Welches Neuroleptikum gebe ich wem?

Welches Neuroleptikum gebe ich eigentlich wem? In diesem Beitrag erfährst du, welche Überlegungen ich als Psychiater anstelle, wenn ich entscheide, welches Neuroleptikum ich wem empfehle. Wenn Du den Beitrag gerne als Video sehen möchtest, click einfach auf diesen Link. Zum Nachlesen habe ich die wichtigsten Eckpunkte hier noch einmal aufgeschrieben.

Einleitung

Die Psychose ist keine seltene Erkrankung; etwa 0,5-1% der Bevölkerung entwickeln irgendwann in ihrem Leben einmal eine Psychose. Meistens fällt der Erkrankungsbeginn in die Zeit zwischen dem 18.ten und 25.ten Lebensjahr; er kann aber auch später liegen. Ursachen können eine genetische Veranlagung sein, aber auch Drogen, insbesondere Amphetamine, Cocain und THC können die Entstehung einer Psychose begünstigen. Und es gibt noch einige andere Krankheitsbilder, die mit psychotischen Symptomen einhergehen, darunter das Delir, wahnhafte Depressionen, akute psychotische Zustände bei Drogenintoxikationen und noch einige wenige andere.

Diese Krankheiten sind in der Regel gut behandelbar. Der Schlüssel zur Behandlung liegt in der Gabe der richtigen Medikamente.

Begriffsbestimmung

Ich habe bis jetzt den Begriff Neuroleptika benutzt, weil er am bekanntesten und gebräuchlichsten ist. Der Begriff Neuroleptika ist allerdings ein Überbegriff.

  • Zu den Neuroleptika zählen die sogenannten hochpotenten Neuroleptika wie Haloperidol, Risperidon und andere Medikamente, die gegen psychotische Symptome wirken. Diese Medikamente nennt man präziser Antipsychotika, weil sie gegen psychotische Symptome wirken, also gegen Wahn und Halluzinationen.
  • Der zweite Teil der Neuroleptika sind die sogenannten niederpotenten Neuroleptika wie Promethazin, Pipamperon und andere, die kaum gegen psychotische Symptome wirken, aber sedieren. Diese Gruppe nennt man präziser Sedativa us der Gruppe der Neuroleptika.
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    In diesem Video gehe ich auf die Auswahl des passenden Antipsychotikums ein, und verwende ab jetzt auch diesen Begriff.

Wem empfehle ich jetzt welches Antipsychotikum?

Nehmen wir zum Beispiel einen jungen Mann, der an einer Schizophrenie erkrankt, keine anderen Krankheiten hat und mich nach einer Medikation fragt. Für mich als Psychiater ist das eine typische Fragestellung, und es gibt einige typische Situationen, die ich hier berichten kann. Natürlich ist dies nicht der einzig richtige Weg.

Nehmen wir also an, in meine Behandlung kommt ein sonst gesunder Patient mit einer Psychose. Ich entscheide mich, dass er ein Neuroleptikum braucht. Das bespreche ich mit ihm und er stimmt zu. Nun stellt sich die Frage: Welches Neuroleptikum empfehle beziehungsweise verordne ich? Es gibt keine ganz einfache Faustformel, nach der ich für einen bestimmten Patienten ein Neuroleptikum auswähle, aber ich habe ein typisches Vorgehen, das ich häufig anwende.

Auswahl nach Wirkung oder nach Nebenwirkungen?

Wenn ich ein Medikament auswähle, dann denke ich zunächst einmal an die angestrebte Wirkung. Bei Antipsychotika ist das ganz einfach die antipsychotische Wirkung. Und tatsächlich unterscheiden sich die verschiedenen Antipsychotika auch ein wenig in ihrer Wirkstärke. Eine floride Psychose mit akuten Gefährdungsaspekten mit dem nur mittelstark antipsychotisch wirksamen Quetiapin zu behandeln erfordert Geduld und Mut…

Aber letztlich sind die verschiedenen Antipsychotika in ihrer antipsychotischen Wirkung recht ähnlich. Praktisch muss man daher mindestens genau so die möglichen Nebenwirkungen in den Blick nehmen. Aber dazu gleich mehr. Fangen wir mal mit einem unkomplizierten Fall an!

Der erfolgreich vorbehandelte Patient

Auf meine Fragen: „Haben Sie schon einmal in einer früheren Krankheitsphase ein Neuroleptikum erhalten? Hat es gut gewirkt? Haben Sie es gut vertragen?“, antwortet er jeweils mit „Ja“, d. h. ein bestimmtes Präparat hat schon einmal gut gewirkt und wurde gut vertragen. Dann empfehle ich genau dieses Medikament wieder. Ich frage, welche Symptomatik damals bestanden hat, wie stark sie war und welche Dosis des Präparates in welcher Zeit geholfen hat. Ich mache mir ein Bild davon, wie stark die Symptomatik jetzt ist und empfehle eine passende Dosis.

Der bislang unbehandelte Patient mit einer eindeutig psychotischen Symptomatik

Wenn bislang noch nie ein Neuroleptikum verordnet wurde, empfehle ich selbst in der Regel in der ersten Stufe Risperidon. Das ist natürlich nicht der Weisheit letzter Schluss, und andere Psychiater gehen hier anders vor, aber ich stelle hier ja meinen eigenen Weg vor.

Es wirkt schnell und verlässlich. Es macht nicht müde und es verursacht in der Regel keine Gewichtszunahme. In Dosierungen bis 4 mg/Tag ist es meist gut verträglich und macht bei vielen Patienten keine EPMS (S.113). In höheren Dosierungen kann es EPMS verursachen.

Risperidon hat sich als ungeeignet erwiesen: Olanzapin

Wenn Risperidon nicht ausreichend geholfen hat oder nicht vertragen wurde und der Patient nicht adipös ist, empfehle ich in der zweiten Stufe in der Regel Olanzapin. Es wirkt ebenso sicher, verlässlich und zügig wie Risperidon und wird ebenfalls zumeist gut vertragen. Es kann aber eine deutliche Gewichtszunahme verursachen. Darüber kläre ich den Patienten sehr eindeutig auf. Lehnt er das Präparat ab, empfehle ich ein anderes. Ich lasse die Patienten vor Beginn der Behandlung mit Olanzapin wiegen. Treten eine Gewichtszunahme von mehr als 3 kg oder wiederholte Heißhungerattacken auf, empfehle ich, das Präparat zu wechseln.

Risperidon und Olanzapin haben sich als ungeeignet erwiesen: Amisulprid

Wenn Risperidon in Stufe eins wegen mangelnder Wirksamkeit und nicht wegen EPMS das Feld räumen musste und in Stufe zwei Olanzapin nicht geeignet war, dann versuche ich in der dritten Stufe Amisulprid. Wenn Risperidon wegen EPMS ausschied, überspringe ich diesen Schritt.

Risperidon, Olanzapin und Amisulprid waren ungeeignet: Aripiprazol, Ziprasidon und Quetiapin

In der vierten Stufe muss ich ein Antipsychotika auswählen, das ggf. etwas weniger wirkstark als Risperidon, Olanzapin und Amisulprid, aber vielleicht besser verträglich ist. Es kommen nun Aripiprazol, Ziprasidon und Quetiapin in Betracht. Ich verordne in dieser Reihenfolge. Aripiprazol führt häufig zu Akathisie, ich setze es dann zumeist sofort und ohne zu warten ab. Ziprasidon und Quetiapin werden in der Regel sehr gut vertragen, hier stellt sich eher die Frage der ausreichenden Wirksamkeit.

Die Negativsymptomatik steht im Vordergrund: Cariprazin

Cariprazin hat eine dem Risperidon vergleichbare Wirkung auf die Positivsymptomatik, hat aber in den bisherigen Studien eine Überlegenheit in der Wirkung auf Negativsymptomatik.

Eine Monotherapie war ohne Erfolg: Kombinationstherapie

Funktioniert keines der bislang gewählten Antipsychotika in Monotherapie, wähle ich geleitet von den Nebenwirkungen der bisherigen Versuche eine Kombinationstherapie aus zwei gut verträglichen, aber in Monotherapie nicht ausreichend wirksamen Antipsychotika aus und gebe beide in einer mittleren Dosis. Dabei unterteile ich die Antipsychotika nach ihren Nebenwirkungen in unterschiedliche Gruppen und meide die Gruppe, deren Nebenwirkung bislang am problematischsten war:

Fünf Gruppen von Antipsychotika

  1. EPMS-Gefahr: Haloperidol, Amisulprid, Risperidon, Cariprazin
  2. Gewichtszunahme-Gefahr: Olanzapin, Quetiapin
  3. Akathisie-Gefahr: Aripiprazol
  4. Möglicherweise schwache Wirkung, dafür bessere Verträglichkeit: Ziprasidon
  5. Reserveantipsychotika: Sertindol, Clozapin

Alle oben genannten Stufen waren erfolglos: Sertindol

Waren die bisherigen Wirkstoffe und eine Zweifachkombination erfolglos, dann probiere ich es mit Sertindol. Zu Sertindol sind besondere Hinweise zu beachten, da es in besonders hohem Maße die QTc-Zeit verlängern kann. Es ist daher ein Neuroleptikum der zweiten Wahl.

Sertindol war auch erfolglos: Clozapin

Wenn Sertindol auch nicht gewirkt hat oder wenn die Schwere der Erkrankung dies schon früher gebietet, kann es an der Zeit sein, sich für das nebenwirkungsreichere, aber eben auch sehr wirksame Clozapin zu entscheiden. Eine besonders ausführliche Aufklärung ist erforderlich. In der S 3-Behandlungsleitlinie „Schizophrenie“ wird der Einsatz von Clozapin deutlich früher in Betracht gezogen. Da Clozapin aber regelmäßig starke Nebenwirkungen verursacht, setze ich es nach Möglichkeit erst spät ein.

Behandlung akuter cocaininduzierter psychotischer Zustände

Cocain ist stark und selektiv dopaminagonistisch. Amisulprid ist stark und selektiv dopaminantagonistisch. Daher behandele ich akute psychotische Zustände nach Cocainkonsum mit Amisulprid und einem Benzodiazepin.

Delir mit psychotischen Symptomen

Ein lebensbedrohliches Delir, egal welcher Genese (Alkoholentzug, Benzodiazepinentzug, …) braucht eine wirkungsvolle und schnelle Neurolepsie. Ich gebe inzwischen meistens Risperidon, bei mangelnder Wirkung steige ich auf Haloperidol oder Olanzapin um. Ältere Patienten mit Delir behandele ich auch manchmal mit Quetiapin. Zur Behandlung des Delirs habe ich ein eigenes Video gemacht, das ich hier oben rechts verlinkt habe.

Rezidivprophylaxe bei asymptomatischem Patienten

Mit großer Sicherheit wirkt das Neuroleptikum, das die psychotische Episode beendet hat. Bei der Rezidivprophylaxe sind aber Nebenwirkungen noch viel weniger akzeptabel als in der Akuttherapie. Bei Nebenwirkungen wechsele ich daher noch niederschwelliger auf ein Ausweichpräparat.

Auswahl eines Depotpräparates

Wenn der Patient unter den zuvor verordneten Medikamenten keine Probleme mit EPMS hatte, mache ich in der Regel zunächst einen Versuch mit Flupentixol (Fluanxol ® ). Zur Prüfung der Verträglichkeit gebe ich es zunächst oral. Wird dies vertragen, gebe ich eine milde Dosis Fluanxol Depot, etwa 40-60 mg alle 2 Wochen. Alternativ gebe ich Risperidon (Risperdal ® Consta ® ) oder Paliperidon (Xeplion ® ) als Depotpräparat. Treten hierunter EPMS auf, gebe ich Olanzapin als Depotpräparat (ZypAdhera ® ).

Wenn ich selbst ein Antipsychotikum bräuchte

Wenn ich selbst ein Neuroleptikum bräuchte, würde ich mich für Risperidon entscheiden. Möglicherweise auch Cariprazin.

Das ist natürlich eine Vereinfachung… 🙂

Ich weise darauf hin, dass bei jedem einzelnen Patienten noch viele weitere Aspekte eine Rolle spielen können, die über das von mir beschriebene Vorgehen hinausgehen. Dies Vorgehen ist ja eine Vereinfachung und ein erster Einstieg.

Wenn ihr mehr über Psychopharmakotherapie wissen wollt, und euch eine Erklärung in verständlicher Sprache wichtig ist, dann guckt euch auch mal mein Buch Psychopharmakotherapie griffbereit an.

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Dieser Beitrag ist ein Auszug beziehungsweise eine auszugsweise Vorabveröffentlichung des Werks „Psychopharmakotherapie griffbereit“ von Dr. Jan Dreher, © Georg Thieme Verlag KG. Die ausschließlichen Nutzungsrechte liegen beim Verlag. Bitte wenden Sie sich an permissions@thieme.de, sofern Sie den Beitrag weiterverwenden möchten.

Wie rechne ich die Dosis eines Neuroleptikums auf ein anderes um?

Wenn man ein Medikament aus einer bestimmten Gruppe auf ein anderes Medikament aus derselben Gruppe umstellen möchte, dann ist es ganz hilfreich, eine Vorstellung davon zu haben, welche Dosierungen sich in etwa entsprechen. Natürlich kann man die Dosierungen nicht einfach umrechnen, denn jede Substanz hat doch etwas andere Hauptwirkungen und oft erheblich unterschiedliche Nebenwirkungen. Dennoch ist es hilfreich, einen Anhaltspunkt zu haben, in welcher Größenordnung sich die neue Dosis so bewegt.

Es gibt verschiedene Arten, an so eine Umrechnungstabelle zu kommen. Die klassische Variante ist die von Davis 1974 angewendete: Man nimmt sich alle verfügbaren Studien zu Medikamenten einer Gruppe, in der die Studienärzte nicht wussten, welches Medikament sie gaben, aber die Dosis nach der klinischen Wirkstärke anpassen konnten. Dann nimmt man den Mittelwert der jeweils gegebenen Dosierungen und geht davon aus, dass diese Mittelwerte vergleichbar sind. In einer ausgezeichneten Arbeit hat Leucht dieses Vorgehen 2015 für atypische Antipsychotika durchgeführt1. Das PDF der Studie ist kostenlos hier zu laden.

Cariprazin wurde in dieser Studie nicht untersucht. Die Äquivalenzwerte für Cariprazin habe ich daher aus meiner eigenen klinischen Erfahrung geschätzt und mich an dieser Studie2 angelehnt.

Ich habe auf diesem Blog bereits meine eigene Umrechnungstabelle für Opiate und meine eigene Umrechnungstabelle für Antidepressiva veröffentlicht. Das Bild oben zeigt die Tabelle, die sich aus der Studie von Leucht für die Gruppe der Antipsychotika ergeben. Ich habe deutsche Handelsnamen eingesetzt, die resultierenden Dosierungen auf für die nächste für dieses Präparat übliche Dosis gerundet und diejenigen Tabellenfelder leer gelassen, die Dosierungen enthalten hätten, die für dieses Präparat in Deutschland nicht zugelassen sind.

Wer sich ein eigenes Bild über meine Rundungen und Vereinfachungen machen möchte, der findet die Tabelle mit den präzise berechneten Werten, die ich als Ausgangswerte für die Tabelle oben genommen habe, hier:

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Meiner persönlichen Einschätzung nach ist die Tabelle oben realistisch und gut geeignet, einen Anhaltspunkt dafür zu geben, welche Dosis eines Antipsychotikums welcher Dosis eines anderen Antipsychotikums entspricht.

Disclaimer

Auch zu dieser Tabelle möchte ich sagen, dass die hier angegebenen Dosierungen nicht ungeprüft übernommen werden dürfen. Die Verschreibung obliegt der Verantwortung des verschreibenden Arztes, der anhand der Fachinformationen, der individuellen Situation des Patienten und aller anderen relevanten Faktoren eine Wahl treffen muss.

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Dieser Beitrag ist ein Auszug beziehungsweise eine auszugsweise Vorabveröffentlichung des Werks „Psychopharmakotherapie griffbereit“ von Dr. Jan Dreher, © Georg Thieme Verlag KG. Die ausschließlichen Nutzungsrechte liegen beim Verlag. Bitte wenden Sie sich an permissions@thieme.de, sofern Sie den Beitrag weiterverwenden möchten.

  1. 1 Leucht S, Samara M, Heres S, Patel MX, Furukawa T, Cipriani A, Geddes J, Davis JM. Dose Equivalents for Second-Generation Antipsychotic Drugs: The Classical Mean Dose Method. Schizophr Bull 2015; 41: 1397–1402 Im Internet: https://academic.oup.com/schizophreniabulletin/article/41/6/1397/2526028 ↩︎
  2. 1 Németh G, Laszlovszky I, Czobor P, Szalai E, Szatmári B, Harsányi J, Barabássy Á, Debelle M, Durgam S, Bitter I, Marder S, Fleischhacker WW. Cariprazine versus risperidone monotherapy for treatment of predominant negative symptoms in patients with schizophrenia: a randomised, double-blind, controlled trial. Lancet 2017; 389: 1103–1113 Im Internet: https://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S0140673617300600 ↩︎

Die Rezeptorbindungsprofile der Neuroleptika

Zusammenstellung Übersicht Neuroleptika Rezeptorprofile.jpg

Rezeptorbindungsprofile sind so etwa wie das „Persönlichkeitsprofil“ der Medikamente. Sie bestimmen im Wesentlichen die Wirkungen sowie die unerwünschten Wirkungen jedes einzelnen Medikamentes.

Das Rezeptorbindungsprofil eines Neuroleptikums sagt aus, wie stark dieses Medikament an welche Rezeptoren bindet; welche Affinität es zu den jeweiligen Rezeptortypen hat. Daraus kann man sich die pharmakologischen und klinischen Eigenschaften des Medikamentes im Wesentlichen erschließen. Die folgende Tabelle zeigt wichtige rezeptorblockadebedingte Wirkungen:

(Modifiziert nach Hiemke und Stahl, 2013)

Es gibt darüber hinaus noch vereinzelt weitere Nebenwirkungen, die sich nicht aus der Blockade eines Rezeptors erklären. Ein Beispiel hierfür ist die blutbildschädigende Wirkung des Clozapins, die eine allergische Reaktion ist.

Wenn man sich selbst ein Bild davon machen möchte, was man von einem Medikament zu erwarten hat, sind die Rezeptorbindungsprofile sicherlich der beste Einstieg. Die Übersichtsgrafik zeigt die häufigsten Neuroleptika sowie zum Vergleich das alte Chlorpromazin. Die Grafiken sind so zu lesen, dass die „Dicke“ einer Scheibe anzeigt, wie stark das Medikament den entsprechenden Rezeptor blockiert. Bewirkt ein Medikament an einem bestimmten Rezeptor keine Blockade, ist keine entsprechende Scheibe eingezeichnet. Bei den einzelnen Substanzen sind die typischen Wirkungen und Nebenwirkungen der jeweiligen Rezeptorblockade als Textanmerkung gleich mit eingezeichnet.

Die blauen Blöcke stehen für die Dopaminrezeptoren D1-D4. Die grauen Blöcke stehen für die Serotoninrezeptoren 5HT1-7, wobei der erste Block für einen 5HT1A-Partialagonismus steht. Alpha1 und Alpha2 repräsentieren die Alpha 1 und Alpha 2-Adrenorezeptoren. Es folgen der H1=Histamin-H1 und die M1/M3=muskarinischen Acetylcholinrezeptoren. DAT ist der Dopamin-Transporter, NAT der Noradrenalin-Transporter und SERT der Serotonin-Transporter.

Vorstellung der wichtigsten Neuroleptika mit ihrem jeweiligen Rezeptorbindungsprofil

Haloperidol

Haloperidol ist der Klassiker eines typischen Neuroleptikums. Es blockiert stark die Dopamin-D2-Rezeptoren, was zu einer sicheren antipsychotischen Wirkung, aber in höheren Dosierungen auch zu EPMS und Hyperprolaktinämie führt. Ein Teil der vegetativen Nebenwirkungen und ein Teil der Sedierung sind auf die Blockade der Alpha-1-Adrenozeptoren zurückzuführen.

Amisulprid

Amisulprid ist ein lupenreiner Dopamin-Rezeptor-Antagonist. Das erklärt seine gute antipsychotische Wirkung. In höheren Dosierungen verursacht es EPMS und Hyperprolaktinämie. Es hat praktisch keine sedierenden oder anderen vegetativen Nebenwirkungen, da es praktisch keine anderen Rezeptoren blockiert.

Risperidon

Risperidon blockiert zum einen wie ein typisches Neuroleptikum in relevantem Ausmaß die Dopamin-D2-Rezeptoren, und zum anderen wie viele atypische Neuroleptika den Serotonin-5HT2A-Rezeptor. Es verursacht nur in geringem Maße Gewichtszunahme und Müdigkeit, entsprechend seiner nur geringen, aber vorhandenen Aktivität am Histamin H1-Rezeptor.

Ziprasidon

Ziprasidon entspricht ganz dem Profil eines atypischen Neuroleptikums. Es blockiert zwar auch den D2-Rezeptor, hat seinen Schwerpunkt aber eher auf 5HT2A. Interessant ist die Noradrenalin- und Serotonin-Wiederaufnahmehemmung, die eine milde antidepressive und angstlösende Wirkung plausibel macht.

Aripiprazol

Im Falle des Aripiprazols muss man wissen, das die Affinität dieses Medikamentes zum Dopamin-D2-Rezeptor nicht nur antagonistische, sondern auch partiell agonistische Wirkungen hat. Dies relativiert einige der D2-bezogenen Nebenwirkungen, so verursacht Aripiprazol tatsächlich weniger EPMS, als dem Ausmaß der D2-Affinität in diesem Schaubild entsprechen würde. Man erhofft sich vom partiellen Dopamin-D2-Agonismus auch eine positive Wirkung auf Antrieb, Stimmung und kognitive Fähigkeiten.

Clozapin

Clozapin hat ein ganz spezielles Rezeptorbindungsprofil. Der hohe Anteil der Dopamin-D4-Blockade wird mit seiner guten antipsychotischen Wirkung bei wenig EPMS in Verbindung gebracht. Und die Affinität von Clozapin zu den Dopamin-D2-Rezeptoren ist ja vergleichsweise niedrig. Betrachtet man jedoch den oberen Teil der Grafik, weiß man, warum Clozapin so ausgeprägte Nebenwirkungen verursacht. Insbesondere Müdigkeit und Gewichtszunahme (H1) wirken sich klinisch stark aus. Der erhöhte Speichelfluß unter Clozapin ist auf eine reduzierte Schluckfähigkeit zurück zu führen; die durch die Blockade des Acetylcholin-M1-Rezeptors verursachte Mundtrockenheit wiegt diese Schluckstörung nicht auf.

Olanzapin

Olanzapin hat aus der Sicht des Rezeptorbindungsprofils viel Ähnlichkeit mit Clozapin. Interessant ist auch hier, dass Dopamin-D4-Rezeptoren fast so stark blockiert werden wie Dopamin-D2-Rezeptoren, was für eine gute antipsychotische Wirkung bei wenig EPMS spricht. Allerdings blockiert Olanzapin ebenfall stark den Histamin-H1-Rezeptor, was die Sedierung und Gewichtszunahme erklärt.

Quetiapin

Der Blick auf das Rezeptorbindungsprofil von Quetiapin zeigt ein solides mittelpotentes Neuroleptikum mit einer recht ausgeprägten Sedierung (Alpha1, H1, M1, M3) und einer milden antipsychotischen Wirkung (D2, 5HT2A).

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Ihr dürft diese Darstellungen gerne unter Nennung der Quelle http://www.psychiatrietogo.de weiterverwenden und auch weiter verbessern. Dann schickt mir doch gerne einen Link auf eure Version. Ich bin gespannt auf eure Kommentare!

Meine neue Darstellung der Rezeptorbindungsprofile

Ich habe auf dem diesjährigen DGPPN-Kongress zum wiederholten Mal den Workshop „Psychopharmakologie-Update“ von Francesca Regen, Arnim Quante und Eric Hahn besucht. Die drei berichten sehr kompetent und zugleich sehr verständlich von den nennenswerten Neuerungen im letzten Jahr.

Noch eine Variante: Das klassische Kreisdiagramm

Üblicherweise stellt man die Rezeptorbindungsprofile so dar, wie in dem oben wiedergegebenen Kreisdiagramm zu Risperidon. Diese Abbildung ist aus meinem Buch Psychopharmakotherapie griffbereit, Dritte Auflage, entnommen. Die Darstellung ist übersichtlich, aber interpretationsbedürftig.

Wie interpretiere ich das Rezeptorprofil eines Neuroleptikums?

Ich hatte in diesem post schon einmal die wesentlichen Wirkungen der Blockade (oder partiellen Aktivierung) bestimmter Rezeptoren dargestellt.

Die Darstellung á la Hiemke gefällt mir besonders gut, da ich mir das Medikament in dieser Darstellung wie einen Schlüssel vorstelle. Die Balken darauf entsprechen den Zacken des Bartes des Schlüssels. Man hat ja immer die Analogie im Kopf, dass sich ein Wirkstoff zum Rezeptor wie ein Schlüssel zum Schloss verhält. Das stimmt auch für die primären Wirkstoffe wie Dopamin oder Serotonin. Wobei man im Kopf behalten muss, dass diese Wirkstoffe die Rezeptoren aktivieren, die Medikamente die Rezeptoren aber in der Regel blockieren. Ausnahmen stellen Medikamente wie Aripiprazol dar, die überwiegend Rezeptoren blockieren, einige wenige Rezeptoren aber partiell aktivieren.

Neuer Ansatz: Rezeptoraktivität und deren Wirkungen in einem Schaubild

Nun habe ich mir überlegt, dass es etwas mühsam ist, die Rezeptoraktivität in einem Diagramm darzustellen und die Wirkung, also die erwünschten Wirkungen und die unerwünschten Wirkungen dieser Aktivität am Rezeptor, in einer zweiten Tabelle nachzulesen. Daher habe ich in meiner neuen Darstellung die jeweilige Rezeptoraktivität mit der erklärenden Tabelle überlagert. Die Darstellungen sind so zu lesen, dass die Länge des farbigen Balkens die Aktivität des jeweiligen Medikamentes an diesem Rezeptor wiedergibt. Wenn ein Medikament einen bestimmten Rezeptor gar nicht blockiert, dann ist der Text daneben entsprechend ausgegraut.

Vorstellung der wichtigsten Neuroleptika mit ihrem jeweiligen Rezeptorbindungsprofil

Haloperidol

Haloperidol ist der Klassiker eines typischen Neuroleptikums. Es blockiert stark die Dopamin-D2-Rezeptoren, was zu einer sicheren antipsychotischen Wirkung, aber in höheren Dosierungen auch zu EPMS und Hyperprolaktinämie führt. Ein Teil der vegetativen Nebenwirkungen und ein Teil der Sedierung sind auf die Blockade der Alpha-1-Adrenozeptoren zurückzuführen.

Amisulprid

Amisulprid ist ein lupenreiner Dopamin—Rezeptor-Antagonist. Das erklärt seine gute antipsychotische Wirkung. In höheren Dosierungen verursacht es EPMS und Hyperprolaktinämie. Es hat praktisch keine sedierenden oder anderen vegetativen Nebenwirkungen, was der Abwesenheit von Rezeptorblockaden anderer Rezeptoren entspricht.

Risperidon

Risperidon blockiert zum einen wie ein typisches Neuroleptikum in relevantem Ausmaß die Dopamin-D2-Rezeptoren, und blockiert zum anderen wie viele atypische Neuroleptika den Serotonin-5HT2A-Rezeptor. Es verursacht nur in geringem Maße Gewichtszunahme und Müdigkeit, entsprechend seiner nur geringen, aber vorhandenen Aktivität am Histamin H1-Rezeptor.

Ziprasidon

Ziprasidon entspricht ganz dem Profil eines atypischen Neuroleptikums. Es blockiert zwar auch den D2-Rezeptor, hat seinen Schwerpunkt aber eher auf 5HT2A. Interessant ist die Noradrenalin- und Serotonin-Wiederaufnahmehemmung, die eine milde antidepressive und angstlösende Wirkung plausibel macht.

Aripiprazol

Diese Darstellung ist für Aripiprazol eigentlich ungeeignet, da Aripiprazol am Dopamin-D2-Rezeptor sowohl antagonistische Wirkungen hat (das ist auch dargestellt), als auch partiell agonistisch am Dopamin-D2-Rezeptor wirkt (das ist hier nicht dargestellt). Diese partialagonistische Wirkung an D2 relativiert einige der Nebenwirkungen und natürlich auch einige der Wirkungen des Medikamentes an diesem Rezeptor. Und das auch noch dosisabhängig. OK, die Darstellung ist natürlich eine Vereinfachung. Im übrigen zeigt sich das Profil eines atypischen Neuroleptikums mit milden Nebenwirkungen.

Chlorpromazin

Chlorpromazin wird in Deutschland praktisch nicht mehr verordnet. Es ist ein mittelpotentes Neuroleptikum mit eher sedierenden Eigenschaften. Ein Nischendasein führt es noch in der Behandlung des chronischen Schluckaufs…

Clozapin

Clozapin ist zwar ein Oldtimer, hat aber ein ganz spezielles Rezeptorbindungsprofil. Der hohe Anteil der Dopamin-D4-Blockade wird allgemein mit seiner guten antipsychotischen Wirkung bei wenig EPMS in Verbindung gebracht. Und D2-Rezeptoren läßt Clozapin ja ziemlich in Ruhe. Sieht man sich aber den unteren Teil der Grafik an, weiß man auch, warum es so ausgeprägte Nebenwirkungen verursacht. Insbesondere Müdigkeit und Gewichtszunahme (H1) wirken sich klinisch stark aus. Der erhöhte Speichelfluß unter Clozapin ist ursächlich auf eine reduzierte Schluckfähigkeit zurück zu führen. Die durch die Blockade des Acetylcholin-M1-Rezeptors verursachte Mundtrockenheit wiegt die Schluckstörung nicht auf.

Olanzapin

Olanzapin hat aus der Sicht des Rezeptorbindungsprofils viel Ähnlichkeit mit Clozapin. Interessant ist auch hier, dass D4-Rezeptoren fast so stark blockiert werden wie D2-Rezeptoren, was für eine gute antipsychotische Wirkung bei wenig EPMS spricht. Allerdings blockiert Olanzapin eben auch stark den Histamin-H1-Rezeptor, was die Sedierung und Gewichtszunahme erklärt.

Quetiapin

Quetiapin wurde ja lange als neuroleptisches Wundermittel vermarktet. Der Blick auf das Rezeptorbindungsprofil zeigt ein solides mittelpotentes Neuroleptikum mit einer recht ausgeprägten Sedierung (Alpha1, H1, M1, M3) und einer milden antipsychotischen Wirkung (D2, 5HT2A).

Bitte um Feedback

Ich selbst bin ein großer Freund des Studiums des Rezeptorbindungsverhaltens der Medikamente. In meinen Augen entsprechen die neuroleptische Wirkstärke, das typische / atypische Wirkprofil und auch die Nebenwirkungen, die man in der Praxis beobachtet, ziemlich genau diesen Profilen.

Nun bitte ich euch um euer Feedback!

  • Wie verständlich ist diese Art der Darstellung?
  • Gibt es falsche oder unklare Beschreibungen im Text der Tabelle?
  • Was könnte man verbessern, um die Darstellung noch eingängiger zu gestalten?

Ihr dürft die Darstellung gerne unter Nennung der Quelle weiterverwenden und auch weiter verbessern. Dann schickt mir doch gerne einen Link auf eure Darstellung. Ich bin gespannt auf eure Kommentare!

Ziprasidon: Interessantes und nebenwirkungsarmes atypisches Neuroleptikum, inzwischen als Generikum erhältlich

Ziprasidon

Ziprasidon ist ein atypisches Neuroleptikum. Es wird vom Erstanbieter unter dem Handelsnamen Zeldox® vertrieben.

Das Patent ist inzwischen ausgelaufen, es stehen seit Anfang des Jahres deutlich preiswertere Generika zur Verfügung, z.B. Ziprasidon-Actavis oder Ziprasidon beta.

Ziprasidon ist zugelassen zur Behandlung der Schizophrenie sowie zur Behandlung von manischen und gemischten Phasen der Bipolar-I-Erkrankung.

Pharmakologie

Ziprasidon ist ein Antagonist an den Serotonin–5-HT–2A-, Serotonin–5-HT1D-, Dopamin-D2- und Histamin-H1-Rezeptoren. Auf den Serotonin–5HT1A-Rezeptor wirkt es agonistisch.

Die Bioverfügbarkeit von Ziprasidon beträgt 60 %, aber nur, wenn es mit einer kalorienreichen ordentlichen Mahlzeit eingenommen wird. Bei Einnahme ohne gleichzeitige Mahlzeit beträgt die Bioverfügbarkeit nur etwa die Hälfte.

Ziprasidon wirkt in unveränderter Form, seine Metabolite sind weitgehend inaktiv. Es wird mit einer Plasmahalbwertszeit von 7 Stunden über die Leber eliminiert.

Dosierung

Die empfohlene Dosis in der Akutbehandlung der Schizophrenie beträgt 80 bis 160 mg pro Tag, auf zwei Gaben verteilt und immer zusammen mit einer Mahlzeit eingenommen.

Für die Rezidivprophylaxe werden möglichst niedrige Dosierungen ab 40 mg pro Tag empfohlen. Meiner Erfahrung nach wirken 80-120 mg pro Tag zumeist ausreichend sicher, eine niedrigere Dosis in der Rezidivprophylaxe kann mit einer niedrigeren Sicherheit einher gehen.

Klinische Wirkung

Ziprasidon ist meiner Erfahrung nach ein mittelstarkes atypisches Neuroleptikum, das bei milden bis mittelgradigen psychotischen Erkrankungen gut und erfolgreich eingesetzt werden kann. Seine Stärke hat es bei wenig dramatischen Erkrankungsbildern und in der jahrelangen Rezidivprophylaxe, da es von den meisten Patienten relativ nebenwirkungsarm vertragen wird.

Der Einsatz in der Akuttherapie ist schwieriger. Manche Patienten kommen auch bei einer akuten Symptomatik gut damit zurecht, bei vielen ist der Wirkeintritt aber relativ spät und manchmal ist die Wirkstärke nicht stark genug, so dass auf ein anderes Präparat ausgewichen werden muss.

Für die parenterale Gabe steht Ziprasidon auch als intramuskulär verabreichbares Präparat zur Verfügung. Dieses sediert selbst kaum, eine Kombination mit einem Sedativum kann manchmal erforderlich sein.

Nebenwirkungen

Ziprasidon wird in aller Regel sehr gut vertragen. Es verursacht in den allermeisten Fällen weder Müdigkeit, Gewichtszunahme noch EPMS.

QTc-Zeit Verlängerung

Ziprasidon kann dosisabhängig eine Verlängerung der QTc-Zeit verursachen, so dass vor Beginn der Behandlung und im Verlauf EKG Kontrollen sinnvoll sind. Von einer höheren Dosis als 160 mg pro Tag wird in der Fachinformation aufgrund der dosisabhängigen QTc-Zeit-Verlängerung ausdrücklich abgeraten. Bei bekannter Verlängerung des QTc-Intervalls sowie in Kombination mit einem anderen, die QTc-Zeit verlängernden Medikament soll Ziprasidon nicht gegeben werden. Beträgt die QTc-Zeit mehr als 500 ms soll die Therapie abgebrochen werden.

Mein Persönliches Fazit:

  • Der Patentschutz von Ziprasidon ist Anfang diesen Jahres abgelaufen, so dass inzwischen deutlich preiswertere Generika zur Verfügung stehen.
  • Klinisch habe ich den Eindruck, dass die angegebene Höchstdosis von 160 mg pro Tag in der Akutbehandlung sehr häufig erforderlich ist, um eine angemessene antipsychotische Wirkung zu erreichen. Im Rahmen eines individuellen Heilversuches wurden insbesondere vor einigen Jahren oft auch Dosierungen von bis zu 320 mg pro Tag verordnet, was meiner Einschätzung nach eine zusätzliche Wirkung brachte, aber inzwischen nicht mehr empfohlen werden kann, da der zusätzliche Nutzen nicht mehr im Verhältnis zu der inzwischen bekannt gewordenen dosisabhängigen QTc-Zeit-Verlängerung steht.
  • EKG-Kontrollen sind  vor Beginn der Behandlung und im Verlauf sinnvoll.
  • Ziprasidon soll immer mit einer richtigen Mahlzeit eingenommen werden, sonst ist seine Bioverfügbarkeit nur halb so hoch. Das ist praktisch ein Problem, da es bei unterschiedlicher Einnahme (mal mit, mal ohne Mahlzeit) zu erheblichen Schwankungen des Blutspiegels kommen kann.
  • Für eine verlässliche Rezidivprophylaxe sind meiner Erfahrung nach deutlich mehr als 40 mg am Tag erforderlich, am ehesten 80–120 mg.
  • Wenn man dies alles beachtet, ist Ziprasidon für viele Patienten ein gut verträgliches Neuroleptikum, das bei der Auswahl eines Atypikums öfter in die Überlegungen einbezogen werden sollte.

Copyright

 

Dieser Beitrag ist ein Auszug beziehungsweise eine auszugsweise Vorabveröffentlichung des Werks „Psychopharmakotherapie griffbereit“ von Dr. Jan Dreher, © Georg Thieme Verlag KG. Die ausschließlichen Nutzungsrechte liegen beim Verlag. Bitte wenden Sie sich an permissions@thieme.de, sofern Sie den Beitrag weiterverwenden möchten.

Welches Neuroleptikum gebe ich wem?

Nehmen wir an, in meine Behandlung kommt ein sonst gesunder Patient mit einer Psychose. Ich entscheide mich, dass er ein Neuroleptikum braucht. Das bespreche ich mit ihm und er stimmt dem auch zu. Nun stellt sich die Frage: Welches Neuroleptikum empfehle beziehungsweise verordne ich? Es gibt keine ganz einfache Faustformel, nach der ich für einen bestimmten Patienten ein Neuroleptikum auswähle, aber ich habe ein bestimmtes Vorgehen, dass ich in bestimmten Fällen anwende. Ich habe hier mal versucht, dies aufzuschreiben:

Welches Neuroleptikum gebe ich wem?

Konstellation 1: Der erfolgreich vorbehandelte Patient: Auf meine Frage: „Haben Sie schon einmal in einer früheren Krankheitsphase ein Neuroleptikum erhalten? Hat es gut gewirkt und haben Sie es gut vertragen?“ antwortet er zwei mal mit „Ja“, d.h. ein bestimmtes Präparat hat schon einmal gut gewirkt und wurde gut vertragen. Dann empfehle ich genau dieses Medikament wieder. Ich frage, welche Symptomatik damals bestanden hat und wie stark sie war und welche Dosis des Präparates in welcher Zeit geholfen hat. Ich mache mir ein Bild davon, wie stark die Symptomatik jetzt ist und empfehle eine passende Dosis.

Konstellation 2: Der bislang unbehandelte Patient: Wenn bislang noch nie ein Neuroleptikum verordnet wurde empfehle ich in der Regel in der ersten Stufe Risperidon. Es wirkt schnell und verläßlich. Es macht nicht müde und es macht keine Gewichtszunahme. Wenn ich selbst ein Neuroleptikum bräuchte, würde ich mich auch für Risperidon entscheiden. (Das stimmt sogar mit dem Ergebnis meiner kleinen Umfrage überein: Welches Neuroleptikum würdest Du selbst einnehmen: hier). In Dosierungen bis 4 mg pro Tag ist es meist gut verträglich und macht meist keine EPMS. In höheren Dosierungen kann es EPMS machen.

Konstellation 3: Risperdal hat nicht ausreichend geholfen oder wurde nicht vertragen. Der Pat. ist nicht adipös: In der zweiten Stufe empfehle ich in der Regel Zyprexa (nachdem ich über die Möglichkeit einer Gewichtszunahme aufgeklärt habe). Es wirkt ebenso sicher, verläßlich und zügig wie Risperidon und wird ebenfalls zumeist gut vertragen. Es kann aber tatsächlich eine deutliche Gewichtszunahme verursachen. Daher lasse ich das Gewicht bei Beginn der Behandlung mit Zyprexa messen. Treten Heißhungerattacken oder eine Gewichtszunahme von mehr als 3 Kilogramm auf, empfehle ich, das Präparat zu wechseln.

Konstellation 4: Zyprexa hat nicht ausreichend geholfen oder wurde nicht vertragen: Wenn Risperdal in Stufe eins wegen mangender Wirksamkeit und nicht wegen EPMS das Feld räumen musste, und in Stufe zwei Zyprexa nicht gut ging, dann versuche ich in der dritten Stufe Solian. Wenn Risperdal EPMS gemacht hatte, dann überspringe ich diesen Schritt.

Konstellation 5: Mit Risperdal, Zyprexa und Solian stellte sich kein Erfolg ein: In der vierten Stufe muss ich ein Neuroleptikum auswählen, dass gegebenenfalls etwas weniger wirkstark ist als Risperdal, Zyprexa und Solian, aber vielleicht besser verträglich ist. Es kommen nun Abilify, Zeldox, Seroquel (meine Einschätzung zu Seroquel findet ihr hier) und Serdolect in Betracht. Ich verordne in dieser Reihenfolge. Abilify führt häufig zu Akathisie, ich setzte es dann zumeist sofort und ohne zu warten ab. Zu Serdolect sind diese Hinweise zu beachten. Zeldox und Seroquel werden in der Regel sehr gut vertragen, hier stellt sich eher die Frage der ausreichenden Wirksamkeit.

Konstellation 6: Eine Monotherapie klappt nicht: In der fünften Stufe wähle ich eine Kombinationstherapie aus zwei Neuroleptika. Geleitet von den Nebenwirkungen der bisherigen Versuche wähle ich gut verträgliche, aber in Monotherapie nicht ausreichend wirksame Präparate aus und gebe beide in einer mittleren Dosis. Dabei unterteile ich die Neuroleptika nach ihren Nebenwirkungen in unterschiedliche Gruppen und meide die Gruppe, deren Nebenwirkung bislang am problematischsten war:

  • Gruppe 1: EPMS-Gefahr: Haldol, Solian, Risperdal
  • Gruppe 2: Gewichtszunahme-Gefahr: Clozapin, Zyprexa, manchmal Seroquel
  • Gruppe 3: Akathisie-Gefahr: Abilify

Konstellation 7: Alle oben genannten Stufen wurden nicht gut vertragen: Ich versuche Serdolect.

Konstellation 8: Alle oben genannten Stufen haben nicht ausreichend gewirkt: Ich kläre ausführlich auf und versuche Clozapin.

Konstellation 9: Reine Rezidivprophylaxe bei asymptomatischem Patienten: Mit großer Sicherheit wirkt das Neuroleptikum, das die psychotische Episode beendet hat. Bei der Rezidivprophylaxe sind aber Nebenwirkungen noch viel weniger akzeptabel als in der Akuttherapie. Bei Nebenwirkungen wechsele ich daher noch niederschwelliger auf ein Ausweichpräparat.

Konstellation 10: Behandlung akuter kokaininduzierter psychotischer Zustände: Kokain ist stark und selektiv dopaminagonistisch. Solian ist stark und selektiv dopaminantagonistisch. Daher behandele ich akute psychotische Zustände nach Kokainkonsum mit Solian.

Konstellation 11: Delir: Ein lebensbedrohliches Delir, egal welcher Genese (Alkoholentzug-, Benzodiazepinentzug-,…) braucht eine wirkstarke und schnelle Neurolepsie. Ich gebe Haloperidol oder Risperidon.

Konstellation 12: Auswahl eines Depotpräparates: Ich mache zunächst einen Versuch mit Fluanxol, zunächst oral gegeben. Wird dies vertragen, gebe ich eine milde Dosis Fluanxol Depot, etwa 40-60 mg alle zwei Wochen. Sind bei dem Patienten unter irgendeiner Medikation EPMS aufgetreten, gebe ich Risperdal Consta oder Xeplion. Immer noch EPMS: Dann Zypadhera. (Zu Depotpräparaten siehe auch hier)

Das ist natürlich nur eine Blaupause, bei jedem einzelnen Patienten können so viele weitere Aspekte eine Rolle spielen, dass diese Blaupause nicht hilft. Aber manchmal hilft sie doch.

OK, das waren jetzt so einige Gedanken, die ich oft anwende. Wie gehst Du vor? Was machst Du anders? Bitte schreib Dein Vorgehen in die Kommentare!

P.S.: Hier der Artikel zur Auswahl eines Antidepressivums.

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Dieser Beitrag ist ein Auszug beziehungsweise eine auszugsweise Vorabveröffentlichung des Werks „Psychopharmakotherapie griffbereit“ von Dr. Jan Dreher, © Georg Thieme Verlag KG. Die ausschließlichen Nutzungsrechte liegen beim Verlag. Bitte wenden Sie sich an permissions@thieme.de, sofern Sie den Beitrag weiterverwenden möchten.