Die Schizophrenie (ICD–10: F20) wird in der ICD–10 in vier Unterformen unterteilt:
* Paranoide Schizophrenie (ICD–10: F20.0)
* Hebephrene Schizophrenie (ICD–10: F20.1)
* Katatone Schizophrenie (ICD–10: F20.2) und
* Undifferenzierte Schizophrenie (ICD–10: F20.3)
Die paranoide oder paranoid-halluzinatorische Form ist die mit weitem Abstand häufigste Unterform der Schizophrenie, die unser Bild dieser Krankheit weitgehend prägt. Hebephrene und undifferenzierte Unterformen sind weitaus seltener, aber immer noch häufig genug, dass sie im klinischen Alltag immer mal wieder auftauchen. Aber die katatone Schizophrenie ist so selten, dass man jedes Mal, wenn einem dieses Krankheitsbild begegnet, erst mal irritiert sein kann.
Ein typischer Krankheitsverlauf kann zum Beispiel so aussehen:
Ein 28-jähriger Patient mit einer vordiagnostizierten paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie, der bislang mit Clozapin behandelt worden war, hat laut Familie seit einigen Wochen seine Medikation nicht mehr eingenommen und kommt nun akut-psychotisch und schwer krank zur Aufnahme. Er spricht nicht viel; was er sagt ist ziemlich durcheinander und das Verhalten wirkt ungesteuert, teilweise ungerichtet aggressiv. Am ersten Behandlungstag wird eine Medikation, bestehend aus Risperdal und Diazepam verordnet. Das psychotische Erleben bleibt auch am zweiten Tag bestehen, der Patient zeigt wechselnd Zerfahrenheit und Mutismus. Er liegt überwiegend im Bett, manchmal zeigt er aber auch impulsives Verhalten. Die Medikation wird in der Dosis gesteigert, ein niedermolekulares Heparin wird zur Thromboseprophylaxe angesetzt. Am nächsten Tag entwickelt der Patient Fieber bis 38 Grad Celsius ohne erkennbaren Infektionfocus. Im klinischen Befund fallen eine Steifigkeit der Gelenke und ein Zahnradphänomen linksseitig auf.
Diffentialdiagnostik
In dieser Situation ist zunächst an drei verschiedene Diagnosen zu denken:
- Fieber bei unklarem Infekt, mitverursacht durch die Bettlägrigkeit, z.B. eine beginnende Pneumonie
- Malignes neuroleptisches Syndrom
- Katatone Schizophrenie
Zur Diffentialdiagnostik dieser drei Erkrankungen ist es erforderlich, eine gründliche körperliche Untersuchung mit der Suche nach einem Infektfocus durchzuführen und im Blut Entzündungszeichen und Creatininkinase (CK) zu bestimmen.
- Bei einem Infekt sollte man neben dem Fieber auch einen symptomatischen Focus finden, wie ein pathologisches Atemgeräusch, Brennen beim Wasserlassen, Diarrhoe oder Ähnliches. Bei auffälligen Untersuchungsbefunden wie einem Erregernachweis im Urin oder ähnlichem ist von einem Infekt auszugehen.
- Beim malignen neuroleptischen Syndrom findet man häufig eine deutlich gestiegene CK, auch Veränderungen der Natrium- und Kaliumkonzentration im Blut sind nicht selten. Darüber hinaus bildet sich typischerweise eine sehr ausgeprägte Steifigkeit (Rigor) sowie ein Zahnradphänomen an den Exptremitäten aus.
Katatone Schizophrenie
Findet sich kein Hinweis auf einen Infekt, der die Symptome und das Fieber erklären kann und zeigen sich klinisch und laborchemisch nicht die typischen Veränderungen, die ein malignes neuroleptisches Syndrom kennzeichnen, kann es sich um eine Katatone Schizophrenie handeln. Die Katatone Schizophrenie, auch perniziöse Katatonie oder kurz Katatonie genannt, ist gekennzeichnet von folgenden Symptomen:
- Im Vordergrund stehen psychomotorische Störungen: Sehr lang andauernde bewegungsarme Zuständen (Katatonie) können sich abwechseln mit episodenhaften schweren Erregungszuständen.
- Zwangshaltungen und -stellungen können lange Zeit beibehalten werden (Katalepsie), die Beweglichkeit der Gelenke wirkt wächsern zäh (flexibilitas cerea).
- Befehlsautomatismen und Negativismus kommen vor.
- Mutismus ist häufig.
- Lebhafte szenische Halluzinationen können vorkommen.
- Insgesamt zeigt sich klinisch ein schwergradiges Krankheitsbild, der Patient ist kritisch krank.
Therapie
Vor einigen Jahrzehnten verliefen Katatone Schizophrenien nicht selten tödlich. Inzwischen gibt es mehrere sehr wirksame Behandlungsoptionen, sodass gefährliche Komplikationen inzwischen selten geworden sind.
- Zunächst ist zu beachten, dass ein Patient mit einer katatonen Schizophrenie als kritisch Kranker einzuschätzen ist, eine intensivmedizinische Behandlung kann erforderlich sein.
- Lorazepam (z.B. Tavor®) wirkt sehr stark gegen die Katatonie. In der Regel sind hohe Dosierungen erforderlich, oft i.v. Eine Gabe von 1–1–1–0 mg Lorazepam i.v. plus 1–3 weitere mg Lorazepam oral oder i.v. pro Tag kann angemessen sein.
- Ein Neuroleptikum soll gegeben werden. Um die Differentialdiagnose gegenüber dem malignen neuroleptischen Syndrom nicht unnötig zu erschweren und dem Patienten EPMS zu ersparen ist es sinnvoll, ein gut verträgliches aber zugleich wirkstarkes Neuroleptikum zu verordnen, z.B. Risperidon oder Olanzapin.
- Wenn die Gabe von hochdosiertem Lorazepam in Kombination mit einem Neuroleptikum nicht ausreichend schnell oder ausreichend stark wirkt, kann die Elektrokrampftherapie eingesetzt werden, sie wirkt erfahrungsgemäß schnell und sicher bei der Katatonie.
- Auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist zu achten, ggf. i.v.
- Über den Einsatz eines Antibiotikums bei einem schwer kranken fibrigen Patienten ohne klaren Hinweis auf einen Infektfocus muss im Einzelfall entschieden werden. Bei bestehender diagnostischer Unsicherheit kann dies im Zweifel sinnvoll sein.
In der Praxis sind Katatonien extrem selten zu sehen, aus der Klinik kann ich mich an einige sehr eindrucksvolle Fälle erinnern, die auch mit EKT behandelt werden mussten.
Meine Frage: führen Sie die EKT bei sich in der Klinik durch?
Schöne Grüße
Peter Teuschel
Hat dies auf trauma Hilfe rebloggt.
Schön geschrieben und die Differenzialdiagnostik zum malignen neuroleptischen Syndrom fließt auch direkt in einen Fall auf unserer Stammzelltransplantation ein. Danke!
Falls jemand das Buch aus dem Artikel lesen möchte:
https://archive.org/details/klinikfrpsychis00unkngoog
https://archive.org/details/klinikfrpsychis00sommgoog
Aber man muss bei Büchern, bei denen google die Digitalisierung sponsert vorsichtig sein. Teilweise sind sie unlesbar geworden. Ich würde es als digitales Bücherverbrennen bezeichnen.
Hat dies auf ¥.Depressive-Art.¥ rebloggt.
gut lernbar für di e prüfung …Danke
„Ein Neuroleptikum soll gegeben werden. Um die Differentialdiagnose gegenüber dem malignen neuroleptischen Syndrom nicht unnötig zu erschweren und dem Patienten EPMS zu ersparen ist es sinnvoll, ein gut verträgliches aber zugleich wirkstarkes Neuroleptikum zu verordnen, z.B. Risperidon oder Olanzapin.“
Neuroleptikum soll gegeben werden, aber ist es unentbehrlich bei perniziöser Katatonie?
Btw möchte ich hier anmerken, dass ich den Begriff „gut verträgliches Neuroleptikum“ einen Widerspruch in sich finde.
Aber vielleicht glauben mache Ärzte ja wirklich, es gäbe gut verträgliche Neuroleptika, und deswegen werden einem Nebenwirkungen nicht geglaubt und es wird einem nicht abgenommen, wenn man dem Arzt erzählt, dass es einem von dem gut verträglichen Neuroleptikum Seroquel grottenschlecht geht.
Ich würde auf jeden Fall bei einer gesicherte Diagnose einer schweren katatonen Schizophrenie auf jedenfall nicht mehr eine initiale Therapie mit AAP einleiten, sondern Haloperidol und Lorazepam i.v verordnen, bei schwersten Zuständen auch Midazolam und Benperidol einsetzen. Ich bin kein Freund von diesen Medikamenten, aber auch sind diese einfach mal die 1. Indizierten Mittel
Hey, ich muss für die Schule eine Ausarbeitung zu dem Thema Schizophrenie schreiben. Ihr Artikel ist zwar echt aufklärend, jedoch müssen wir bei einer Internetquelle einen Autoren angeben können. Ich weiß nicht ob ich den Autoren übersehen habe, oder ob er nicht angeben wurde. Ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn Sie mir den Namen schicken könnten, damit ich diesen Artikel für meine Arbeit nutzen kann
Vielen Dank schon mal im vor raus
Mit freundlichen Grüßen
Mara
Klar, mein Name ist Dr. Jan Dreher. Darfst Du gerne angeben und verwenden. Viel Spaß bei der Schularbeit!
hallo Herr Dr. Jan Dreher können Sie mir erklären warum eine extreme Steigerung der Krankheit (akute perniziöse Katatonie) tödlich ist? Ich benötige dies für meine Hausarbeit zum Thema Schizophrenie.
Wer kennt sich mit Behandlungsmethoden bei Schizophrenie aus? Unser Sohn ist die 5. Woche in der Klinik und keine Besserung in Sicht. Er ist fast nur fixiert und bekommt sehr starke Medikamente: Diazepam 10 mg bis 6 mal täglich, Haloperidol 10 mg bis 6 mal täglich, Ciatyl-Z-Akkuphase 200 mg aller 3 Tage Wenn losgemacht wird ist er angeblich hochgradig aggressiv. Das ganze soll noch 6 Wochen fortgeführt werden. Seine Sprache ist jetzt auch fast weg. Könnte es auch eine katatone Schizophrenie sein und keine paranoide? Wer kann helfen?