Erratum: Die Grafik des Rezeptorbindungsprofils von Clozapin hatte im dritten Segment von oben eine falsche Bezeichnung

In meinem post heute morgen hatte ich sowohl in der Einzeldarstellung des Rezeptorbindungsprofils von Clozapin als auch in der Übersicht der Neuroleptika bei der Substanz Clozapin im dritten Block von oben einen Fehler. Der dritte und der vierte Block von oben waren mit H1 beschriftet, richtig ist, dass der obere dieser beiden Teile M1 heißen muss. Mir war das nicht aufgefallen, und auch im Buch hat sich dieser (kleine) Fehler eingeschlichen.

Dankenswerterweise ist es dem Leser Daniel aufgefallen, und ich habe die Grafiken im letzten post jetzt korrigiert und ausgetauscht. In die nächste Überarbeitung des Buches geht diese Korrektur natürlich auch ein.

Das ist ja einer der großen Vorteile dieses Blogs, dass viele Augen auf die Posts schauen und Fehler damit eine viel kleinere Chance haben, durchzukommen. 

Ganz herzlichen Dank noch mal an Daniel!

Hier folgen die korrigierten Grafiken:

Cariprazin (Reagila®)

Es hat in Deutschland in den letzten 15 Jahren keine Neuzulassung eines Neuroleptikums mehr gegeben, lediglich neue Applikationsformen bereits bekannter Substanzen sind auf den Markt gekommen.

Mit Cariprazin ist nun endlich ein neues Medikament zugelassen, das auch tatsächliche einen etwas anderes Wirkprofil hat als bisherige Neuroleptika. Es ähnelt noch am ehesten dem Aripiprazol, das ein partieller Antagonist am D2-Rezeptor ist. Aber Cariprazin hat diese partiell antagonistische Wirkung noch mehr am D3- als am D2 Rezeptor. Da der D3-Rezeptor weniger stark mit EPMS assoziiert ist, ist es vorstellbar, dass Cariprazin nebenwirkungsärmer und möglicherweise anders oder besser wirksam ist als ähnliche Neuroleptika.

Geschichte

Cariprazin wurde 2015 in den USA unter dem Handelsnamen Vraylar® eingeführt. Dort ist es für die Indikationen Schizophrenie und Bipolare Störung zugelassen. Seit Mitte April 2018 wird es in Deutschland von Recordati Pharma unter dem Handelsnamen Reagila®- vertrieben (Webseite des Herstellers zu Reagila®). Inzwischen hat das IQWiG einen Zusatznutzen beschrieben und auch der GB-A hat in seiner Sitzung vom 4.10.18 einen Zusatznutzen für Patienten mit Schizophrenie und überwiegender Negativsymptomatik in Langzeitbehandlung festgestellt (Beschluss hier). Es wurde ein Preis vereinbart, der nun den langfristigen Vertrieb des Medikamentes möglich macht.

Pharmakologie

Resorption: Cariprazin wird nach oraler Aufnahme gut resorbiert. Es ist nicht erforderlich, es zu einer Mahlzeit einzunehmen.

Metabolisierung: Cariprazin wird in der Leber überwiegend von CYP3A4 und in geringerem Maße von CYP2D6 metabolisiert. Cariprazin hat eine sehr lange Halbwertszeit, der steady state wird erst nach etwa drei Wochen erreicht. Daher machen sich Dosisänderungen sowohl in Bezug auf die gewünschte Wirkung als auch auf mögliche Nebenwirkungen erst nach einigen Wochen bemerkbar.

Wirkungsweise: In der Fachinformation heißt es hierzu:

Der Wirkmechanismus von Cariprazin ist nicht vollständig bekannt. Der therapeutische Effekt von Cariprazin wird jedoch möglicherweise über eine Kombination aus einer partialagonistischen Aktivität an den Dopamin-D 3 -, Dopamin-D 2 – (Ki-Werte von 0,085 – 0,3 nM bzw. 0,49 – 0,71 nM) und Serotonin–5-HT 1A -Rezeptoren (Ki-Werte von 1,4 – 2,6 nM) und einer antagonistischen Aktivität an den Serotonin–5-HT 2B -, Serotonin–5-HT 2A – und Histamin-H 1 -Rezeptoren (Ki-Werte von 0,58 – 1,1 nM, 18,8 nM und 23,3 nM) vermittelt. Cariprazin weist eine niedrige Affinität zu den Serotonin–5-HT 2C Rezeptoren und den α1-Adrenozeptoren auf (Ki-Werte von 134 nM und 155 nM). Cariprazin besitzt keine nennenswerte Affinität zu cholinergen Muskarinrezeptoren (IC 50 > 1.000 nM).

Cariprazin Rezeptorbindungsprofil.png

Diese selbst erstellte Grafik vereinfacht stark. Sie stellt den Kehrwert der gemittelten Ki-Werte der einzelnen Rezeptorbindungen dar. So weit so gut. Aber Cariprazin ist ein partieller Agonist und ein partieller Antagonist sowohl am D2 als auch am D3-Rezeptor. Diesen Aspekt stellt die Grafik gar nicht dar. Dennoch vermittelt sie einen Eindruck, bei welchen Rezeptoren die Musik spielt und in welchem Verhältnis die Rezeptorwirkungen zueinander stehen.

Die tatsächliche pharmakologische Wirkung von Cariprazin ist komplex, zumal sie sich je nach Dosis, Gehirngebiet und vielen anderen Faktoren unterscheidet. Das Profil, mehr Wirkung auf den D3-Rezeptor als auf den D2-Rezeptor zu entfalten, ist interessant, da Blockierungen am D2-Rezeptor stärker mit EPMS assoziiert sind als Blockierungen am D3-Rezeptor.

Klinischer Einsatz

Cariprazin ist in Deutschland zugelassen zur Behandlung der Schizophrenie bei Erwachsenen.

Dosierung

Die empfohlene Anfangsdosis von Cariprazin beträgt 1,5 mg einmal täglich. Anschließend kann die Dosis, sofern erforderlich, langsam in 1,5-mg-Schritten bis zur Maximaldosis von 6 mg/Tag gesteigert werden.

Preis

Nebenwirkungen

Cariprazin kann dosisabhängig EPMS sowie Hypertonie hervorrufen. Akathisie scheint sehr selten zu sein. Bislang ist unter Cariprazin keine wesentliche QTc-Zeit-Verlängerung aufgefallen.

Mein persönliches Fazit

Das Rezeptorbindungsprofil ist sehr interessant. Die Hauptwirkung dürfte in der Blockade am D3, weniger auch am D2-Rezeptor liegen. Die partialagonistischen Wirkkomponenten könnten geeignet sein, Nebenwirkungen zu reduzieren. Aufgrund des Rezeptorbindungsprofils ist davon auszugehen, dass Sedierung oder Gewichtszunahmen nicht so ausgeprägt sein werden, wenngleich der Hersteller in der Fachinfo dies explizit als mögliche Nebenwirkungen nennt. Bislang scheint es keine Hinweise auf eine relevante Verlängerung der QTc-Zeit zu geben, was erfreulich ist. Es wird also interessant sein, mit dem Medikament Erfahrungen zu sammeln.

Habt Ihr schon Erfahrungen mit Cariprazin? Postet sie gerne in die Kommentare!

Quellen

 

Copyright

 

Dieser Beitrag ist ein Auszug beziehungsweise eine auszugsweise Vorabveröffentlichung des Werks „Psychopharmakotherapie griffbereit“ von Dr. Jan Dreher, © Georg Thieme Verlag KG. Die ausschließlichen Nutzungsrechte liegen beim Verlag. Bitte wenden Sie sich an permissions@thieme.de, sofern Sie den Beitrag weiterverwenden möchten.

Meine neue Darstellung der Rezeptorbindungsprofile

Ich habe auf dem diesjährigen DGPPN-Kongress zum wiederholten Mal den Workshop „Psychopharmakologie-Update“ von Francesca Regen, Arnim Quante und Eric Hahn besucht. Die drei berichten sehr kompetent und zugleich sehr verständlich von den nennenswerten Neuerungen im letzten Jahr.

Noch eine Variante: Das klassische Kreisdiagramm

Üblicherweise stellt man die Rezeptorbindungsprofile so dar, wie in dem oben wiedergegebenen Kreisdiagramm zu Risperidon. Diese Abbildung ist aus meinem Buch Psychopharmakotherapie griffbereit, Dritte Auflage, entnommen. Die Darstellung ist übersichtlich, aber interpretationsbedürftig.

Wie interpretiere ich das Rezeptorprofil eines Neuroleptikums?

Ich hatte in diesem post schon einmal die wesentlichen Wirkungen der Blockade (oder partiellen Aktivierung) bestimmter Rezeptoren dargestellt.

Die Darstellung á la Hiemke gefällt mir besonders gut, da ich mir das Medikament in dieser Darstellung wie einen Schlüssel vorstelle. Die Balken darauf entsprechen den Zacken des Bartes des Schlüssels. Man hat ja immer die Analogie im Kopf, dass sich ein Wirkstoff zum Rezeptor wie ein Schlüssel zum Schloss verhält. Das stimmt auch für die primären Wirkstoffe wie Dopamin oder Serotonin. Wobei man im Kopf behalten muss, dass diese Wirkstoffe die Rezeptoren aktivieren, die Medikamente die Rezeptoren aber in der Regel blockieren. Ausnahmen stellen Medikamente wie Aripiprazol dar, die überwiegend Rezeptoren blockieren, einige wenige Rezeptoren aber partiell aktivieren.

Neuer Ansatz: Rezeptoraktivität und deren Wirkungen in einem Schaubild

Nun habe ich mir überlegt, dass es etwas mühsam ist, die Rezeptoraktivität in einem Diagramm darzustellen und die Wirkung, also die erwünschten Wirkungen und die unerwünschten Wirkungen dieser Aktivität am Rezeptor, in einer zweiten Tabelle nachzulesen. Daher habe ich in meiner neuen Darstellung die jeweilige Rezeptoraktivität mit der erklärenden Tabelle überlagert. Die Darstellungen sind so zu lesen, dass die Länge des farbigen Balkens die Aktivität des jeweiligen Medikamentes an diesem Rezeptor wiedergibt. Wenn ein Medikament einen bestimmten Rezeptor gar nicht blockiert, dann ist der Text daneben entsprechend ausgegraut.

Vorstellung der wichtigsten Neuroleptika mit ihrem jeweiligen Rezeptorbindungsprofil

Haloperidol

Haloperidol ist der Klassiker eines typischen Neuroleptikums. Es blockiert stark die Dopamin-D2-Rezeptoren, was zu einer sicheren antipsychotischen Wirkung, aber in höheren Dosierungen auch zu EPMS und Hyperprolaktinämie führt. Ein Teil der vegetativen Nebenwirkungen und ein Teil der Sedierung sind auf die Blockade der Alpha-1-Adrenozeptoren zurückzuführen.

Amisulprid

Amisulprid ist ein lupenreiner Dopamin—Rezeptor-Antagonist. Das erklärt seine gute antipsychotische Wirkung. In höheren Dosierungen verursacht es EPMS und Hyperprolaktinämie. Es hat praktisch keine sedierenden oder anderen vegetativen Nebenwirkungen, was der Abwesenheit von Rezeptorblockaden anderer Rezeptoren entspricht.

Risperidon

Risperidon blockiert zum einen wie ein typisches Neuroleptikum in relevantem Ausmaß die Dopamin-D2-Rezeptoren, und blockiert zum anderen wie viele atypische Neuroleptika den Serotonin-5HT2A-Rezeptor. Es verursacht nur in geringem Maße Gewichtszunahme und Müdigkeit, entsprechend seiner nur geringen, aber vorhandenen Aktivität am Histamin H1-Rezeptor.

Ziprasidon

Ziprasidon entspricht ganz dem Profil eines atypischen Neuroleptikums. Es blockiert zwar auch den D2-Rezeptor, hat seinen Schwerpunkt aber eher auf 5HT2A. Interessant ist die Noradrenalin- und Serotonin-Wiederaufnahmehemmung, die eine milde antidepressive und angstlösende Wirkung plausibel macht.

Aripiprazol

Diese Darstellung ist für Aripiprazol eigentlich ungeeignet, da Aripiprazol am Dopamin-D2-Rezeptor sowohl antagonistische Wirkungen hat (das ist auch dargestellt), als auch partiell agonistisch am Dopamin-D2-Rezeptor wirkt (das ist hier nicht dargestellt). Diese partialagonistische Wirkung an D2 relativiert einige der Nebenwirkungen und natürlich auch einige der Wirkungen des Medikamentes an diesem Rezeptor. Und das auch noch dosisabhängig. OK, die Darstellung ist natürlich eine Vereinfachung. Im übrigen zeigt sich das Profil eines atypischen Neuroleptikums mit milden Nebenwirkungen.

Chlorpromazin

Chlorpromazin wird in Deutschland praktisch nicht mehr verordnet. Es ist ein mittelpotentes Neuroleptikum mit eher sedierenden Eigenschaften. Ein Nischendasein führt es noch in der Behandlung des chronischen Schluckaufs…

Clozapin

Clozapin ist zwar ein Oldtimer, hat aber ein ganz spezielles Rezeptorbindungsprofil. Der hohe Anteil der Dopamin-D4-Blockade wird allgemein mit seiner guten antipsychotischen Wirkung bei wenig EPMS in Verbindung gebracht. Und D2-Rezeptoren läßt Clozapin ja ziemlich in Ruhe. Sieht man sich aber den unteren Teil der Grafik an, weiß man auch, warum es so ausgeprägte Nebenwirkungen verursacht. Insbesondere Müdigkeit und Gewichtszunahme (H1) wirken sich klinisch stark aus. Der erhöhte Speichelfluß unter Clozapin ist ursächlich auf eine reduzierte Schluckfähigkeit zurück zu führen. Die durch die Blockade des Acetylcholin-M1-Rezeptors verursachte Mundtrockenheit wiegt die Schluckstörung nicht auf.

Olanzapin

Olanzapin hat aus der Sicht des Rezeptorbindungsprofils viel Ähnlichkeit mit Clozapin. Interessant ist auch hier, dass D4-Rezeptoren fast so stark blockiert werden wie D2-Rezeptoren, was für eine gute antipsychotische Wirkung bei wenig EPMS spricht. Allerdings blockiert Olanzapin eben auch stark den Histamin-H1-Rezeptor, was die Sedierung und Gewichtszunahme erklärt.

Quetiapin

Quetiapin wurde ja lange als neuroleptisches Wundermittel vermarktet. Der Blick auf das Rezeptorbindungsprofil zeigt ein solides mittelpotentes Neuroleptikum mit einer recht ausgeprägten Sedierung (Alpha1, H1, M1, M3) und einer milden antipsychotischen Wirkung (D2, 5HT2A).

Bitte um Feedback

Ich selbst bin ein großer Freund des Studiums des Rezeptorbindungsverhaltens der Medikamente. In meinen Augen entsprechen die neuroleptische Wirkstärke, das typische / atypische Wirkprofil und auch die Nebenwirkungen, die man in der Praxis beobachtet, ziemlich genau diesen Profilen.

Nun bitte ich euch um euer Feedback!

  • Wie verständlich ist diese Art der Darstellung?
  • Gibt es falsche oder unklare Beschreibungen im Text der Tabelle?
  • Was könnte man verbessern, um die Darstellung noch eingängiger zu gestalten?

Ihr dürft die Darstellung gerne unter Nennung der Quelle weiterverwenden und auch weiter verbessern. Dann schickt mir doch gerne einen Link auf eure Darstellung. Ich bin gespannt auf eure Kommentare!