Midazolam
- wird überwiegend in der Anästhesie und Notfallmedizin verwendet
- ist ein Benzodiazepin mit einer sehr kurzen Halbwertszeit von ca. 1,5 – 2,5 Stunden
- kann im Notfall als Nasenspray verabreicht werden
- wird im Notfall bei Erwachsenen mit 10 mg dosiert, wobei 5 mg pro Nasenloch appliziert werden
- fällt in Einheiten von mehr als 15 mg je abgeteilter Einheit unter die Betäubungsmittel
In der Anästhesie wird Midazolam gerne zur Prämedikation vor Operationen, auf Intensivstationen zur Dauersedierung oder zusammen mit Ketamin im Rahmen von Narkosen verwendet. Im Rettungsdienst wird es schon länger zur Behandlung von Krampfanfällen gegeben. Gerade hier ist eine nasale Gabe über einen Zerstäuber sehr praktisch, da es während eines Krampfanfalles schwierig ist, einen intravenösen Zugang zu legen. In den letzten Jahren hat Midazolam als nasale Gabe eine zusätzliche Nische gefunden. Auch bei einem psychiatrisch bedingten akuten Erregungszustand kann man Midazolam gut nasal applizieren. Es führt in dieser Situation zu einer zügigen Sedierung und Entaktualisierung. Die nasale Gabe ist gerade im Rahmen einer Zwangsmedikation für Behandler und Patienten sicherer als die intravenöse Gabe.
Pharmakologie
Midazolam ist ein kurzwirksames Benzodiazepin. Wenn es – wie hier beschrieben – im Rahmen der Sedierung bei akutem Erregungszustand nasal verabreicht wird, umgeht man den first-pass-Effekt. Die Wirkung tritt oft bereits nach wenigen Minuten ein.
Fallbeispiel
Der aus Vorbehandlungen gut bekannte 35 jährige Herr M. leidet seit einigen Jahren unter einer drogeninduzierten Psychose. Unter Drogenintoxikationen kam es in der Vergangenheit immer wieder zu ausgeprägten Erregungszuständen, teilweise mit fremdaggressivem Verhalten. Aktuell wird Herr M. von der Polizei auf der Rechtsgrundlage eines PsychKG´s zur Klinik gebracht. Er ist mit Handschellen fixiert, dennoch im Rahmen eines akuten Erregungszustandes nur schwer zu halten. In gesunden Zeiten hat der Patient eine Patientenverfügung erstellt, in der er dem Einsatz von Midazolam Nasenspray zu Sedierung in solchen Situationen zugestimmt hat. Darauf angesprochen stimmt er auch jetzt der Gabe von Midazolam Nasenspray zu. Der Dienstarzt nimmt sich eine Ampulle Midazolam mit 15 mg Midazolam in 3 ml Injektionslösung und zieht sie unverdünnt in eine 5 ml Spritze auf, so dass in der Spritze nun 15 mg Midazolam sind. An der Spitze der Spritze bringt er einen Mikrozerstäuber zur Vernebelung des Wirkstoffes mit darunterliegendem Schaumstoffkonus (Mucosal Atomization Device, MAD) an. Er gibt in jedes Nasenloch des Patienten einen Milliliter, entsprechend 5 mg pro Seite, dabei hält er das andere Nasenloch zu und bittet den Patienten, einzuatmen. Danach verbleibt ein Milliliter, entsprechend 5 mg Midazolam in der Spritze. Diese Dosis könnte bei unzureichender Wirkung nach einigen Minuten nachgegeben werden. Nach 5 Minuten beruhigt sich der Patient sichtlich und eine weitere nasale Medikamentengabe ist nicht erforderlich. Nach einem geordneten Aufnahmegespräch nimmt der Patient eine weitere Medikation oral ein, hierunter auch Lorazepam, das zu wirken beginnt, bevor der Effekt des recht kurzwirksamen Midazolams ganz abgeklungen ist.
In oben beschriebenen Fall ist die Rechtsgrundlage der Verabreichung die Freiwilligkeit. Je nach Bundesland gibt es sehr unterschiedliche Rechtsgrundlagen für Zwangsmedikationen. Ist eine Rechtsgrundlage für eine Zwangsmedikation vorhanden und ist die Indikation gegeben, ist die Gabe von Midazolam nasal eine gut handhabbare, sichere, zügig wirksame und effektive Behandlung.
Dosierung
- Erwachsene: 10 mg Midazolam nasal, auf beide Nasenlöcher verteilen.
- Maximale Menge 1–2 ml pro Nasenloch pro Gabe. Bei größeren Mengen fraktionierte Gabe.
- Bei unzureichender Wirkung kann nach einigen Minuten eine weitere Gabe Midazolam in geeigneter Dosis erfolgen.
Nebenwirkungen
Eine schnelle Sedierung mit Midazolam kann im Einzelfall auch zu einer Übersedierung, schlimmstenfalls mit einem reduzierten Atemantrieb einhergehen. In diesem Fall ist die Gabe des Benzodiazepinantagonisten Flumazenil (z.B. Anexate®) möglich. Nach der Gabe von Midazolam nasal kann es für einige Minuten zu einer lokalen Reizung der Nasenschleimhaut kommen. Die Patienten berichten dann ein Brennen in der Nase. Dagegen ist Lidocain-Spray wirksam.
Mein persönliches Fazit
Die nasale Gabe von Midazolam ist selbst in unruhigen Situationen einfach. Es besteht sowohl für den Patienten als auch für die Behandler ein deutlich niedrigeres Verletzungsrisko im Vergleich zu einer i.v. Medikation mit einer scharfen Nadel. Da der first-pass-Effekt umgangen wird ist die Bioverfügbarkeit gut und es kommt zu einem schnellen Wirkungseintritt, oft nach etwa 5 Minuten. Ich habe Midazolam inzwischen in mehreren psychiatrischen Notfällen mit Erfolg eingesetzt und empfehle Behandlungsteams im Rettungsdienst und in psychiatrischen Kliniken, mit dieser Behandlungsoption Erfahrungen zu sammeln.
Habt ihr Erfahrung mit Midazolam nasal im Notfall? Schreibt sie gerne hier in die Kommentare!
Literatur
Wanka, Medikamente im Rettungsdienst (ISBN 978–3–13–240087–0), © 2016 Georg Thieme Verlag KG
Copyright
Dieser Beitrag ist ein Auszug beziehungsweise eine auszugsweise Vorabveröffentlichung des Werks „Psychopharmakotherapie griffbereit“ von Dr. Jan Dreher, © Georg Thieme Verlag KG. Die ausschließlichen Nutzungsrechte liegen beim Verlag. Bitte wenden Sie sich an permissions@thieme.de, sofern Sie den Beitrag weiterverwenden möchten.
Hallo Jan,
Ich würde gern gerade eine Menge mehr schreiben, jedoch muss ich mich aus zeitlichen Gründen u. a Mutter Pflichten gerade kurz fassen.
Ist dir dieses Neuroleptika bekannt?
IMAP Fluspirilen
https://www.arznei-telegramm.de/html/1997_06/9706071_04.html
Meine Mutter bekam das eine ganze Weile und ich sehe heute an ihr nicht nur die Nebenwirkungen sondern Sie befindet sich auch in einer Psychose /Schizophrenie (mit akut extremen Wahn /religiösen Inhalten sowie akustische Halluzinationen /Stimmen die Sie täglich seit ca 1j hört..)
Das weiss ich zb erst seit einer Woche.. Und Sie will sich keine aerztliche Hilfe suchen. Auch nicht wenn ich mit Ihr hingehen wuerde..
Ich müsste fuer ein kompletteres Bild der Situation eigentlich noch eine Menge mehr Details hier niederschreiben jedoch wie oben erwaehnt ist es gerade schlecht.
Aber ich mache mir grosse Sorgen.. Und weiss nicht was ich machen kann da dieser religioese Wahn schon vor etwa 15j schleichend anfing.. Parallel zu dem Medikament.. Weiss du zufaellig mehr ueber das Medikament?
bei mir wird der katheter unter midazolam 5 ml regelmässig gewechselt.
immer intravenös. beim letzen mal mit dem nasenspray. der effekt ist absolut nicht der gleiche. sonst war ich innerhalb einiger sekunden völlig weg. mit dem nasenspray war nichts. 5x musste die dosis erhöht werden und da ich die uhr im blickfeld hatte, vergingen 30 minuten, bis der wechsel stattfinden konnte. das spray hat einen bitteren geschmack, wenn es im mund ist aber gebrannt hat es nicht.
Ich habe heute auch die Erfahrung mit der nasalen Verabreichung machen dürfen. Schmeckt eklig und brennt im Rachen. Und ich fand es auch deutlich weniger wirksam, als die Verabreichung i.V. (10mg nasal haben mich etwa so sehr geschafft wie 5mg i.V. und deutlich weniger als 7,5mg i.V.).
Was mich aber viel mehr interessiert ist, wie sieht die Patientenverfügung des Herrn M. aus dem Fallbeispiel aus? Wie müsste man eine solche abfassen, damit auch ein Notarzt bzw. die RTW-Besatzung sich daran halten und danach handeln? Bei mir ist der Fall, dass ich dissoziiere und darunter teilweise auch krampfe. Heute endete das mit Midazolam nasal, Transport in die Notaufnahme und Aufnahme auf die Neurologie.
Den Ärger würde ich mir gerne sparen künftig.