Welche Kombinationen von Neuroleptika bieten sich an?

Welche Kombinationen von Neuroleptika bieten sich an?

Im ersten Schritt einer antipsychotischen Therapie ist die Monotherapie mit einem Neuroleptikum anzustreben. Bleibt diese erfolglos oder wird sie nicht vertragen, soll man im nächsten Schritt auf ein anderes Neuroleptikum in Monotherapie wechseln. Bleibt auch dies erfolglos, kann man entweder ein drittes Neuroleptikum in Monotherapie geben, oder eine Kombination von zwei Neuroleptika versuchen.

Die Auswahl des richtigen Neuroleptikums ist eine komplexe Angelegenheit. In die Wahl fließen verschiedene Aspekte ein, darunter Vorbehandlungen des Patienten und die Erfahrungen hiermit, individuelle Faktoren wie die Schwere und Akuität der Symptomatik, das zu erwartende Nebenwirkungsprofil des Medikamentes und auch persönliche Präferenzen des Behandlers.

Welches Neuroleptikum ich zu Beginn einer Behandlung nach welcher Überlegung einsetze, habe ich in meinem Buch Psychopharmakotherapie griffbereit und im Blog hier einmal beschrieben.

Aber nach welcher Überlegung wähle ich aus, welche Neuroleptika man gut miteinander kombinieren kann und bei welchen die Kombination kaum zusätzlichen Nutzen verspricht?

Um ehrlich zu sein: Für die Frage nach sinnvollen Kombinationen zweier Neuroleptika habe ich im wesentlichen ein Modell im Kopf: Ich unterteile für mich die Neuroleptika in zwei Gruppen.

  1. Die D2-affine Gruppe: In diese Gruppe gehören für mich alle Neuroleptika, deren Wirkung primär über eine Blockade des Dopamin-D2-Rezeptors zustande kommt. Dazu gehören alle alten, typischen Neuroleptika, wie Haloperidol und Benperidol. Ich zähle auch die atypischen Neuroleptika Risperidon, Amisulprid und Aripiprazol dazu, die in niedrigen Dosierungen kaum EPMS verursachen, die aber doch zu einem erheblichen Teil ihre Wirkung am D2-Rezeptor entfalten.
  2. Die 5HT / D2-affine Gruppe: In diese gehören für mich alle Neuroleptika, die sowohl den D2-Rezeptor als auch in relevantem Ausmaß den 5HT-2a-Rezeptor blockieren. Diese Neuroleptika gehören alle zur Gruppe der atypischen Neuroleptika, weil sie in üblichen Dosierungen keine EMPS verursachen. Dazu zählen für mich Clozapin, Olanzapin, Quetiapin, Sertindol, Ziprasidon und Asenapin.

Diese Gruppenzuordnung ist weder pharmakologisch ganz sauber, noch wissenschaftlich fundiert, noch Expertenkonsens. Egal. Wenn ich von einem Neuroleptikum wegen mangelnder Wirksamkeit oder zu großen Nebenwirkungen auf ein anderes wechsel, dann wechsel ich in der Regel auch zwischen diesen beiden Gruppen. Und wenn ich zwei Neuroleptika miteinander kombiniere, dann kombiniere ich in aller Regel eines aus der einen und eines aus der anderen Gruppe. Gute und bewährte Kombinationen sind zum Beispiel Amisulprid aus Gruppe 1 und Clozapin aus Gruppe 2. Ich habe da mal dieses hübsche Schaubild gemacht. Was haltet ihr von diesem Vorgehen?

Die Verzweiflung des Therapeuten ist keine Indikation für ein Neuroleptikum

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Damit wir uns nicht falsch verstehen: Psychotische Zustände aller Art sind natürlich eine klare Indikation für ein Neuroleptikum, und ich bin froh und dankbar, dass es zur Behandlung von Psychosen, von wahnhaften Depressionen, Delirien und anderen Erkrankungen mit psychotischen Symptomen Neuroleptika gibt und ich verschreibe Neuroleptika in dieser Indikation natürlich.
Und es gibt auch Indikationen jenseits eindeutig psychotischer Symptome für den Einsatz von Neuroleptika. So haben sie ihre Existenzberechtigung in der Therapie von ganz bestimmten Impulskontrollstörungen. Und ja, sie können bei Gedankengrübeln im Rahmen schwerer Depressionen eine auflockernde Wirkung haben.
Aber so wirksam sie bei psychotischen Erkrankungen sind; Wundermittel sind die Neuroleptika nun unzweifelhaft auch nicht. Es gibt viele Situationen, in denen man sich ein wirkstarkes Medikament wünscht, aber keines zur Verfügung hat. Dann hilft aber auch der Griff zum Neuroleptikum nichts.

Typische Beispiele sind:

  • Borderline-PatientInnen ohne psychotische Symptome erhalten oft ein mittelpotentes Neuroleptikum. Dies sediert und wird daher von den PatientInnen selbst nicht selten als angenehm empfunden. Für die über die Sedierung hinausgehende neuroleptische Komponente gibt es aber keine Indikation und meiner Einschätzung nach bewirkt sie auch keine Abnahme von Anspannung, Dissoziation, selbstverletzendem Verhalten oder anderen Borderline-typischen Symptomen. So schön das auch wäre.
  • Neuroleptika bewirken auch keine Stabilisierung der Stimmung über den Verlauf eines Tages. Das können nicht einmal die irreführend als „Stimmungsstabiliserer“ benannten Phasenprophylaktika. Und Neuroleptika schon gar nicht.
  • Ich weiß, dass Quetiapin Zulassungen als Phasenprophylaktikum und zur Augmentation (Unterstützung, Verstärkung) in der Behandlung von Depressionen hat. Ich halte die Studienlage, die zu diesen Zulassungen geführt hat, für nicht gerade überwältigend. Jeder sollte sich selbst ein gut informiertes Bild darüber machen, für wie wirkstark er Quetiapin in diesen Indikationen hält. Ich halte es hier nicht für sehr wirkstark. Dasselbe gilt für die Zulassung von Aripiprazol in der Indikation als Phasenprophylaktikum.
  • Und noch weniger helfen Neuroleptika bei gewünschten Verhaltensänderungen aus dem Bereich der Pädagogik. Das Behandlungsziel, jemand möge sich in irgend einer Form sozial adäquater verhalten oder sei irgendwie „nicht mehr führbar“ oder „nicht mehr haltbar“ ist immer dann, wenn diese Verhaltensänderung nicht psychotisch bedingt ist, keine Indikation für ein Neuroleptikum.

Neuroleptika bremsen die dopaminerge Neurotransmission. Dopamin aber ist unerläßlich für Antrieb, Motivation und Freude. Daher darf ein Eingriff in diesen Transmitterhaushalt nur erfolgen, wenn eben dieser Transmitterhaushalt krankheitsbedingt überaktiv ist. Und sonst nicht. Egal, wie verzweifelt der Behandler ist.

Amphetamine verschlechtern Tic-Symptomatik

Das Gille-de-la-Tourette-Syndrom ist ein eher seltenes, aber sehr beeinträchtigendes Krankheitsbild, bei dem die Betroffenen den unwiderstehlichen Drang haben, bestimmte motorische oder vokale Tics auszuführen. Bekannt ist das Krankheitsbild vor allem aus Komödien und Fernsehfilmen, in denen ein Betroffener immer wieder aggressive oder obszöne Worte ausstößt, das heißt dann Koprolalie.

Pharmakotherapeutisch wird beim Tourette-Syndrom in erster Linie Tiaprid eingesetzt, das allgemein eine gute Wirkung auf extrapyramidale Hyperkinesien hat. In zweiter Linie wird oft Haloperidol eingesetzt, ein bekanntermaßen dopaminantagonistisches Neuroleptikum.

Die meisten der Patienten mit einem Tourette-Syndrom, die ich kenne, kommen mit Tiaprid alleine ganz gut hin. Von den wenigen, die ich kenne, die zusätzlich Haldol nehmen, geben allerdings alle an, dass dieses ihnen einen zusätzlichen Nutzen bringt und die Tic-Symptomatik merkbar reduziert.

Ich selbst bin immer etwas skeptisch, wenn Psychiater bei nicht-psychotischen Symptomen ein Neuroleptikum zusätzlich zu einer anderen Therapie verordnen. Ich frage mich dann immer, ob das nun mehr Ausdruck einer gewissen therapeutischen Verzweiflung ist (Neuroleptika helfen ja bei Psychosen so durchschlagend, dann helfen sie doch bei anderen psychiatrischen Erkrankungen vielleicht auch ein bischen, oder?), oder ob es wirklich etwas bringt. Ich war mir nie ganz sicher, ob gerade das Tourette-Syndrom als extrapyramidale Störung nun ausgerechnet von Haloperidol profitiert.

Und nun hat mir vor einiger Zeit ein Patient, der unter einem ausgeprägten Tourette-Syndrom mit starken vokalen Tics leidet, berichtet, dass die Tic-Symptomatik deutlich schlechter wird, wenn er Amphetamine nimmt. Das ist pharmakologisch interessant, da Amphetamine Dopamin und Noradrenalin freisetzen.

Derselbe Patient berichtet, dass bei ihm die Gabe eines Neuroleptikums, dass unter anderem den Dopamin-Stoffwechsel kontrolliert, die Tics reduziert; unabhängig davon, ob er nun gerade Amphetamine genommen hat oder nicht.

Die Verschlechterung der motorischen und verbalen Tics unter Amphetaminen gibt einen Hinweis darauf, dass dopaminantagonistische Neuroleptika tatsächlich eine gezielte und ursächliche Therapie des Tourette-Syndroms sein können.

Depot Neuroleptika: Umrechnung der oralen Dosis in eine Depot-Dosis

Depot Neuroleptika

Depotneuroleptika können in manchen Fällen praktischer sein als oral gegebene Neuroleptika, namentlich, wenn der Patient diese Applikation bevorzugt und eine orale Medikation auf praktische Schwierigkeiten trifft. Eine Depotmedikation ist jedoch ungeeignet, wenn der Patient die Medikation an sich nicht wünscht. Depotgaben gehen, anders als die Tablettenform, regelmäßig mit der Gefahr einher, dass ein Spritzenabszess entstehen kann, sodass aus meiner Sicht diesem Nachteil der Depotform ein eindeutiger Vorteil gegenüber stehen muss.

Umrechnung Orale Dosis Neuroleptikum in Depot Dosis

Bei Einstellung auf ein atypisches Depot ist es in aller Regel sinnvoll, in den ersten 2-4 Wochen den Depotwirkstoff parallel auch oral zu geben, da es üblicherweise so lange dauert, bis ein Blutspiegel im Therapeutischen Bereich aufgebaut ist. Im Zweifel sollte man den Blutspiegel laborchemisch bestimmen.

Es stellt sich dann die Frage, welche Depotdosis zu wählen ist. Es gibt keine einfache Formel, um die oral gegebene Dosis eines Neuroleptikums in eine Depot-Dosis umzurechnen. Aber man versucht es doch immer wieder…. Ich habe hier mal eine Tabelle erstellt, die einen Anhalt gibt, welche Dosierungen oral gegeben welcher Depot-Dosis und welchem Depot Intervall in etwa entsprechen. Wie immer ohne Gewähr, es bildet meine persönliche Anwendung ab, aber keine Wahrheiten…
Der Umrechnungsfaktor ist so zu verstehen: x mg orale Dosis entsprechen x mal Umrechnungsfaktor mg Depotdosis. Dabei ergibt sich in den meisten Fällen die Depot-Dosis, die alle zwei Wochen zu geben ist, manchmal ist der Umrechnungsfaktor aber auch so berechnet, dass sich die Dosis für das das Vier-Wochen Intervall ergibt, je nach dem, welches Intervall bei diesem Depot üblich und pharmakologisch sinnvoll ist. Viele Depots können auch in längeren Intervallen gegeben werden, was die Wahrscheinlichkeit eines Spritzenabszesses entsprechend reduziert.

Dosierung in Worten Dosierung in Tablettenform Faktor Depotdosierung
Flupentixol, z.B. Fluanxol®
Niedrig 4–0–0 mg 5 20 mg alle 2 Wochen
Mittel 10–0–0 mg 5 50 mg alle 2 Wochen
Hoch 10–10–0 mg 5 100 mg alle 2 Wochen
Risperidon, Risperdal Consta®
Niedrig 0–0–2,5 mg 10 25 mg alle 2 Wochen
Mittel 0–0–4 mg 10 37,5 mg alle 2 Wochen
Hoch 0–0–5 mg 10 50 mg alle 2 Wochen
Paliperidon, Xeplion®
Xeplion® Einstellung auf jede Dosis immer so beginnen: Tag 1: 150 mg deltoidal, Tag 8: 100 mg deltoidal, danach:
Niedrig 3–0–0 mg 15 50 mg alle 4 Wochen
Mittel 6–0–0 mg 15 75 mg alle 4 Wochen
Hoch 6–0–6 mg 15 100 mg alle 4 Wochen
Haloperidol, z.B. Haldol®
Niedrig 2–0–2 mg 10 40 mg alle 4 Wochen
Mittel 4–0–4 mg 10 80 mg alle 4 Wochen
Hoch 6–0–6 mg 10 120 mg alle 4 Wochen
Fluphenazin, z.B. Lyogen®
Niedrig 2–0–3 mg 5 25 mg alle 2 Wochen
Mittel 5–0–5 mg 5 50 mg alle 2 Wochen
Hoch 10–0–10 mg 5 100 mg alle 2 Wochen
Olanzapin, ZypAdhera® (W=Wochen)
Niedrig 0–0–10 mg 20 210 mg/2 W oder 405 mg/4 W für 8 W. Dann 150 mg/2 W oder 300 mg/4 W
Mittel 0–0–15 mg 20 300 mg/2 W für 8 W. Dann 210 mg/2 W oder 405 mg/4 W
Hoch 0–0–20 mg 20 300 mg alle 2 Wochen
Aripiprazol, Abilify Maintena®
       
Mittel 10-0-0 mg 20 300 mg alle 4 Wochen
Hoch 20–0–0 mg 20 400 mg alle 4 Wochen

Literatur

  1. Praktische Psychopharmakotherapie, Laux, G.; Dietmaier, O.; 2012
  2. Guidelines for the Dosage of Neuroleptics. II: Changing from Daily Oral to long Acting Injectable Neuroleptics. Schulz, P.; Rey, MJ.; Dick, P.; Tissot, R. Inernational Clinical Psychopharmacology, 1989, 4, 105–114
  3. Fachinformation Fluanxol
  4. www.zypadhera.de

Copyright

 

Dieser Beitrag ist ein Auszug beziehungsweise eine auszugsweise Vorabveröffentlichung des Werks „Psychopharmakotherapie griffbereit“ von Dr. Jan Dreher, © Georg Thieme Verlag KG. Die ausschließlichen Nutzungsrechte liegen beim Verlag. Bitte wenden Sie sich an permissions@thieme.de, sofern Sie den Beitrag weiterverwenden möchten.

Welches Neuroleptikum gebe ich wem?

Nehmen wir an, in meine Behandlung kommt ein sonst gesunder Patient mit einer Psychose. Ich entscheide mich, dass er ein Neuroleptikum braucht. Das bespreche ich mit ihm und er stimmt dem auch zu. Nun stellt sich die Frage: Welches Neuroleptikum empfehle beziehungsweise verordne ich? Es gibt keine ganz einfache Faustformel, nach der ich für einen bestimmten Patienten ein Neuroleptikum auswähle, aber ich habe ein bestimmtes Vorgehen, dass ich in bestimmten Fällen anwende. Ich habe hier mal versucht, dies aufzuschreiben:

Welches Neuroleptikum gebe ich wem?

Konstellation 1: Der erfolgreich vorbehandelte Patient: Auf meine Frage: „Haben Sie schon einmal in einer früheren Krankheitsphase ein Neuroleptikum erhalten? Hat es gut gewirkt und haben Sie es gut vertragen?“ antwortet er zwei mal mit „Ja“, d.h. ein bestimmtes Präparat hat schon einmal gut gewirkt und wurde gut vertragen. Dann empfehle ich genau dieses Medikament wieder. Ich frage, welche Symptomatik damals bestanden hat und wie stark sie war und welche Dosis des Präparates in welcher Zeit geholfen hat. Ich mache mir ein Bild davon, wie stark die Symptomatik jetzt ist und empfehle eine passende Dosis.

Konstellation 2: Der bislang unbehandelte Patient: Wenn bislang noch nie ein Neuroleptikum verordnet wurde empfehle ich in der Regel in der ersten Stufe Risperidon. Es wirkt schnell und verläßlich. Es macht nicht müde und es macht keine Gewichtszunahme. Wenn ich selbst ein Neuroleptikum bräuchte, würde ich mich auch für Risperidon entscheiden. (Das stimmt sogar mit dem Ergebnis meiner kleinen Umfrage überein: Welches Neuroleptikum würdest Du selbst einnehmen: hier). In Dosierungen bis 4 mg pro Tag ist es meist gut verträglich und macht meist keine EPMS. In höheren Dosierungen kann es EPMS machen.

Konstellation 3: Risperdal hat nicht ausreichend geholfen oder wurde nicht vertragen. Der Pat. ist nicht adipös: In der zweiten Stufe empfehle ich in der Regel Zyprexa (nachdem ich über die Möglichkeit einer Gewichtszunahme aufgeklärt habe). Es wirkt ebenso sicher, verläßlich und zügig wie Risperidon und wird ebenfalls zumeist gut vertragen. Es kann aber tatsächlich eine deutliche Gewichtszunahme verursachen. Daher lasse ich das Gewicht bei Beginn der Behandlung mit Zyprexa messen. Treten Heißhungerattacken oder eine Gewichtszunahme von mehr als 3 Kilogramm auf, empfehle ich, das Präparat zu wechseln.

Konstellation 4: Zyprexa hat nicht ausreichend geholfen oder wurde nicht vertragen: Wenn Risperdal in Stufe eins wegen mangender Wirksamkeit und nicht wegen EPMS das Feld räumen musste, und in Stufe zwei Zyprexa nicht gut ging, dann versuche ich in der dritten Stufe Solian. Wenn Risperdal EPMS gemacht hatte, dann überspringe ich diesen Schritt.

Konstellation 5: Mit Risperdal, Zyprexa und Solian stellte sich kein Erfolg ein: In der vierten Stufe muss ich ein Neuroleptikum auswählen, dass gegebenenfalls etwas weniger wirkstark ist als Risperdal, Zyprexa und Solian, aber vielleicht besser verträglich ist. Es kommen nun Abilify, Zeldox, Seroquel (meine Einschätzung zu Seroquel findet ihr hier) und Serdolect in Betracht. Ich verordne in dieser Reihenfolge. Abilify führt häufig zu Akathisie, ich setzte es dann zumeist sofort und ohne zu warten ab. Zu Serdolect sind diese Hinweise zu beachten. Zeldox und Seroquel werden in der Regel sehr gut vertragen, hier stellt sich eher die Frage der ausreichenden Wirksamkeit.

Konstellation 6: Eine Monotherapie klappt nicht: In der fünften Stufe wähle ich eine Kombinationstherapie aus zwei Neuroleptika. Geleitet von den Nebenwirkungen der bisherigen Versuche wähle ich gut verträgliche, aber in Monotherapie nicht ausreichend wirksame Präparate aus und gebe beide in einer mittleren Dosis. Dabei unterteile ich die Neuroleptika nach ihren Nebenwirkungen in unterschiedliche Gruppen und meide die Gruppe, deren Nebenwirkung bislang am problematischsten war:

  • Gruppe 1: EPMS-Gefahr: Haldol, Solian, Risperdal
  • Gruppe 2: Gewichtszunahme-Gefahr: Clozapin, Zyprexa, manchmal Seroquel
  • Gruppe 3: Akathisie-Gefahr: Abilify

Konstellation 7: Alle oben genannten Stufen wurden nicht gut vertragen: Ich versuche Serdolect.

Konstellation 8: Alle oben genannten Stufen haben nicht ausreichend gewirkt: Ich kläre ausführlich auf und versuche Clozapin.

Konstellation 9: Reine Rezidivprophylaxe bei asymptomatischem Patienten: Mit großer Sicherheit wirkt das Neuroleptikum, das die psychotische Episode beendet hat. Bei der Rezidivprophylaxe sind aber Nebenwirkungen noch viel weniger akzeptabel als in der Akuttherapie. Bei Nebenwirkungen wechsele ich daher noch niederschwelliger auf ein Ausweichpräparat.

Konstellation 10: Behandlung akuter kokaininduzierter psychotischer Zustände: Kokain ist stark und selektiv dopaminagonistisch. Solian ist stark und selektiv dopaminantagonistisch. Daher behandele ich akute psychotische Zustände nach Kokainkonsum mit Solian.

Konstellation 11: Delir: Ein lebensbedrohliches Delir, egal welcher Genese (Alkoholentzug-, Benzodiazepinentzug-,…) braucht eine wirkstarke und schnelle Neurolepsie. Ich gebe Haloperidol oder Risperidon.

Konstellation 12: Auswahl eines Depotpräparates: Ich mache zunächst einen Versuch mit Fluanxol, zunächst oral gegeben. Wird dies vertragen, gebe ich eine milde Dosis Fluanxol Depot, etwa 40-60 mg alle zwei Wochen. Sind bei dem Patienten unter irgendeiner Medikation EPMS aufgetreten, gebe ich Risperdal Consta oder Xeplion. Immer noch EPMS: Dann Zypadhera. (Zu Depotpräparaten siehe auch hier)

Das ist natürlich nur eine Blaupause, bei jedem einzelnen Patienten können so viele weitere Aspekte eine Rolle spielen, dass diese Blaupause nicht hilft. Aber manchmal hilft sie doch.

OK, das waren jetzt so einige Gedanken, die ich oft anwende. Wie gehst Du vor? Was machst Du anders? Bitte schreib Dein Vorgehen in die Kommentare!

P.S.: Hier der Artikel zur Auswahl eines Antidepressivums.

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Dieser Beitrag ist ein Auszug beziehungsweise eine auszugsweise Vorabveröffentlichung des Werks „Psychopharmakotherapie griffbereit“ von Dr. Jan Dreher, © Georg Thieme Verlag KG. Die ausschließlichen Nutzungsrechte liegen beim Verlag. Bitte wenden Sie sich an permissions@thieme.de, sofern Sie den Beitrag weiterverwenden möchten.

Tagestherapiekosten atypischer Neuroleptika im ambulanten Bereich


Die Tagestherapiekosten atypischer Neuroleptika unterscheiden sich sehr. Die Präparate mit noch bestehendem Patent sind teuer, geführt von den Depot-Präparaten Zypadhera (300 mg alle zwei Wochen kosten 32,50 € pro Tag), Xeplion und Risperdal consta mit etwa 22 € am Tag.

Es folgen die patentgeschützten Tablettenformulierungen Abilify, Seroquel und Zeldox mit etwa 8 € pro Tag. Das Patent von Seroquel in der unretardierten Form ist noch nicht abgelaufen, es läuft aber zum 24.03.2012 ab. Dann werden die Kosten von jetzt etwa 12 € am Tag sicher fallen.

Die Präparate, deren Patent abgelaufen ist, liegen oft unter 3 € pro Tag (Leponex, Risperdal, Solian, Zeldox, Zyprexa). Die Grafiken geben einmal den Preis für eine hochdosierte Behandlung wieder und einmal den Preis für eine mittelhoch dosierte Therapie. Die Preise im stationären Bereich liegen niedriger.

Sterbende Mythen Teil 7924: „Eine Depot Medikation erhöht die Compliance!“

Wenn ein psychiatrischer Patient, der eine neuroleptische Medikation braucht, diese immer wieder nach einer gewissen (zu kurzen) Zeit entgegen ärztlichen Rat absetzt, rufen Angehörige und semiprofessionelle Helfer in unermüdlicher Gleichförmigkeit: „Sie müssen ihn auf ein Depot einstellen. Dann ist sichergestellt, dass er es auch nimmt.“ Stimmt. Und zwar genau einmal, und dann wirkt es genau zwei (bis max. vier) Wochen. Und dann kann er es wieder nehmen, oder eben nicht. Einwurf Semiprofessionalität: „Jaaaah, aber dann kriegen Sie und wir und alle Welt das wenigstens mit! Ha!“

Stimmt auch. Und dann? Dann wissen alle, dass er seine Neurolepsie nicht mehr nimmt. Hätte man ihn auch fragen können. Aber gut, so weiß man es, weil er nicht in die Praxis kommt. Und nun? Es gibt praktisch kaum eine Möglichkeit, jemanden dazu zu zwingen, sich ein Depot spritzen zu lassen. Man kann einen Betreuungsbeschluß beantragen, in dem steht, dass die Nichtabholung des Depots zu einer Unterbringung im Krankenhaus führen soll, und dass dort dann das Depot gegeben werden soll. Habe ich schon einige Male gemacht. Und hatte dann alle zwei Wochen die Situation, mit Hilfe der Betreuungsstelle, der Feuerwehr und Zwang die Einweisung ins Krankenhaus zu organisieren. Ohne sehr triftigen Grund macht man das nicht all zu lange…

Wenn ein Patient eine Neurolepsie nicht nehmen möchte, und es keine gesetzliche Grundlage gibt, ihn zu zwingen, wie am ehesten eine Bewährungsauflage, dann kann er auch eine Depotmedikation jederzeit absetzen. OK, man sieht es frühzeitig.

Depots haben große Vorteile, wenn jemand zwar alle zwei oder vier Wochen einen Arzt aufsucht, aber zwischenzeitlich eine Tabletteneinnahme nicht hinbekäme, etwa weil er obdachlos ist, und das Depot bevorzugt, oder weil er die Medikation zwar will, aber die Tabletteneinnahmeihm zu lästig oder kompliziert ist oder er sie wirklich häufiger mal vergißt, er die Neurolepsie also will, aber unzuverläßig oder unregelmäßig einnimmt. Dann hilft das Depot. Aber nicht, wenn jemand keine Neurolepsie will. Das das Depot dann die Compliance erhöht, ist ein Mythos. Gut verträgliche Tabletten gehen dann sogar mit einer höheren Compliance einher als ein weniger gut verträgliches Depot. Das ist die Erfahrung.

 

Rezeptorbindungsprofile der Neuroleptika: Die Persönlichkeit der wichtigsten Neuroleptika auf einen Blick

Um das Profil eines Neuroleptikums zu lesen, reichen fürs erste folgende Daumenregeln:

  • D2 Rezeptor: Typische Neuroleptika sind D2 Antagonisten, z.B. Haldol: Sichere antipsychotische Wirkung, aber bei hohen Dosierungen EPMS
  • 5-HT 2A Rezeptoren: Atypische Neuroleptika sind 5-HT 2A Antagonisten: Gute Antipsychotische Wirkung, wenig EPMS
  • D4 Rezeptor: Clozapin hat eine außergewöhnlich hohe Affinität zum (sehr seltenen) D4 Rezeptor; möglicherweise wirkt dies antipsychotisch, ohne viel EPMS zu verursachen.
  • H1 (Histamin): Müdigkeit
  • Alpha-1=Alpha-Adrenerge Rezeptoren der Untergruppe 1: Vegetative Nebenwirkungen wie Orthostase, Schwindel, etc.

OK, das ist jetzt extrem vereinfacht, aber schon mal ein Anfang. Im Falle des Aripiprazols muss man wissen, dass die Affinität zum D2 Rezeptor nicht nur antogonistische, sondern auch partiell agonistische Wirkungen hat, weswegen es deutlich weniger EPMS macht, als das Schaubild vermuten lassen könnte.

Gut, schauen wir mal, ob wir mit diesem Wissen etwas erkennen können. Bitte schau Dir jetzt das Bild noch mal genau an (auf das Bild clicken, um es zu vergrößern). Ich stelle Dir ein paar Fragen:

  1. Nimm Dir Risperidon. Macht es EPMS?
    Antwort: Schon ein bisschen, denn es blockiert den D2 Rezeptor. In hohen Dosierungen also schon.
  2. Olanzapin: EPMS?
    Antwort: Wenig, aber möglich ist es schon, denn auch Olanzapin blockiert nicht unwesentlich den D2 Rezeptor. Und das passt auch zur klinischen Beobachtung, dass Olanzapin schnell und sicher antipsychotisch wirkt, aber ab 30 mg pro Tag oft EPMS machen kann. Bei manchen Patienten aber auch schon deutlich niedrigeren Dosierungen.
  3. Olanzapin: Müdigkeit?
    Antwort: Klar, deutliche H1 Komponente.
  4. Quetiapin: Macht es EPMS?
    Antwort: Nein, fast keine D2 Blockade.
  5. Quetiapin: Macht es müde, macht es vegetative Nebenwirkungen?
    Antwort: Ja, H1 und Alpha-1 Blockade sind ausgeprägt.
  6. Quetiapin: Antipsychotische Wirkstärke relativ zur Sedierung:
    Antwort: Vergleiche 5-HT 2A plus D2 Blockade relativ zu H1 und alpha 1 Blockade.
  7. Ziprasidon: EPMS?
    Antwort: In höherer Dosierung ja, D2 Blockade.
  8. Ziprasidon: Müdigkeit?
    Antwort: Nein, praktisch keine H1 Komponente.

Du siehst, die Vermutungen, die man aufgrund der Daumenregeln oben anstellt, wenn man das Rezeptorbindungsprofil anschaut, passen oft ganz gut zum klinischen Eindruck. Die Persönlichkeit des Medikamentes, seine Vorzüge und Nachteile, bilden sich in dieser Grafik gut ab.

Es ist sinnvoll, sich eine Grafik mit den Rezeptorbindungsprofilen der Neuroleptika, die man oft verschreibt, immer wieder anzugucken. Man lernt die Medikamente so besser kennen.

In späteren Blog-Einträgen möchte ich gerne genauer auf einzelne Medikamente eingehen und auch zu den einzelnen Rezeptoren mehr sagen. Dieser Eintrag soll aber erst einmal einen Überblick geben und erklären, wie man das Rezeptorprofil, dargestellt als Kuchendiagramm, grundsätzlich liest.


Welches Neuroleptikum würdest Du selbst einnehmen?

Die Frage, welches Neuroleptikum man einem bislang unbehandelten Patienten verschreibt, hat sehr viel mit individuellen Erfahrungen und eigenem Geschmack zu tun. Ich finde die Frage immer sehr interessant, welches Neuroleptikum man sich selber geben würde, wenn man in der Situation wäre, eines nehmen zu müssen.

Nehmen wir folgende Situation: Du erleidest jetzt eine erste psychotische Episode in Deinem Leben. Du bist körperlich gesund und hast keine Drogen genommen. Seit vier Wochen hörst Du Stimmen, die unangenehme Kommentare äußern, aber keine Befehle geben. Du hast das Gefühl, Leute in orangefarbenen Autos beobachteten Dich. Das macht Dir Angst, aber Du hast keine Suizidgedanken. Welches Neuroleptikum würdest Du am ehesten einnehmen? (ohne Angabe einer Dosis, nur das Präparat)

Hier ist die Umfrage: