Typische menschliche Denkfehler und ihre korrekte Übersetzung in die Pharmakologie

Denkfehler

Psychiater machen natürlich die gleichen Denkfehler wie andere Menschen auch. Um die üblichen aus dem Alltag bekannten Denkfehler in die korrekte psychopharmakologische Schreibweise zu übersetzen, habe ich hier folgende kleine Übersetzungshandreichung geschrieben:

  • „Viel hilft viel“ heißt auf psychopharmakologisch „Haloperidol 5-5-5-5 mg“.
  • Etwas tun ist besser als nichts tun -> Die Borderline-Patientin erhält 8 verschiedene Psychopharmaka.
  • Es ist nur wichtig, was ich esse, nicht, wieviel ich esse -> Es ist nur wichtig, welches Medikament ich gebe, nicht, welche Dosis ich gebe.
  • Neukaufen ist leichter als Ausmisten -> Ein neues Medikament anzusetzen ist leichter als ein bisheriges abzusetzen.
  • „Dabei sein ist alles“ -> „Lithium 0-0-225 mg“
  • „Das war ein anderer“ -> Ich verordne meinem Patienten ein Medikament, das ein Vorbehandler angesetzt hat und von dem ich nicht glaube, dass es hilft.
  • „Wenn ich nichts tue, bin ich unschuldig“ -> Beibehalten einer früher sinnvollen und jetzt nicht mehr notwendigen Medikation wie der Dauergabe von Benzodiazepinen, obwohl ich in der Position bin, diese abzusetzen.
  • „Helmut Schmidt war auch starker Raucher und hat nie einen Herzinfarkt oder Krebs bekommen“ -> Haldol Depot über 30 Jahre verordnen und die Möglichkeit des Auftretens von tardiven Dyskinesien nicht berücksichtigen.
  • „Zwei Gläser Rotwein machen heiter. Alkoholiker müssen also sehr fröhliche Menschen sein.“ -> Wenn Opiate gegen akute Schmerzen helfen, dann müssen sie auch gegen chronische Schmerzen helfen.
  • „Um abzunehmen, gehe ich ins Fitnessstudio, wenn mir danach ist.“ -> Risperidon bei Bedarf
  • Wenn man nur einen Hammer hat, ist jedes Problem ein Nagel“ -> Quetiapin gegen Grübeln verordnen.

Korrekte Sprichwörter

Und der Vollständigkeit halber hier noch einige korrekte Sprichwörter und wie man aber in der Psychopharmakologie genau das Gegenteil macht und so dem Patienten schadet:

  • „Viele Köche verderben den Brei“ -> Fünf Ärzte verordnen dem Patienten jeweils einige Medikamente aus „Ihrem“ Fachgebiet und niemand prüft die Interaktionen.
  • „Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht!“ -> Wenn das Antidepressivum nach zwei Wochen die Symptome noch nicht um 50 % reduziert hat, wechsel ich auf eine andere Substanz.
  • „Die Basis einer gesunden Ordnung ist ein grosser Papierkorb.“ -> Siehe meinen blogpost über das Ausmisten unnötiger Psychpharmaka

5 Gedanken zu “Typische menschliche Denkfehler und ihre korrekte Übersetzung in die Pharmakologie

  1. Pharmama 11. März 2018 / 08:37

    Love it! Wunderbarer Artikel – und (leider) so wahr.
    Tausendmal genau so schon gesehen (auf Rezepten).

    • Martartar 11. März 2018 / 10:55

      Dito! Zwar nicht tausendmal gesehen, aber oft genug als Patientin erlebt 😉

  2. litostkomorebi 11. März 2018 / 09:02

    So schön… made my day!

  3. Nelia 11. März 2018 / 13:32

    Witzig und interessant geschrieben! Wenn ich das eine Beispiel so lese, bin ich froh, den Vorschlag der Ärztin abgelehnt zu haben, die mir damals in der Tagesklinik Quetiapin wegen meiner Zwangserkrankung plus rezidivierender Depression verschreiben sollte. Der Sinn der Aktion leuchtete mir nämlich nicht ein … Es lebe der informierte Patient, auch wenn das nicht bei jedem Arzt gut ankommt 😉

  4. Blumenkind 3. April 2018 / 14:40

    Dieser Absatz, dass viele Köche den Brei verderben, springt mir ins Auge.

    Ich sehe das Ganze nämlich so:
    Gerade was die Psyche oder psychiatrische Erkrankungen betrifft, bin ich froh über viele Köche! Als Patient bestehe ich auch auf verschiedene Meinungen und begrüße diese. Da ein Knochenbruch z.b. weniger schnell stigmatisiert und aus der Gesellschaft ausschließt, als eine psychiatrische Diagnose. Als Patient erwarte ich mir auch, dass ein Arzt mich dazu ermutigt und zu mir sagt „holen Sie sich noch eine 2. oder 3. Meinung ein.“

    Im Gegensatz zu einer Fraktur im Fach der Unfallchirurgie oder einem veränderten Muttermal im Bereich der Dermatologie, ist es in der Psychiatrie nicht so einfach in oftmals kurzer Zeit sich viele Infos über den Patienten zu verschaffen, da Erscheinungen in diesem Bereich oft Momentaufnahmen sind, welche oftmals temporär vorhanden sind oder stark variieren und auch oft einen Langzeitverlauf erfordern.
    Von daher profitiert ein Patient oftmals von vielen Köchen, denn jeder Koch sieht etwaige Probleme aus einer anderen Perspektive und jeder Koch sieht in seiner Begutachtung, welche Zutat aus seiner Sicht womöglich fehl am Platz ist, oder welche nicht dort hingehört wo sie ist. Niemandem fällt alles auf einmal auf, das ist menschlich und normal, und verständlich. Doch was einem nicht auffällt, fällt vielleicht gerade jemandem anderen auf.
    Die Kunst der Ärzte, sollte dann sein, unter einander zusammenzuarbeiten und nachfragen warum derjenige etwas so sieht, wie er es sieht, oder warum dieses oder jenes Medikament verschrieben wurde. Jeder sollte dem anderen seine Fähigkeiten zugestehen.
    Nur dann kann ein genießbarer und guter Brei entstehen.

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