Opipramol (Insidon®): Ein stumpfes Schweizer Messer

Opipramol

Opipramol (Insidon®) belegt auf der Rangliste der am häufigsten verordneten Psychopharmaka den stolzen Platz 5 (Verordnungshäufigkeit siehe diesen blogpost). Es ist ein im stationären Bereich eher selten verordnetes Medikament, dass sich aber bei niedergelassenen Hausärzten, Internisten und auch bei niedergelassenen Psychiatern großer Beliebtheit erfreut. Opipramol hemmt weder die Wiederaufnahme von Serotonin noch die Wiederaufnahme von Noradrenalin. Mutmaßlich aufgrund der Hemmung von Sigma-1-Rezeptoren entwickelt es eine milde antidepressive und angstlösende Wirkung. Wahrscheinlich aufgrund der Histamin-Blockade wirkt es sedierend. Angewendet wird es für ein breites Indikationsgebiet, das von Depressionen über Angststörungen, Anspannungszustände, Schlafstörungen bis hin zu Zwangsstörungen reicht. Und vielen Patienten hilft es auch sehr gut und erweist sich gleichzeitig als gut verträglich. Dann ist es ein gutes Medikament für diesen Patienten.

Ich selbst verschreibe es praktisch nur dann, wenn es eine erfolgreiche Vorbehandlung mit Opipramol gibt. Ansonsten bevorzuge ich die Kombination aus einem modernen Antidepressivum mit einem niederpotenten Neuroleptikum. Das Antidepressivum wirkt stimmungsaufhellend und lindert Ängste, das niedrig dosierte niederpotente Neuroleptikum wirkt sedierend und ebenfalls angstlindernd (Neuroleptanxiolyse).

Insofern erscheint mir Opipramol wie ein Schweizer Messer oder wie ein Universalmesser, das aber in Konkurrenz steht zu mehreren schärferen spezialisierten Klingen für jeweils bestimmte Aufgaben.

12 Gedanken zu “Opipramol (Insidon®): Ein stumpfes Schweizer Messer

  1. Peter Teuschel 19. Juni 2012 / 15:38

    Brotzeitmesser …

    In der Klinik habe ich dieses Medikament fast nie verordnet. Möglicherweise liegt das ja auch daran, dass stationäre Patienten im Schnitt schwerer krank sind als ambulant behandelbare.
    Nach mittlerweile 16 Jahren im niedergelassenen Bereich hat sich das gewandelt. Opipramol ist wirklich ein Allround-Medikament für alle möglichen Formen psychischer Befindlichkeitsstörungen von der milden Einschlafstörung bis zum Reizmagen.
    Die Beliebtheit bei Niedergelassenen wie auch bei ambulanten Patienten kommt vielleicht auch daher, dass es außerordentlich gut verträglich ist. Es muss auch nicht in jedem Fall täglich eingenommen werden, kann auch in seiner Dosierung vom Patienten selbst gut gesteuert werden.
    Schwere psychische Störungen erreicht es nicht, da braucht man es auch gar nicht zu versuchen.
    Eine spezielle Indikation hat es bei mir in der Praxis auch noch: Liebeskummer! Zumindest wenn dieser ein Ausmaß erreicht, dass ein nennenswertes depressives Syndrom vorliegt und eine psychotherapeutische Intervention alleine nicht ausreicht.

    Die Assoziation mit dem Schweizer Messer passt gut. Man nimmt es her, um in der freien Wildbahn seine Brotzeit zu teilen. Im Restaurant greift man dann zum Tafelsilber.

    Schöne Grüße

    Peter Teuschel
    blog.drteuschel.de/wordpress

  2. Wiemers 16. August 2012 / 23:45

    Es ist doch immer wieder beruhigend wenn ein Arzt, offen und ehrlich seine Erfahrungen ausspricht! Vorallem wenn er auf 16 Jahre zurückgreifen kann. Leider nach wie vor zu selten.
    P.W.

  3. Carmen Mäßig 26. Dezember 2012 / 14:48

    Sehr geehrter Herr Teuschel,
    könnten Sie mir auch beantworten, wie folgendes zusammenhängen könnte. Ich nehme auch Opipramol (ist ein sehr gutes Medikament). Immer, wenn ich es absetzen möchte oder bissel reduziere bekomme ich totale Hüftschmerzen, das brennt richtig. Es ist kein Witz, da ich den Versuch schon 2 x gemacht habe. Ich reduziere es, dann gehen nach 3 Tagen ungefähr die Schmerzen los. dann nehme ich die Pillen wieder ein, da gehen die Schmerzen nach einer Woche ungefähr wieder weg. Gehen die Pillen denn auf die Knochen? Ich würde mich bei Gelegenheit über eine Antwort sehr freuen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Frau Mäßig

    • psychiatrietogo 26. Dezember 2012 / 15:33

      Hallo!
      Ich bin nicht Dr. Teuschel, den finden Sie hier: http://www.blog.drteuschel.de/wordpress/
      Und zu Ihrer Frage: Ich beantworte grundsätzlich keine Behandlungsfragen im blog, weil das der Komplexität der einzelnen Personen und Situationen niemals gerecht werden kann.
      Beste Grüße und eine schöne Weihnachtszeit!

  4. P Mayer 2. Juli 2013 / 14:43

    och also so eine allgemeine Antwort, ob das korrelieren kann, wär aber für alle spannend und ist keine Behandlung!

  5. Douglas Gerard 28. Juli 2013 / 19:26

    Some other antidepressants also affect sigma receptors like Opipramol including Luvox and Lexapro.

  6. Schuler 7. Januar 2014 / 11:26

    In welchem Dosisbereich liegen die besten Erfahrungen vor? Reicht es vom Opipramol 3 mal 25mg zu nehmen? Und über welchen Zeitraum? Da in der Packungsbeilage etwas von 1-2 Monaten! steht. Ist es nicht zur Längerfristigen Therapie geeignet?

  7. Jürgen Bromant 4. Februar 2014 / 03:01

    Ich habe Insidon bzw. Opipramol insgesamt bestimmt fünf Jahre lang genommen.
    Das absurde daran ist, dass es mir eigentlich gar nicht geholfen hat, sondern ich auch während der Einnahme höherer Dosen durch die Hölle gegangen bin, was Depressionen und Angstattacken betrifft.
    Ich kannte mich nicht aus und dachte, dass es besser wäre als gar nichts zu nehmen, da es mir ja eventuell noch schlechter gehen könnte, ganz ohne Medikation.
    Verschrieben haben es mir in den Jahren verschiedene Psychiater und Hausärzte.
    Für die war es bequem – die mangelnde Wirkung deuteten sie als „gute Verträglichkeit“, billig ist es zudem, da die Patente schon Jahrzehnte abgelaufen sind.
    Meiner Meinung nach tritt bei der „Wirkung“ von Opipramol einzig und allein der Plazeboeffekt in Erscheinung.
    Klar, das ist nur meine persönliche Auffassung und Erfahrung, aber ich glaube, dass viele sich nicht im klaren sind, dass es nicht der Wirkstoff an sich ist, der bei ihnen die Stimmungsaufhellung auslöst.
    Ich kann im Nachhinein sagen, dass ich so gut wie nichts vom Opipramol gespürt habe. Keine Wirkungen, keine Nebenwirkungen – nichts, nada, niente.
    Das endgültige Absetzen verlief ebenfalls problemlos.
    Als ich schließlich in einer psychiatrischen Ambulanz auf Venlafaxin eingestellt wurde, erkannte ich, was ein Antidepressivum wirklich leisten kann.
    Anfangs wirkte es zu „gut“ und ich wurde manisch. Mittlerweile komme ich aber gut damit klar.
    Interessant ist, dass ein anderes trizyklisches AD, nämlich Trimipramin bzw. Stangyl bei mir stark sedierend wirkt. Es scheint also tatsächlich Medikamente dieser Gruppe zu geben, die durchaus wirken.

  8. Angi 3. Oktober 2016 / 19:26

    Für mich persönlich ist Opipramol ein Segen.
    Ich nehme 50 mg am Tag (reicht momentan aus, da kein zusätzlich stressender Arbeitsalltag vorhanden ist).
    Die vorher verordneten Citalopram habe ich nicht besonders gut vertragen (waren zwar stimmungsaufhellend und machten mich agiler, letzteres steigerte sich aber sehr unangenehm), besonders der agiler machende Aspekt schlug nach ein paar Stunden trotz kleinster Anfangsdosis von 10 mg!!! in unerträgliche Unruhe um, die mich ohne das ich es wollte dazu veranlaßten im Sitzen hektisch hin und her zu wippen – wahrscheinlich der Versuch meines Körpers den Streß/die Unruhe nach außen abzuleiten (und ich habe mich vorher schon gut 3 Stunden eiligst bewegt).
    Was bei meiner Verordnung wohl auch nicht so beachtet wurde, war meine ADHS (nehme keine Medis), die , wenn ich nicht gerade voller Ängste/Panik und depressiv bin, dazu führt, das ich eben sehr temperamentvoll und von Natur aus schon umtriebig/ein klein wenig zerstreut bin.
    Jetzt nehme ich tagsüber 50 mg Opipramol und für nachts 15 mg Mirtazapin und schlafe wie ein Baby, ebenso hilft mir Opipramol vom Gedankenkreisen in negativer Dauerschleife wegzukommen/abzumildern (meine Ängste hat sie deutlich abgemildert) – das ist ungeheuer entlastend für mich, ebenso auch, das ich insgesamt gesehen ein wenig ruhiger bin vergleichsweise zu vorher (für andere ist das mitunter der Normalzustand).
    Außer in der ersten Zeit ein extremer Overhang = Müdigkeit, verspürte ich ansonsten keine Nebenwirkungen.
    Mirtazapin soll wohl auch bei ADHS verschrieben werden, muss mich da mal genauer einlesen.

    LG, Angi

  9. Angi 3. Oktober 2016 / 20:30

    PS.: Ich war vorher ein Häufchen Elend und so voller Angst und Panik, das ich übertrieben ausgedrückt vor meinem eigenen Atem Angst hatte …und vor´m Alleinsein tagsüber auch.
    Ausgelöst wurden diese Ängste (hatte das früher auch manchmal, aber viel schwächer und deutlich seltener) durch den Tod meines Vaters und allen traurigen Geschichten die da dran hingen (gehe jetzt nicht weiter drauf´ ein, aber es war für mich eine heftige Zeit und ich kümmerte mich in dieser Zeit um 2 extrem depressive, selbstmordveranlagte Menschen (und die das auch versuchten), die mir sehr nahe standen und trotz aller Liebe und Verständnis – das frisst einen innerlich auf/überforderte mich und mir blieb selbst keine Zeit mit meiner eigenen Trauer/schwierigen Beziehung mit ihm umzugehen/sie zu verarbeiten usw. und so fort).

    Nicht das hier jemand denkt, na ja bei so Pipifax ist klar das diese Medis helfen, das war sicher kein Pipifax und ich muss heute noch lernen, meine Grenzen zu erkennen und klar zu äußern und sicherlich auch mich selbst rechtzeitig spüren/abzugrenzen, dann würden sich solche Ängste – zumindest bei mir – auch nicht so massiv aufbauen.

  10. Angi 3. Oktober 2016 / 20:59

    Das ist quasi so, das ich im Laufe der Zeit, von einem eher offenen und vordergründig fröhlichem, hilfsbereiten, liebevollem Menschen zu einem selbstentschiedenem, abgegrenzten Menschen mit sozialer Phobie wurde, da ich nie gelernt hatte Grenzen zu setzen und zu spüren und ich trotz Therapie, deren Worte gut gewählt und hilfreich waren, dies für mich persönlich umsetzen konnte, obwohl ich die Hilfe/Worte verstand.
    Also wählte ich die Flucht, die natürlich einsam macht, aber mich nicht mehr Situationen aussetzte, mit denen ich trotz besserem Wissen nicht mehr umgehen konnte/Grenzen setzen konnte = das Problem war schon vorher vorhanden, aber unterdrückt und ohne Bewusstsein, einfach nur mit verschobenen Problemen.
    Ich verließ die Haustüre gar nicht mehr und letztendlich auch nicht mehr in Begleitung, den jeder Weg nach draußen verursachte in mir Panik.
    Inzwischen, auch wenn das wenig erscheint, verlasse ich die Wohnung immerhin in Begleitung, bringe den Müll tagsüber alleine nach unten usw. und für mich persönlich ist das ein rießiger Fortschritt und ich erhoffe mir, das es weiter bergauf auf geht – die Zeit wird es zeigen.

  11. Endmann Branka 25. Februar 2023 / 07:39

    Sehr geehrter Dr. Dreher,

    Sie schreiben in ihrem Artikel das Sie statt Opipramol besser AD und Meuoleptikum verschreiben („Antidepressivum wirkt stimmungsaufhellend und lindert Ängste, das niedrig dosierte niederpotente Neuroleptikum)
    Können Sie hier für beide Arten etwas besonders empfehlen?

    Herzlichen Dank

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