Was ist eigentlich der „Rechtfertigende Notstand“?

§34 Strafgesetzbuch lautet:

Rechtfertigender Notstand: Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.

Geschichte

In der Wikipedia findet man im Artikel zum Rechtfertigenden Notstand eine kurze Erklärung der geschichtlichen Entstehung dieses Artikels. Das Reichsgericht hatte über einen Arzt zu entscheiden, der eine damals strafbare Abtreibung durchgeführt hatte. Das Besondere an dem Fall war, dass die schwangere Frau dem Arzt glaubhaft vermittelt hatte, dass sie sich selbst das Leben nehmen werde, wenn sie das Kind austragen müsse. Der Arzt hatte nun zwei schützenswerte Rechtsgüter abzuwägen: Auf der einen Seite das schützenswerte Rechtsgut des ungeborenen Kindes auf Leben. Und auf der anderen Seite das schützenswerte Rechtsgut der schwangeren Frau auf Leben. Die Abtreibung war damals eigentlich strafbar. Der Arzt hätte demnach verurteilt werden müssen. Das Reichsgericht hat aber einen allgemein formulierten Ausnahmetatbestand formuliert, der es ermöglichte, die Abtreibung nicht zu bestrafen. In diesem Falle – und in jedem gleichartig gelagerten Falle, darf ein Mensch eine Abwägung treffen, wenn zwei schützenswerte Rechtsgüter miteinander in Konflikt stehen und nur eines geschützt werden kann. Wenn eines der Rechtsgüter wesentlich höher wiegt als das andere und die gewählten Mittel angemessen sind, darf er sich für das höherstehende Rechtsgut entscheiden; in diesem Falle durfte er sich entscheiden, das Leben der Schwangeren zu schützen. Die Abtreibung wurde in diesem Falle als nicht rechtswidrig eingestuft und blieb somit straffrei.

Abgrenzung zur Notwehr

Der Rechtfertigende Notstand kommt immer dann in Betracht, wenn zwei schützenswerte Rechtsgüter abgewogen werden müssen und keine andere Rechtsnorm Klärung schafft. Er gilt also nicht, wenn nur ein schützenswertes Rechtsgut betroffen ist. Beispiel: Wenn mich jemand schlägt, ist nur ein schützenswertes Rechtsgut betroffen, nämlich meine Gesundheit. Es gibt eine Rechtsnorm, die diesen Fall erfasst, nämlich den §223 Körperverletzung, der den Angriff unter Strafe stellt. In diesem Falle wäre die Notwehr erlaubt. Situationen, auf die man mit einer Handlung im Sinne des Rechtfertigenden Notstandes reagieren kann, stellen aber eben keinen strafbewährten Angriff auf ein Rechtsgut dar, sondern eine Abwägung zwischen zwei geschützten Rechtsgütern. In dem Moment, in dem die Schwangere Frau im Behandlungsraum des Arztes gesessen hat und mitgeteilt hat, dass sie sich das Leben nehmen wolle, wenn sie das Kind austragen müsse, bestand ja gegen kein Rechtsgut ein gegenwärtiger Angriff. Somit gab auch keine Grundlage für eine Notwehrhandlung. Die erste Verletzung eines schützenswerten Rechtsgutes beging der Arzt im Moment der Abtreibung. Diese war aber eben aufgrund der Abwägung im Sinne des Rechtfertigenden Notstandes nicht strafbar.

Bedeutung für die Psychiatrische Praxis

Im Bereich der stationären psychiatrischen Behandlungen gibt es Situationen, die eine Abwägung gemäß §34 StGB erforderlich machen können.

Fallbeispiel

Die 35-jährige Frau B. leidet seit einem Autounfall mit Schädigung des Gehirns an einer teilweisen Lähmung der Arme und Beine, die sie rollstuhlpflichtig macht, sowie an einer organischen Wesensänderung und einer organischen Psychose. Nachdem sie im Pflegeheim über eine Zeit von zwei Wochen die neuroleptische Medikation abgesetzt hatte, entwickelte sie zunehmende psychotische Ängste davor, man könne sie verfolgen, bedrohen oder sie körperlich schädigen. Ihre Betreuerin hat daher einen Betreuungsunterbringungsbeschluss erwirkt, der vom Betreuungsrichter bestätigt wurde, so dass sie stationär in der psychiatrischen Klinik behandelt wurde. Auch hier nahm sie keine Medikamente ein. Am achten Behandlungstag kam sie in einem Zustand panischer Angst ins Stationszimmer und gab an, sie habe das Gefühl, man habe ihr ein Abhörgerät in den Kopf implantiert. Sie stürmte in ihr Zimmer und schlug den Kopf heftig gegen die Wand, „um das Ding kaputt zu machen“. Sie wurde fixiert, aber auch in der Fixierung schlug sie mit dem Kopf gegen das metallene Kopfteil des Bettes, „um das Ding da raus zu hauen“. Das Behandlungsteam versuchte, ihr zu erklären, dass sie Medikamente brauche; dies lehnte sie entschieden ab. Es wurde eine Zwangsmedikation mit Glianimon und Diazepam intravenös durchgeführt. Hierauf beruhigte sie sich schnell wieder und akzeptierte auch im Folgenden wieder die neuroleptische Regelmedikation. Die Ängste, man wolle ihr körperlich schaden oder jemand habe ihr ein „Abhörgerät in den Kopf implantiert“ verschwanden nach wenigen Tagen ganz.

Wie ist diese Zwangsmedikation rechtlich einzustufen?

  • Freiwilligkeit? Nein. Die Patientin hat unmissverständlich erklärt, dass sie eine Medikation nicht will. Sie sei nicht krank, sie habe lediglich diesen Apparat im Kopf. Der freie Wille war in diesem Fall sicherlich krankheitsbedingt beeinträchtigt, aber eine Freiwilligkeit lag unzweifelhaft nicht vor.
  • Zwangsmedikation im Rahmen einer Betreuungsunterbringung? Auch das war nicht die Rechtsgrundlage dieser Medikation. Die Patientin war zwar nach BtG untergebracht. Aber eine Zwangsmedikation nach BtG war nicht beantragt worden. Diese ist im Regelfall nur nach Antrag, schriftlichem Gutachten eines externen Arztes und richterlicher Anhörung möglich. Im Ausnahmefall geht es auch nach einem Attest und einer sofortigen richterlichen Entscheidung, aber auch das dauert zumindest einen Tag, so dass dies nicht möglich war.
  • PsychKG? Man hätte in diesem Fall kein PsychKG einleiten können, da die Patientin schon nach BtG untergebracht war, und nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH dann keine zusätzliche PsychKG Unterbringung möglich ist. §11 Absatz 3 des PsychKG lautet nämlich: „(3) Dieses Gesetz gilt nicht für Personen, die auf Grund der §§ 63, 64 StGB, 81, 126 a, 453 c in Verbindung mit § 463 StPO, §§ 7, 73 JGG und §§ 1631 b, 1800,1915 sowie 1906 BGB untergebracht sind.“ Und §1906 BGB ist eben die Betreuungsunterbringung. 
  • Notwehr? Eine Notwehrsituation bestand nicht, da die Patientin keinen anderen angriff.
  • Mutmaßlicher Wille? Bei komatösen Patienten werden oft Behandlungen durchgeführt, die dem mutmaßlichen Willen des Patienten entsprechen. Man macht also das, was der Patient mutmaßlich wollen würde, wenn er entscheidungsfähig wäre. In der Behandlung von komatösen Patienten ist dies medizinisch gängige Praxis und völlig in Ordnung, auch wenn das dazu passende Rechtskonstrukt etwas unklar ist. Im psychiatrischen Bereich geht das nicht. Es ist nicht üblich, davon auszugehen, dass der mutmaßliche Wille eines psychotischen Patienten eine Behandlung mit Medikamenten wäre, wenn er nicht gerade akut psychotisch wäre.
Es gibt in diesem Fallbeispiel also kein Gesetz, dass die Zwangsmedikation explizit regelt und genehmigt. Es ist aber eine Abwägung zwischen zwei geschützten Rechtsgütern erforderlich. Auf der einen Seite steht das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das den Schutz vor einer Medikation gegen den Willen des Patienten umfasst. Auf der anderen Seite steht das Recht auf Schutz der Gesundheit im Sinne eines Schutzes vor den Folgen einer psychotisch bedingte Selbstverletzung, etwa durch eine Hirnblutung als Folge eines Schlages des Kopfes gegen das Bettgestell.
Der Behandler kann nun abwägen, dass er das Rechtsgut „Schutz vor einer schweren Kopfverletzung“ höher bewertet als das Rechtsgut „Recht auf körperliche Unversehrtheit im Sinne eines Schutzes vor einer Zwangsmedikation“. Wenn er die Zwangsmedikation dann noch als verhältnismäßig angemessen zum Schutz der körperlichen Gesundheit einstuft, sind die Voraussetzungen des Rechtfertigenden Notstandes erfüllt und die eigentlich verbotene Zwangsmedikation nicht rechtswidrig.
Dies wäre ein typischer Fall des rechtfertigenden Notstandes. Ich habe heute auf meiner Station einen anderen, aber dem grundsätzlichen Gedanken nach ebenso zu verstehenden Fall eines rechtfertigenden Notstandes gehabt. Für den Psychiater ist es wichtig, dieses Gesetz zu kennen, um es im Ausnahmefall anwenden zu können, wenn dies geboten ist.

16 Gedanken zu “Was ist eigentlich der „Rechtfertigende Notstand“?

  1. Peter Teuschel 15. Juli 2014 / 22:11

    Ein ausgezeichneter und sehr wichtiger Artikel, der praxisnah darstellt, wie scheinbar kompliziert, aber letztlich doch sehr logisch und menschlich/medizinisch sinnvoll manche Entscheidungen in der Psychiatrien zustande kommen.

  2. Anna_Cranach 16. Juli 2014 / 03:25

    Warum ist das Konzept des mutmaßlichen Willens nicht auf Psychiatriepatienten anwendbar ?

    • Anna_Cranach 16. Juli 2014 / 03:31

      Wenn jemand z.B. die psychiatrische Zwangsbehandlung von Freunden, Angehörigen, etc. ausdrücklich kritisiert, und dann später selber in eine ähnliche Situation gerät, dann lässt sich sehr wohl auf den mutmaßlichen Willen zurückgreifen.

  3. Anna_Cranach 16. Juli 2014 / 03:45

    „Es ist nicht üblich, davon auszugehen, dass der mutmaßliche Wille eines psychotischen Patienten eine Behandlung mit Medikamenten wäre, wenn er nicht gerade akut psychotisch wäre.“

    Warum eigentlich nicht ? Es wäre ein gutes Konzept. Würde er das wollen? Oder würde er auch bei klarem Verstand die psychische Krankheit den Nebenwirkungen vorziehen? Würde er bei klarem Verstand die Verlegung in eine Soteria-Station anstreben?

    Würde er trotz Selbstgefährdung durch psychische Krankheit trotzdem lieber in Freiheit leben wollen als auf eine geschlossene Station oder in ein geschlossenes Wohnheim gesteckt zu werden ?

    Warum fragt man bei Psychiatriepatienten nicht nach dem mutmaßlichen Willen? Weil dieser egal ist und diese Leute nur Verwaltungsobjekte für Amtsrichter sind?

  4. Anna_Cranach 16. Juli 2014 / 04:05

    Aber das historische Beispiel finde ich gut, dass das hier gebracht wird. Eine Freundin von mir wurde wegen Verfolgungswahn und Behandlungsbedürftigkeit nach § 1906 Abs.(1) Nr. 2 BGB betreuungsrechtlich zwangseingewiesen.
    Fremdgefährdend ist sie trotz Verfolgungswahn nicht.

    Sie hat angedroht, sich umzubringen, wenn sie neuroleptisch zwangsbehandelt wird, weil sie die neuroleptischen Depressionen nicht aushält, die die letzten 6 Antipsychotika bei ihr bewirkt haben. Sie will nie wieder darunter leiden müssen, schon zum 3. Mal monatelang zu sowas gezwungen zu werden, zu Medikamenten, die ihr zuverlässig übelste Anhedonie verursachen und ihr jegliche Lebensqualität wegnehmen.

    Die Ärzte haben sich nicht darum gekümmert, die Richterin auch nicht, nachdem eine Sitzwache zugesagt wurde. Sie wurde und wird zwangsmediziert und leidet mittlerweile unter einer neuroleptischen Depression. Die Sitzwache hat 5 Tage gedauert, dann nicht mehr. Ich habe echt Angst um sie. Der Zwangsbehandlungsbeschluss dauert noch 3 Wochen. Eine Verlängerung um 6 Wochen ist wahrscheinlich.

    Suizidverhinderung durch die Psychiatrie ?

    Hier wurde Suizidalität erzeugt. Die Ärzte dort zwangsmedizieren eine wahnhafte, aber nichtsuizidale Patientin mit Neuroleptika, woraufhin sie suizidale Depressionen entwickelt. Obwohl sie das vorher wissen. Schizophrenie-Leitlinien über alles.

  5. Anna_Cranach 16. Juli 2014 / 13:12

    Im oberen Fall wäre eine Zwangsmedikation vielleicht noch irgendwie angebracht. Während da eigentlich das mildeste Mittel angewandt werden muss es ist sehr fraglich, ob Glianimon als das mildeste Mittel bezeichnet werden kann.

    Außerdem frage ich mich, wie ein gefesselter Patient noch die Möglichkeit hat, den Kopf gegen den Bettrand zu schlagen, irgendwie scheinen da technische Mängel vorzuliegen.

    Aber was die Regelmedikation betrifft, da sollte man sich fragen, warum hat die Frau das abgesetzt ? Hat der Arzt eine Umstellung verweigert und ihr blieb dann nichts anderes übrig, als eben das alte Zeug zu verweigern ? (Während es in einem solchen Fall noch die Möglichkeit gäbe, die Dosis eigenmächtig durch Durchbrechen der Tablette zu erniedrigen) Oder waren es Depotspritzen, so dass dem Patienten tatsächlich nichts anderes als Totalverweigerung bleibt ?

  6. Ovid 17. Juli 2014 / 14:12

    In einer Patientenverfügung kann man beispielsweise festlegen, dass man einer Behandlung mit Diazepam zustimmt ( beispielsweise, weil man mit dem angstlösenden Effekt gute Erfahrungen gemacht hat) , dass man aber Glianimon oder Haldol ablehnt. In dem Fallbeispiel der schwerbehinderten Frau wird das nicht mehr zu machen sein, aber ich rate jedem, eine Patientenverfügung zu verfassen und notariell beglaubigen zu lassen. Das empfehle ich auch der Freundin von @Anna Cranach. Es gibt nämlich durchaus den Grundsatz “ Psychose wiegt schwerer als Depression“ – das heißt , Freiheit von psychotischen Symptomen steht über Suizidalität oder Panik- und Angstzuständen ( letzteres meine Reaktion auf mehrere NL) oder Lebensqualität – leider.

    • Anna_Cranach 17. Juli 2014 / 15:20

      Ihr Fall ist besonders schwierig. Das Gericht hat ihre Patientenverfügung aberkannt. Aus dem Gutachten ihres ambulanten Arztes zur Frage der Betreuungsverlängerung (freiwilige Betreuung) geht nämlich angeblich hervor, sie sei zum Zeitpunkt des Abfassens der Patientenverfügung nicht einwilligungsfähig gewesen, sie habe das Ausmaß und Schwere ihrer Schizophrenie niemals erkannt.

      Dabei hat der ambulante Arzt die Patientenverfügung sehr befürwortet. Ich bin darin die Bevollmächtigte und habe mit ihm darüber telefoniert. Vielleicht sollte er in dem Gerichtsverfahren als Zeuge auftreten oder so.

      Ich als Bevollmächtigte habe mich natürlich trotzdem einer Zwangsbehandlung quergestellt. Aber das Amtsgericht hat mir die Vollmacht entzogen, ich sei für diese Aufgabe nicht geeignet bzw. damit überfordert. Ich sei nämlich beratungsresistent Ärzten und Gutachtern gegenüber.

      Dabei kann man sich bei einer Zwangseinweisung nicht aussuchen, an welche Ärzte man gerät! Die Verlegung in eine andere Klinik (Soteria Zwiefalten) haben die dortigen Ärzte verweigert.
      Das steht auch in meiner Beschwerde an das Landgericht. Mal gucken, was daraus wird.

      • Anna_Cranach 17. Juli 2014 / 15:34

        Wie ich dann die Unterbringung beendet habe, weil das in der für den Sektor zuständigen Klinik mit einer angemessenen Behandlung für sie nichts mehr wird, habe ich die Unterbringung beendet. Um mit ihr nach Zwiefalten fahren zu können.

        Daraufhin wurde sie durch die Amtsrichterin von Amts wegen untergebracht und meine Aufgabenbereiche auf die Betreuerin für Behördengänge übertragen.

        Hoffentlich wird aus der Beschwerde was. Das Gutachten des externen Gutachters zur Zwangsbehandlung habe ich darin auch kräftig auseinandergenommen, es taugt ja auch wirklich nicht viel.
        Empfiehlt leitliniengerechte Zwangsbehandlung, und geht unzureichend bis garnicht darauf ein, dass leitliniengerechte Behandlung bisher weitgehend versagt hat und mit unzumutbaren medikamenten-Nebenwirkungen verbunden war.

  7. Ovid 17. Juli 2014 / 16:50

    Hallo, Anna Cranach, das ist alles fürchterlich und lässt Ihrer Betreuten kaum eine Chance. Eigentlich bleibt nur noch, ins Ausland zu gehen und sich dem deutschen Psychiatriewesen durch eine Flucht zu entziehen. Meine ich ganz ernst .

    • Anna_Cranach 17. Juli 2014 / 17:27

      ja, das meine ich auch.

      Aber da ist meine Vollmachtgeberin zu paranoid dazu, was wiederum ihr Problem ist und nicht meines. Sie meint, gefunden zu werden.
      Ich habe ihr schon gesagt, meinst Du die kämmen die ganze Bundesrepublik nach Dir ab? Da kommt sie dann von wegen Bahnhofskameras, usw. Blabla
      Und die Polizei hätte schon 3 abgehauene Mitpatienten von ihr zurückgebracht. Aber das ist ja kein Wunder, wenn die kein Geld haben, müssen sie schwarz fahren und ihr Essen im Laden klauen, da fallen sie natürlich früher oder später der Polizei auf. Aber dieses Argument überzeugt meine Freundin auch nicht.

      Aber OK, wenn jemand zu paranoid zum Abhauen ist, dann selber schuld.

      Allerdings muss man ihr zugute halten, dass es in Göttingen ganz übel ist. Eine Mitpatientin von ihr ist 100 km abgehauen, aber der, bei dem sie untergetaucht ist, hat sie irgendwann verpfiffen. Sie wurde in Handschellen in die Göttinger Psychiatrie zurücktransportiert und hat einen 2Jahres-Beschluss bekommen. (Langsam traue ich mich nicht mehr nach Göttingen. Hier ist im Deutschen Ärzteblatt ein weiterer Göttinger Fall erwähnt: http://www.aerzteblatt.de/archiv/43846/Psychiatrie-Zwangseinweisungen-nehmen-zu
      2Jahres-Beschluss wegen Absetzen der ambulanten Depotspritzen)

      Ich an ihrer Stelle wäre aber trotzdem schon längst über alle Berge und würde selbst die Aufnahme auf eine Soteria-Station organisieren.

      • Anna_Cranach 17. Juli 2014 / 17:36

        Sie ist trotz Neuroleptika-Konsum zu paranoid zum Abhauen. Wenn ein Polizist auf dem Bahnhofsvorplatz oder auf dem Busbahnhof rumläuft, dann natürlich deswegen um aufzupassen dass sie nicht abhaut…. blanker Unsinn und Beziehungswahn.

        Aber mal gucken, was das Landgericht sagt. Ansonsten BGH und BVerfG, den Göttinger Klinikpsychiatern und vor allen Dingen den Gerichten muss endlich mal aufs Dach gehauen werden.

      • Anna_Cranach 18. Juli 2014 / 12:08

        Neuroleptika-Konsum, trotzdem noch paranoid, und zusätzlich noch depressiv wegen NL-Nebenwirkung.
        Aber die heiligen Leitlinien der Schizophrenie-Behandlung….

  8. Ovid 18. Juli 2014 / 14:39

    Ich wünsche Ihnen und ihr viel Glück. Ich war aber auch seltsam unter Neuroleptika: fürchterliche Ängste, Panikattacken, Tics und Zwänge. Jetzt nehme ich keine mehr und alle diese Symptome gehören der Vergangenheit an. Aus einer Psychiatrie abhauen würde ich auch nicht, denn meistens hat man nicht genügend Geld dabei – und ja, natürlich schicken sie die Polizei hinterher. Aber wenn sie wieder draußen ist – dann würde ich die Koffer packen. In einer anderen Stadt muss man auch Ärzten nichts von der Akte erzählen, die über einen vorliegt und es gibt Möglichkeiten wie Soteria. Wie gesagt, traurig , dass man sich darüber unterhalten muss, weil ein System, das eigentlich den Menschen helfen sollte, autoritär Furcht verbreitet.

  9. Anna_Cranach 5. März 2015 / 23:29

    “ • Mutmaßlicher Wille? Bei komatösen Patienten werden oft Behandlungen durchgeführt, die dem mutmaßlichen Willen des Patienten entsprechen. Man macht also das, was der Patient mutmaßlich wollen würde, wenn er entscheidungsfähig wäre. In der Behandlung von komatösen Patienten ist dies medizinisch gängige Praxis und völlig in Ordnung, auch wenn das dazu passende Rechtskonstrukt etwas unklar ist. Im psychiatrischen Bereich geht das nicht. Es ist nicht üblich, davon auszugehen, dass der mutmaßliche Wille eines psychotischen Patienten eine Behandlung mit Medikamenten wäre, wenn er nicht gerade akut psychotisch wäre.“

    Ich bin gerade auf die Stellungnahme der zentralen Ethikkommission der Bundesärztekammer zum Thema Zwangsbehandlung bei psychischen Erkrankungen gestoßen, wo genau das drinsteht, nämlich dass das Konzept des mutmaßlichen Willens auch für Psychotiker gilt.

    Klicke, um auf StellZwangsbehandlungPsych2013.pdf zuzugreifen


    5.2. Medizinische Indikation
    a) Voraussetzung für eine Zwangsbehandlung ist eine medizinische
    Indikation für die Behandlung als solche: Sie ist
    aus ärztlicher Sicht dann gegeben, wenn der Patient unter
    der Krankheit oder an deren Folgen leidet oder leiden
    wird, wenn sich der Krankheitszustand durch die Behandlung
    kurzfristig oder langfristig verbessern lässt und wenn
    der Nutzen der Behandlung die Risiken unter Berücksichtigung
    möglicher alternativer Behandlungsmaßnahmen
    (einschließlich des Abwartens, bis die Symptome von
    selbst abklingen) überwiegt. Diese Kriterien müssen nach
    dem Stand der Wissenschaft und ärztlichem Ermessen erfüllt
    sein.
    Hierbei ergeben sich jedoch bei psychischen Erkrankungen
    besondere Schwierigkeiten: Was als Nutzen gilt, ist keineswegs
    von vornherein festgelegt, sondern unterliegt Wertungen.
    Damit stellt sich die Frage, welche Wertvorstellungen
    bei der Einschätzung von Resultaten einer Therapie zu berücksichtigen
    sind. In der Regel sind es die Wertvorstellungen
    des Patienten, die ein Arzt bei der Frage zu berücksichtigen
    hat, ob bei einer Behandlung mit Nutzen für einen Patienten
    zu rechnen ist – und ob sie damit indiziert ist (s. u. 3.
    Patientenautonomie). Bei einer psychischen Erkrankung
    kann die Einschätzung des Patienten bezüglich der Nützlichkeit
    einer medizinischen Intervention jedoch durch die
    Erkrankung beeinträchtigt sein. Das kann sowohl die Behandlung
    der psychischen Erkrankung wie auch einer weiteren
    somatischen Erkrankung betreffen. Auch in diesem
    Fall darf die Patientenperspektive nicht durch eine objektive
    Betrachtung ersetzt werden. Maßgeblich sind dann die
    Wertvorstellungen des Patienten, die er früher in einwilligungsfähigem
    Zustand hatte bzw. jetzt haben würde, wenn
    sie nicht krankheitsbedingt beeinträchtigt wären.

    • Anna_Cranach 5. März 2015 / 23:29

      „Auch in diesem
      Fall darf die Patientenperspektive nicht durch eine objektive
      Betrachtung ersetzt werden. Maßgeblich sind dann die
      Wertvorstellungen des Patienten, die er früher in einwilligungsfähigem
      Zustand hatte bzw. jetzt haben würde, wenn
      sie nicht krankheitsbedingt beeinträchtigt wären.“

      Da steht es.

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