Antidepressiva Äquivalenzdosierungen

Wenn man von einem Antidepressivum zu einem anderen wechselt, will man ja wissen, welche Dosis des neuen Medikamentes äquivalent zur Dosis des vorigen Medikamentes ist. Natürlich gibt es da so ein Bauchgefühl, was ungefähr gleichstark ist, aber erfreulicherweise gibt es auch vernünftig zusammengestellte Äquivalenzdosierungen.
Das Paper „Dose equivalents of antidepressants: Evidence-based recommendations from randomized controlled trials“1 kann hier kostenlos im Volltext heruntergeladen werden. Eine Forschergruppe, in der unter anderem Stefan Leucht aus München mitwirkte, wertete 83 Studien mit insgesamt 14131 Patienten aus, in denen verschiedene Antidepressiva in flexibler Dosis gegen Fluoxetin oder Paroxetin verglichen wurden. Die tatsächlich gegebenen mittleren Dosierungen der verschiedenen Substanzen wurden dann zu 40 mg Fluoxetin ins Verhältnis gesetzt.
In der Zusammenfassung heißt es:

„In the primary analysis, fluoxetine 40 mg/day was equivalent to paroxetine dosage of 34.0 mg/day, agomelatine 53.2 mg/day, amitriptyline, 122.3 mg/day, bupropion 348.5 mg/day, clomipramine 116.1 mg/day, desipramine 196.3 mg/day, dothiepin 154.8 mg/ day, doxepin 140.1 mg/day, escitalopram 18.0 mg/day, fluvoxamine 143.3 mg/day, imipramine 137.2 mg/ day, lofepramine 250.2 mg/day, maprotiline 118.0 mg/day, mianserin, 101.1 mg/day, mirtazapine 50.9 mg/ day, moclobemide 575.2 mg/day, nefazodone 535.2 mg/day, nortriptyline 100.9 mg/day, reboxetine 11.5 mg/day, sertraline 98.5 mg/day, trazodone 401.4 mg/day, and venlafaxine 149.4 mg/day.“

Nun hat dieser Vergleich der Wirkstärke insgesamt natürlich so seine Limitationen. Eigentlich kann man ein SSRI nicht mit einem SNRI vergleichen, weil dessen noradrenerge Wirkung bei einem SSRI gar nicht vorhanden ist. Auch bestimmte Nebenwirkungen wie Sedierung, Gewichtszunahme, Müdigkeit und andere kommen bei einem Medikament vor, beim anderen aber nicht. Das schränkt die Aussage einer solchen Vergleichstabelle natürlich ein. Aber die Tabelle soll auch nicht so tun, als könne man jedes Antidepressivum einfach in ein anderes umrechnen. Sie soll nur einen Hinweis geben, bei welcher ungefähren Dosierung ähnliche Wirkstärken zu erwarten sind.
In der oben genannten Veröffentlichung kommen Duloxetin, Milnacipran und Trimipramin leider nicht vor. Für meine eigene Aufstellung habe ich selbst für diese drei Substanzen jeweils die zulässige Tageshöchstdosis mit 40 mg Citalopram gleichgesetzt, wohlwissend, dass diese Dosierungen nicht gleich stark sein müssen. Dann habe ich die Dosierungen auf solche Dosierungen gerundet, die man mit den verfügbaren Medikamenten auch tatsächlich geben kann. Dabei habe ich manchmal die errechnete Dosis um ein paar Prozent nach oben oder unten angepaßt, um real verfügbare Tablettendosierungen zu erreichen. Bei Escitalopram habe ich der Einfachheit halber 40 mg Citalopram mit 20 mg Escitalopram gleich gesetzt. Der Studie nach wären hier 18 mg einzusetzen, aber das macht weder pharmakologisch Sinn, noch ist diese kleine Abweichung klinisch relevant.

Dann habe ich alle Werte auf Citalopram umgerechnet und nur die Medikamente aufgeführt, die ich in meinem Buch behandele. Daraus ergibt sich folgende Tabelle der Äquivalenzdosierungen:

Die resultierenden Dosierungen finde ich klinisch plausibel. Sie bilden zwar nicht das genaue und von Substanz zu Substanz unterschiedliche Wirkspektrum ab, als Anhalt für vergleichbare Dosierungen vergleichbarer Wirkstärken finde ich sie aber gut verwendbar.

Was haltet ihr von dieser Überlegung? Sind die Werte plausibel? Entsprechen sie eurer klinischen Praxis? Macht eine solche Tabelle Sinn? Oder sind die Vereinfachungen, die ihr zugrunde liegen, zu groß?

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Dieser Beitrag ist ein Auszug beziehungsweise eine auszugsweise Vorabveröffentlichung des Werks „Psychopharmakotherapie griffbereit“ von Dr. Jan Dreher, © Georg Thieme Verlag KG. Die ausschließlichen Nutzungsrechte liegen beim Verlag. Bitte wenden Sie sich an permissions@thieme.de, sofern Sie den Beitrag weiterverwenden möchten.


  1. Hayasaka Y, Purgato M, Magni LR, Ogawa Y, Takeshima N, Cipriani A, et al. Dose equivalents of antidepressants_ Evidence-based recommendations from randomized controlled trials. Journal of Affective Disorders. Elsevier; 2015 Jul 15;180(C):179–84. ↩︎

Sertralin

Sertralin (z.B. Zoloft®) ist schon seit 1997 auf dem deutschen Markt erhältlich und gehört damit inzwischen zu den Youngtimern der Antidepressiva. Mit der Markteinführung von Citalopram geriet es zunächst etwas ins Hintertreffen, da letzteres das noch etwas reinere pharmakologische Profil hat. Seitdem Citalopram allerdings für seine Verlängerung der QTc-Zeit bekannt geworden ist, gehört Sertralin für viele Psychiater und Allgemeinärzte wieder zu den häufig verordneten SSRI.

Pharmakologie

Sertralin ist ein typischer Vertreter der Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer. Darüber hinaus bewirkt es eine schwache Dopamin-Wiederaufnahmehemmung, was zu einem milde erhöhten Maß an Unruhe führen kann. Die Plasmahalbwertszeit beträgt etwa 24 Stunden. Sertralin wird über die Niere ausgeschieden.

Klinischer Einsatz

Sertralin wird wie alle SSRI zur Behandlung von Depressionen, Angsterkrankungen und Zwangserkrankungen eingesetzt.

Dosierung

50-200 mg pro Tag, morgens verabreicht.

Nebenwirkungen

Sertralin verursacht die für SSRI typischen Nebenwirkungen wie Übelkeit, verzögerten Orgasmus oder Unruhe. Es ist aber weder für eine Gewichtszunahme noch für eine QTc-Zeit Verlängerung bekannt, daher gilt es insgesamt als gut verträgliches SSRI

Mein persönliches Fazit

Sertralin ähnelt als SSRI dem Citalopram pharmakologisch, hat aber zusätzlich eine schwach dopaminerge Wirkung, was im Positiven eine Antriebssteigerung und im negativen eine gewisse Unruhe verursachen kann. Da unter Sertralin keine Verlängerung der QTc-Zeit bekannt ist, kann es insbesondere für kardiologisch vorerkrankte Patienten eine sinnvolle Alternative zu Citalopram sein. Ich selbst kontrolliere aber auch unter Sertralin das EKG regelmäßig.

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