes Verständnis für Entstehen und Manifestation einer Depression bestand, erfuhr ich erst, als ich mir sein Erstlingswerk zu Gemüte führte. Ein Märchenbuch… „Die kleine Prinzessin Luscinia könnte im Schloss ihrer Eltern ein glückliches Leben führen“ – so oder so ähnlich beginnt es.
    Beim weiteren Lesen entdeckte ich viele Parallelen zu meinem Leben, und ich glaube nicht, dass das Zufall war. Welcher Psychiater schreibt schon ein Märchenbuch, ohne wenigstens ein paar psychologische Botschaften darin zu verstecken?
    Mir wäre es lieber gewesen, aus dem Munde dieses Mannes in all den Jahren des Leidens auch nur einmal das Wort „Parentifizierung“ zu hören. Das wäre ein Hinweis gewesen, wonach ich zu suchen hatte bei meiner Selbsterforschung, ein Ansatzpunkt, eine echte Hilfe.
    Auf die Hilfe, die aus einem Märchenbuch kommt, kann ich hingegen verzichten.

  19. bettyblue02 27. Oktober 2014 / 09:22

    Hier noch eine Bitte an all die Therapeuten, die diesen Blog verfolgen und die ihre Kraft und Energie dafür einsetzen, einen wirklich Wert-vollen Beitrag zu leisten zum Wohl ihrer Patienten:
    Scheuen Sie sich nicht, das Thema „Parentifizierung“ anzusprechen! Diese familiensystemische Konstellation ist Ursache großen Leids für die Betroffenen. Doch es kann Jahre, ja: Jahrzehnte dauern, bis beim Patienten der Groschen von alleine fällt. Wertvolle Lebenszeit geht auf diese Weise verloren. Lebenszeit, die nicht nur geprägt ist von Depression, sondern oft genug von Süchten, Essstörungen und anderen Formen der Selbstverletzung/ -zerstörung.
    Mir war die Dynamik der Parentifizierung nicht bewusst, bis das Leben selbst die Umstände lieferte für Erkennen und Befreiung. Weder Therapeut noch Psychiater haben mir auf die Sprünge geholfen, und heute sage ich: Dies war ein Fall von unterlassener Hilfeleistung!
    Als ich meinen Therapeuten damit konfrontierte, entschuldigte er sich bei mir, stellen Sie sich das einmal vor! In all den Jahren der Therapie (und es waren einige!) hatten wir am eigentlichen Problem vorbei geredet, waren nicht zum Punkt gekommen, und am fehlenden Wissen des Therapeuten kann das m.E. nicht gelegen haben. Eher schon am fehlenden Mut oder aber: an Bequemlichkeit.
    Das Buch „Das Drama des begabten Kindes“ von Alice Miller sollte ein Standardwerk sein für alle Therapeuten. Eine gute Freundin hat es mir empfohlen. Eine Freundin, die mich kannte. Eine Freundin, die NICHT dafür bezahlt wurde, mir zu helfen… Eine Freundin, die sich wirklich um mich sorgte. Und die keinen Nutzen daraus zog, dass es mir weiterhin schlecht ging.

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