Warum es keine disziplinarischen Entlassungen und keine Entlassungen gegen ärztlichen Rat gibt

Disziplinarische Entlassung -> Entlassung auf ärztliche Veranlassung

In der psychiatrischen Welt hält sich hartnäckig der Begriff der „Disziplinarischen Entlassung“. Gemeint ist damit eine Entlassung, weil ein Patient gegen eine therapeutische Regel verstoßen hat. Typische Beispiele sind:

  • Einmaliger oder wiederholter Alkoholkonsum während einer Alkoholentzugsbehandlung
  • Körperliche Gewalt gegen Mitpatienten oder Personal
  • Einmalige oder wiederholte verbale Gewalt gegen Mitpatienten oder Personal

Diese Entlassungen sind natürlich auch völlig in Ordnung. Aber es sind keine disziplinarischen Entlassungen. Warum? Weil Disziplinierung keine Aufgabe der psychiatrischen Tätigkeit ist.

Patienten kommen in ein Krankenhaus, auch in ein psychiatrisches Krankenhaus, weil sie krank sind und die Behandlung dazu beitragen kann, dass sie wieder gesund werden. Sie kommen nicht in Behandlung, um diszipliniert zu werden. Eine psychiatrische Klinik ist ja kein pädagogisches Wohnheim für schwer erziehbare Kinder oder eine Resozialisierungsanstalt für entlassene Sträflinge auf Bewährung. Sondern einfach eine Klinik, also ein Ort für eine sinnvolle Behandlung.

Diese sinnvolle Behandlung kann natürlich nur stattfinden, wenn sich alle an bestimmte Regeln halten. Natürlich kann eine Alkoholentzugsbehandlung nicht sinnvoll durchgeführt werden, wenn ein Patient auf der Station Alkohol trinkt, vor allem, wenn das nach dem ersten Mal trotz Aufklärung und Gespräch wiederholt vorkommt.

Und natürlich muss sich eine Station auch keiner körperlichen oder erheblichen verbalen Gewalt eines Patienten aussetzen. In diesem Fall steht das Recht der Anderen auf körperliche und psychische Unversehrtheit höher als das Recht des Einen auf eine stationäre Behandlung.

Eine Entlassung aus diesem Grunde sollte man „Entlassung auf ärztliche Veranlassung“ nennen.

Man dokumentiert dann, welche Abwägung man getroffen hat. Also beispielsweise, dass das Recht eines verbal oder tätlich angegriffenen Mitpatienten auf eine ungestörte Behandlung höher wiegt, als das Recht des auf ärztliche Veranlassung entlassenen Patienten auf seine Behandlung. Oder, dass eine sinnvolle Krankenhausbehandlung mit dem Ziel einer Alkoholentzugsbehandlung nicht erreichbar ist, wenn der Patient wiederholt auf der Station Alkohol trinkt.

Und auch im Falle einer Entlassung auf ärztliche Veranlassung klärt man den Patienten natürlich über die möglichen Gefahren der Entlassung auf, beispielsweise über die Gefahr von Entzugskrampfanfällen und die damit verbundene Notwendigkeit, nicht Auto zu fahren. Und man lässt sich genau diese Aufklärung vom Patienten auch unterschreiben.

Entlassung gegen ärztlichen Rat -> Aufklärung über Gefahren bei vorzeitiger Entlassung auf Wunsch des Patienten

Auch der Begriff der Entlassung gegen ärztlichen Rat macht keinen großen Sinn. Dann könnte ich ja auch sagen, der Patient

  • raucht gegen ärztlichen Rat
  • macht keinen Sport gegen ärztlichen Rat
  • geht zu McDonalds gegen ärztlichen Rat

Das macht also keinen großen Unterschied. Das Entscheidende auch hier ist, dass man den Patienten, der sich “gegen ärztlichen Rat“ aus der Krankenhausbehandlung entlassen lassen will, über die damit verbundenen Gefahren aufklärt. Passiert nämlich nach der Entlassung etwas, dann prüft der Staatsanwalt nicht, ob der Arzt zur Entlassung geraten hat oder nicht. Der auf freiwilliger Rechtsgrundlage behandelte Patient kann sich entlassen lassen, wann immer er will, egal, was der Arzt rät. Aber der Arzt hat die Verpflichtung, über die Risiken der Entlassung aufzuklären. Und genau das muss er dokumentieren und sich auch vom Patienten unterschreiben lassen.

Das entsprechende Formular sollte man daher nicht „Entlassung gegen ärztlichen Rat“ nennen, sondern treffender: „Aufklärung über Risiken bei vorzeitiger Entlassung auf Wunsch des Patienten“.

Wie seht ihr das?

Findet ihr, dass das Haarspalterei ist? Oder findet ihr, dass es sich lohnt, sich zu geistiger Disziplin zu zwingen. Weil eine disziplinierte Wortwahl einen disziplinierten Geist fördert? Schreibt eure Meinung und gerne auch die Praxis in eurer Klinik in die Kommentare!

Infusionspumpen gehackt….

Vor kurzem ging durch die Presse, dass Hacker einen Jeep aus der Ferne gehackt hatten, und so sowohl Gas als auch Bremse aus einiger Entfernung hätten manipulieren können. Nun berichtet Engadget hier, dass amerikanische Hacker das Infusionspumpensystem Symbiq des Herstellers Hospira aus der Entfernung gehackt hätten, und so die Geschwindigkeit der Injektion des über dieses Pumpensystem gegebenen Medikamentes aus der Ferne hätten manipulieren können. Dieses System wird nur in Amerika und Canada verkauft, und die FDA hätte bereits eine Warnmeldung an die entsprechenden Krankenhäuser heraus gegeben. Die Stellungnahme zur Reaktion der Firma findet ihr hier.

Also, selbst wenn man nicht dazu neigt, paranoid zu sein; der Gedanke an von außen gesteuerte Infusionspumpen lässt einem schon das Blut in den Adern gefrieren…