Neulich im Gericht: Promille, mg/L, g/L, g/Kg oder wie betrunken war der Angeklagte denn nun?

Stets größte Freude löst es im Gericht aus, wenn in der Akte ein Atemalkoholgehalt oder ein Blutalkoholgehalt in mg/dl oder in g/L angegeben wird, und einer der Prozessbeteiligten das mit dem „Promillewert“ gleichsetzt. Das ist nämlich leider nicht der Fall, und die überzeugende Umrechnung obliegt dann dem Sachverständigen. Ich habe mal versucht, alle möglichen Fallstricke zusammenzutragen:

1. „Umrechnung“ Atemalkoholkonzentration in Blutalkoholkonzentration

Es macht einen großen Unterschied, ob ich den Alkoholgehalt in der Atemluft beschreibe oder den Alkoholgehalt im Blut. Man kann den Alkoholgehalt in der Atemluft eigentlich nicht nach einer Formel in den Alkoholgehalt im Blut umrechnen. Hier werden schließlich nicht einfach Einheiten umgerechnet, sondern es handelt sich um zwei biologisch zwar zusammenhängende, aber nicht gleiche biologische Zustände. Ihr müsst euch das so vorstellen: Im Körper des Probanden, hauptsächlich im Blut, ist Alkohol gelöst. Ein kleiner Teil dieses Alkoholes verdunstet innerhalb der Lunge in den Luftraum der Lunge. Ein Teil davon wird ausgeatmet. Die Alkoholkonzentration in dieser Ausatemluft gibt natürlich einen Hinweis darauf, wieviel Alkohol im Blut des Probanden gelöst ist. Die beiden Werte korrellieren unter standardisierten Bedingungen auch über bestimmte Strecken ganz gut. Aber weder hängen sie linear zusammen noch sind sie unabhängig von bestimmten Faktoren wie Lungenkrankheiten, Dauer und Geschwindigkeit des Trinkens und anderen. Der Blutalkohol geht kurz nach dem Trinken in einer anderen Geschwindigkeit in die Atemluft über, als eine halbe Stunde nach dem letzten Schluck. Man kann die Werte also nicht umrechnen, sondern nur aus dem einen Wert eine Schätzung auf den anderen Wert ableiten. Der Gesetzgeber hat aber hier in seiner großen Weitsicht eine Vereinfachung in die Welt gestellt, die der Realität recht nah kommt:

Eine Atemalkoholkonzentration von 0,25 mg/L wird juristisch gewertet wie eine Blutalkoholkonzentration von 0,5 ‰ (g/Kg).

Wer die biologischen Details nachlesen will, kann das zum Beispiel hier tun.

Es steigert die Verwirrung, dass die normalen Atemalkoholtestgeräte, die einem der Schutzmann am Straßenrand durchs Fenster reicht, zwar die Atemalkoholkonzentration messen. Sie zeigen aber je nach Einstellung am Gerät entweder die tatsächliche Atemalkoholkonzentration (AAK) in mg/L oder den nach dieser Formel hochgerechneten Blutalkoholspiegel in Promille an. In der Gerichtsakte findet sich normalerweise der Wert in mg/L.

2. Umrechnung der Blutalkoholkonzentration von g/L in Promille

Blut ist nicht gleich Blut. Man kann den Alkoholgehalt im Vollblut, im Serum oder im Plasma messen.

Und es gibt verschiedene Einheiten, in denen man die Alkoholkonzentration angeben kann. Traditionell und bekannt sind die Promille, die sich auf den Gewichtsanteil des Alkohols in Gramm Alkohol pro Kg Blut beziehen. Dann gibt es die SI-Einheiten, namentlich g/l. Hier wird der Alkoholanteil in Gramm Alkohol pro Liter Blut angegeben. Nun wiegt ein Liter Blut nicht genau 1 Kg; dann wäre alles etwas einfacher. Aber Blut ist etwas schwerer als Wasser. Blut hat ein spezifisches Gewicht von 1.057 g/cm³. Daher wiegt ein Liter Vollblut etwa 1057 Gramm = 1,057 Kg.

Zum Umrechnen gelten laut Wikipedia daher folgende Faustformeln:

  • BAK (‰) = Ethanol im Vollblut (g/L)/1,057 
  • BAK (‰) = Ethanol im Serum oder Plasma (g/L)/1,2312

Diese Formeln kann man natürlich auch so umstellen, dass die SI-Einheiten vorne stehen:

  • Ethanol im Vollblut (g/L) = BAK (‰)*1,057
  • Ethanol im Serum oder Plasma (g/L) = BAK (‰) * 1,2312

Schön. Versuchen wir eine Tabelle. Dabei bedeuten:

  • Atemalkoholkonz.: Atemalkoholkonzentration des Alkohols in der Atemluft in mg Alkohol pro Liter Luft (mg/L).
  • Blutalkoholkonz.: Blutalkoholkonzentration des Alkohols im Vollblut in Gramm Alkohol pro Liter Vollblut (g/L).
  • Blutalkoholkonzentration in ‰: Konzentration des Alkohols im Vollblut als Gramm Alkohol pro Kilogramm Blut.
  • Fett formatiert ist jeweils der Wert, von dem ausgegangen wird. Handelt es sich um eine Umwandlung von Atemalkoholkonzentration in Blutalkoholkonzentration, ist dies ja eine Schätzung. Die resultierenden Werte sind daher mit „ungefähr“ gekennzeichnet. Handelt es sich um die Umwandlung der Blutalkoholkonzentration von einer Einheit in die andere, ist dies eine Umrechnung, es resultiert daher kein „ungefähr“.
Atemalkoholkonz. in mg/L Blutalkoholkonz. in g/L Blutalkoholkonz. in ‰ (g/Kg)
1 mg/L ungefähr 2,144 g/L ungefähr 2 ‰
ungefähr 0,473 mg/L 1 g/L 0,946 ‰
ungefähr 0,5 mg/L 1,057 g/L 1 ‰

Merke:

  • Es gibt einen großen Fallstrick: Wenn in der Gerichtsakte ein Atemalkoholwert von 1 mg/L steht, dann ist der Patient aber mit 2 ‰ Blutalkoholgehalt doppelt so betrunken, wie man zunächst denkt… Also x mg/L Atemalkoholkonzentration = 2*x Promille Blutalkoholkonzentration. Oder x mg/L AAK = 2*x BAK in ‰
  • Der Unterschied zwischen den beiden Maßen für den Alkoholgehalt im Blut, nämlich g/kg (Promille) oder g/L ist mit seinem Umrechnungsfaktor von 1,06 eher akademischer Natur. Den muss man hauptsächlich verstanden haben, um ihn nicht mit dem Umrechnungsfaktor von 2 beim Umrechnen Atemalkoholkonzentration nach Blutalkoholkonzentration (AAK->BAK) zu verwechseln.

Ich hoffe, ich habe alle Unklarheiten beseitigt und keinen Fehler gemacht. Wenn mir doch einer unterlaufen ist: Ich übernehme mal keine Verantwortung für dessen Folgen und bitte herzlich um Korrektur!

16 Gedanken zu “Neulich im Gericht: Promille, mg/L, g/L, g/Kg oder wie betrunken war der Angeklagte denn nun?

    • Monika weitbrecht 11. Februar 2019 / 19:50

      68 mg wieviel Promille

  1. Jim Posaune 14. Oktober 2016 / 11:42

    ich verstehe jetzt deine Umstellungsformel von Ethanol in BAK nicht .
    Laut Wikipedia ist ja der Umtechnungsfaktor
    von BAK zu Ethanol x 1,057, dass heißt der Ethanolwert muss immer größer sein als der BAK Wert. Bei deiner Umstellungsformel hast du aber den Multiplikator von 1,057 hinten an den BAK Wert rangegangen . Müsste der nicht vorne stehen ? Möglicherweise hab ich auch einen Denkfehler , Grüße

    • psychiatrietogo 9. Mai 2017 / 11:36

      Also ich habe es noch mal mit der Wikipedia verglichen und die gleiche Formel gefunden. Habe ich einen Denkfehler? Hat die Wikipedia einen Denkfehler?

  2. Anwalt 15. Februar 2017 / 22:56

    Nach der aktuellen Verwaltungspraxis des LABO Berlin soll nunmehr bereits ab einer BAK von 1,1 Promille eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis notwendig sein.

  3. Alois Lerner 5. November 2017 / 21:31

    Ich hatte zuhause nach dem Essen noch einen einzigen Schnaps getrunken (also nicht eine Flasche, sondern 20 ccm). Unmittelbar darauf bin ich in eine Alkoholkontrolle geraten, die einen Promillegehalt von 2 Promille anzeigte. Da der Polizist sah, dass das nicht stimmen konnte, erlaubte er mir gegen die Vorschriften, etwas zu essen. Ich hatte dann 20 Minuten später, 0,2 Promille. Wie kann das wissenschaftlich erklärt werden ?
    Ganz offensichtlich hängt sich der Alkohol je nach Person unmittelbar nach dem Konsum im Mundraum fest. Hier wird behauptet, der Alkohol würde zuerst ins Blut gehen und dann über den Atem wieder in den Mundraum kommen.
    Das ist offensichtlich kompletter Unsinn,

    • AAK 27. August 2018 / 12:39

      Beides ist richtig. Gemessen wird der Anteil an Alkohol in der Ausatemluft. Direkt nach dem Konsum ist nachvollziehbarerweise Alkohol im Mund, was das Ergebnis einer Atemalkoholkontrolle nach oben verfälscht (habe das selber mal ausprobiert und mit einer geringen Menge Alkohol im Mund Testergebnisse von >5­­‰ erreicht). Ein bisschen etwas (nicht-alkoholisches) trinken und den Alkohol herunterspülen und schon ist das Ergebnis verwertbar.
      Nach Verschlucken und Verdauen wird der Alkohol dann zum Großteil über die Leber wieder ausgeschieden; zu einem geringen Teil (5% glaube ich) aber über die Atmung. Und auf dieser Grundlage basieren Atemalkoholtests. Die genauere Messung ist aber immer die Blutalkoholkonzentration, weshalb man bei einem entsprechend auffälligen Atemtest in der Regel für eine direkte Blutentnahme zum Arzt gebracht wird.

  4. Tim 8. Dezember 2018 / 12:01

    OK ich muß jetzt mal dumm nachfragen (ich bin nicht helle genug).

    %BAK ist gleich Promille Wert?

    Ich habe mir nämlich ein Test Gerät geleistet und das zeigt mir 4 verschiedene bzeichnungen und Werte an.

    Mir geht es dabei nicht um die Fahrtauglichkeit ( ich kann so oder so nicht Auto fahren ), sondern um die Neugier. Da im allgemeinen immer nur über den PROMILLE Wert gesprochen wird, Wüste ich gerne welcher Wert den nun die Promille angibt. Oder muss ich in jedem Fall irgendwas umrechnen??
    ??

    • Tim 8. Dezember 2018 / 12:24

      PS

      Die letzten Wert von meinem letzten Konsum von 2x Vodka Cola:

      mg/100ml = 155
      mg/L = 0,77
      %BAC = 0,15
      %°BAC = 1,55

      Was davon ist Jetzt der Promille Wert?????????????

      • Dr. Jan Dreher 8. Dezember 2018 / 17:06

        Hi!
        Der unterste: 1,55 %o ist der bekannte Promille-Wert.
        LG, jan

  5. Waclawsk Helg 1. Februar 2019 / 15:42

    wieviel promille hat man wenn der wert so heisst .345G/100ml blut??????ist in usa passiert

    • Waclawsk Helg 1. Februar 2019 / 15:43

      wieviel promille hat man wenn der wert so heisst .345G/100ml blut??????ist in usa passiert

  6. Peter Müller 7. Mai 2019 / 14:28

    G in den USA kann „grain“ heissen. 1 grain ist rund 0,0648 Gramm.
    Wenn man jedoch von Gramm ausgeht, weil die USA seit mehreren Jahrzehnten das metrische System als Referenz vorschreiben, dann entsprächen 0,345g in 100ml = 3,45 g in 1 Liter, was rund 3,65 Promille in der Atemluft entspricht. Dies entspricht schon einer Alkohol-Vergiftung.
    Wenn man jedoch vom alten US-grain ausgeht, sind es ca. 0,24 Promille.
    Das grosse G ist keine Bezeichnung für Masse, sondern für Beschleunigung. Also ist die Angabe „G“ bezogen auf Liter Blut unsinnig.

  7. Kikki 5. Juni 2019 / 16:34

    schnauf Und ich dachte die Umrechungen bei Infusionen sind schon das Höchste der Denkleistung! hmmm… nope! Falsch gedacht 😉

  8. karleugeneiselein 31. Januar 2022 / 03:14

    Mit den Polizeimessgeräten durfte ich auch schon einige Erfahrungen sammeln. Mein Fazit: Diese Geräte sind weit weniger genau, als uns unsere Freunde in Blau weismachen wollen.
    Im ersten Fall hatte ich überhaupt nichts gesoffen. Und das Gerät kam auf einen Wert von 0,26 Promille.
    Im anderen Fall war ich voll wie eine russische Strandhaubitze; konsumiert hatte ich 4 Biere und 8 (in Worten: acht) Schnäpse. Das Gerät kam auf einen Promillewert von 0,49 Promille. Gott sei Dank hatte ich im zweiten Fall einen Zeugen dabei, denn jeder, dem ich davon berichtete, hielt dies schlichtweg für unmöglich.
    Vor Gericht geht es um die Frage der Schuldfähigkeit. Diese wird individuell bewertet. Es hat sich also auch schon vor Gericht herumgesprochen, dass z.B. 1,5 Promille Alkohol bei einem ungeübten Trinker einen absoluten Vollrausch bedeutet, und bei einem erfahrenen Säufer noch nicht einmal eine Sprach- oder Gangunsicherheit verursacht.
    Meine Erfahrung als Beobachter vor Gericht ist, dass es in den letzten 20 Jahren weit schwieriger geworden ist, mit einer Alkohol- und/oder Drogenindikation als schuldgemindert (oder gar erst Schuldunfähigkeit) durchzukommen.
    Sehr viele psychiatrische Gutachter haben allerdings von Tuten und Blasen immer noch keine Ahnung. So gehen sie bei einem Mischkonsum mit Alkohol grundsätzlich von einer wechselseitigen Wirkungsverstärkung aus. Es gibt aber weit mehr Drogen und Substanzen, die die Wirkung von Alkohol verringern und/oder ganz aufheben.
    Was auf diesem Blog interessant sein könnte, handelsübliche SSRI (jedenfalls nach der Eingewöhnungsphase) SENKEN die Rauschwirkung des Alkohols. Stimulanzien wie Amphetamin oder Kokain heben diese (bis zu einem gewissen Promillebereich) ganz auf.
    Der viel gerühmte Kaffee jedoch, der schon seit Jahrzehnten gegen Trunkenheit im Gebrauch ist, verstärkt diese zielsicher.
    Was man häufig von Zeugen vor Gericht hört, ist in etwa folgendes: In der Bar machte der Kollege noch einen ganz fitten Eindruck, erst auf dem Parkplatz flippte er aus.
    Frische Luft ist gleichzeitig der am harmlosesten anmutende und der größte Verstärker der Alkoholwirkung überhaupt. Das erste, was ein Besoffener macht, wenn er eine Trunkenheitsfahrt unternehmen will, ist das Fenster auf oder die Lüftung an, um sich auf diese Weise frische ins Gesicht blasen zu lassen – dies ist der sicherste Weg in den Untergang.
    Rauchen verstärkt ebenfalls das Trunkenheitsgefühl. Dieser Effekt liegt aber nicht am Nikotin – wie immer wieder verlautbart wird (pharmakokinetisch ist es nämlich so, dass Nikotin die Aufmerksamkeit erhöht, also der Alkoholwirkung entgegenwirkt), sondern am tieferen Inhalieren von Sauerstoff und Stickstoff.
    Fazit: Mit den meisten Gutachtern vor Gericht ist es leider so, dass dort die Blinden von der Farbe reden. Die Ahnungslosigkeit ist atemberaubend. Ein Beispiel von Dutzenden. Im Zusammenhang mit Cannabis (endlich mal ein Stoff, der mit Alkohol tatsächlich eine wechselseitige Wirkungsverstärkung verursacht) spricht man grundsätzlich vom THC-Gehalt im Blut. In noch keinem einzigen Fall wurde auf die vollkommenen unterschiedliche Wirkungsweise der verschiedenen Hanfsorten, bzw. Kreuzungen eingegangen. Jemand, der unter dem Einfluss eine halluzinogen, also LSD-artigen Cannabissorte steht, ist bezüglich der Schuldminderung ganz anders zu werten, als jemand, der mit einer antriebssteigernden, fitmachenden Sorte unterwegs ist usw.
    Immer noch erstaunlich bleibt, wie man in Deutschland unter gewissen Voraussetzungen (Fahrunsicherheit) schon bei einem Wert von 0,3 Promille fahruntüchtig sein kann, während ein Fahrradfahrer oder ein Schiffskapitän dies erst 1,6 Promille ist.
    Auf der anderen Seite ist es so, dass jemand (ein Nicht-Psychotiker) mit 9oo mg Seroquel + 2,5 mg Lorazepam + meinetwegen 5o mg Citalopram durch die kutschieren kann, ohne dass eine Frage nach Fahrtüchtigkeit überhaupt gestellt wird! Usw.

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