Abends am Kaminfeuer bei einem guten Glas Wein in der Strafprozessordnung (StPO) zu schmökern, ist in jedem Fall eine erbauliche Lektüre. Sie regelt ganz genau, auf welchem Wege das Gericht zu einem Urteil kommen soll. Und unverzichtbar auf diesem Weg ist, dass Richter, Schöffen und auch Sachverständige während der Beweisaufnahme unparteiisch an die Sache gehen.
Dieser unparteiische Angang wäre beispielsweise nicht gegeben, wenn der Richter der Bruder des Angeklagten ist; dann wäre ganz objektiv anzunehmen, dass er ein zu mildes Urteil spricht. Das heißt in der StPO „Befangenheit“. Richter, Staatsanwaltschaft und Sachverständige dürfen nicht befangen sein. Die Richter dürfen nicht schon während der Beweisaufnahme Partei für die eine oder andere Seite ergreifen. Sachverständige dürfen zu keinem Zeitpunkt Partei für die eine oder andere Seite ergreifen, und die dürfen auch nichts machen, was über die ihnen zugeschriebene Rolle hinausgeht. So dürfen sie beispielsweise keine „Beweismittel würdigen“, also sagen, was ihrer Meinung nach stimmt oder nicht stimmt, denn das ist ausschließlich Aufgabe des Gerichtes. Anders sieht das beim Rechtsanwalt aus, der aufgrund seiner Rolle sehr wohl Partei ergreifen darf.
Äußert sich ein Sachverständiger voreingenommen, grob abfällig oder einseitig wertend, begründet das also die Besorgnis der Befangenheit, die zum Ausschluss dieses Sachverständigen führen kann.
In Gutachterkreisen gehen immer wieder Geschichten von einzelnen Aussagen anderer Gutachter herum, die mit einem einzigen unüberlegten Satz den Verdacht der Befangenheit begründet haben. Man graust sich dann immer, weil man sich denkt: „Hoffentlich passiert mir selbst sowas niemals…“
Ich dachte, es wäre lustig, mal ein paar solcher Killer-Sätze oder Verhaltensweisen hier aufzuführen. Los gehts:
- „Um dieses Überengagement des Klägervertreters auf den Boden der Tatsachen zu holen, darf festgestellt werden, dass …“ (OLG Nürnberg, Beschluss v. 8.9.2011, 8 U 2204/08). Befangen.
- „Der Privatgutachter mag ein leidlicher Kfz.-Ingenieur sein, von Kunststoffen hat er nicht die geringste Ahnung.“ Nachzulesen hier. Befangen.
- Durch die Presse ging auch die Geschichte des Schöffen, der am Nikolausmorgen auf dem noch unbenutzten Tisch der Staatsanwaltschaft zwei Schokoladennikoläuse platzierte (2090 Js 29.752/10 -12 KLs). Befangen.
- „Der Klagevortrag ist eine Märchenstunde“ (OLG Schleswig, B. v. 22.11.2001, Az: 16 W 282/01). Befangen.
- „So einen Fall hatte ich noch nie…“ Befangen.
- Ein netter Plausch mit dem Staatsanwalt auf dem Flur mit erkennbarer Sympathiebekundung… Befangen.
- Mit der hübschen Rechtsanwältin in der Gerichtskantine zu Mittag essen? Befangen.
Kennt ihr ähnliche Fälle? Dann schreibt sie in die Kommentare!
Ich hab tatsächlich welche: https://9erblog.wordpress.com/category/schoffe/ – im letzten Teil.
Außerdem habe ich bei einem meiner Schöffentermine den Richter gefragt, ob ich über das Verfahren bloggen dürfe, was dieser aber verneinte, auch nicht anonym, denn solche Blogbeiträge könnten mir als Befangenheit für spätere Verfahren ausgelegt werden.
https://9erblog.wordpress.com/2013/11/28/schoffenneulingseinfuhrungsinformationsveranstaltung/ – da im unteren Teil, sorry, ich kann den obigen Kommentar nicht mehr ändern.
„Anders sieht das bei Rechtsanwalt und Staatsanwalt aus, die aufgrund ihrer Rolle sehr wohl Partei ergreifen dürfen.“
Das gilt für den Verteidiger. Die Staatsanwaltschaft ist im deutschen Strafverfahren eben gerade nicht Partei, sondern sie ist zur Neutralität verpflichtet.
Danke, habe ich korrigiert!