Alkoholentgiftung nach dem Bernburg Schema

In Deutschland wird die Alkoholentgiftung in der Regel stationär durchgeführt. Am häufigsten wird Clomethiazol (Distraneurin) eingesetzt, gefolgt von Benzodiazepinen (z.B. Rivotril, siehe Bild…).

Alkoholentgiftung nach dem Bernburg Schema

Es gibt eine dritte Behandlungsmöglichkeit, die gegenüber den beiden oben genannten den Vorteil hat, auf abhängig machende Substanzen zu verzichten. Insbesondere im ambulanten Rahmen ist es daher die Behandlungsmethode der ersten Wahl. Im stationären Rahmen hat sie sich ebenfalls bewährt und wird häufig eingesetzt, kann aber nebenwirkungsreicher sein als die Gabe von Distraneurin oder Benzodiazepinen. Beim Bernburg Schema gibt man das Antiepileptikum Carbamazepin in Kombination mit dem Neuroleptikum bzw. Antihyperkinetikum Tiaprid. Carbamazepin verhindert Entzugskrämpfe, Tiaprid wirkt gegen vegetative Entzugsbeschwerden wie Zittern, Schwitzen und Unruhe. Das Bernburg Schema wirkt erstaunlich sicher und verlässlich gegen Entzugsbeschwerden. Auch Krampfanfälle im Entzug habe ich fast nie gesehen. Selbst Patienten, die zuvor 2 Flaschen Wodka pro Tag getrunken haben, kommen meiner Erfahrung nach gut damit zurecht. Zeichnet sich der Beginn eines Delirs ab, sollte man, wie auch bei einer Benzodiazepin gestützten Alkohol Entgiftung, sicherheitshalber auf Clomethiazol umsteigen. Manche Behandler bevorzugen die Gabe des unretardierten Carbamazepins, das retardierte soll aber weniger Übelkeit verursachen.

Ambulante Alkoholentgiftung

Bei weniger schwer ausgeprägten Krankheitsbildern ist eine ambulante Behandlung möglich. Ambulante Alkoholentgiftungen erfordern eine gründliche Betreuung der Patienten. Zunächst sind Angehörige und Patienten sehr gut aufzuklären. Um die gefürchteten Entzugskrampfanfälle zu vermeiden, ist eine Medikation erforderlich. Distraneurin und Rivotril verbieten sich hier, da sie gerade in der mißbräuchlichen Kombination mit Alkohol zu erheblichen Problemen führen können. In der ersten Behandlungswoche sollten die Patienten täglich gesehen werden, in der zweiten Behandlungswoche alle zwei Tage.

Dosierung im ambulanten Entzug:

Tag Carbamazepin Tiaprid
1-3. Tag 100-100-200-0 mg 300-300-300-300 mg
4-6. Tag 0-0-200-0 mg 200-200-200-200 mg
7-14. Tag Am 7. Tag absetzen Ausschleichen über eine Woche

Quelle: http://www.ecomed-medizin.de/sj/sfp/Pdf/aId/5930

Stationäre Alkoholentgiftung

Auch in der stationären Alkoholentgiftung hat sich meiner Meinung nach eine Medikation nach dem Bernburg Schema sehr bewährt. Die Patienten sind zu keiner Zeit besonders sediert, so dass sie von Anfang an den begleitenden Therapien sehr viel besser folgen können, als Patienten, die Clomethiazol oder Clonazepam erhalten. Die Dosis des Carbamazepins kann in den ersten Tagen 600 bis 800 mg betragen. Die Dosisreduktion erfolgt nach der Schwere der vegetativen Entzugsbeschwerden.

Dosierung im stationären Entzug:

Tag Carbamazepin Tiaprid
1-5. Tag 200-200-200-200 mg 300-300-300-300 mg
6-12. Tag Ausschleichen über eine Woche Ausschleichen über eine Woche

Quelle: Benkert Hippius: Kompendium der psychiatrischen Pharmakotherapie; 2010

Nebenwirkungen

Die schnelle Aufdosierung des Carbamazepins kann bei einigenPatienten zu Übelkeit, Doppeltsehen und Unwohlsein führen. In diesem Fall hat es sich bewährt, auf das “Halbierte Bernburg Schema” umzusteigen, also die Dosierungen sowohl von Carbamazepin als auch von Tiaprid zu halbieren. Zu berücksichtigen ist auch, dass Carbamazepin den Natrium Serumspiegel erheblich senken kann, was durch Laborkontrollen zu überprüfen ist. Weiterhin muss man berücksichtigen, dass Carbamazepin Blutbildschäden verursachen kann; daher sehen es einige Experten gerade in der Verwendung bei alkoholabhängigen Patienten kritisch. Außerdem kann es den Blutspiegel vieler Substanzen aufgrund seiner recht ausgeprägten Enzyminduktion senken. Es verursacht daher häufig unerwünschte Interaktionen.

Leitlinie

Die aktuelle Leitlinie zur Alkoholentgiftung ist eine S2 Leitlinie aus dem Jahre 2003, sie ist unter http://www.sucht.de/tl_files/pdf/akut_alkohol.pdf zu finden. Eine S3 Leitlinie wird gegenwärtig von der AWMF erarbeitet.

Copyright

 

Dieser Beitrag ist ein Auszug beziehungsweise eine auszugsweise Vorabveröffentlichung des Werks „Psychopharmakotherapie griffbereit“ von Dr. Jan Dreher, © Georg Thieme Verlag KG. Die ausschließlichen Nutzungsrechte liegen beim Verlag. Bitte wenden Sie sich an permissions@thieme.de, sofern Sie den Beitrag weiterverwenden möchten.