Tagebuch schreiben klingt jetzt ein bisschen old school, aber ich schwöre euch, es ist eine prima Sache. Wann sonst betrachtest Du Dich aus einer etwas distanzierten Sicht? Wann sonst nimmst Du Dir die Zeit, Deine Träume, Wünsche und Pläne festzuhalten? Schwierige Gedanken mal zu klären? Und das alles nachlesbar, so dass Du in ein paar Jahren noch was damit anfangen kannst?
Natürlich will ich hier keinen auffordern, sich so eine Papiersache zu kaufen. Das ist nun wirklich retro. Der moderne Nerd führt sein diary als pdf Dokument oder online. Und kann von überall aus darauf zugreifen: Vom iPhone, iPad und Mac. Mac-ianer nehmen bitte die mehrfach ausgezeichnete App „Day One„. Die macht wirklich Spaß. Foto mit dem iPhone aufnehmen, location automatisch einfügen lassen, ein paar Bemerkungen notieren, und abends am Mac den gleichen, per iCloud gesyncten Eintrag weiter ausformulieren. So geht´s.
Aber auch die Papier- oder pdf-Version ist ihre Zeit wert. Ich mach das seit Jahren und freue mich immer wieder, zu lesen, was mich schon vor 10 Jahren bewegt hat…
Da kann ich vollinhaltlich zustimmen, DayOne ist super, da macht Konsequenz wirklich Spass
Ein richtiges TageBUCH aus Papier hat jedoch auch seine ganz eigenen Vorteile – die Handschrift sagt nach 10 Jahren manchmal mehr über einen damaligen Gefühlszustand aus, als es jede Beschreibung könnte – selbst dann, wenn sie multimedial ist. Es hat eben BEIDES seine eigenen Vorteile. 🙂
Schreiben hilft. Das kann ich bestätigen. Es hilft sogar sehr. Mit meiner jetzigen depressiven Episode habe ich begonnen ein Buch darüber zu schreiben. Wenn ich wirklich gar nichts mehr kann, nichtmal aufstehen oder andere Selbstverständlichkeiten, schreiben kann ich immer. Und es tut mir gut! Ich hoffe, dass dieses Buch irgendwann einmal anderen Depressiven hilft, wenn sie sich in einer schweren Phase befinden. Wenn ich irgendwann mal wieder so etwas ähnliches wie gesund bin, werde ich es veröffentlichen. Hoffentlich dauert das nicht mehr so lange… Bald jährt sich diese depressive Episode immerhin ihrem 2. Jahrestag. Muss ja irgendwann mal besser werden!
Ja, ein Tagebuch führen ist definitiv eine prima Sache. Das weiss ich jetzt, nachdem ich es zum ersten Mal schaffe, seit knapp zwei Monaten regelmässige Einträge zu verfassen. Mir hilft das Schreiben, einige Dinge klarer zu sehen oder mir auch einmal nur etwas von der Seele zu schreiben. Das kann sehr befreiend sein.
So sehr ein Tagebuch auch befreien mag, so sehr kann ich mir als Informatiker nicht den Warnhinweis verkneifen, dass eine Synchronisation durch die Cloud nichts weiter bedeutet, als dass eine Kopie des Tagebuchs bei irgendeinem Anbieter abgelegt wird. Unverschluesselt. Im Klartext.
Mit all dem, was man so in ein Tagebuch schreibt. Bewegungsprofil. Gedanken. Selbstzweifel. Geldsorgen. Sexuelle Phantasien. Liebeskummer. Krankengeschichte. Und — je nach Tagebuchschreiber — entsprechendes auch gleich ueber Verwandte und Freunde.
Alles, was Dritten vielleicht nicht in die Haende fallen soll. Papierne Tagebuecher haben manchmal so verspielte Schloesser. Mit einem Sync bei „Day One“ wirft man es offen und gut lesbar einem Unbekannten in die Hand. Und bezahlt noch laechelnd dafuer.
Ich kenne die AGBn von „Day One“ nicht. Aber wem gehoeren die eingegebenen Texte eigentlich — im Sinne des Urheberrechts? Darf der Anbieter spaeter ein „Best of“ als Sammlung von Auszuegen als Buch veroeffentlichen?
Natuerlich sind solche Gedankengaenge immer ein Balanceakt zwischen irrationaler Paranoia und berechtigter Vorsicht. Die Verbreitung von Daten, die einmal in einer oeffentlichen Cloud gelandet sind, sind nicht mehr vom urspruenglichen Besitzer kontrollierbar.
Mein Rat waere eher ein gutes papiernes Tagebuch. Goennt euch ein schoenes Buechlein. Moleskine oder aehnliches. Das kann man auch ueberall hin mitnehmen. Man kann es im Schein einer Kerze lesen. Und es gibt genau ein Exemplar. Von dem man genau weiss, wo es ist und wer Zugang dazu hat.
Hi!
Im Prinzip stimmt das natürlich. Day One sichert die Daten in der iCloud, d.h. sie liegen bei Apple. Natürlich kann man diese Funktion auch ausschalten, und DayOne nur lokal auf einem Gerät nutzen, dann gibt es auch keine online Version.
Ein Tagebuch ist absolut nichts für mich. Hinterher liest das noch jemand (worst case). Meine Gedanken etc. kann ich für mich besser in einem nicht schriftlichen Zwiegespräch mit mir ordnen und reflektieren. Bei einem Tagebuch wüsste ich dagegn so gar nicht, was ich da rein schreiben sollte außer das Tagesdatum und belanglose Daten zu meinem Tagesablauf, die mich noch nicht einmal selbst interessieren würden im Nachhinein (z.B. 7 Uhr aufgestanden. Bis 12 Uhr Uni. Mittagspause , wieder Uni usw… Abends Fußballtraining danach noch Battlefield gezockt und die Sniper-Klasse weiter ausgebaut).
Naja wem das was bringt, der soll das ruhig machen. Allgemein finde ich den Tipp nicht verkehrt.
Was passiert denn beim Schreiben? Ich beginne zu reflektieren. Ich werde mein eigener Beobachter. Die Fähigkeit zur (Selbst)Reflektion, zur Einnahme einer Metaebene (Selbstbeobachtung), ist fundemental für eine funktionierende Psychohygiene. Wer seine Wahrnehmung, sein (Selbst)Bewusstsein, erweitern will, kommt um diese Differenzierungsfähigkeit – „zu sich selbst“ nicht herum. Die Erkenntnis, dass ich mein eigener Beobachter werde, mit mir selbst in Dialog treten kann, ist der erste Schritt wahrgenommene „Probleme“ (= Noch-Nicht-Lösungen) zu klären, abzugrenzen, ihren Wert zu erkennen, ihre inhärente Aufgabe zu würdigen, sie als bewältigbar, bzw. integrierbar zu erfahren. Es ist dieser Unterschied im Erleben des momentanen Fühlens als unmittelbar Betroffener und(!) der Fähigkeit dieses auch als Beobachter an sich selbst zu „beschreiben“, welches den möglichen Raum für heilsame Veränderung erweitert.
Tagebuchschreiben ist für mich höchste selbstwirksame Psychohygiene. Eine gute Übung für ein diszipliniertes „Selbstgespräch“. Die Form dafür (digital oder analog) von zweitrangigem Interesse. Was für das analoge Tagebuch angemessen ist (geschützter Raum) empfiehlt sich erst recht für die digitale Version. Ein 60% iger Placebo-Anteil an der Wirksamkeit an „äußeren“ Stimulie (z.B. Psychopharmaka), unterstreicht die Bedeutung heilsamer „innerer“ Stimmen und ihrer Stimmungen. 😉