Oxytocin könnte ein wirklich innovativer Therapieansatz bei Phobien, Posttraumatischen Belastungsstörungen und Flashbacks sein

Wirklich innovative Therapieideen sind rar. Eine Forschungsgruppe der Uni-Bonn könnte aber etwas wirklich Neues gefunden haben.

Oxytocin, ein Hormon und Neurotransmitter zugleich, ist schon lange als das sogenannte “Kuschelhormon” berühmt. Es wird bei allen Arten angenehmen Hautkontaktes ausgeschüttet. Größere Ausschüttungen finden sich insbesondere beim Orgasmus und beim Stillen. Oxytocin löst bei Frauen Kontraktionen des Uterus aus. Es wird bei der Geburt ausgeschüttet und wird auch als wehenauslösendes Medikament gegeben.

Darüber hinaus entfaltet Oxytocin sowohl bei Männern als auch bei Frauen ausgeprägte psychische Wirkungen. Es beruhigt und steht im Ruf, die Partnerbindung und die Elter-Kind-Bindung stark zu festigen.

Wie das Ärzteblatt hier berichtet, hat eine Forschergruppe der Uni Bonn um Rene Hurlemann in der hoch angesehenen Zeitschrift Biological Psychiatry Ergebnisse veröffentlicht, die zeigen, dass Oxytocin eine Eigenschaft hat, die für die Therapie einiger psychiatrischer Erkrankungen sehr interessant wäre: Es erleichtert die Extinktion von angstauslösenden Schlüsselreizen. Was bedeutet das?

Nehmt folgendes Fallbeispiel:

Christoph V. hatte vor zwei Jahren einen schweren Verkehrsunfall, bei dem er längere Zeit im Wrack seines Wagens eingeklemmt war, bevor die Feuerwehr ihn befreien konnte. Im Moment des Crashs ging die Hupe des Wagens an und dröhnte die ganze Zeit, während Christoph V. eingeklemmt war, auf voller Lautstärke weiter. Von den körperlichen Folgen des Unfalls hat er sich inzwischen vollständig erholt. Aber jedes Mal, wenn er auf dem Bürgersteig geht und ein Auto hupen hört, durchfährt ihn eine schreckliche Wiedererinnerung von Schmerzen, Angst und Panik, von der er sich nur schwer wieder frei machen kann. Er geht kaum noch durch die Straßen, aus Angst vor ganz normalen Hupen.

Christophs Angstsystem ist eigentlich ganz gesund. Es hat einen Reiz mit einer Bewertung verknüpft, nämlich das Hupen mit dem schrecklichen Unfall. Wäre es nicht ein Hupen gewesen, sondern das Fauchen eines Tigers und wäre es kein Unfall gewesen, sondern der Biss des selben Tigers, würden wir sagen: Super, die Konditionierung “Fauchen des Tigers-Angst vor Biss-Flucht” ist genau richtig.

Leider hilft die Angst vor dem Geräusch von Autohupen überhaupt nicht, schadet aber sehr. Der übliche therapeutische Zugang wäre in diesem Fall eine systematische Desensibilisierung. Man würde Christoph V. nach einer ausführlichen Erklärungs- und Vorbereitungsphase immer wieder das Geräusch einer Hupe vorspielen. Am Anfang würde es bei ihm natürlich die beschriebene starke Angst auslösen. Mit zunehmenden Wiederholungen, bei denen auf das Geräusch der Hupe ja jeweils kein unangenehmes oder gefährliches oder schmerzhaftes Ereignis folgte, würde Christophs Reaktion auf das Geräusch der Hupe immer weiter abnehmen. Das ist Extinktion. Die Verknüpfungs des nicht hilfreichen Schlüsselreizes mit der Angstreaktion wird abgeschwächt, bis sie im Idealfall irgendwann erlischt.

Die Forscher haben nun heraus gefunden, dass die Gabe von Oxytocin per Nasenspray vor der Desensibilisierungsbehandlung dazu führt, dass zwar zu Beginn eine verstärkte Reaktion auf den Schlüsselreiz entsteht (oops), danach aber die Extinktion schneller erfolgt.

Wenn das klappt und die zu Beginn auftretende Verstärkung der Reaktion auf den Schlüsselreiz nicht zu ausgeprägt wäre, könnte das eine wertvolle Ergänzung in der Therapie von Posttraumatischen Belastungsstörungen, Flashbacks und Phobien sein.

Das Abstract der Veröffentlichung findet ihr hier.

Testosteron macht egoman

Wir ahnten es ja schon immer, jetzt haben Forscher am University College London um Nick Wright in einer Studie (Original hier) gezeigt, dass Testosteron die Fähigkeit zur Kooperation bremst und so die Ergebnisse in darauf abgestimmten Tests deutlich verschlechtert.

Das Experiment: 17 Paare von je zwei Frauen beurteilten kooperativ eine schwierige Einschätzungsfrage. Auf einem Monitor wurde ein Muster gezeigt, es sollte die richtige Aussage zum Kontrastverhältnis der Bilder gemacht werden. Beide Partner bewerteten die Aufgabe zuerst allein. Wenn sie nicht übereinstimmten, hatten sie den Auftrag, sich zu einigen. Durch diese Kooperation verbesserten die Partnerinnen unter normalen Bedingungen die Qualität des Ergebnissen, es setzte sich öfter die Partnerin durch, die richtig lag.

Die Intervention: In einem doppelblinden, randomisierten cross over design bekam eine Partnerin entweder Testosteron oder Placebo intravenös. Der Grund, warum keine Männer mitmachen durften, war, dass Männer ohnehin schon so viel Testosteron im Blut haben und auf Testosterongaben oft reagieren, indem sie selbst weniger Testosteron produzieren. Unübersichtlich. Bei Frauen, die physiologisch auch immer etwas Testosteron im Blut haben, führt die Gabe von Testosteron zu einem definierten, kurzen Anstieg dieses Hormons im Blut. Übersichtlich und für diese Studie sehr gut geeignet.

Das Ergebnis: Die Frauen, die Testosteron enthalten haben, haben sich sehr viel stärker bei den strittigen Fällen durchgesetzt. Aber eben auch dann, wenn sie falsch lagen. Die virilisierten Damen waren dominanter, durchsetzungsstärker und zeigten weniger Bereitschaft zur Kooperation. Und dadurch wurde das Ergebnis der Beratungen SCHLECHTER als ohne Testosteron.

Das Maß an Kooperation ist hier das Verhältnis aus Entscheidungen, bei denen sich die Versuchsteilnehmerin durchgesetzt hat (egozentische Entscheidung) im Verhältnis zu den Entscheidungen, bei denen sich die andere Partnerin durchgesetzt hat (allozentrische Entscheidung). Wen beide Entscheidungen gleich häufig aufgetreten wären, wäre das Verhältnis 1 gewesen.

Nach Gabe einer Spritze bei einer Versuchsteilnehmerin zeigte sich bereits unter Placebo eine Neigung zu egozentrischen Entscheidungsfindungen, das E(gozentrik) / A(llozentrik) Verhältnis stieg bereits unter Placebo auf 1,3. Schon das ist hochinteressant: Spritz einer Versuchsperson ein Placebo, von dem sie glaubt, es könnte Testosteron sein, und sie setzt sich in nachfolgenden Streit um eine Einschätzung stärker durch!

Unter tatsächlichem Testosteron nahm die Stärke dieser Durchsetzungsfreude aber eben noch signifikant und deutlich zu, das E/A Verhältnis stieg auf 1,6 Die Grafik unten zeigt dies.

Die Beurteilung: Wir wissen von Oxytocin, das auch „Kuschelhormon“ genannt wird, dass es kooperatives Verhalten fördert. Frauen schütten es beim Orgasmus, beim Stillen und beim Kuscheln (doch, wirklich, ehrlich, bei angenehmem Hautkontakt) aus, es fördert Nestschutzverhalten, Harmonie und Friedlichkeit. Es festigt die Paarbindung („Treuehormon“), verstärkt Liebe, Vertrauen und Ruhe. Und noch einmal, es fördert Kooperation. Auch Prolaktin und Vasopressin spielen eine wichtige Rolle bei der Regulation sexueller Paarbeziehungen (Übersicht hier)

Testosteron hat ja ebenfalls bekannte verhaltensbiologische Wirkungen. Bei Tieren steigert es Dominanzverhalten, Aggressivität und  Sexualtrieb. Bei Menschen wird es diesem Klischee nicht ganz so eindeutig gerecht. So förderte die einmalige Gabe von Testosteron beim Menschen die Fairness (Nature Artikel hier). Die Beobachtung bei jungen Sportlern, die sich mit Testosteron dopen, spricht für eine Zunahme von Aggression und Dominanzverhalten. Die hier beschriebene Studie zeigt nun nachdrücklich, dass Testosteron egomanes Verhalten fördert, und zwar so, dass das Ergebnis der Zusammenarbeit schlechter wird als ohne zusätzliches Testosteron. Sie zeigt, dass Kooperation das Ergebnis von Gruppen verbessern kann und dass zu starkes Dominanzverhalten bei bestimmten Aufgaben mehr schadet als nutzt.