Antidementiva

Überarbeitungen bestehender Kapitel oder völlig neue Kapitel für mein Buch Psychopharmakotherapie griffbereit stelle ich immer gerne hier zur Diskussion. Diese Texte unterliegen dann dem Copyright und können nicht ohne Genehmigung des Verlages weiterverwendet werden. Ich bitte euch, sie gründlich zu lesen und hier in die Kommentare zu schreiben, was ihr davon haltet. Sehr viele Verbesserungsvorschläge haben sich so in den letzten Auflagen ihren Weg ins Buch gebahnt und ich meine, dass das Buch wirklich erst so gut geworden ist idurch die crowd-power hier!

Dieses Kapitel habe ich im ersten Schritt mit Hilfe von Chat-GPT auf Aktualität geprüft; wie das aussieht, habe ich in diesem Video dokumentiert.

Und hier habe ich den Inhalt des Kapitels als YouTube Video veröffentlicht:

Und nun: Was denkst Du über diesen Entwurf:

12.3 Antidementiva

12.3.1 Einleitung

Demenzen sind häufig und für Patient:innen und Angehörige eine erhebliche Belastung. Der Wunsch nach einer ursächlichen Behandlung, zumindest einer Linderung der Symptomatik oder wenigstens einer Verzögerung des Krankheitsfortschrittes ist mehr als verständlich. Bedauerlicherweise bleiben die ersten beiden Wünsche bislang unerfüllt: Es gibt aktuell weder eine ursächliche Behandlung noch eine wirksame symptomatische Therapie. Zwar werden Neuroleptika gegen Verhaltensauffälligkeiten eingesetzt, auch kann man begleitende Erkrankungen wie Depressionen mitbehandeln, die eigentliche Kernsymptomatik der Demenzen läßt sich aber nicht positiv beeinflussen.

Und was bewirken dann die gängigen „Antidementiva“? Anders als der Name vermuten läßt, wirken sie nicht der Demenz ursächlich entgegen.

Die kognitiven Effekte sind im Mittel gering; klinisch relevanter könnte sein, dass eine kontinuierliche Behandlung in manchen Studien die Heimaufnahme um einige Monate verzögert.

Eine gute Meta-Analyse zur Wirksamkeit der vier klassischen Antidementiva findet sich hier [2]

Die Verordnungshäufigkeit der Antidementiva nahm in der Zeiit von 2010–2021 in Deutschland insgesamt ab. Eine Auswertung von 357 Hausarzt- und 71 Facharztpraxen zeigt: „Die Antidementiva-Verordnungsrate nahm in Hausarztpraxen ab (von 0,14 % auf 0,10 %),“ während sie in Facharztpraxen leicht „zunahm (2,1 % auf 2,4 %).“ [1]

Die Prophylaxe der Demenz ist in der letzten Zeit etwas in den Vordergrund gerückt. Da viele Demenzen entweder rein vaskulär oder zumindest geschmischt mit einer vaskulären Komponente sind, ist alles, was gefäßprotektiv wirksam ist, auch ein Baustein in der Prävention von Demenzen. Und darüber hinaus hat sich gezeigt, dass körperliche und geistige Aktivität ebenfalls protektiv wirken.

Im Jahr 2025 neu auf den Markt gekommen sind die Antikörper Lecanemab und Donanemab, die sich gegen die alzheimertypischen Plaques wenden. Auch von diesen Medikamenten erhofft man sich promär eine Verzögerung des Fortschreitens der Krankheit. Eine Verbesserung der bereits entstandenen Symptomatik hat sich auch in den Studien nicht gezeigt. Die Anwendung ist jedoch auf eine kleine Patientengruppe im frühen Alzheimer-Stadium beschränkt und aufwändig, hier wird erst die Erfahrung der kommenden Jahre zeigen, welchen Stellenwert diese Substanzen in der Versorgung von Demenzpatienten einnehmen werden.

Antidementiva

Azetylcholinesterasehemmer

  • Galantamin (z. B. Reminyl),
  • Donepezil (z. B. Aricept) und
  • Rivastigmin (z. B. Exelon)

NMDA‑Antagonist

  • Memantin (z. B. Axura).

Antikörper gegen Alzheimer-Plaques zur iv. Anwedung

  • Lecanemab
  • Donanemab

12.3.2 Therapie

Die Indikationen und Wirkweise der Antidementiva erscheinen einem zunächst einmal kompliziert und unklar: Wann soll ich denn nun was geben und wirkt das überhaupt?

Klarheit bietet die S3‑Leitlinie „Demenzen“ (DGPPN/DGN) vom 28.11.2023 (Living‑Guideline)(1).

Die Kurzform lautet in etwa so: Die pharmakologische Behandlung richtet sich nach Demenzform und Schweregrad. Zur Rekapitulation, es gibt die

  • Alzheimer‑Demenz (≈ 60 %)
  • Gemischte Demenz (Alzheimer‑ und vaskuläre Merkmale)
  • Vaskuläre Demenz
  • Frontotemporale Demenz (Morbus Pick)
  • Parkinson‑Demenz
  • Lewy‑Körperchen‑Demenz
  • Andere Demenzen

Morbus Alzheimer

Der Morbus Alzheimer ist mit 60 % die häufigste Demenzform. Ab dem 60. Lebensjahr steigt die Prävalenz über alle Altersstufen kontinuierlich an, von den 85-Jährigen sind bereits 20 % betroffen. Im Krankheitsverlauf atrophiert die Hirnmasse zunehmend durch das Absterben von Neuronen. Dies zeigt sich betont am medialen Temporallappen und am Hippocampus. Es kommt zu einer Erweiterung der Seitenventrikel. Im histologischen Präparat, das aber naturgemäß erst nach dem Tod zur Diagnostik herangezogen werden kann, zeigen sich die für den Morbus Alzheimer typischen und pathognomonischen senilen Plaques und fibrillären Ablagerungen. Die Proteinablagerungen der Plaques bestehen im Wesentlichen aus β-Amyloid. Die intrazellulär gelegenen Neurofibrillenbündel bestehen aus dem Tau-Protein. Dieses aggregiert zu Fibrillen, wenn es besonders stark phosphoryliert ist.

Donepezil, Galantamin und Rivastigmin sind Azetylcholinesterasehemmer. Daher verwundert es nicht, dass diese beim Morbus Alzheimer wirken, denn durch die Hemmung des Abbaus von Azetylcholin steigt dessen zerebrale Verfügbarkeit. Auch der NMDA-Antagonist Memantin ist beim Morbus Alzheimer wirksam.

Differenzialindikation

Es gibt im Rahmen der Behandlung der leichten bis mittelschweren AlzheimerDemenz keine ausreichende Evidenz für die Überlegenheit einer antidementiven Substanz gegenüber einer anderen. Daher gibt es keine Kriterien für einen differenziellen Einsatz dieser Substanzen. Die Auswahl richtet sich nach Applikationsart, individueller Verträglichkeit und Kosten.

Alle 4 verfügbaren Antidementiva können die Symptomatik lindern und etwas verzögern. Dies kann in vielen Situationen bereits ein großer Gewinn sein.

Gemischte Demenz

Bei gemischter Demenz (Alzheimer‑ und vaskuläre Anteile) können AChE‑Hemmer und Memantin wirksam sein.

Vaskuläre Demenz

Bei der Therapie der reinen vaskulären Demenz stehen gefäßprotektive Ansätze im Vordergrund.

Die Leitlinie empfiehlt daher nicht den Einsatz von Antidementiva, die bei der rein vaskulären Demenz auch nicht indiziert sind. Oft kann man aber gerade bei der vaskulären Demenz die Grenze zu einer gemischten Demenz nicht ganz sicher ziehen. Daher unternehmen viele Ärzte einen Therapieversuch mit einem Antidementivum, auch wenn der O ff -Label-Gebrauch (s. Kap. 18 Glossar) verschiedene Probleme mit sich bringt.

Frontotemporale Demenz (Morbus Pick)

Auch für Patienten mit einer frontotemporalen Demenz (Morbus Pick) spricht die Leitlinie keine Empfehlung für ein Antidementivum aus.

Bei diesem Krankheitsbild spielen verhaltensmodulierende Interventionen eine besondere Rolle, daher werden im Rahmen einer frontotemporalen Demenz häufig Sedativa und Neuroleptika eingesetzt.

Parkinson‑Demenz

Die Parkinson-Demenz ist ebenso wie die Demenz vom Alzheimer-Typ durch einen funktionellen Mangel an Azetylcholin gekennzeichnet. Für die Behandlung der Parkinson-Demenz im leichten bis mittleren Stadium ist Rivastigmin zugelassen und zu empfehlen.

Lewy‑Körperchen‑Demenz

Internationale Leitlinien (z. B. NICE) empfehlen Donepezil oder Rivastigmin bei leichter–moderater DLB, Galantamin nur bei Unverträglichkeit; Memantin kann erwogen werden, wenn AChE‑Hemmer nicht möglich sind. In Deutschland bleibt der Einsatz von AChE‑Hemmern bei DLB Off‑Label, kann aber individuell erwogen werden. Wichtig: keine typischen Neuroleptika; atypische nur mit großer Vorsicht (EPS‑Risiko).

12.3.3 Wirkstoffe

Galantamin

  • > Klasse: Azetylcholinesterasehemmer
  • > Handelsname: Reminyl
  • > Zulassung: leichte bis mittelgradige Alzheimer‑Demenz

Galantamin ist ein Pflanzenalkaloid, das aus dem Kleinen Schneeglöckchen, dem Kaukasischen Schneeglöckchen sowie einigen Narzissenarten, wie der Gelben Narzisse (Osterglocke), gewonnen werden kann.

Erstmals isoliert wurde es 1953 aus den Zwiebeln des Kaukasischen Schneeglöckchens. Heutzutage wird der Wirkstoff synthetisch hergestellt.

Nebenwirkungen

Azetylcholinesterasehemmer wie Galantamin werden bei langsamer Aufdosierung in der Regel recht gut vertragen. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Erbrechen, Übelkeit, Schwindel, Appetitlosigkeit, Diarrhoe, Kopfschmerzen und Bradykardien. Galantamin kann in Einzelfällen eine schwere Hautreaktion, das Stevens-Johnson-Syndrom, hervorrufen. Auch eine Verlängerung der QTc-Zeit, die in eine lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung übergehen kann, wird beschrieben.

Mein persönliches Fazit

Bei der Alzheimer-Demenz verwende ich Galantamin gerne, weil es leicht zu dosieren ist. Außerdem habe ich die Erfahrung gemacht, dass es gut verträglich ist.

Donepezil

  • > Klasse: Azetylcholinesterasehemmer
  • > Handelsname: Aricept
  • > Zulassung: leichte bis mittelgradige Alzheimer‑Demenz

Dosierung:

  • > 5 mg/Tag im ersten Monat
  • > danach 10 mg/Tag möglich.

Nebenwirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen unter Donepezil sind Durchfall, Übelkeit, Schwindel, Obstipation oder Kopfschmerzen.

Mein persönliches Fazit

Donepezil verwende ich insbesondere bei schweren Krankheitsverläufen.

Rivastigmin

  • > Klasse: Azetylcholinesterasehemmer
  • > Handelsname: Exelon
  • > Darreichung: Kapsel, Lösung, Pflaster
  • > Zulassung: u. a. Alzheimer‑ und Parkinson‑Demenz

Dosierung

Kapseln

  • in den ersten 2 Wochen: 1,5–0–1,5 mg
  • 3. und 4. Woche (bei guter Verträglichkeit): 3–0–3 mg
  • alle 2 Wochen: Steigerung jeweils um 2 × 1,5 mg möglich
  • wirksame Zieldosis: zwischen 3–0–3 mg und 6–0–6 mg
  • Wenn die Behandlung länger als 3 Tage unterbrochen wurde, ist der Wiederbeginn mit 1,5–0–1,5 mg und anschließender Dosistitration notwendig.

Pflaster (transdermal)

  • Start 4,6 mg/24 h
  • nach mind. 4 Wochen 9,5 mg/24 h
  • Eskalation auf 13,3 mg/24 h kann nach ~6 Monaten bei klinischer Verschlechterung erwogen werden.

Nebenwirkungen

Unter Rivastigmin-Therapie sind auch gastrointestinale Nebenwirkungen wie Übelkeit oder Diarrhoe häufig. Bei Verwendung von Pflastern kommt es seltener zu diesen Nebenwirkungen als bei Verabreichung von Kapseln.

Persönliches Fazit

Die Applikationsart als Pflaster stellt ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber den anderen Antidementiva dar. Die Pflaster können gerade bei Patienten mit Schluckbeschwerden sehr praktisch sein. Darüber hinaus ist es aufgrund seiner Zulassung das Medikament der 1. Wahl zur Therapie der Parkinson-Demenz.

Memantin

  • > Klasse: NMDA‑Antagonist
  • > Handelsname: Axura
  • > Zulassung: mittelgradige bis schwere Alzheimer‑Demenz

Eine Zulassung für die leichte Demenz besteht für Memantin nicht. Insgesamt ist die Wirksamkeit von Memantin bei der moderaten bis schweren Alzheimer-Demenz gering, aber nachweisbar. Aufgrund der fehlenden zugelassenen pharmakologischen Alternativen und der besonderen Schwere der Betreuungssituation von Patienten mit moderater bis schwerer Alzheimer-Demenz kommt der Behandlung mit Memantin bei diesen Patienten jedoch eine Bedeutung zu.

Dosierung

Die Dosierung ist einfach und durch die speziellen Starterpakete unmissverständlich:

  • 1. Woche: 5–0–0 mg
  • 2. Woche: 10–0–0 mg
  • 3. Woche: 15–0–0 mg
  • ab der 4. Woche: 20–0–0 mg

Bei schlechter Verträglichkeit kann die Aufdosierung langsamer erfolgen. Die Zieldosis beträgt 20 mg/Tag.

Nebenwirkungen

Memantin kann Durchfall, Übelkeit, Schwindel, Obstipation und Kopfschmerzen verursachen.

Mein persönliches Fazit

Memantin ist nicht für leichte Demenzformen, aber für mittelgradige bis schwere Demenzen zugelassen. Da diese gerade in der Klinik besonders häufig vorkommen, hat es für mich einen besonderen Stellenwert.

Lecanemab

  • > Klasse: monoklonaler Antikörper gegen aggregiertes Amyloid‑β
  • > Handelsname: Leqembi
  • > EU‑Zulassung: 15.04.2025
  • > Indikation: frühe Alzheimer‑Erkrankung (MCI/leichte Demenz) bei ApoE ε4 Nicht‑Trägern oder Heterozygoten mit bestätigter Amyloid‑Pathologie
  • Dosierung: 10 mg/kg i.v. Infusion alle 2 Wochen (≈ 1 h)
  • Monitoring: verpflichtendes MRI‑Schema (Baseline und vor der 3., 5., 7. und 14. Infusion) zur ARIA‑Erkennung; kontrollierter Zugang/Registrierung, Aufklärung inkl. Patientenausweis
  • Kontraindikationen/relative Ausschlüsse: u. a. unkontrollierte Blutungsstörungen; relevante MRI‑Befunde (z. B. > 4 Mikroblutungen, Superfizial‑Siderose); keine Einleitung unter laufender Antikoagulation
  • Sicherheitsprofil: ARIA‑E/-H als zentrale Risiken; Dosisunterbrechung/Abbruch nach Schweregrad/Symptomatik

Lecanemab ist ein neues Therapeutikum, zu dem derzeit noch klinische Erfahrungen gesammelt werden. Aufgrund der aufwendigen Diagnostik und der engen Patientenselektion sollte die Behandlung ausschließlich in spezialisierten Zentren erfolgen.

Die Effektstärke auf dementielle Symptome gemessem mit dem Item „Clinical Dementia Rating – Sum of Boxes“ beträgt laut einer Meta-Analyse ca. 0,25. [3]

Literatur

Copyright

Dieser Beitrag ist ein Auszug beziehungsweise eine auszugsweise Vorabveröffentlichung des Werks „Psychopharmakotherapie griffbereit“ von Dr. Jan Dreher, © Georg Thieme Verlag KG. Die ausschließlichen Nutzungsrechte liegen beim Verlag. Bitte wenden Sie sich an permissions@thieme.de, sofern Sie den Beitrag weiterverwenden möchten.

Ein Gedanke zu “Antidementiva

  1. Avatar von Mona Dreher Mona Dreher 28. Oktober 2025 / 12:06

    Hast Du mit Dein

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