- Erstes Gebot: Du sollst kurz und knackig schreiben, weshalb der Patient kam, was im Krankenhaus gemacht wurde, und welche Wirkung das hatte.
- Zweites Gebot: Du sollst dem Patienten im Regelfall den endgültigen Arztbrief bei der Entlassung in die Hand drücken. Im Ausnahmefall sollst Du den Brief innerhalb von zwei Wochen nach der Entlassung an den weiterbehandelnden Arzt schicken.
- Drittes Gebot: Du sollst die Länge des Arztbriefes an der Dauer des Aufenthaltes orientieren: – Einige Tage Aufenthalt: —> 1-2 Seiten – Einige Wochen Aufenthalt: —> 2-3 Seiten – Einige Monate Aufenthalt: —> 3-4 Seiten
- Viertes Gebot: Du sollst nur die Dinge, die Du selbst festgestellt hast, in der direkten Rede schreiben. Alle Berichte der Patienten und Informationen Dritter sollst Du in der indirekten Rede schreiben.
- Fünftes Gebot: Du sollst den ganzen Brief in der Vergangenheitsform schreiben.
- Sechstes Gebot: Du sollst die automatische Rechtschreibkorrektur verwenden und rot unterkringelte Wörter auf Rechtschreibfehler prüfen.
- Siebtes Gebot: Du sollst keine pseudoprofessionellen “House of god” Formulierungen verwenden. Also nicht schreiben: “Männlicher Patient, kam mit RTW 12/02. Wurde notfällig aufgenommen. Familienanamnese leer. Profitierte vom stationären Setting. Wurde nach erfolgter Krisenintervention in die Häuslichkeit entlassen.” Statt dessen sollst Du klare und vollständige, leicht verständliche deutsche Sätze mit interessantem Inhalt schreiben.
- Achtes Gebot: Du sollst für die Arztbrieferstellung nicht unmäßig viel Zeit verbrauchen. Schreib die Anamnese gleich nach der Aufnahme des Patienten und den Hauptteil des Briefes während der Behandlung. Benutze Textbausteine, wenn sie sinnvoll sind, eine spezifische Aussage tragen und passen.
- Neuntes Gebot: Du sollst keine Geheimnisse ausplaudern. Statt dessen sollst Du abstrakt schreiben: “Aufgrund einer Konfliktsituation…”
- Zehntes Gebot: Du sollst den Brief erst unterschreiben, wenn Du Dich selbst davon überzeugt hast, dass alle Teile, auch die, die Du nicht selbst verfasst hast, richtig und schlüssig sind. Anamnese, Psychischer Befund, Diagnosen, Behandlungen, Medikation und weitere Empfehlungen müssen nachvollziehbar zusammen passen und stimmen.
Diese zehn Gebote finde ich gut. Sie sind der Fortsetzung der Behandlung und damit dem Patienten sicher zuträglich.
Bleibt zu hoffen, dass vielen Ärzte in dem kleinen Krankenhaus am Rande der Stadt sie auch beherzigen.
Danke, gute Liste
Kann nicht beurteilen, ob die Liste schlüssig ist. Ich durfte meine Arztbriefe aus der Psychiatrie nie lesen, nur die Kurzbriefe ( Datum, Diagnose) für den Hausarzt. Ich glaube, dass das zweite Gebot absichtlich nicht eingehalten wird: man möchte oft nicht, dass der Patient die Briefe in die Hand bekommt.
Mein erstes Gebot für psychiatrische Arztbriefe, mein absoluter Favourit wäre ja: “ Du sollst mit dem Patienten den Arztbrief besprechen und er soll mit dem Inhalt einverstanden sein.“ Klingt anmaßend, nicht? Nachsichtig wäre ich dagegen mit dem Umfang, Rechtschreibfehlern, Durchhalten des Präteritums etc
Bei zwei von drei Arztbriefen, die mein ambulanter Arzt per Post bekam, stand darauf: „Nur für den Arzt! Soll dem Patienten nicht ausgehändigt werden.“
Also keine Chance, Mißverständnisse auszuräumen oder eine andere Meinung zu vertreten als der Verfasser, man soll ja garnicht wissen was drinsteht. Mein ambulanter Arzt hat gesagt, er darf ihn vom rechtlichen her mir nur vorlesen. Sogar rübergeben zum Selberlesen wäre ihm nicht erlaubt.
Er hat aber gesagt, ihm ist das egal und hat die Briefe mir kopiert, damit ich sie dem Psychotherapeuten bringen kann. Natürlich kenne ich den Inhalt. Und der eine Brief gibt mir die Bestätigung, dass es wirklich gut war, diese Klinik auf eigenen Wunsch zu verlassen und diese Psychologin los zu sein.
Da hat mein Psychotherapeut auch dazu gesagt, „das sollen Sie sein, über den der Brief da geht?? Das klingt ja schwerkrank, richtig schwerkrank nach hebephrener Schizophrenie,
aber Sie sitzen mir gegenüber und ich kann mich ganz normal mit Ihnen unterhalten!“ (OHNE dass ich dazu Antipsychotika oder schwere Medikation gebraucht hätte, meine einzige Medikation damals waren jeden Abend 25 mg Amitriptylin als Schlafmittel.)
Ich kenne 3 Arztbriefe über meine Person. Der Text darin sagt wesentlich mehr über den Verfasser aus als über den Patienten.
Was ich auch ein Highlight finde, ist das Außenrumreden um den heißen Brei. Z.B. steht bei mir in einem Arztbrief „Wegen der formalen Denkstörungen gaben wir Seroquel. Während der Behandlung mit Seroquel kam es zur Remission dieser Symptomatik“
Stimmt, das ist nicht falsch, was da steht. Allerdings war die Ursache für die formalen Denkstörungen 4 mg Tavor am Tag. Während der Seroquel-Behandlung wurde das Tavor ausgeschlichen. Danach wurde auf meinen ausdrücklichen Wunsch hin das Seroquel abgesetzt und die formalen Denkstörungen kamen aber nicht zurück.
Irgendwo 1 Seite vorher in dem Arztbrief wird das Tavor erwähnt, aber kein Zusammenhang hergestellt. Ich meine, zumindest als Möglichkeit oder Vermutung hätte man das schreiben können, ich habe es dem Arzt ja selbst gesagt, dass ich dazu neige, auf Benzos in der Weise zu reagieren.
Beruflich habe ich selbst oft mit Arztberichten und Gutachten zu tun. Wenn nur 20 Prozent der Klinikärzte sich an die Hälfte Ihrer Gebote halten würde, wäre die Welt eine bessere.
In meiner Region (die nicht so weit von Ihrer entfernt ist) kommt noch dazu, dass viele der angestellten Psychiatrie-Klinikärzte aus sehr weit entfernten Ländern kommen und zwar einigermaßen gut Deutsch sprechen, aber nicht schreiben können.
11. Gebot:
Unterstelle der Patientin nicht mehr Kinder und Klinikaufenthalte an, als belegbar vorhanden…
12. Gebot:
zitiere sie nicht mit Aussagen zum Krankheitserleben, die sie nie getan hat…
13.Gebot:
versuche, zumindest Namen,Geburts- und Krankheitsdaten korrekt aus der Akte zu übernehmen
14.Gebot:
schreibe im Bericht nicht plötzlich das Gegenteil von dem, was mit dem Patienten während des Aufenthaltes besprochen wurde
Bei uns würde noch dazu kommen : Es wäre schön, wenn der Verfasser sich in mündlicher und schriftlicher Form dem Patienten verständlich machen könnte. Deutsche Sprachkenntnisse von Vorteil… Wir haben leider kaum noch deutschsprachige Ärzte in der Klinik….
frage: Wie möchte ein Psychiater Patienten psychiatrisch behandeln, wenn er nicht mit ihnen kommunizieren kann? Per Dolmetscher? Nicht falsch verstehen – ich kenne hervorragende russische Neurologen und Neurochirurgen, die großartige Arbeit leisten, aber in der Psychiatrie erscheint mir der Sachverhalt doch anders. Schon weil es keine bildgebenden oder Messverfahren gibt und der Arzt bei der Amnanese auf Patientenberichte oder Berichte der Familie etc. angewiesen ist. Mich interessiert, wie das bei Ihnen an Krankenhaus gemacht wird?
Ergänzung zum neunten Gebot:
Schreibe keine intimen Details, die Dir im Vertrauen auf die ärztliche Schweigepflicht von der Patientin oder vom Patienten anvertraut wurden, in den Arztbrief. Insbesondere Eigenschaften, die keine psychiatrische Krankheit darstellen wie beispielsweise Homosexualität und Transsexualität sollen nicht ohne Einverständnis der Patientin oder des Patienten im Arztbrief erwähnt werden. Auch Schwangerschaftsabbrüche, unerfüllter Kinderwunsch oder Krankheiten, die die Geschlechtsorgane betreffen, sollten, wenn sie nicht unmittelbar mit der aktuellen medizinischen / therapeutischen Behandlung zu tun haben, nicht gegen den Willen der Patientin oder des Patienten im Arztbrief erwähnt werden.