Hinweise für eine angeborene Disposition zur Kokainsucht

In der Februarausgabe der Science findet sich ein Artikel, der es in sich hat. Karen Ersche (Universität Cambridge) et al. haben 50 kokainabhängige Probanden, deren 50 NICHT kokainabhängige Geschwister sowie 50 gesunde Kontrollpersonen untersucht. Die kokainabhängigen Probanden schnitten schlechter in einem Test ab, der die Selbstkontrolle testet. Die Probanden mussten auf einer Tastatur sehr schnell den Pfeil nach links oder rechts drücken, je nach Anzeige auf dem Bildschirm. Aber sie sollten keine Taste drücken, wenn gleichzeitig ein Ton erschien. Kokainabhängige schnitten in dieser Probe auf Selbstkontrolle schlechter ab als gesunde Kontrollen, sie drückten auch dann eine Taste, wenn gleichzeitig mit dem Bild ein Ton kam, und sie eigentlich nicht drücken sollten.

Das könnte theoretisch auch an der Kokainsucht liegen. Aber nun kommt das verblüffende: Die Geschwister der Kokainsüchtigen, die selbst nie kokainsüchtig waren, schnitten in diesem Test ebenfalls schlechter ab als die gesunden Kontrollen. Das ist ein starker Hinweis dafür, dass es genetische Ursachen für diese reduzierte Selbstkontrolle gibt, wobei theoretisch auch unterschiedliche Erziehungsmuster diese Auffälligkeiten der Geschwister im Vergleich zu den Gesunden erklären könnten.

Es geht aber noch weiter: In der Bildgebung fiel auf, dass das Putamen, das eine wichtige Rolle in der Entwicklung von Gewohnheiten spielt, bei den Drogenabhängigen und auch bei ihren Geschwistern größer war als in der Vergleichsgruppe. Der mediale temporale Lappen, der Lernen und Gedächtnis beeinflusst, war bei den Geschwistern gleichsinnig verändert gegenüber den gesunden Kontrollen. Dies spricht für einen anlagebedingten Unterschied, beweist ihn aber nicht; schließlich können unterschiedlich starke Aktivierungen unterschiedliche Gehirnvolumina an bestimmten Stellen verursachen. Warum nur der eine der beiden Geschwister kokainabhängig wurde, der andere aber nicht, erklärt sich aus dieser Studie natürlich nicht.

Im Science Podcast gibt es ein Interview (601.mp3) mit der Autorin der Studie, das die ganze Studie und ihre Schlussfolgerungen sehr schön darstellt. Dieser Podcast ist eine weitere sehr gute e-learning Quelle, wenngleich in Englisch.

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