Um das Profil eines Neuroleptikums zu lesen, reichen fürs erste folgende Daumenregeln:
- D2 Rezeptor: Typische Neuroleptika sind D2 Antagonisten, z.B. Haldol: Sichere antipsychotische Wirkung, aber bei hohen Dosierungen EPMS
- 5-HT 2A Rezeptoren: Atypische Neuroleptika sind 5-HT 2A Antagonisten: Gute Antipsychotische Wirkung, wenig EPMS
- D4 Rezeptor: Clozapin hat eine außergewöhnlich hohe Affinität zum (sehr seltenen) D4 Rezeptor; möglicherweise wirkt dies antipsychotisch, ohne viel EPMS zu verursachen.
- H1 (Histamin): Müdigkeit
- Alpha-1=Alpha-Adrenerge Rezeptoren der Untergruppe 1: Vegetative Nebenwirkungen wie Orthostase, Schwindel, etc.
OK, das ist jetzt extrem vereinfacht, aber schon mal ein Anfang. Im Falle des Aripiprazols muss man wissen, dass die Affinität zum D2 Rezeptor nicht nur antogonistische, sondern auch partiell agonistische Wirkungen hat, weswegen es deutlich weniger EPMS macht, als das Schaubild vermuten lassen könnte.
Gut, schauen wir mal, ob wir mit diesem Wissen etwas erkennen können. Bitte schau Dir jetzt das Bild noch mal genau an (auf das Bild clicken, um es zu vergrößern). Ich stelle Dir ein paar Fragen:
- Nimm Dir Risperidon. Macht es EPMS?
Antwort: Schon ein bisschen, denn es blockiert den D2 Rezeptor. In hohen Dosierungen also schon. - Olanzapin: EPMS?
Antwort: Wenig, aber möglich ist es schon, denn auch Olanzapin blockiert nicht unwesentlich den D2 Rezeptor. Und das passt auch zur klinischen Beobachtung, dass Olanzapin schnell und sicher antipsychotisch wirkt, aber ab 30 mg pro Tag oft EPMS machen kann. Bei manchen Patienten aber auch schon deutlich niedrigeren Dosierungen. - Olanzapin: Müdigkeit?
Antwort: Klar, deutliche H1 Komponente. - Quetiapin: Macht es EPMS?
Antwort: Nein, fast keine D2 Blockade. - Quetiapin: Macht es müde, macht es vegetative Nebenwirkungen?
Antwort: Ja, H1 und Alpha-1 Blockade sind ausgeprägt. - Quetiapin: Antipsychotische Wirkstärke relativ zur Sedierung:
Antwort: Vergleiche 5-HT 2A plus D2 Blockade relativ zu H1 und alpha 1 Blockade. - Ziprasidon: EPMS?
Antwort: In höherer Dosierung ja, D2 Blockade. - Ziprasidon: Müdigkeit?
Antwort: Nein, praktisch keine H1 Komponente.
Du siehst, die Vermutungen, die man aufgrund der Daumenregeln oben anstellt, wenn man das Rezeptorbindungsprofil anschaut, passen oft ganz gut zum klinischen Eindruck. Die Persönlichkeit des Medikamentes, seine Vorzüge und Nachteile, bilden sich in dieser Grafik gut ab.
Es ist sinnvoll, sich eine Grafik mit den Rezeptorbindungsprofilen der Neuroleptika, die man oft verschreibt, immer wieder anzugucken. Man lernt die Medikamente so besser kennen.
In späteren Blog-Einträgen möchte ich gerne genauer auf einzelne Medikamente eingehen und auch zu den einzelnen Rezeptoren mehr sagen. Dieser Eintrag soll aber erst einmal einen Überblick geben und erklären, wie man das Rezeptorprofil, dargestellt als Kuchendiagramm, grundsätzlich liest.