Pharmakokinetik V2.0

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Ich danke allen Lesern sehr für die hilfreichen Kommentare! Insbesondere habe ich die Idee von Dr. Mandelkow aufgenommen, dass ein Stoffwechselbeschleuniger ja ein Prodrug besser in das Zielmedikament überführt und so den gewünschten Blutspiegel eben erhöht, sowie die Idee von Klabauter_kaddi auf Instagram, statt eines Kolbens die Leber zu verwenden, denn da spielt ja die Musik. Das habe ich umgesetzt.

Die Farben sind in dieser Darstellung wieder umgedreht und nun ist ein Stoffwechselbeschleuniger grün, auch wenn er den Blutspiegel des Zielmedikamentes reduziert (bei einem Prodrug aber eben erhöht und die Stoffwechselbremse Fluvoxamin ist rot, der Blutspiegel des verstoffwechselten Medikamentes steigt in unserem Beispiel.

Ich bitte um Rückmeldungen zu Version 2 und bin schon jetzt dankbar!

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Dieser Beitrag ist ein Auszug beziehungsweise eine auszugsweise Vorabveröffentlichung des Werks „Psychopharmakotherapie griffbereit“ von Dr. Jan Dreher, © Georg Thieme Verlag KG. Die ausschließlichen Nutzungsrechte liegen beim Verlag. Bitte wenden Sie sich an permissions@thieme.de, sofern Sie den Beitrag weiterverwenden möchten.

Pharmakokinetik in Bildern


Ich habe hier mal die beiden grundlegenden pharmakokinetischen Prinzipien in zwei einfachen Grafiken dargestellt. Dabei habe ich in der ersten Grafik das Prinzip dargestellt, dass ein Medikament, hier Fluvoxamin, den Blutspiegel eines anderen Medikamentes, hier Clozapin, erhöhen kann, und das habe ich Blutspiegel-Booster genannt und die ganze Sache grün gefärbt, weil das Ergebnis, das uns interessiert, ein erhöhter Blutspiegel ist. Traditionell wird dieses Beispiel mit der Überschrift Cytochrom P450-Inhibitoren überschrieben, und Inhibitoren klingt nach weniger. Es ist auch weniger Aktivität des abbauenden Enzyms, aber das ist für uns ja völlig uninteressant, uns interessiert ja nur der resultierende Blutspiegel des zweiten Medikamentes, und der geht natürlich nach oben. Daher grün und Booster.

Die zweite Abbildung zeigt das andere Beispiel, die Senkung eines Blutspiegels, hier von Quetiapin, durch ein anderes Medikament, hier Carbamazepin. Ich habe Carbamazepin also Senker genannt und die Grafik rot gefärbt. Traditionell wird dieses Kapitel mit der Überschrift Cytochrom P450 Induktion überschrieben, und man denkt an mehr. Aber auch hier interessiert nicht, dass es mehr Aktivität des abbauenden Enzyms gibt, sondern, dass der Blutspiegel des zweiten Medikamentes eben gerade sinkt.

Was haltet ihr von diesen Darstellungen? Ist es intuitiv oder kontraintuitiv, die Farben nach der Wirkung auf den Blutspiegel des zweiten Medikamentes zu wählen statt nach der Wirkung auf das Cytochrom? Wie einfach kann man den Inhalt der beiden Grafiken erfassen? Was würde die Grafiken besser, einfacher, verständlicher und leichter erfassbar machen? Schreibt eure Gedanken bitte in die Kommentare!

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Pharmakodynamische und Pharmakokinetische Medikamentenwechselwirkungen

Medikamentenwechselwirkungen sind ein so komplexes Thema, dass man schon beim bloßen Gedanken daran oft den kaum überwindbaren Drang verspürt, zu sagen: Guck doch online nach, ob diese 7 Pillen miteinander können oder nicht. Ich persönlich finde diesen Impuls sehr verständlich und habe ihn auch fast täglich.

Um nun aber dem Untertitel dieses blogs “you live you learn“ gerecht zu werden, möchte ich euch gerne erklären, welche Unterteilung ich in der ersten und zweiten Stufe mache, wenn ich über mögliche Medikamentenwechselwirkungen nachdenke. Also auf zur Unterteilung der Medikamentenwechselwirkungen: Trallalala: Hier kommt sie:

1.) Pharmakodynamische Wechselwirkungen

Die

Pharmakodynamik

ist die Lehre davon,

was das Medikament mit dem Körper macht.

Pharmakodynamische Wechselwirkungen sind also all jene Wechselwirkungen, bei denen sich die Wirkungen zweier Medikamente auf den Körper gegenseitig verstärken, abschwächen oder auf eine andere Art bedenklich zusammenwirken.

1.1 Sich gegenseitig verstärkende pharmakodynamische Wechselwirkungen

Das einfachste Beispiel ist die Verstärkung einer Medikamentenwirkung durch zwei in die gleiche Richtung wirkende Medikamente. Wenn beispielsweise das stark serotonerg wirksame SSRI Citalopram zusammen gegeben wird mit dem ebenfalls serotonerg wirkenden Migräne-Mittel Sumatriptan, dann besteht eine deutlich erhöhte Gefahr, dass es zu einem Serotonin-Syndrom kommt. Und die Sache wird natürlich nicht besser, wenn man weitere serotonerge Substanzen ergänzt, wie Opiate oder Lithium. Alle diese Substanzen wirken pharmakodynamisch in die gleiche Richtung: Sie verstärken die Serotonin-Wirkung. Die gemeinsame Endstrecke kann dann das Serotonin-Syndroms sein. Also: Wenn ich zwei oder mehr Medikamente kombiniere, die beide die gleiche Wirkung auf den Körper auslösen, besteht die Gefahr einer sich verstärkenden pharmakodynamischen Wechselwirkung.

Ein zweites Beispiel einer additiven pharmakodynamischen Nebenwirkung wäre die Gabe von zwei potenziell das Blutbild schädigenden Substanzen wie Carbamazepin und Clozapin. In der Kombination ist die Gefahr einer klinisch relevanten Blubildschädigung einfach deutlich größer.

Ein weiteres Beispiel einer additiven pharmakologischen Nebenwirkung wäre die gleichzeitige Gabe von zwei Medikamenten, die die QTc-Zeit verlängern, wie bei Sertindol und Thioridazin (Melleril®). In der Kombination steigt die Wahrscheinlichkeit einer klinisch relevanten Herzrhythmusstörung wesentlich an.

1.2 Sich gegenseitig abschwächende pharmakodynamische Wechselwirkungen

Stellen dir vor, du kombinierst im Rahmen der Parkinson-Therapie den Dopaminagonisten Madopar® mit dem Dopaminantagonisten Haloperidol. Dann hebt sich ein Teil der Wirkung auf die Dopamin-Rezeptoren gegenseitig auf. Die beiden Medikamente haben eine sich gegenseitig abschwächende pharmakodynamische Wechselwirkung.

1.3 Andere pharmakodynamische Wechselwirkungen

Neben der Möglichkeit, dass sich die Wirkung zweier Medikamente gegenseitig verstärkt oder abschwächt, gibt es seltener auch die Möglichkeit, dass sich zwei unterschiedliche Wirkungen in einer anderen bedenklichen Art zusammenfinden. Ein Beispiel wäre die gleichzeitige Gabe einer hohen Dosis Insulin mit einem Beta-Blocker. Sollte das hochdosierte Insulin zu einer Hypoglykämie führen, würde der Beta-Blocker verhindern, dass der Körper durch eine Streßreaktion Glykogen freisetzt, und die Hypoglykamie würde möglicherweise eher ins Koma führen als ohne Betablocker.

2.) Pharmakokinetische Wechselwirkungen

Die

Pharmakokinetik

, beschreibt,

was der Körper mit dem Medikament macht.

In der Praxis wahrscheinlich eher häufiger sind pharmakokinetische Wechselwirkungen. Das sind Wechselwirkungen, die dadurch entstehen, dass man zwei oder mehr Medikamente gibt, die sich in Bezug auf die Aufnahme, den Abbau oder die Ausscheidung des Medikamentes in die Quere kommen. Die Pharmakokinetik einer Substanz kann durch eine zweite Substanz entweder beschleunigt oder verlangsamt werden.

2.1) Beschleunigter Abbau eines Medikamentes durch ein anderes Medikament

Das Antiepileptikum Carbamazepin ist ein Induktor des Cytochroms CYP-P450–3A4. Das bedeutet, dass Menschen, die mit Carbamazepin behandelt werden, nach einigen Tagen bis wenigen Wochen eine deutlich erhöhte Aktivität des Cytochroms CYP-P450–3A4 haben. Dieses Enzym ist unter anderem dafür da, Medikamente schnell abzubauen und so unwirksam zu machen. Eines dieser Medikamente, das vom CYP-P450–3A4 abgebaut wird, ist Quetiapin. Patienten, die seit einigen Wochen mit Carbamazepin vorbehandelt werden, werden also bei gleicher Quetiapin-Dosis einen niedrigeren Quetiapin-Blutspiegel und somit eine schwächere Quetiapin-Wirkung erleben als Patienten, die nicht gleichzeitig Carbamazepin erhalten. Es ist wichtig, diese Wechselwirkung zu berücksichtigen, da man sonst bei unveränderter Dosis eine möglicherweise unwirksame Medikation verordnet. Es kann sehr hilfreich sein, bei einer solchen Kombination, wenn man sie denn unbedingt geben will, den Blutspiegel der Medikamente zu bestimmen.

Andere typische Enzyminduktoren sind das Rauchen, Barbiturate, Rifampicin und auch das sonst so unverdächtige Johanniskraut.

2.2 Verlangsamter Abbau eines Medikamentes durch ein anderes Medikament

Das schon etwas betagte Antidepressivum Fluvoxamin ist ein Inhibitor des Cytochroms CYP-P450–1A2. Das bedeutet, dass bei Patienten, die Fluvoxamin bekommen, der Medikamentenabbau über CYP-P450–1A2 langsamer läuft. Dieses Enzym baut zum Beispiel das Neuroleptikum Clozapin ab. Patienten, die beide Medikamente erhalten, können also Clozapin nicht so schnell abbauen, der Clozapin-Blutspiegel steigt an. Dies kann schnell zu einem Clozapin-Delir führen.

Aber nicht nur die Oldtimer unter den Psychopharmako hemmen bestimmte Cytochrome. Auch aktuelle Substanzen wie Duloxetin, Omeprazol, der gewöhnliche Grapefruitsaft und schwer ersetzbare internistische Medikamente wie die Antibiotika Ciprofloxazin oder Ketoconazol sind Inhibitoren bestimmter Cytochrome.

Fazit

Es ist vielleicht doch nicht erforderlich, zu denken, dass Medikamentenwechselwirkungen zu kompliziert sind, um darüber im Einzelfall nachzudenken. Man muss sich bei der Kombination mehrerer Medikamente einfach fragen, ob diese sich in ihrer Wirkung beeinflussen (pharmakodynamische Wechselwirkung) oder in ihrem Abbau (pharmakokinetische Wechselwirkung). Bei beiden Hauptgruppen gibt es dann sich gegenseitig verstärkende oder sich gegenseitig abschwächende Wirkungen. Einzelne Interaktionen gehören in die Sonderkategorie: Andere. Eigentlich ganz einfach, oder?

 

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