Welches Antidepressivum gebe ich wem? Jetzt auch als Video verfügbar

Der Post „Welches Antidepressivum gebe ich wem?“ wurde hier auf dem Blog ja ausführlich diskutiert und ich bedanke mich noch einmal sehr herzlich für die Rückmeldung. Ich habe die Ergebnisse auch als Video aufgezeichnet. Welche Form mögt ihr lieber? Welche Themen mögt ihr lieber im Blog, was eignet sich gut als Video und wann ist beides sinnvoll? Schreibt eure Vorlieben mal hier in die Kommentare!

Duloxetin

Cymbalta

Duloxetin

  • ist ein Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI).
  • ähnelt pharmakologisch dem Venlafaxin
  • wird oft bei Depressionen mit somatischen Anteilen und Somatisierungsstörungen eingesetzt.
  • ist zugelassen und bewährt in der Therapie der generalisierten Angststörung.
  • kann deutliche Absetzsymptome verursachen.
  • ist inzwischen als Generikum erhältlich, aber auch die Generika sind gegenwärtig noch deutlich teurer als andere SSRI und SNRI.

Geschichte

Duloxetin wurde 2004 zunächst zur Behandlung von Schmerzen bei diabetischer Polyneuropathie sowie zur Behandlung von Frauen mit Belastungsharninkontinenz zugelassen. Später folgten die Zulassungen zur Behandlung von Depressionen und generalisierten Angststörungen.

Pharmakologie

Duloxetin ist ein Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer. Sehr viel geringer ausgeprägt hemmt es auch bestimmte Dopamin-Rezeptoren.

Duloxetin wird im wesentlichen von den Cytochromen P450 1A2 und 2D6 metabolisiert und renal ausgeschieden.

Klinischer Einsatz

Viele Ärzte betrachten Duloxetin als einen etwas nebenwirkungsärmeren Nachfolger des Venlafaxins. Es gehört als SNRI pharmakologisch in die gleiche Untergruppe, hat aber bei höheren Dosierungen erfahrungsgemäß etwas weniger Nebenwirkungen.

Vermarktet wurde es zu Beginn sehr stark als Medikament zur Behandlung von Somatisierungsstörungen und bei begleitenden Schmerzen. Daher assoziieren viele Ärzte es auch mit diesen recht häufigen Syndromen. Pharmakologisch gibt es aber keinen überzeugenden Grund, warum Duloxetin hier wirksamer sein sollte als andere SNRI.

Dosierung

  • Startdosis: 60 mg/Tag.
  • Empfohlene Erhaltungsdosis: 60 mg/Tag.
  • Bei unzureichender Wirksamkeit kann auf die Höchstdosis von 120 mg/Tag gesteigert werden.
  • Bei Angststörungen wird eine Startdosis von 30 mg/Tag empfohlen.

Nebenwirkungen

Duloxetin kann wie alle SNRI unter anderem Übelkeit, gastrointestinale Beschwerden, Unruhe und sexuelle Dysfunktionen verursachen. Vor allem plötzliches Absetzen kann zu typischen Absetzsymptome führen.

Mein persönliches Fazit

Obwohl Duloxetin seit 2014 als Generikum erhältlich ist, ist es gegenwärtig immer noch deutlich teurer als das in der Wirkung meiner Einschätzung nach gleichwertige Venlafaxin. Allerdings verursacht es meiner Einschätzung nach im höheren Dosisbereich weniger Nebenwirkungen, insbesondere weniger Unruhe und Getriebenheit als Venlafaxin. Die Patienten sind daher mit der Behandlung spürbar zufriedener. Ich verordne oft als Startdosis 30 mg/Tag, die ich nach drei Tagen auf 60 mg/Tag steigere. 90 mg verordne ich eher bei schweren Depressionen und Angststörungen. Die zugelassene Höchstdosis von 120 mg/Tag vermeide ich für die langfristige Behandlung, da unter dieser Dosis Unruhe und Getriebenheit häufig sind. Zu Beginn der Behandlung mit Duloxetin, insbesondere nach etwa zwei Wochen, erfrage ich sehr engmaschig und ausführlich suizidale Impulse.

Eure Erfahrung mit Duloxetin?

Welche Erfahrungen habt ihr mit Duloxetin gemacht? Ist es besser als Venlafaxin? Schreibt eure Erfahrungen in die Kommentare!

 

Copyright

 

Dieser Beitrag ist ein Auszug beziehungsweise eine auszugsweise Vorabveröffentlichung des Werks „Psychopharmakotherapie griffbereit“ von Dr. Jan Dreher, © Georg Thieme Verlag KG. Die ausschließlichen Nutzungsrechte liegen beim Verlag. Bitte wenden Sie sich an permissions@thieme.de, sofern Sie den Beitrag weiterverwenden möchten.

Welches Antidepressivum gebe ich wem?

Cipramil, Cipralex, Cymbalta, Trevilor. Wem gebe ich denn nun wann welches Antidepressivum?

Wenn ich mich entschieden habe, ein Antidepressivum zu verordnen, habe ich einen bestimmten Algorithmus im Kopf, nach dem ich aussuche, welches Medikament ich gebe. 1. Frage: Hat diese Patientin, hat dieser Patient schon mal ein bestimmtes Antidepressivum erhalten, und hat es überzeugend gewirkt? Wenn Ja, dann gebe ich das gleiche wieder. Punkt. Ende des Algorithmus. 2. Frage: Verordne ich das Antidepressivum gegen eine generalisierte Angststörung? Dann gebe ich Duloxetin (Cymbalta) oder Venlafaxin (Trevilor), letzteres ist explizit gegen die generalisierte Angststörung zugelassen. Beide sind sehr gut wirksam in dieser Indikation. Beide sollten hoch dosiert werden. 3. Frage: Verordne ich das Antidepressivum gegen eine Zwangsstörung? Dann gebe ich zuerst Citalopram (Cipramil). Ich strebe eine höhere Dosis an, zunächst 40 mg pro Tag, im Einzelfall ist dann zu prüfen, ob trotz der bekannten Risiken eine höhere Dosis zu wählen ist. Die QTc Zeit muss dabei gemonitort werden, der Pat. über den Warnhinweis aufgeklärt werden. Citalopram kann in höheren Dosierungen als 40 mg die QTc Zeit verlängern und zu gefährlichen Rhythmusstörungen führen (siehe auch hier). Bleiben im Wesentlichen die unipolaren und bipolaren Depressionen. 4. Frage: Handelt es sich um eine Depression mit reduziertem Antrieb, normalem Antrieb oder gesteigertem Antrieb (agitierte Depression)?

  • Bei Patienten, die einen sehr stark reduzierten Antrieb haben, beginne ich mit Duloxetin (Cymbalta), Zieldosis 60-90 mg.
  • Bei etwas reduziertem und normalem Antrieb verordne ich im ersten Schritt Citalopram, Zieldosis 40 mg pro Tag. In der Regel führt dies zu einem guten Ergebnis.
  • Reicht der Erfolg nicht, wechsele ich bei einer Depression mit reduziertem Antrieb zügig (zwei Wochen) auf Duloxetin (Cymbalta), weil dies nicht nur die Serotonin Wiederaufnahme hemmt, wie das Citalopram, sondern zusätzlich noch die Noradrenalin Aufnahme hemmt, was den Antrieb steigert.
  • Bei Patienten mit einem normalen Antrieb wechsele ich erst nach etwa 3-4 Wochen ohne erkennbaren Therapieerfolg auf Duloxetin.
  • Bei gesteigertem Antrieb und insbesondere bei Schlafstörungen bevorzuge ich Mirtazapin (Remergil) zur Nacht. Dies empfehle ich aber nur, wenn kein Gewichtsproblem besteht und nachdem ich über die Möglichkeit einer Gewichtszunahme unter Mirtazapin informiert habe und der Patient zustimmt. Ich beginne dann mit 15 mg zur Nacht. Je nach Schwere der Schlafstörung und Agitation steigere ich Mirtazapin auf bis zu 45 mg pro Tag. Reicht das, um die Schlafstörung zu beheben und den Antrieb zu normalisieren, bleibe ich bei 15 mg Mirtazapin zur Nacht und ergänze 20-40 mg Citalopram am Morgen.

Mit diesem Algorithmus komme ich in 95 % der Fälle hin. Reicht die Wirkung nicht aus oder kommt es zu Nebenwirkungen, verwende ich folgende Austauschpräparate:

  • Citalopram (Cipramil) wird nicht vertragen: -> Escitalopram (Cipralex) versuchen. Beide sind reine Serotonin-Wiederaufnahme Hemmer und werden in der Regel recht gut vertragen und sind sehr wirkstark.
  • Duloxetin wirkt nicht stark genug: -> Venlafaxin versuchen. Beide hemmen sowohl die Serotonin Wiederaufnahme als auch die Noradrenalin Wiederaufnahme. Venlafaxin hemmt in hoher Dosis unerwünschterweise auch die Dopamin Wiederaufnahme und kann daher wahnhafte Symptome triggern oder verstärken und es macht oft stärker unruhig als Duloxetin, wirkt aber in einzelnen Fällen besser.

Was ist mit den „Alten Antidepressiva“ ?

  • Clomipramin gebe ich manchmal als Augmentation bei Zwangserkrankungen.
  • Amitriptylin gebe ich manchmal bei chronifizierten Schmerzstörungen.
  • Fluoxetin, Fluvoxamin, Mianserin, Paroxetin und die ganzen anderen älteren Antidepressiva gebe ich nur nach Regel 1: Hat schon mal geholfen, dann verordne ich sie wieder. Ansonsten verwende ich sie nicht.

Wenn das alles nicht hilft?

  • Augmentation mit Lithium. Hilft oft.
  • Augmentation mit Schilddrüsenhormon. Hilft selten. Mache ich nur in Einzelfällen.

Was noch zu beachten ist:

  • Schwere wahnhafte Depression: EKT.
  • Bei Vorliegen einer wahnhaften Komponente oder wahnähnlichem Grübeln ein niedrigdosiertes Neuroleptikum ergänzen.
  • Bei Patienten mit sehr großer Angst und keiner Abhängigkeit in der Vorgeschichte ein Benzodiazepin erwägen.
  • Bei Suizidalität ein Benzodiazepin ergänzen.
  • Den normalen Zeitverlauf der Besserung würdigen: Etwa zwei Wochen nach Beginn einer antidepressiven Medikation kommt oft eine Antriebssteigerung, nach etwa vier Wochen kommt oft die Stimmungsverbesserung. Angststörungen verbessern sich etwa nach vier bis sechs Wochen, Zwangsstörungen oft erst nach sechs bis zwölf Wochen.

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Dieser Beitrag ist ein Auszug beziehungsweise eine auszugsweise Vorabveröffentlichung des Werks „Psychopharmakotherapie griffbereit“ von Dr. Jan Dreher, © Georg Thieme Verlag KG. Die ausschließlichen Nutzungsrechte liegen beim Verlag. Bitte wenden Sie sich an permissions@thieme.de, sofern Sie den Beitrag weiterverwenden möchten.

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