Betäubungsmittel-Kaufmann

Wenn ich einen Patienten neu kennen lerne, befrage ich ihn zuerst immer recht ausführlich zu seinem Beruf. Das verschafft mir einen recht guten Eindruck von seinem Tagesablauf, von der Art, wie er so tickt und hilft mir, mich in seine Welt zu versetzen. Danach befrage ich ihn zu seiner familiären Situation, also wie er wohnt, ob er eine Partnerschaft hat, ob er Kinder hat.

Und danach befrage ich ihn erst, unter welchen Krankheitsbeschwerden er leidet.

Immer mal wieder habe ich Patienten, die zu einem irgendwie gearteten Drogenentzug kommen, und deren berufliche Beschäftigung – nun ja, im Dealen von Drogen besteht. Ich lasse mich nicht beirren und frage auch diese Patienten in aller Ruhe, ob sie „Angestellte“ haben, ob es Streß mit den „Vorgesetzten“ gibt, und wie das Geschäft so läuft. Danach weiß ich definitiv besser, mit wem ich es zu tun habe, und wie ich mit ihm umgehen kann…
Bitte versteht mich nicht falsch: Drogendealen ist wirklich kein Kavaliersdelikt, sondern es ist die rücksichtslose Verteilung von echtem Teufelszeug.
Aber nach solch einem Gespräch wirkte es neulich erstaunlich passend, als eine Kollegin mir diese scherzhafte Umschreibung für Dealer nannte: „Betäubungsmittel-Kaufmann„….

2 Gedanken zu “Betäubungsmittel-Kaufmann

  1. Sandro 13. Februar 2016 / 21:54

    Oh ja. Das ist ein toller Begriff. Tatsächlich muss man aber damit aufpassen, dass man das nicht verharmlost. Ich denke aber, dass es eher die Realität ist, dass viele Menschen damit ihr Geld verdienen. Ein Grund mehr über eine gewisse Legalisierung von Drogen nachzudenken… Bei gleichzeitiger Erhöhung von Kontrolle und Prävention.

    Ansonsten finde ich Deinen Fragestil sehr schön. Ich mag es auch, wenn ich ein gewisses Bild vom Alltag des Menschen habe. Ich kann mich dann besser in die Schwierigkeiten, Wünsche und Hoffnungen hineinversetzen. Ich frage dann auch noch gerne: Wegen welchen Problemen sind sie hier und was soll ich tun, um ihnen zu helfen? Die Fragen sind zwar schwer zu beantworten, setzen aber einen gewissen Rahmen um das was mir als Therapeut möglich ist und was nicht.

    Schön von Dir zu erfahren, wie das so machst und danke für diese Berufsschöpfung. Werde ich mal bei mir in der Tagesklinik anbringen. 🙂
    Sandro

  2. Javor Tulacek 8. April 2023 / 05:18

    Habt Ihr auch eine ähnlich nette Umschreibung für Leute, die andere mit verschreibungspflichtigen Nervengiften „versorgen“?

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