Ein typische Operative Fallanalyse (OFA) läuft dabei so ab, dass die ermittelnde SoKo typischerweise nach einigen Wochen Ermittlung, wenn auch schon viele Erkenntnisse und auch naturwissenschaftliche Untersuchungsergebnisse vorliegen, die OFA des jeweiligen Bundeslandes anfordert (BKA und alle LKA’s beschäftigen etwa 60 Mitarbeiter, die ausgebildete OFA-Leute sind).
Ein Team besteht meist aus 5 Leuten, manchmal 3, manchmal 7. Zunächst werden alle gesicherten Fakten zusammengetragen, hierzu werden oft die beteiligten Spezialisten angehört, verbleiben manchmal auch im OFA Team. Das Team versucht nun, möglichst frei von irgendwelchen Vorannahmen (muss ja ein perverser Sadist sein….) die Tat Schritt für Schritt aus den Indizien und gesicherten Spuren zu rekonstruieren. Hierfür kann es oft nötig sein, bestimmte Handlungen im Experiment nachzustellen, um Aufschluss darüber zu bekommen, wie es sich tatsächlich zugetragen hat. Merkwürdige Schleifspuren an den Absätzen des Opfers? Ausprobieren, wie man einen gleichschweren Menschen auf welchem Untergrund wie weit schleifen muss, um an gleichen Absätzen gleiche Spuren zu bewirken. Wie lange dauert es, jemanden auf diese Art zu fesseln? ausprobieren! Und während dieses Prozesses wird immer wieder gleichberechtigt diskutiert, was im Tater vorgegangen sein kann, wie die Situation gewesen sein kann. Und dann stellt sich nach einiger Zeit etwas ein, was Psychiater aus Supervisionen und Balintgruppen kennen. Wenn man das Verhalten eines Menschen lange genug in einer Gruppe diskutiert und immer wieder neue Sichtweisen durchspricht, entsteht oft ein sehr zutreffendes Empfinden, was im Besprochenen wirklich vorgegangen sein mag. Das ist eine wichtige Erkenntnisquelle.
Dazu werden alle Anknüpfungsfakten sowie die sich hieraus ergebenden Vermutungen festgehalten und jeweils leidenschaftslos daraufhin beurteilt, wie verläßlich diese Einschatzung in Prozent sein mag.
Die Tathergangsanalyse enthält dann die Elemente
- Rekonstruktion
- Bewertung der Tatsituation (Geeignetheit und Verfügbarkeit des Opfers), Tatgelegenheit (Tatort, Tatzeit, Sozialkontrolle), Tatentschluss (Spontanentschluss vs. Neigungstat)
- Deskriptive Verhaltensbewertung (Darstellung deliktuntypischer Verhaltensmerkmale, Personifizierende Elemente, Besondere Verhaltensweisen)
- Charakterisierung des Taterhandelns (Bewertung der Strukturiertheit des Täterhandelns, Streßverhalten, Lageorientierung vs. Handlungsorientierung)
- Motivbewertung
- Fallcharakteristik
- Taterprofil (Alter, Regionalität, Vorerkenntnisse (Vorstrafen und Ermittlungen), Bezug zum Opfer, Lebenssituation, Sonstiges
- Welche Kompetenzen hat der Täter gezeigt?
- Ermittlungshinweise
Dies wird als schriftlicher Bericht und in der direkten Präsentation allen an der Ermittlung beteiligten vorgetragen.
Im Gegensatz zu den in den medien sehr bevorzugt dargestellten hochintelligenten, planvoll handelnden sadistischen sexuell motivierten Tätern überwiegen bei den tatsächlich aufgeklärten Sexualmördern eher die dissozialen, weniger intelligenten allgemein schon als irgendwie, nicht aber unbedingt einschlägig vorbestraften Typen. Es sind also eher die ‚Dissozialen Generalisten‘ als die ‚Sadistischen Spezialisten‘.
Im zweiten Teil des Seminares wurden dann Fallbeispiele besprochen. Ich muss wohl nicht betonen, wie spannend das war…