Gruppenpsychotherapien sind oft wirksamer als Einzelpsychotherapien

Wenn ein Mensch sagt, er möchte eine Psychotherapie machen, dann denkt er oft zunächst einmal an eine klassische Gesprächseinzelpsychotherapie im typischen Setting: Therapeut und Klient sitzen sich gegenüber, man ist zu zweit und trifft sich einmal die Woche, immer zu zweit.
Und es gibt auch sehr sehr viele Situationen, in denen Einzelpsychotherapie genau das passende Setting ist. Immer dann, wenn sehr individuelle Probleme besprochen werden und sehr spezifische Lösungen erarbeitet werden, ist die Einzelpsychotherapie die effektivste Form.
Aber es gibt auch viele Indikationen, in denen eine Gruppenpsychotherapie mehr Nutzen stiften kann als eine Einzeltherapie, und es gibt sehr viele Indikationen, in denen eine Kombination aus Einzel- und Gruppentherapie den größten Nutzen bringt.
Klassische Gruppentherapien in der Psychiatrie sind ja:

  • Depressionsgruppen
  • Angstbewältigungsgruppen
  • Gruppen zum Training sozialer Kompetenzen
  • Psychoedukative Gruppen
  • DBT Gruppen
  • Angehörigengruppen

Das Besondere an einer Gruppenpsychotherapie ist, dass die Teilnehmer voneinander lernen und nicht alleine auf ihre eigenen Überlegungen oder die Unterstützung durch den Therapeuten angewiesen sind.
Zu erfahren, dass mehrere Andere sehr ähnliche Probleme haben hilft sehr, den Blick zu erweitern und oftmals zu erkennen, dass viele Beschwerden, Sorgen und Einschrankungen nicht eine unabwendbare Folge der verfahrenen Situation, in der sich der Einzelne befindet, sind, sondern Ausdruck eines Musters, das bei anderen auch auftritt. Und mit dem jeder Einzelne eben auch schon viele Erfahrungen gemacht hat, die man austauschen kann. Das entlastet schon mal sehr. Und jeder Einzelne hat auch zumindest in einzelnen Bereichen oder in bestimmten Situationen Erfolge im Kampf gegen die belastenden oder dysfunktionalen Muster erreicht.
Von den Mitbetroffenen lernen ist aber meiner Meinung nach die wirksamste Art zu lernen. Denn das hier Vorgestellte ist keine abstrakte Theorie, sondern hat sich ja offenbar in der Praxis bewährt. Die anderen Gruppenmitglieder können sich denjenigen, der eine neue Lösung zu einem geteilten Problem vorstellt, als Modell nehmen, um das eigene Verhalten mit dieser Inspiration zu modifizieren. Den die Vorbilder sind authentisch, glaubwürdig und erfahren…
Im Bereich der ambulanten Psychotherapie werden Gruppentherapien von den Krankenkassen sehr wohl bezahlt, der organisatorische Aufwand ist allerdings so hoch (welchen Raum nehme ich für 8 Patienten, kommen denn auch alle, sonst rechnet es sich doch nicht…), dass Gruppentherapien meiner Meinung nach viel zu selten ambulant angeboten werden.
In vielen Psychiatrischen Krankenhäusern ist die Lage besser, aber oft auch noch verbesserungsfähig…

Wie viele Jahre Psychotherapieausbildung brauche ich, bevor ich das erste Mal einem Patienten helfen kann?

Wieviel Jahre Schule, Studium, Ausbildung, Weiterbildung, Fortbildung und wieviel Euro Psychotherapieausbildungskosten braucht es eigentlich, bevor man einem Menschen erstmalig psychotherapeutisch helfen kann? Die Frage ist absolut berechtigt, weil es ja die ständig wiederholte und durch ewige Wiederholung wahrscheinlich einfach wahr gewordene Aussage gibt, dass ein Mensch erst seit 200 Jahren seine Lebenserwartung erhöht, indem er zum Arzt geht. Davor sei es so gewesen, dass er sie reduziert oder unverändert gelassen habe.

Exkurs: Da jede Form von Selbsttest in diesem blog sehr gerne angeklickt wird: Hier kannst Du nach Beantwortung von 15 sehr einfachen Fragen („Rauchst Du?“, etc.) herausfinden, wie alt Du wirst und wieviel Jahre die Antwort auf jede einzelne Frage dabei gekostet oder gebracht hat. Die Frage nach der Anzahl der Arztbesuche wird nicht gestellt…

Und so könnte es ja sein, dass Psychotherapeuten erst mal eine sehr lange Zeit brauchen, in denen ihre Interventionen mehr schaden als nutzen, weil sie vielleicht nicht erfahren genug sind, zu nutzen. Könnte ja sein. Tatsächlich kann man das nicht beantworten, weil Psychotherapeuten eine sehr lange und gründliche Ausbildung durchlaufen, bevor sie selbst Patienten behandeln. Und dann bekommen sie erst mal recht viel Supervision.

Es gibt zahlreiche Studien zu Therapeuten-Variablen, darunter auch Alter und Erfahrung. Die Ergebnisse sind gelinde gesagt heterogen. Homogen kommt heraus, dass Alter schon mal gar keinen Einfluß auf die Ergebnisqualität hat. Es gibt Studien, in denen die Vertrautheit mit bestimmten Psychotherapietechniken einen positiven Einfluß auf das Ergebnis hatte. Aber ganz überwiegend kommt heraus, dass Therapeuten eine hohe Varianz in die Ergebnisse bringen, also unterschiedliche Therapeuten unterschiedlich gute Ergebnisse bringen, dass aber Alter und Erfahrung nicht die Punkte sind, an denen das Ergebnis im wesentlichen hängt.

Will sagen: Sehr junge und wenig erfahrene Psychotherapeuten helfen in der Regel genau so gut wie ältere und erfahrenere Psychotherapeuten. Das ist wahrscheinlich bei Chirurgen nicht so. Da führt mehr Erfahrung mutmaßlich zu einem besseren Ergebnis (OK, in den letzten 2 Jahren vor der Pensionierung vielleicht nicht mehr…) Bei Psychotherapeuten ist das nicht so.

Woran kann das liegen?

  • An der exzellenten Ausbildung? Wahrscheinlich schon, denn sie verhindert grobe Fehler und vermittelt Kenntnisse über wirksame Interventionen. Aber das erklärt es nicht ganz.
  • An mangelhaften Studien zu dieser Frage? Sicher auch, aber das erklärt es auch nicht ganz.

Ich persönlich glaube ganz unwissenschaftlich an folgendes:

Wenn Du ernsthaft bemüht bist, Deinen Psychotherapiepatienten zu verstehen, zu verstehen, was in seinem/ihrem Leben nicht richtig läuft, welche Probleme er/sie hat und Du dich aufrichtig bemühst, mit ihm/ihr zusammen bessere Wege zu finden, dann bist Du ein guter und wirksamer Psychotherapeut.

Dieses aufrichtige Bemühen um eine gemeinsame Besserung spüren die Patienten sehr genau, es vermittelt sich auch in der Supervision dem Supervisor und es ist sicher ein wirksames Agens an sich. Kombiniert mit wirksamen Interventionen stehen die Erfolgsaussichten mehr als gut. Junge PsychotherapeutInnen helfen, wenn sie sich aufrichtig bemühen, in der Regel sehr sehr gut, nicht weniger gut als sehr dienstalte PsychotherapeutInnen. Das heißt selbstverständlich nicht, dass man nicht immer weiter lernen soll, seine Erfahrungen aktiv zur eigenen Weiterentwicklung nutzen soll, Fortbildungen belegen soll und so weiter. Das ist ja klar.

Ich persönlich glaube, dass PsychotherapeutInnen, die sich aufrichtig bemühen, mit ihren Patienten echte Fortschritte zu erarbeiten, dieses sehr oft bereits in der ersten Psychotherapiestunde ihres Berufslebens erreichen.

Lassen Sie sich also nicht einschüchtern von jahrelangen Spezialausbildungen. Diese sind unzweifelhaft gut und hilfreich, und man verbessert und erweitert seine Fähigkeiten dadurch selbstverständlich. Aber irgendwie kann man auch vorher schon sehr sehr gut helfen.