Neues, inhalatives Neuroleptikum zur Therapie von Erregungszuständen: adasuve®

adasuve

Loxapin

Es gibt ein neues Neuroleptikum auf dem deutschen Markt, dass möglicherweise geeignet ist, Agitationen im Rahmen von akut-psychotischen oder akut-manischen Zuständen wirksam und relativ gut verträglich zu therapieren.

Das neu verfügbare Präparat heißt adasuve® und besteht aus einem Inhalator, der den Wirkstoff Loxapin freisetzt.

Der Wirkstoff Loxapin ist in den USA schon seit langem in Kapselform erhältlich. Dort ist er für die orale Gabe in einer Dosis von bis zu 50 mg/Tag zur Behandlung der Schizophrenie zugelassen.

Fallbeispiel

Der 28-jährige Herr S. ist schon seit vielen Jahren aufgrund einer bipolaren Störung in ambulanter und immer wieder auch in stationärer Behandlung. Er kommt zumeist in depressiven Phasen zur Klinik, etwa ein- bis zweimal pro Jahr wird er aufgrund einer manischen Exazerbation aufgenommen. Er erhält als Regelmedikation Lithium und Aripiprazol, die er aber ambulant immer wieder absetzt, so dass es häufig zu Exazerbationen der Krankheit kommt.

Die aktuelle Aufnahme erfolgt in Begleitung des Rettungsdienstes und der Polizei, nachdem Hr. S. auf dem Balkon seiner Wohnung im dritten Stock gestanden hatte und über fast eine Stunde geschrieen hatte, er sei Jesus und könne fliegen.
In der Untersuchung spricht er in beschleunigtem Gedankengang, weitschweifig, ideenflüchtig, teilweise ideensprunghaft. Er gibt immer wieder an, dass er sich tatsächlich für Jesus halte und dass er problemlos auch aus großen Höhen springen könne, ohne Schaden zu nehmen, da er unsterblich sei. Die Regelmedikation habe er vor 3 Wochen abgesetzt, da er sie nicht brauche. Auf vorsichtiges Hinterfragen reagiert er erregt, agitiert und zeigt sich rasch bedrohlich und drohend fremdaggressiv. Bei früheren Aufenthalten war es in ähnlichen Situationen schon zu Fixierungen und Zwangsmedikationen mit Glianimon und Diazepam i.v. gekommen.

Dem Patienten wird jetzt angeboten, eine Medikation aus Diazepam und Aripiprazol einzunehmen, was er aber ablehnt. Alle anderen ihm vorgeschlagenen Neuroleptika und Sedativa lehnt er ebenfalls unter dem Hinweis auf früher erlebte Nebenwirkungen unter diesen Medikamenten ab.

Ihm wird dann angeboten, ein neuartiges Präparat zu versuchen, dass gut verträglich sei und inhaliert werde. Er erklärt sich damit einverstanden. Die Krankenschwester aktiviert den adasuve®-Inhalator, indem sie die Papierlasche herauszieht. Sie erklärt Hrn. S., dass er an dem Inhalator ziehen soll, wie an einer Zigarette. Hr. S. tut dies. Nach etwa 10 Minuten kommt es zu einer deutlichen Beruhigung des Patienten. Eine Fixierung ist nicht erforderlich, am Abend nimmt er seine Regelmedikation, bestehend aus Lithium und Aripiprazol sowie zusätzlich Diazepam wieder ein.

Pharmakologie

Die wesentliche Wirkung von Loxapin ist ein Antagonismus an den D2 und 5HT-2A Rezeptoren, was die antipsychotische Wirkung erklärt. Darüber hinaus bindet es an noradrenerge, histaminerge und cholinerge Rezeptoren, was die sedierende Wirkung erklärt. Aufgrund der inhalativen Applikation werden rasch nach Einnahme recht hohe Plasmaspiegel erreicht, vergleichbar der Anflutungsgeschwindigkeit eines intravenös verabreichten Medikamentes.

Indikation

Loxapin ist indiziert bei agitierten Patienten mit einer Psychose oder einer bipolaren Störung.

Dosierung

Man gibt einmalig 9,1 mg adasuve® inhalativ. Falls erforderlich, kann nach zwei Stunden eine weitere Gabe erfolgen; danach erst wieder am nächsten Tag.

Wirkung

In den Zulassungsstudien (Lesem et al., 2011, Kwentus et al., 2012) zeigte sich ein Rückgang des Wertes auf der PANSS-Subskala für Erregung nach zwei Stunden um 30-50%, unter Placebo um weniger als 30%. Es bewirkt also eine wirksame Sedierung.

Die antipsychotische Wirkung eines Neuroleptikums ist nicht nach einer einmaligen Gabe beurteilter. Die D2 und 5HT-2A Blockade lässt aber auf eine gute antipsychotische Wirkung schließen.

Nebenwirkungen und Kontraindikationen

Die Anwendung darf nur im Krankenhaus unter Aufsicht von medizinischem Personal erfolgen, da der Patient über eine Stunde auf das Auftreten von Kurzatmigkeit oder Atemnot als Zeichen eines möglichen Bronchospasmus überwacht werden muss. Die verabreichende Klinik muss vorsorglich ein inhalatives ß2-Sympathomimetikum bereithalten.

Da unter Behandlung mit adasuve® Bronchospasmen auftreten können, sind ein vorbekanntes Asthma bronchiale sowie eine bestehende COPD Kontraindikationen.

Kosten

In der Roten Liste wird adasuve® mit 99,50 € pro Einheit geführt; in der Klinik können die Kosten niedriger liegen.

Mein persönliches Fazit

Dank der inhalativen Applikation wirkt adasuve® vermutlich tatsächlich so schnell wie ein intravenös verabreichtes Neuroleptikum. Im Einzelfall kann der Wirkeintritt nach 2-10 Minuten im Vergleich zum Wirkeintritt etwa von Tavor expidet® oder anderen Tabletten nach erst etwa 30 Minuten eine Eskalation verhindern; in solchen Fällen lohnt sich der Einsatz auf jeden Fall. Auch für Patienten, die im akuten Erregungszustand aus welchen Gründen auch immer keine orale Applikation akzeptieren, bietet adasuve® eine zusätzliche Option.

Bei Patienten mit einem manischen Erregungszustand habe ich schon erlebt, dass adasuve® akzeptiert und rasch eine ausreichende Besserung erreicht wurde. Die Wirkung entspricht am ehesten der eines mittel- bis hochpotenten Neuroleptikums, mit einer antipsychotischen und einer verträglichen aber gut wirksamen sedierenden Komponente.

Zusätzlich zu den bekannten Nebenwirkungen von Neuroleptika und antihistaminergen/anticholinergen Sedativa ist der mögliche Bronchospasmus zu berücksichtigen, weswegen eine Klinik, die adasuve® gibt, ein inhalatives ß-Sympathomimetikum vorrätig halten muss. Für Patienten mit bekannten Atemwegserkrankungen ist es nicht geeignet.

Weitere Literatur

Kompendium-news: Loxapin

Zwei unklare Todesfälle unter Olanzapin Depot

Wer diesen blog hier mag, interessiert sich sicher auch für den blog zum „Kompendium psychiatrische Pharmakologie“, der eine Ergänzung zum berühmten und ausgezeichneten Pharmakologiebuch von Benkert /Hippius ist und über wichtige aktuelle Neuigkeiten informiert, bevor diese in die nächste Auflage eingehen. Es erscheint nur alle paar Wochen ein post, wenn aber einer erscheint, ist er regelmäßig wirklich wichtig und relevant. Also bitte ab damit in den feed-reader…

Heute informiert der blog in diesem Artikel über zwei unklare Todesfälle wenige Tage nach Injektion einer üblichen Dosis Zypadhera, also Olanzapin-Depot. Bei Zypadhera ist bekannt, dass nach der Injektion ein „Postinjektionssyndrom“ auftreten kann, wenn der Wirkstoff fälschlich in die venöse Blutbahn gelangt und zu einer starken Wirkstoffüberdosierung führt. Dies kann zu Benommenheit, Verwirrtheit und einem schweren Krankheitsbild führen, das intensivmedizinisch überwacht werden muss, dann aber nach einigen Stunden oder wenigen Tagen abklingt. Da diese Komplikation bekannt ist, müssen Patienten nach der Injektion von Zypadhera 3 Stunden überwacht werden, sie dürfen nach der Injektion nicht Auto fahren.

Die EMA schreibt hierzu:

Postinjektionssyndrom: Während klinischer Studien vor der Zulassung, traten Ereignisse mit Symptomen passend zu einer Olanzapin-Überdosierung bei < 0,1 % der Injektionen und ungefähr 2 % der Patienten auf. Die meisten dieser Patienten entwickelten Symptome einer Sedierung (reichend von einem leichten Schweregrad bis zum Koma) und/oder Delirium (einschließlich Verwirrtheit, Desorientiertheit, Agitation, Angst und anderen kognitive Beeinträchtigungen). Andere berichtete Symptome waren extrapyramidale Symptome, Sprachstörungen, Ataxie, Aggression, Schwindel, Schwäche, Hypertension und Krampfanfälle. In den meisten Fällen traten die initialen Anzeichen und Symptome dieser Ereignisse innerhalb 1 Stunde nach der Injektion auf. In allen Fällen wurde ein vollständiges Abklingen der Symptome innerhalb von 24 – 72 Stunden nach der Injektion berichtet. Die Ereignisse traten selten (< 1 von 1.000 Injektionen) zwischen 1 und 3 Stunden und sehr selten (< 1 von 10.000 Injektionen) nach 3 Stunden auf. Bei jeder Gabe von ZYPADHERA müssen die Patienten immer über dieses potenzielle Risiko und die Notwendigkeit einer Nachbeobachtung von 3 Stunden in einer medizinischen Einrichtung informiert werden. Berichte zum Postinjektionssyndrom nach Zulassung und Markteinführung von ZYPADHERA stimmen grundsätzlich mit dem überein, was in klinischen Studien beobachtet wurde.

Das Postinjektionssyndrom ist schon schlimm genug. Bislang war es aber nicht zu berichteten Todesfällen gekommen. Sollte sich ein ursächlicher Zusammenhang mit Olanzapin bestätigen, wäre eine neue Risiko/Nutzen Abwägung erforderlich. In dem verlinkten Artikel wird über 82 unklare Todesfälle im Zusammenhang mit Zypadhera berichtet, ohne dass beurteilt werden kann, ob und wenn ja in welchem Ausmaß hier ein ursächlicher Zusammenhang besteht.

Meine persönliche Wertung:

Bislang habe ich Zypadhera in wenigen bestimmten Fällen verordnet. Es macht keine EPMS und wird von vielen Patienten sehr gut vertragen und explizit gewünscht.

Ich werde es nun aber zunächst einmal nicht mehr empfehlen, bis aufgeklärt ist, ob es sich bei den beschriebenen Todesfällen um Folgen des Postinjektionssyndromes handelt.

Olanzapin in Tablettenform kann nicht zu dieser Komplikation führen. Es ist in meinen Augen weiterhin eine gute und sichere Behandlungsmethode.