Gestern habe ich erklärt, dass Medikamente oft eine 50:50 Mischung aus einem wirksamen Enantiomer und einem spiegelbildlichen, aber unwirksamen Enantiomer sind. Ein zweites in der Psychiatrie bekanntes Beispiel hierfür ist das Methadon. Wirksam ist nur das L-Methadon, das auch Levo-Methadon oder Polamidon genannt wird. Im D-L-Methadon sind sowohl das wirksame L-Methadon als auch das allenfalls etwas sedierende, aber im übrigen nicht wirksame D-Methadon enthalten.
Die Umrechnung erfolgt daher auch so: 1 ml 0,5%iges Polamidon=5 mg Polamidon entsprechen 1ml 1%igem D-L-Methadon=10 mg D-L-Methadon. Eine Tabelle hierzu findet ihr hier.
Es gilt: 10 mg Methadon = 1 ml Methadon(1%ig) = 5 mg Polamidon(0,5%ig) = 1 ml Polamidon = „1 Meter“
Umrechnungstabelle Methadon – Polamidon – Metha
Umrechnungstabelle D-L-Methadon, L-Polamidon und „Meter“
D-L-Methadon, 1%ig
L-Polamidon 0,5 %ig
„Meter“
1 ml = 10 mg
1 ml = 5 mg
1 Meter
2 ml = 20 mg
2 ml = 10 mg
2 Meter
3 ml = 30 mg
3 ml = 15 mg
3 Meter
4 ml = 40 mg
4 ml = 20 mg
4 Meter
5 ml = 50 mg
5 ml = 25 mg
5 Meter
6 ml = 60 mg
6 ml = 30 mg
6 Meter
7 ml = 70 mg
7 ml = 35 mg
7 Meter
8 ml = 80 mg
8 ml = 40 mg
8 Meter
9 ml = 90 mg
9 ml = 45 mg
9 Meter
10 ml = 100 mg
10 ml = 50 mg
10 Meter
In den Zeilen finden sich die Äquivalenzdosierungen von Methadon, L-Polamidon und die umgangssprachliche Angabe in „Meter“.
In der Substitution von Heroinabhängigen werden überwiegend zwei Substanzen verwendet, die im Prinzip gegeneinander austauschbar sind. Am verbreitetsten ist das D-L-Methadon. Das hierin enthaltene Methadon bindet am Opiatrezeptor und entfaltet hier eine Wirkung. So können Entzugsbeschwerden vermieden werden, eine Langzeitsubstitution ist hiermit möglich. Chemisch betrachtet kommen im D-L-Methadon zwei verschiedene Enantiomere des gleichen Moleküls vor. Enantiomere verhalten sich zueinander wie die linke Hand zur rechten Hand. Versuch´mal, die linke Hand auf die rechte zu legen. Sie sind nicht deckungsgleich. Sie sind zueinander spiegelbildlich. Und so gibt es auch vom Methadon-Molekül zwei verschiedene, zueinander spiegelbildliche Moleküle: Das D- (wie dexter = rechtsdrehende) und das L- (wie linksdrehende) Molekül.
Das D-L-Methadon enthält sowohl das wirksame L-Enantiomer als auch das nicht wirksame D-Enantiomer. L-Polamidon enthält nur das wirksame L-Enantiomer.
Polamidon wird in Deutschland üblicherweise in der 0,5%igen Lösung verkauft, auf diese Variante beziehen sich diese Tabelle und die Formel. Es gibt wohl auch irgendwo 1% iges Polamidon, das muss entsprechend anders umgerechnet werden.
Die Umrechnung ist eigentlich einfach: 10 mg D-L- Methadon enthalten 5 mg D-Methadon und 5 mg L-Methadon. Also entsprechen 10 mg D-L-Methadon 5 mg L-Polamidon. Damit es nicht zu Verwirrungen kommt, entsprechen bei den häufig verkauften Lösungen jeweils 1 ml des einen 1 ml des anderen. 1 ml Methadon, das 10 mg Methadon enthält, entspricht also 1 ml Polamidon, das 5 mg Polamidon enthält.
Und dann gibt es da noch die umgangssprachliche Angabe „Meter“. Das sagen die Substituierten selbst oft: „Ich bin auf 8 Meter…“ Das bedeutet, er oder sie erhält 8 ml Methadon oder 8 ml Polamidon, entsprechend 80 mg D-L-Methadon oder 40 mg L-Polamidon.
Citalopram war 2009 das häufigste in Deutschland verordnete Psychopharmakon. Es wurden 241 Millionen definierte Tagesdosen (DDD) zu je 20 mg verordnet, insgesamt also 4 820 000 000 mg.
Citalopram liegt auf Platz eins der Verordnungshäufigkeit, weil es das Medikament der ersten Wahl bei Depressionen ist. Es ist gut verträglich und wirkstark. Darüber hinaus wird es – in höherer Dosierung – auch bei Angst- und Zwangskrankheiten erfolgreich eingesetzt.
Geschichte
Die dänische Pharmafirma Lundbeck war ursprünglich auf der Suche nach einem Antiepileptikum, als sie Citalopram fand. Eine antiepileptische Wirkung hat Citalopram nicht, aber eine starke antidepressive Wirkung. Lundbeck patentierte 1989 Citalopram und konnte es 14 Jahre lang als einziger Anbieter herstellen und verkaufen. Seit Ablauf des Patentes 2003 gibt es zahlreiche Generika, zu einem weit niedrigeren Preis. Lundbeck hat dann zu einem beliebten Manöver gegriffen, den viele Pharmafirmen in ähnlichen Situationen wählen: Citalopram ist ein Gemisch aus zwei Molekülen, die Enantiomere von einander sind.
Enantiomere verhalten sich wie die linke Hand zur rechten. Sie sind zueinander spiegelbildlich, aber nicht deckungsgleich: versuchen Sie einmal, die linke Hand auf die rechte zu legen…
Genau so verhält es sich mit den beiden Molekülen, die im Citalopram enthalten sind. Citalopram ist eine Mischung zu gleichen Teilen aus S-(+)-citalopram und R-(–)-citalopram. Das wirksame Enantiomer ist das S-(+)-citalopram, getauft auf den handlicheren Namen Escitalopram. Nur dieses entfaltet die gewünschten Wirkungen.
2002, kurz bevor das Patent von Citalopram 2003 auslief, patentierte Lundbeck Escitalopram, das bis 2011 – in der Pädiatrie bis 2012 – Patentschutz genoss und daher zu einem deutlich höheren Preis ausschließlich von Lundbeck vertrieben werden könnte. Es wurde beworben als nebenwirkungsärmer als Citalopram, und über den Vertrieb von Escitalopram konnte Lundbeck über lange Zeit den Umsatzeinbruch des nun nicht mehr patentgeschützten Citaloprams ausgleichen.
Pharmakologie
Citalopram ist ein selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI).
Es hat eine verhältnismäßig lange Halbwertszeit von etwa 36 Stunden (1,5 Tage). Die Substanz wird in der Leber verstoffwechselt. Da sie nicht sedierend wirkt, kann die tägliche Dosis auch morgens eingenommen werden.
Klinischer Einsatz
Citalopram wird bei depressiven Episoden als Mittel der ersten Wahl eingesetzt. Das gilt sowohl für unipolare Depressionen als auch depressive Episoden im Rahmen einer bipolaren Erkrankung. Man beginnt in der Regel mit 20 mg pro Tag, morgens. 20 mg pro Tag reichen für die Therapie mittelschwerer Depressionen, wie sie bei ambulanten Behandlungen häufig sind, meist aus. Zeigt sich nach drei Wochen noch keine ausreichende Besserung, kann die Dosis auf 30 mg, später auf 40 mg pro Tag erhöht werden. Im psychiatrischen Krankenhaus wird zur Therapie schwerer Depressionen oft frühzeitiger eine Dosis von 30-40 mg pro Tag gewählt.
Nebenwirkungen
Bis 2011 hat man bei unzureichender Wirkung oft die Dosis auf mehr als 40 mg pro Tag gesteigert. Inzwischen gibt es aber Hinweise darauf, dass Citalopram dosisabhängig das QTc Intervall verlängern kann, was gefährliche Herzrhythmusstörungen verursachen kann. Daher gilt für junge Patienten eine Höchstdosis von 40 mg, für Patienten ab 60 Jahren, Patienten mit Leberfunktionsstörungen und Patienten, die Citalopram langsam metabolisieren gilt eine Höchstdosis von 20 mg pro Tag.
Wie bei allen Medikamenten, deren Anwendung das QTc Intervall verlängern kann, sollte bei Gabe von Citalopram der Elektrolytstatus regelmäßig kontrolliert und ggf. normalisiert werden. Die Gabe von weiteren, die QTc Zeit verlängernden Substanzen stellt eine relative Kontraindikation dar und die Patienten sollten darauf hingewiesen werden, bei „Herzstolpern“, Luftnot oder Ähnlichem einen Arzt aufzusuchen.
Alle SSRI können Übelkeit verursachen, und dies häufiger, als man meint. Man sollte damit rechnen, dass etwa 20-30% der Patienten hierunter leiden. In diesem Fall sollte zunächst einige Tage abgewartet werden. Geht diese Nebenwirkung nicht von selbst weg, sollte zunächst die Dosis reduziert werden. Persistiert die Übelkeit, ist der Wechsel auf ein anderes Präparat der nächste Schritt.
Eine weitere nicht seltene Nebenwirkung aller SSRI ist ein verzögerter Orgasmus. Auch diese kann nach einigen Tagen bis wenigen Wochen von selbst verschwinden, bei einigen Patienten bleibt diese Nebenwirkung allerdings bestehen.
Leichte unerwünschte Wirkungen wie Mundtrockenheit, Magen-Darm-Beschwerden, Nervosität, Kopfschmerzen, Zittern, Herzklopfen, vermehrtes Schwitzen, Akkommodationsstörungen der Augen oder Kraftlosigkeit treten sehr häufig sofort ein, legen sich aber meist nach wenigen Tagen.
Interaktionen
darf nicht gemeinsam mit MAO Hemmern verordnet werden, da sonst ein Serotonin-Syndrom auftreten kann. Es ist bei einem Wechsel von einem Mao-Hemmer auf Citalopram und auch bei einem Wechsel von Citalopram auf einen MAO Hemmer eine 14 tägige wash-out Phase einzuhalten.