Alles, was Du über das Medikament Lithium wissen möchtest…

Ich habe unlängst das Video „Alles, was Du über das Medikament Lithium wissen möchtest“ gepostet. Durch die erneute Beschäftigung mit dem Thema und auch durch Eure Kommentare habe ich mein Wissen hierzu noch mal frisch geordnet. Das Kapitel zu Lithium in der aktuellen Auflage meines Buches Psychopharmakotherapie griffbereit enthält zwar die wichtigsten Punkte, ich habe es aber umformuliert und an einigen Stellen erweitert. Inhaltlich habe ich insbesondere dazu genommen, dass Lithium dann seine beste Anwendung findet, wenn die betroffene Patient:in auch manische Phasen hatte, kein:e rapid-cycler:in ist und eine gesunde Nierenfunktion hat. Im Video habe ich fälschlich gesagt, dass sich eine Schilddrüsenfunktionsstörung an einem erniedrigten TSH zeigt, richtig ist natürlich, dass sich dies an einem erhöhten TSH zeigt.

Ich habe das Kapitel für die nächste Auflage des Buches (die aber nicht vor 2023 kommen wird) überarbeitet, besser lesbar gemacht und übersichtlicher gestaltet. Wie es gute alte Tradition ist, veröffentliche ich hier den Textentwurf (dieser Text steht daher ausnahmsweise unter Copyright). Ich bitte euch, mir Rückmeldung zum Text zu geben, auf Fehler oder Unvollständigkeiten hinzuweisen und mir zu sagen, wie ich es verständlicher beschreiben könnte.

Ansonsten: viel Spaß mit diesem Kapitel zu Lithium!

5.3.1 Lithium

Lithium

  • nimmt etwa jeder tausendste Mensch weltweit ein.
  • ist sehr gut wirksam zur Behandlung akuter manischer Episoden.
  • ist in den meisten Fällen das wirkstärkste Phasenprophylaktikum zur Prophylaxe depressiver und manischer Phasen im Rahmen einer Bipolaren Störung.
  • kann auch im Sinne einer Augmentation in der Therapie einer schwer behandelbaren Depression eingesetzt werden.

Lithium gehört zu den am häufigsten verordneten Medikamenten weltweit. Es gilt als das Phasenprophylaktikum mit der stärksten Wirkung. Das bedeutet, dass bipolare Patienten unter einer Behandlung mit Lithium weniger häufig und weniger stark ausgeprägte manische und depressive Episoden erleiden. Die beste Wirkung entfaltet es bei Patienten, die im Rahmen ihrer bipolaren Erkrankung auch manische Phasen haben. Beim rapid-cycling ist es nicht Mittel der ersten Wahl, hier ist Valproat besser geeignet.

Lithium hat ein enges „therapeutisches Fenster“, das heißt der Dosierungs-Abstand zwischen guter Wirkung und Nebenwirkungen ist gering. Unverträglichkeiten und Überdosierungen zeigen sich oft zuerst durch Zittern der Hände und Unruhe.

Pharmakologie

Lithium hat mehrere recht unterschiedliche Wirkmechanismen, die allerdings noch nicht vollständig aufgeklärt sind. Die antidepressive Wirkung von Lithium könnte mit seiner serotonergen Komponente zusammen hängen. Die phasenprophylaktische Wirkung wird vermutlich durch eine Stabilisierung chronobiologischer Rhythmen vermittelt.

Lithium wird in der Leber nicht verstoffwechselt, sondern unverändert über die Niere ausgeschieden. Deswegen wirken sich Nierenerkrankungen recht stark auf den Lithium-Spiegel aus. Da das therapeutische Fenster eng ist, führt dies wiederum schnell zu symptomatischen Nebenwirkungen wie dem Händezittern.

Klinischer Einsatz

Am bekanntesten ist Lithium sicher für seine phasenprophylaktische Wirkung. Bipolare Patienten, die Lithium dauerhaft einnehmen, haben deutlich weniger manische und weniger depressive Phasen, auch die Schwere der einzelnen Phasen ist geringer. Dabei ist es besonders gut phasenprophylaktisch wirksam bei Patienten, die

  • eher häufiger Manien oder Hypomanien hatten,
  • kein rapid-cycling haben
  • eher keine gemischten Episoden und
  • eine normale Nierenfunktion haben.

Lithium schützt dabei besser vor manischen als vor depressiven Phasen1. Insgesamt ist die Studienlage konsistent, dass Lithium eine sehr gute phasenprophylaktische Wirksamkeit hat und anderen Phasenprophylaktika ebenbürtig oder überlegen ist2. Eine Ausnahme stellen allerdings Patienten mit rapid-cycling dar, sie profitieren eher von Valproat.

Die zweite Indikation von Lithium ist die akute manische Episode. Hier wirkt es schnell und verlässlich antimanisch3. In dieser Situation kombiniert man es am besten mit einem Antipsychotikum.

Und schließlich hat Lithium sich bewährt in der Augmentation bei unipolaren und bipolaren Depressionen.

In der Psychiatrie gehen die bipolaren Störungen mit dem höchsten Risiko für einen Suizid einher. Lithium hat in Studien wiederholt gezeigt, dass es eine gute antisuizidale Wirkung hat 4. Dies ist nicht selten der Grund, Lithium in der Augmentation bei Depressionen einzusetzen; aber auch in der Phasenprophylaxe ist dies ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal von anderen Phasenprophylaktika.

Dosierung

Lithium wird nicht nach der Dosis, sondern immer nach dem Blutspiegel dosiert. Dabei gelten je nach Indikation unterschiedliche Zielbereiche.

  • Therapie der akuten Manie: Bei einer ausgeprägten Manie (Verkürzter Schlaf, beschleunigter Gedankengang, enthemmtes Verhalten, maniform gereizte Stimmung usw.), die stationär behandelt wird, strebe ich einen Lithium-Spiegel von 1 bis 1,2 mmol/l an. Bei diesem recht hohen Spiegel ist ganz besonders engmaschig die Verträglichkeit zu prüfen. Blutspiegelmessungen sollten in der Aufdosierungsphase bei stationärer Behandlung alle 3–5 Tage durchgeführt werden. So kann man beispielsweise am ersten Tag eine Tablette Lithium geben, am zweiten bis vierten Tag zwei Tabletten pro Tag, am vierten Tag den Spiegel bestimmen und dann gegebenenfalls je nach Spiegel weiter steigern. Der Blutspiegel von Lithium verhält sich bei einem nierengesunden Patienten meist ziemlich dosislinear, das heißt, die doppelte Dosis führt bei diesem Patienten auch zu einem ungefähr doppelt so hohen Blutspiegel.
  • Bei einer hypomanen Episode mit Symptomen wie gestörtem Schlaf, Umtriebigkeit, expansivem Verhalten, Kritikminderung, aber geordnetem Gedankengang und wenig maniform gereiztem Affekt, strebe ich einen Spiegel von etwa 0,8 mmol/l an.
  • Zur reinen Phasenprophylaxe in Abwesenheit jeder Symptomatik ist in der Regel ein Spiegel von etwa 0,6 mmol/l ausreichend. Hier ist die individuelle Wirksamkeit relevant. Diese muss durch eine langfristige Beobachtung festgestellt werden. Je langsamer man Lithium aufdosiert, desto seltener treten Nebenwirkungen auf. Bei einer geplanten Eindosierung kann man alle paar Tage um 225 mg/Tag steigern, bis ein Spiegel von 0,5–0,7 mmol/l erreicht ist. Dies ist oft bei einer Dosis von 675–1125 mg/Tag der Fall.
  • Zur Augmentation der Therapie bei unipolarer oder bipolarer Depression ist in der Regel ein Blutspiegel von nicht mehr als 0,6 mmol/l ausreichend. In dieser Indikation wird Lithium in den Leitlinien sehr wohl empfohlen, aber nicht so häufig eingesetzt. Dabei kann es hier manchmal eine deutliche Verbesserung der Symptomatik bringen. Dosis und Blutspiegel sollten aber so niedrig gewählt werden, dass keine relevanten Nebenwirkungen entstehen.
  • Bei Nierenfunktionsstörungen und bei älteren Menschen muss die Therapieentscheidung besonders sorgsam überlegt sein; die Dosierungen liegen hier deutlich niedriger und es müssen häufigere Spiegelkontrollen erfolgen.

Nebenwirkungen

Lithium kann – insbesondere bei zu hoher Dosierung – ausgeprägte Nebenwirkungen verursachen. Bei zu hohen Blutspiegeln treten Zittern und Unruhe auf, später auch Farbsehstörungen, bei noch höheren Blutspiegeln auch Vigilanzminderungen. Lithium kann die Schilddrüse, die Nebenschilddrüse und die Niere schädigen. In einer Metaanalyse aus dem Jahr 2012 im Lancet5 stellt sich das Nebenwirkungsprofil von Lithium besser dar, als sein Ruf früher war, es gibt aber weiterhin einige Bereiche, die besonderer Aufmerksamkeit bedürfen.

  • Schilddrüse: Es ist lange bekannt, dass Lithium die Schilddrüse in ihrer Funktion hemmen kann. Im Labor zeigt sich dies an einem leicht erhöhten TSH, klinisch zeigen sich manchmal eine zunehmende Mattigkeit und Erschöpfung. Wenn TSH erhöht ist, bestimmt man die freien Schilddrüsenhormone fT3 und fT4; sind diese erniedrigt, substituiert man niedrigdosiert L-Thyroxin. Meistens reicht eine Dosis bzw. Dosiserhöhung von 12,5 µg bis 25 µg aus. Im Weiteren kontrolliert man die Schilddrüsenwerte dann alle Monate.
  • Nebenschilddrüse: In den letzten Jahren hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Lithium nicht selten auch die Nebenschilddrüse in ihrer Funktion beeinträchtigen kann. Aus diesem Grund soll der Kalziumwert vor Beginn der Behandlung mit Lithium und dann im weiteren Verlauf regelmäßig kontrolliert werden.
  • Niere: Lithium kann bei langjähriger Behandlung die Niere schädigen. Die Fähigkeit, den Urin zu konzentrieren, kann durch Lithium reduziert werden. Daher sind vor Beginn der Behandlung und im weiteren Verlauf die berechnete Glomeruläre Filtrations-Rate (eGFR) zu bestimmen. Bei gleichzeitig bestehenden Nierenerkrankungen sollte unbedingt eine Absprache mit dem behandelnden Nephrologen stattfinden. In der oben genannten Metaanalyse wird berichtet, dass sich in einer kleineren Studie ergeben habe, dass die Wahrscheinlichkeit, eine Nierentransplantation zu benötigen, die in der Normalbevölkerung 0,2 % betrage, bei langfristig mit Lithium behandelten Patienten auf 0,5 % ansteige. Das wäre meines Erachtens allerdings eine sehr hohe Quote.
  • Gewichtszunahme: Früher galt es als gesicherte Erkenntnis, dass Lithium zu einer deutlichen Gewichtszunahme führen kann. In einer Vergleichsstudie zur Gewichtszunahme unter Placebo, Lamotrigin und Lithium (Bowden et al. 20066) nahmen durch Lithium allerdings nur die adipösen Patienten mit plus 6 Kg mehr zu als die Placebo- oder Lamotrigingruppe. Bei den normalgewichtigen Patienten lag die Gewichtszunahme durch Lithium lediglich 1 Kg höher als bei den mit Placebo oder Lamotrigin behandelten Patienten. In meiner eigenen Erfahrung spiegelt sich das so wieder, dass ich viele Patienten kenne, die gar keine oder nur eine geringfügige Gewichtszunahme unter Lithium haben, es gibt aber auch welche, die bis zu 10 Kg zugenommen haben. Ob die Trennlinie wirklich das Gewicht vor Beginn der Behandlung mit Lithium ist, kann ich nicht sicher sagen.

Lithium in der Schwangerschaft und Stillzeit

In dieser Metaanalyse zeigten sich weniger Hinweise auf eine erhöhte Teratogenität (s. Glossar) als früher angenommen wurde, sodass eine Lithium-Behandlung von Frauen mit Kinderwunsch und in der Schwangerschaft nach Aufklärung, Beratung und sorgfältiger Abwägung nun erwogen werden kann.

Heute geht man davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit für kardiovaskuläre Fehlbildungen im 1. Trimenon etwa um das 10-Fache gegenüber der Normalbevölkerung erhöht ist. Im zweiten und dritten Trimenon ist die Gefahr von Fehlbildungen niedriger als im ersten Trimenon, aber auch hier sind Nutzen und Gefahren sorgfältig gegeneinander abzuwägen.

Patientinnen, die während einer Behandlung mit Lithium schwanger werden, sollten das Medikament nicht gleich absetzen, sondern in Ruhe ein Gespräch mit ihrem Behandler suchen. Wenn die Indikation richtig ist, geht die Empfehlung heutzutage eher dahin, niedrigere Spiegel anzustreben, die Spiegel in sehr kurzen Zeitintervallen zu bestimmen, aber das Medikament nicht abzusetzen. Die Geburt selbst wird durch Lithium nicht beeinflusst. Nach der Geburt rät man in aller Regel zum Abstillen, da Lithium in die Muttermilch übergeht.

Sinnvolle Laboruntersuchungen

  • Vor Behandlungsbeginn: Routinelabor, Krea, eGFR, TSH, ß-HCG, Ca, EKG, KG.
  • Im ersten Monat: wöchentlich Li, Na, K, Ca, Krea.
  • Danach: monatlich Li, Na, K, Ca, Krea und quartalsweise zusätzlich TSH und Körpergewicht.

Blutspiegelbestimmungen werden normalerweise im steady-state und als Talspiegel bestimmt. Den steady-state erreicht man bei Lithium in der in Deutschland verfügbaren Retard-Formulierung nach etwa 5 Tagen. Den Talspiegel abzunehmen würde bedeuten, 24 Stunden nach der letzten Tabletteneinnahme, direkt vor der nächsten Tabletteneinnahme die Blutabnahme durchzuführen. Viele Patienten nehmen das retardierte Lithium als Einmalgabe abends, was sich bewährt hat, um Nebenwirkungen eher in die Nacht zu verlagern. Die Blutabnahme zur Lithium-Spiegelbestimmung erfolgt dennoch morgens, die hier und in der Literatur angegebenen Zielbereiche beziehen sich auch auf dieses übliche Vorgehen.

Mein persönliches Fazit

Lithium ist in meinen Augen deutlich wirkstärker als die anderen Phasenprophylaktika. Ich setze es daher als Therapie der 1. Wahl ein und halte mich an regelmäßige Spiegelkontrollen und eher niedrige Spiegel. Bei nur vermuteten Nebenwirkungen zu schnell auf ein anderes Phasenprophylaktikum umzusteigen, kann mit einem deutlichen Wirkverlust einhergehen. Es gilt die Regel: Vor dem Absetzen von Lithium immer erst einen erfahrenen Psychiater fragen!

Copyright

Dieser Beitrag ist ein Auszug oder eine auszugsweise Vorabveröffentlichung des Werks „Psychopharmakotherapie griffbereit“ von Dr. Jan Dreher, © Georg Thieme Verlag KG. Die ausschließlichen Nutzungsrechte liegen beim Verlag. Bitte wenden Sie sich an permissions@thieme.de, sofern Sie den Beitrag weiterverwenden möchten.

  1. Baldessarini RJ, Vázquez GH, Tondo L. Bipolar depression: a major unsolved challenge. Int J Bipolar Disord. 2020; 8:1. DOI: 10.1186/s40345-019-0160-1. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31903509
  2. Severus E, Bauer M, Geddes J. Efficacy and Effectiveness of Lithium in the Long-Term Treatment of Bipolar Disorders: An Update 2018. Pharmacopsychiatry. 2018; 51:173-176. DOI: 10.1055/a-0627-7489. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29898463
  3. McKnight RF, de La Motte de Broöns de Vauvert SJGN, Chesney E, Amit BH, Geddes J, Cipriani A. Lithium for acute mania. Cochrane Database Syst Rev. 2019; 6:CD004048. DOI: 10.1002/14651858.CD004048.pub4. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31152444
  4. Baldessarini RJ, Vázquez GH, Tondo L. Bipolar depression: a major unsolved challenge. Int J Bipolar Disord. 2020; 8:1. DOI: 10.1186/s40345-019-0160-1. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31903509
  5. McKnight RF, Adida M, Budge K et al. Lithium toxicity profile: a systematic review and meta-analysis. Lancet 2012; 379: 721–728. doi:10.1016/S 0140-6736(11)61516-X
  6. Bowden CL, Calabrese JR, Ketter TA, Sachs GS, White RL, Thompson TR. Impact of lamotrigine and lithium on weight in obese and nonobese patients with bipolar I disorder. Am J Psychiatry. 2006; 163:1199-1201. DOI: 10.1176/appi.ajp.163.7.1199. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/16816224

Neues Video: Alles, was Du über das Medikament Lithium wissen möchtest!

In diesem Video erkläre ich euch alles, was ihr über Lithium als MEdikament wissen müßt! Vom Wirkmechanismus über die Dosierungen, die klinische Anwendung, unerwünschte Wirkungen bis hin zu meinem persönlichen Fazit. Und ich gehe auf eure Hörerfragen ein! Das Video ist etwas länger geworden, vielleicht helfen euch ja die eingebauten Kapitelsprungmarken.Welche Erfahrungen hast Du mit der Behandlung mit Lithium gemacht? Laß uns gerne daran teilhaben und schreib Deine Erfahrungen in die Kommentare!Soll ich ähnliche Videos zu anderen Psychopharmaka machen? Schreibt eure Wünsche gerne in die Kommentare!

Quick reminder: Der angestrebte Lithiumspiegel in der Phasenprophylaxe liegt zwischen 0,6 und höchstens 0,8 mmol/l

Lithium ist nach wie vor das wirkstärkste Medikament in der Prophylaxe manischer und depressiver Phasen im Rahmen einer bipolaren Erkrankung. Patienten, die ohne Phasenprophylaxe in einem Zeitraum von 10 Jahren vielleicht zwei schwere Manien und acht unterschiedlich schwere depressive Episoden erleiden würden, könnten unter einer Phasenprophylaxe mit Lithium bei gutem Ansprechen vielleicht gar keine manische Episode und nur drei leichtgradige depressive Episode haben. Daher ist die Gabe von Lithium zur Phasenprophylaxe sehr nutzbringend.

Früher wurden zur Phasenprophylaxe oft Blutspiegel von 0,8-1,0 mmol/l angestrebt. Inzwischen besteht Konsens, dass ein Blutspiegel von 0,6 bis höchstens 0,8 mmol/l in der Regel ausreicht. Natürlich muss man sich immer den individuellen Behandlungsverlauf des Patienten und sein individuelles Ansprechen auf die Behandlung anschauen. Aber in der ersten Einstellung auf eine Lithium-Medikation strebt man zur Prophylaxe erst mal einen Blutspiegel von 0,6 mmol/l an.

Die höheren Blutspiegel von 1,0 mmol/l werden weiterhin in der Therapie der akuten manischen Episode angestrebt. Ist diese aber abgeklungen, kann die Lithiumdosis und somit der Spiegel gesenkt werden.

Ich habe das auf dem letzten DGPPN Kongress noch einmal in einem Vortrag vom unumstrittenen Lithium-Papst Prof. Müller-Oerlinghausen gehört, der einen Überblick über die einschlägige Literatur gegeben hat und diese Empfehlung daruas unzweifelhaft ableiten konnte. Erfreulicherweise sind die Nebenwirkungen von Lithium im niedrigeren Spiegelbereich von um die 0,6 mmol/l deutlich seltener als bei höheren Spiegeln. Zittern tritt weit seltener auf, und auch Nebenwirkungen auf die Niere sind viel seltener.

P.S.: Ich nehme hier sehr gerne die völlig richtige Ergänzung von Peter Teuschel und anderen auf, dass im Bereich der Gerontopsychiatrie oft Spiegel von 0,4 ausreichend und hoch genug sind, während 0,6 mmol/l schon nicht mehr vertragen werden, gerade bei eingeschränkter Nierenfunktion. Danke für den Hinweis!

Wie dosiere ich Lithium

Vorgestern hatte ich über Wirkungen und Nebenwirkungen von Lithium berichtet (hier), heute wurde ich gefragt, wie ich Lithium dosiere. Also dann: Die Lithium Dosis wähle ich nach dem Lithium Spiegel.

Lithium Dosierung

  • Bei einer akuten manischen Phase, die stationär behandelt wird, mit RICHTIG manischem Verhalten: Schlaflosigkeit, beschleunigter Gedankengang, enthemmtes Verhalten, maniform gereizte Stimmung: Angestrebter Spiegel: 1,0 mmol/l.
  • Bei einer hypomanen Episode, die stationär behandelt wird, mit etwas manischer Symptomatik: Gestörter Schlaf, Umtriebigkeit, expansives Verhalten, Kritikminderung, aber geordnetem Gedankengang und wenig maniform gereiztem Affekt: Angestrebter Spiegel: 0,8 mmol/l.
  • Zur Phasenprophylaxe, in Abwesenheit jeder manischen Symptomatik: Angestrebter Spiegel: 0,6 mmol/l.

Die Eindosierung mache ich unterschiedlich schnell. Bei akuter Manie fange ich am ersten Tag mit 450–675 mg Lithium an, steigere dann jeden Tag um 225–450 mg, messe dann erstmalig den Spiegel, wenn ich eine Dosis von 900–1125 mg erreicht habe und diese Dosis über einen Tag gleich belassen habe. Bei Hypomanien und noch mehr zur Phasenprophylaxe steigere ich die Dosis langsamer und messe den Spiegel erst, wenn ich die Dosis zwei Tage lang konstant gehalten habe.

Danach gehe ich gedanklich nach folgender Regel vor: Der Lithiumspiegel verhält sich ziemlich proportional zur Dosis, d.h. doppelte Dosis, doppelter Spiegel. So kann ich per Dreisatz berechnen, um wieviel mg ich steigern muss, um vom aktuellen Spiegel auf den Zielspiegel zu kommen.

Hat dieser Patient früher schon einmal Lithium erhalten und wurde ein Spiegel gemessen, dann orientiere ich mich hieran.

Tritt Tremor auf, strebe ich einen niedrigeren Spiegel an.

Früher neigte man insgesamt zu etwas höheren Spiegeln, in der letzten Zeit ist eine Tendenz zu beobachten, insbesondere in der Phasenprophylaxe niedrigere Spiegel anzustreben.

Das Ergebnis meiner  letzen Umfrage “Welches Neuroleptikum würdest Du selbst einnehmen” fand ich sehr interessant, die Mehrheit entschied sich für Risperidon. Ich möchte nun wissen, welche Spiegel ihr in der Phasenprophylaxe bei symptomfreien Patienten, die eine bipolare Erkrankung haben, anstrebt.

Nehmt bitte hier an der Umfrage teil: 

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Dieser Beitrag ist ein Auszug beziehungsweise eine auszugsweise Vorabveröffentlichung des Werks „Psychopharmakotherapie griffbereit“ von Dr. Jan Dreher, © Georg Thieme Verlag KG. Die ausschließlichen Nutzungsrechte liegen beim Verlag. Bitte wenden Sie sich an permissions@thieme.de, sofern Sie den Beitrag weiterverwenden möchten.