Hilft ein DNA Test, das richtige Antidepressivum zu finden?

Antidepressive Medikamente an die eigene DNA angepasst

Die Suche nach dem richtigen Antidepressivum kann manchmal etwas dauern. Zu Beginn einer depressiven Episode beginnt man mit einem Antidepressivum und beobachtet den Erfolg über mehrere Wochen. Manchmal treten ausgeprägte Nebenwirkungen auf, dann muss man die Dosis reduzieren oder das Präparat wechseln. Nach einigen Wochen erwartet man einen Therapieerfolg. Tritt dieser nicht ein, wechselt man ebenfalls das Antidepressivum. Manchmal dauert es mehrere Wochen, bis man das richtige Medikament in der richtigen Dosis gefunden hat.
Da liest sich die Versprechung von Stada sehr interessant:

Neuer DNA-Test STADA Diagnostik Antidepressiva erleichtert Therapiefindung bei der medikamentösen Behandlung der Depression

Was steckt dahinter? Die Cytochrome p450:

Antidepressiva werden in der Regel von p450-Cytochromen verstoffwechselt. Das sind Enzyme, die die Medikamente abbauen und so die Elimination vorbereiten. Es gibt eine ganze Reihe von Untertypen der Cytochrom p450 Enzyme, zum Beispiel CYP1A1, CYP2A6, CYP2D6 und viele weitere. Viele Menschen produzieren alle wichtigen Untertypen der CYP-Gruppe in normaler Menge und mit normaler Stoffwechselaktivität. Es gibt aber auch einen relevanten Anteil von Menschen, die von bestimmten Varianten der Cytochrome entweder zu viel oder zu wenig produzieren. Und dann gibt es auch Varianten der jeweiligen Untertypen, die weniger oder stärker stoffwechselaktiv sind.

Was bedeuten Varianten der CYP p450 Gruppe praktisch?

Slow metabolizer

Nehmen wir an, in meinem Genom sind die Varianten CYP2C19 und CYP3A4 nur ganz schwach angelegt. Sagen wir, ich produziere CYP2C19 gar nicht und von CYP3A4 nur eine ganz schwach stoffwechselaktive Variante. Das heißt dann, ich bin ein slow metabolizer.
Nehmen wir nun an, ich entwickele eine depressive Episode und mein Arzt verschreibt mir Citalopram, und zwar in einer Dosis von 40 mg.
Citalopram wird von den Enzymen CYP2C19, CYP3A4 und CYP2D6 abgebaut. Da ich zwei dieser drei Enzyme nur in einer nicht oder kaum wirksamen Form hätte, würde bei mir der Citalopram-Blutspiegel sehr schnell sehr hoch ansteigen. Ich hätte dann mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeprägte Nebenwirkungen vom Citalopram. Wenn andere nur etwas unter Übelkeit durch Citalopram zu leiden hätten, hätte ich darunter wahrscheinlich stark zu leiden. Auch die Gefahr von EKG-Veränderungen wäre dann für mich deutlich erhöht.
Ohne DNA-Test kann ich das erst merken, wenn die Nebenwirkungen auftreten. Ich könnte dann eine Bestimmung des Blutspiegels von Citalopram durchführen, und so einen Hinweis erhalten. Ein DNA-Test hätte schon vor Beginn der Behandlung gezeigt, dass Citalopram für mich sicher ungeeignet ist.

Fast metabolizer

Ich könnte auch Genvarianten haben, die dazu führen, dass ich besonders schnell arbeitende Varianten der Enzyme CYP2C19, CYP3A4 und CYP2D6 habe. Das heißt dann fast metabolizer, rapid metabolizer oder ultra-rapid metabolizer.
Wenn ich nun Citalopram verschrieben bekäme, würde mein Körper das Citalopram so schnell abbauen, dass keine Wirkung mehr entstehen könnte.
Ohne DNA-Test würde ich erst einmal einen sehr langen Therapieversuch mit Citalopram machen, das ich gut vertragen würde (mein Citalopram Blutspiegel wäre ja ganz niedrig), aber so nach 4–6 Wochen würde ich das Präparat vielleicht wechseln, weil es nicht gewirkt hätte.
Mit DNA-Test würde ich, wenn ich wüsste, dass ich ein fast-metabolizer für Citalopram bin, entweder eine höhere Dosis nehmen oder gleich ein anderes Präparat einnehmen, das ich normal verstoffwechsele.

Kosten

Der Apotheken-Listenpreis des DNA Tests beträgt 395 €, im Internet finden sich aber Angebote am 216 €.

Fazit

Man liest viel von der personalisierten Medizin der Zukunft. Ich denke, dass es in wenigen Jahren gängige Praxis sein wird, Patienten, die mit einer schweren Depression oder schweren Psychose im Krankenhaus aufgenommen werden, auf ihre Metabolisierungseigenschaften hin zu untersuchen. Das ist schließlich eine Untersuchung, die man nur einmal im Leben machen muss. Und sie kann helfen, Nebenwirkungen oder lange Therapiephasen mit unzureichender Wirkung eines Präparates zu vermeiden. Im Moment ist das noch nicht üblich.
Im stationären Rahmen ist es gegenwärtig üblicher, bei starken Nebenwirkungen oder zu schwacher Wirkung den Blutspiegel des Medikamentes zu bestimmen. Eine Untersuchung des Metabolisierungstyps ist während einer stationären Behandlung möglich, wird aber selten durchgeführt.
Patienten in ambulanter Behandlung können sich das Testkit allerdings selbst in der Apotheke kaufen und ihren Arzt bitten, die Untersuchung für sie durchzuführen. Der Arzt erhält dann die Ergebnisse zugeschickt.

Weitere Quellen

Hier das Werbevideo von Stada:

17 Gedanken zu “Hilft ein DNA Test, das richtige Antidepressivum zu finden?

  1. Peter Teuschel 8. August 2014 / 12:41

    Ich glaube in einem Vortrag gehört zu haben, dass die prozentuale Häufigkeit von slow und fast metabolizern sehr hoch ist (jeweils um die 20%). Hast du da aktuelle Zahlen?

    • psychiatrietogo 8. August 2014 / 19:07

      Ja, das ist die richtige Größenordnung, aber ich habe keine genauen Zahlen recherchiert. Das muss noch nachgeholt werden…

  2. blumenelfe 8. August 2014 / 15:15

    Das klingt gut und nach einwe ppositiven Entwicklung, wenn es tatsächlich irgendwann Standard werden sollte. So könnte man einigen Menschen eine langen Leidensweg ersparen!

  3. anneinsideoffice 8. August 2014 / 19:13

    Herzlichen Dank für diesen Bericht. Unser Sohn hatte vor eineinhalb Jahren eine schwere Depression. Citalopran half, aber erst in sehr hoher Dosis nach langen Wochen und auch nicht stabil.
    Es war für uns alle eine traumatische Zeit.
    Heute geht es ihm blendend, ich merke mir aber diesen Bericht und falls es nochmal so eine Episode gibt, werde ich den Test besorgen und den behandelnden Psychiater bitten ihn anzuwenden!

    • Anna_Cranach 10. August 2014 / 23:22

      wenn ein Medikament nicht wirkt, muss der Grund nicht sein, dass der Spiegel zu niedrig ist, weil man ein fast metabolizer ist. Auch bei korrektem Blutspiegel ist es möglich, dass man auf ein Medikament halt nicht anspricht, weil es für einen halt nicht geeignet ist.

      Bei mir war es so, ich habe auf Citalopram schnell und gut angesprochen, aber es hat nicht lange vorgehalten. Dass der Blutspiegel aufgrund von Enzyminduktion abgefallen wäre, daran lag es wohl nicht. Denn nach Dosiserhöhung hatte ich Nebenwirkungen die vorher nicht da waren. Das wäre bei Wiederherstellung des alten Blutspiegels ja nicht der Fall gewesen.

      Sondern der Wirkungsverlust hatte wohl eine andere Ursache.

      Ich bin auch mit der erhöhten Citalopram-Dosis nicht stabil geblieben.

      Ich finde es nicht weiter erstaunlich, wenn Psychopharmaka mit der Zeit ihre Wirkung verlieren. Ist doch mit Kokain auch so

      Eine Mischung aus hauptsächlich Kokain, noch eine Prise Heroin drin (beruhigend euphorisierend) und noch ein ganz klein bißchen Cannabis dabei käme der Wirkung von Antidepressiva recht nahe. (Ja, ich kenne das alles!! aus der Praxis)
      Das in Retardtablettenform gepresst und täglich eingenommen, wie lange würde antidepressive Wirkung anhalten? NIcht lange.
      Was illegale Drogen anbetrifft, sind solche Zusammenhänge fast jedem klar. Aber Psychopharmaka sind ja was grundverschiedenes, was ganz anderes als Drogen….(Vorsicht Ironie)

      • Anna_Cranach 10. August 2014 / 23:25

        Ich musste meine Drogen (Cymbalta) loswerden, weil ich sie körperlich nicht mehr vertragen habe. Nach Entzug (heftige Absetzsymptome) war ich erst mal clean. 8 Monate später habe ich mit einem anderen Antidepressivum angefangen.

        Suchtbehandlungs-Sichtweise: Anlässlich Problemen im Leben einen Rückfall in die Drogensucht gekriegt

        Psychiater-Sichtweise: Die braucht eben Antidepressiva, die hat eine Stoffwechselstörung im Gehirn!
        Rückfall in die Depression 4 Monate nach Absetzen der Antidepressiva

        Mittlerweile schleiche in Venlafaxin ganz langsam aus, weil es mir nicht nochmal passieren soll, dass ich aufgrund körperlicher Probleme ein Medikament schnell loswerden muss. Da möchte ich es bereits vorsichtig und langsam vorher ausgeschlichen haben.

      • Anna_Cranach 10. August 2014 / 23:27

        6 Monate habe ich gemeint, 4 Monate sind Tippfehler

  4. Ovid 9. August 2014 / 15:15

    finde ich eine Super- Idee. Durch Versuch und Irrtum weiß ich mittlerweile, dass ich ein Slow- Metabolizer bin und daher auch nur kleine Mengen vertrage. Wurde ständig überdosiert, manchmal das 8 fache des wirklich nötigem. Außerdem bin ich HPU positiv, ein Enzymdefekt, weshalb ich trotz normalem Blutspiegel schlecht Giftstoffe abbaue.
    Leider haben das Ärzte weder geglaubt noch berücksichtigt. Notfalls waren dann auch die Nebenwirkungen „psychisch“. Und 400 Euro für einen Metabolisierungstest besitze ich nicht!

  5. tired2013 9. August 2014 / 18:15

    Das Problem dürfte sein das man diesen Test selber zahlen muss, d.H. das es, zumindest im Moment, mal wieder eine Sache ist die sich nur jene leisten können die das Geld übrig haben. Aller anderen dürfen weiterhin die Palette an Psychopharmaka rauf und runter probieren und verlieren dabei nicht nur Zeit.

  6. Anna_Cranach 10. August 2014 / 23:01

    Mal eine Frage, ist man als slow metabolizer damit für ein Medikament automatisch ungeeignet? Wenn man slow metabolizer ist, sind die Halbwertszeiten länger, d.h. der Spiegel des Medikaments schwankt im Tagesverlauf nicht so stark.

    Das heißt man könnte einen slow metabolizer sehr niedrig dosieren, er hätte dann den gleichen Blutspiegel wie ein normaler Metabolizer, aber er hätte den Vorteil, dass sein Blutspiegel im Tagesverlauf nicht so stark schwankt.

    Mehr als alle 8 Stunden kann man ja Medikamente nicht wirklich nehmen, schließlich schläft man ja 8 bis 9 Stunden.

    Das wird doch z.B. bei Abilify immer als Vorteil gesehen, die langen Abbauzeiten. Weil man dadurch dann weniger Tagesschwankung hat, und wenn man das Medikament durch Ausschleichen loswerden will, hat es auch Vorteile bei Dosisreduzierungsschritten, die lange Halbwertszeit.

    • Anna_Cranach 10. August 2014 / 23:03

      außerdem ist es billig, ein slow metabolizer zu sein. Man spart Medikament und hat trotzdem die gleich Wirkung….

  7. seelenklempner 11. August 2014 / 16:20

    Wichtige Polymorphismen des Cytochromsystems

    Cytochrom Häufigkeit Europa Anmerkung
    2D6 5-10% PM 1-2% Asiaten, 1-2% Türken, 20% Südafrikaner
    15% IM
    1-10% UM Nordafrikaner und „Orientale“ 10-29%
    2C9 1-3% PM
    35% IM
    2C19 2-5% PM Asiaten 12-23%
    3A4/5/7 85% PM Asiaten 70%, Afrikaner 50%

    PM = poor metabolizer
    IM = intermediate metabolizer
    UM = ultrarapid metabolizer

    Quelle: Benkert/Hippius, 9. Auflage

    • seelenklempner 11. August 2014 / 16:21

      ^^ Oooops. Das hätte ich mir denken können, dass das mit der Formatierung nicht klappt. 😉

  8. Seelenklempner 11. August 2014 / 21:05

    Wichtige Polymorphismen des Cytochromsystems

    CYP2D6
    Häufigkeit Europa: 5-10% PM (1-2% Asiaten&Türken, 20% Südafrikaner), 15% IM, 1-10% UM (Nordafrikaner und “Orientale” 10-29%)

    CYP2C9
    Häufigkeit Europa: 1-3% PM, 35% IM

    CYP2C19
    Häufigkeit Europa: 2-5% PM (Asiaten 12-23%)

    CYP3A4/5/7
    Häufigkeit Europa: 85% PM (Asiaten 70%, Afrikaner 50%)

    PM = poor metabolizer
    IM = intermediate metabolizer
    UM = ultrarapid metabolizer

    Quelle:
    Kompendium des Psychiatrischen Pharmakotherapie,
    Benkert/Hippius, 9. Auflage

  9. Ulrike Poppitz 16. März 2017 / 10:23

    Mir hat der DNA-TEST geholfen um das für mich passende Antidepressiva zu finden.Ich nehme das Paroxetin und mir geht es gut.

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..