Video: Blutspiegel in der Psychiatrie

Und es geht weiter mit einem neuen YouTube Video, diesmal erkläre ich, was es mit den Blutspiegeln der Medikamente in der Psychiatrie auf sich hat, in welchen Situationen und zu welchem Zeitpunkt man sie bestimmt, woran man sich orientiert und zeige euch an einem praktischen Beispiel, wie man einen Blutspiegel richtig interpretiert. Das Video findet ihr hier.

Die empfohlenen Blutspiegelbereiche der verschiedenen Wirkstoffgruppen sowie die Quellenangaben findest Du hier. Mein Buch Psychopharmakotherapie griffbereit findest Du hier.

6 Gedanken zu “Video: Blutspiegel in der Psychiatrie

  1. Peter 2. September 2019 / 19:30

    Wenn das Medikament (Sertralin) abends eingenommen wird, da es müde macht, sollte die Blutabnahme also auch abends kurz vor der erneuten Einnahme erfolgen, richtig? Wird eine abendliche Abnahme in ambulanten Praxen überhaupt durchgeführt?
    Oder gibt es hier eine andere Möglichkeit bzw. Hochrechnung?
    Danke

  2. Jochen 4. September 2019 / 17:59

    Therapeutisches Drug Monitoring hat eine gewisse Berechtigung, wenn es darum geht, a) versteckte Non-Compliance und b) seltene, pharmakogenetische Besonderheiten „by proxy“ zu detektieren, weil Krankenkassen die Genotypisierung nicht zahlen.

    Aber selbst Patienten mit erniedrigten Plasmaspiegeln haben vermutlich meist gar keine genetisch erhöhten Enzymaktivitäten, sondern vergessen schlicht hin und wieder unabsichtlich die Einnahme, untertreiben ihren Konsum an Zigaretten, Kaffee oder Energy Drinks (PAK und Coffein als CYP1A2-Induktoren, relevant bei Clozapin und Duloxetin), vergessen die Mahlzeit zu ihrem Ziprasidon (ansonsten GI First-Pass-Effekt) oder wurden einfach unzureichend darüber aufgeklärt.

    In anderen Fällen gaukelt therapeutisches Drug Monitoring leider nur eine biochemische Fundiertheit der Behandlung und der Verlaufskontrolle vor, die so schlichtweg nicht existiert.

    Bei Clozapin bietet es sich wegen der regelmäßigen Kontrolle von Leukozyten/Neutrophilen, bei Agomelatin wegen der von GOT/GPT/g-GT zwar an, scheitert aber z.B. im letzteren Fall allein schon daran, dass wegen der Überlänge des Dosierungsintervalls im Vergleich zur Halbwertzeit überhaupt keine Kumulation und damit kein Steady State eintreten kann.

    Bei Unwirksamkeit und relativ niedrigen Plasmaspiegeln mag eine Dosiseskalation intuitiv auf den ersten Blick plausibel erscheinen, es kommt jedoch auf eine monoton steigende Dosis-Wirkungs-Beziehung des Medikaments an, die entscheidet, ob dieses Vorgehen evidenzbasiert ist.

    Für SSRI und Mirtazapin existieren Optimaldosen, über die hinaus die Wirkung wieder sinkt. Irreversible MAOI und Venlafaxin haben ansteigende Dose-Response-Kurven. Im Falle von Venlafaxin steigen jedoch die Nebenwirkungen unverhältnismäßig stärker an, als die erwünschte Wirkung, weshalb der Gesamtnutzen auch dort über einer optimalen „Kompromiss-Dosis“ für das beste Verhältnis von Nutzen und Schaden wieder abnimmt.

    Und auch wenn man im Fall steigender Dose-Response-Kurven den Blick allein auf die erwünschte Wirkung verengt, muss die Option der Dosiseskalation bei einem mutmaßlichen „fast“ oder „ultra rapid metabolizer“ je nach einzelnem Medikament abgewogen werden.

    Unabhängig davon, ob die Metabolisierung beschleunigt ist, verläuft die Elimination der Metaboliten nach einer linearen Kinetik erster Ordnung, also konzentrationsunabhängig! Mit anderen Worten: Die Aufdosierung führt zu einer gigantischen AUC des Hauptmetaboliten und unter Umständen zu erheblichen Nebenwirkungen.

    Beim Clozapin ist z.B. das Demethylierungsprodukt als M1-Agonist verantwortlich für die Sialorrhoe und steht im Verdacht, über die Antagonisierung von pankreatitischen M3-Rezeptoren erheblich zur Insulinresistenz beizutragen. Dort ist dann die Frage, ob man das Problem nicht lieber durch zusätzliche Gabe von Fluvoxamin als CYP1A2-Inhibitor löst, natürlich um den Preis der Nebenwirkungen von Fluvoxamin.

    Und im Fall der Unverträglichkeit gilt: Selbst wenn sich unter Therapie mit einem konkreten Medikament mit monoton steigender Dose-Response-Kurve im Einzelfall hinter auffällig starken oder sehr ungewöhnlichen Nebenwirkungen überhöhte Plasmaspiegel verbergen, lohnt sich nur dann eine Dosisreduktion, wenn auch die erwünschte die Wirkung deutlich mehr als nur zufriedenstellend war. Denn ansonsten würde auch die erwünschte Wirkung unter die Schwelle der klinischen Relevanz fallen. Die Kenntnis des Plasmaspiegels bietet also auch diesem Fall fast nie praktische Vorteile.

    Mein Fazit: Therapeutisches Drug Monitoring schadet zwar nicht, sofern man sich strikt an die Evidenz hält, nützt aber mit Ausnahme der zwei genannten Fälle in aller Regel auch nichts.

  3. Anonym 9. Dezember 2020 / 12:52

    Hallo,
    Sie scheinen ja sehr engagiert zu sein. Das ist sehr erfreulich!
    Ich recherchiere gerade zum Thema HWZ und Akkumulation und stieß nun auf Ihre Webseite.

    Ich tue mich sehr schwer mit Medikamenten – und leider auch mit Ärzten (lange Krankengeschichte)
    Das Internet ist großartig. Endlich Fachinfos für alle.

    Ich nahm einige Monate 2 x 150mg Tramadol (retardiert 12h) und verlor – irreversibel – die Hälfte meiner Haare. Und war schlaflos. Wikipedia (engl.) schreibt, T. könne Akkumulieren.

    Durch das Internet weiß ich längst, genetisch bedingt sind wir alle unterschiedliche Metabolisierer.
    Die Cytochrome kenne ich.
    Auch was Depressionen angeht, las ich mich durch englische Studien…

    Wie dem auch sei:

    Tramadol nehme ich wegen chronischer Schmerzen. Es hilft auch psychisch. Es wird im Ausland (USA?) oft Off -Label als Antidepressivum verschrieben. Ich kann es absolut verstehen: Denn die Wirkung trifft – anders als bei AD – nach wenigen Stunden ein.

    Ich nehme es jedoch nur noch tagsüber. So kann ich schlafen – aber komme nachts in den Entzug und wache morgens in übelstem Zustand auf. Die erneute Einnahme bringt mich kaum aus dem Entzugszustand…
    Es ist auf Dauer keine ideale Lösung. (NSAR lehne ich wegen Organtoxizität ab.)

    Also entschloss ich mich, trotz ua drohen dem Serotoninsyndrom ein SSRI zu nehmen.
    Ich recherchierte und schaute mir an, welche Cytochrome beteiligt sind. (ES-)Citalopram und Venlafaxin hemmen das CYP2D6 angeblich nur schwach und könnten sich mit T. vertragen.

    Ich habe mich für das modernere Escitalopram entschlossen. Venlafaxin fand ich nicht ideal, weil auch T. die Wiederaufnahme von Noradrenalin hemmen soll.

    Ich habe Es. heute zum 2. Mal morgens eingenommen (5mg), vorsichtig und werde vllt erst nach 2 Wochen die Dosis steigern.

    Mich beschäftigt die HWZ von 30h. Dann müsste der Medikamentenspiegel ja auch ständig steigen – bei täglicher Einnahme. Das Ganze macht mir Sorgen.

    So ein bisschen mache ich was ich will – halte mich also längst nicht mehr an Anweisungen von Ärzten. Dazu habe ich zu viel erlebt. Allerdings nehme ich eher nichts oder zu wenig. So schwankt auch die Menge an T., die ich einnehme. Nur so läßt sich auch Toleranz (Wirkverlust) verhindern.
    Ähnliches würde ich vllt. mit Es. machen.

    Zudem führt T. und auch Tilidin zu einem starken Blutdruckanstieg. Es ist ärgerlich. Mich frustriert, dass die NW von Medis mich dazu zwingen, Blutdrucksenker einzunehmen.
    Und auch, dass es fast unmöglich ist, herauszufinden, welches Medi für welche NW verantwortlich ist.

    In der Menopause habe ich L-Thyroxin (seroneg.? Hashimoto – jedenf. Unterfunktion) plötzlich nicht mehr vertragen. Ich bekam lebensgefährlich hohen Blutdruck und merkte zu spät, dass L-Th. die Ursache war…

    Nachdem ich es eine Weile abgesetzt hatte, dosiere ich es super langsam, super vorsichtig in ca. 6mcg Schritten wieder ein. Die Dosis von 125mcg werde ich nie mehr erreichen. Ich war ohnehin jahrelang zu „scharf“ eingestellt, bekam hektische Flecken am Hals. Sicherlich unerkannt hoher Blutdruck. Jahrzehnte lang… Extrasystolen bei jedem Herzschlag.
    Ich befürchte, das Herz hat sehr gelitten.

    Ich strebe also keinen TSH mehr von fast Null an. Der Wert von 2 würde mir reichen. Momentan ist er bei 4,8. Und medizinische Berichte, wonach bei „Älteren“ auch ein TSH von 10 noch akzeptabel sein könnte, sind mir auch bekannt.

    Es ist blöd: Dieses Pausieren der T. Einnahme ist wirklich übel… Diese Stimmungsschwankungen sind heftig. Ich wünschte, Es. könnte es etwas abmildern.

    Serotoninsyndrom, Krämpfe (hatte ich noch nie – klingt aber erschreckend) – mir ist diese Gefahr bewusst und ich beobachte mich diesbzgl. natürlich.

    Eine Info zu dem erwähnten Problem (Akkumuliert Es. nicht unermesslich bei täglicher Einnahme und einer HWZ von 30h) würde mich sehr freuen.

    Mein Hausarzt ist genervt und sicher nicht erfreut, wenn er mich im Wartezimmer sieht…
    Irgendwie sind mündige Patienten wie ich immer noch selten…

    Mein ehrgeiziges Ziel war eigentlich: Nur Tramadol und L-Thyroxin. Mich schocken die Langzeitschäden all dieser Medis. Und unter mir wohnt eine 90 Jährige, die 3 x wöchentlich zur Dialyse muss.
    Das erwähnt kein Arzt… Man muss selbst auf sich aufpassen…

    Aber es kann mich sowieso keiner zwingen, Medis zu nehmen. Ich wollte mal wissen, wie SS(N)RI wirken. Und es wäre ja auch nicht schlecht, im Notfall zu wissen, welches einem schon mal geholfen hat…

  4. Markus Hüfner 15. Dezember 2021 / 16:59

    Hallo, wie ich sehe lässt sich auch der Medikamentenspiegel von Diazepam u Lorazepam bestimmen.

    Meine Frage: Lässt sich an Hand des gemessenen Medikamentenspiegels auch eine Aussage darüber treffen, ob das Benzodiazepin noch wirkt oder bereits eine Gewöhnung vorhanden ist? Ich nehme seit einiger Zeit diazepam u habe das Gefühl es wirkt nicht mehr so gut.

    Freundliche Grüße

    Markus Hüfner

    • Dr. Jan Dreher 16. Dezember 2021 / 06:17

      Hi! Der Blutspiegel sagt nichts über eine Gewöhnung aus. Wenn eine Gewöhnung an ein Benzodiazepin oder ein Opiat eintritt, dann ist der Blutspiegel gleich. Es gibt auch die Situation, dass durch Gabe eines anderen Medikamentes der Blutspiegel abnimmt, das Medikament wirkt dann auch nicht mehr gut. Das nennen wir aber nicht Gewöhnung, sondern Wechselwirkung mit Abnahme des Blutspiegels. Wenn man das andere Medikament absetzt und der Blutspiegel wieder normal wird, hat sich der Patient nicht an das Medikament gewöhnt und die Wirkung wäre wieder voll da.
      Vielen Dank für die interessante Frage!

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