§63 ist geändert worden

Der Gesetzgeber hat die schon lange besprochene Verbesserung des §63 nun beschlossen. Im Kern geht es bei den Veränderungen darum, dass die Maßregel nach § 63 nun in der Regel nicht mehr wegen Straftaten mit weniger schlimmen Auswirkungen verhängt werden soll, dass die Fortdauer regelmäßiger überprüft werden soll, und das die Unterbringung in der Regel nach 6 Jahren auslaufen soll. Es sind weiterhin auch Unterbringungen über 10 Jahre oder ohne festgelegtes Ende möglich, deren Verhältnismäßigkeit muss aber sehr viel besser geprüft und begründet werden.

Ich finde diese Neuerungen wirklich sehr sehr hilfreich und richtig, die Verhältnismäßigkeit der Dauer der Unterbringung ist hierdurch in Zukunft sicherlich eher erreichbar als nach dem früheren Gesetz. Gleichzeitig läßt die Novellierung aber auch Raum, Patienten, von denen auch nach 6 Jahren noch eine erhebliche Gefahr ausgeht, auch länger in Behandlung zu lassen.

Die Änderungen sind hier vom Justizministerium genau beschrieben, jeder, der damit zu tun hat, sollte diese Zusammenfassung unbedingt lesen.

Gustl Mollaths später Erfolg

Experten hatten schon seit vielen Jahren darauf hingewiesen, dass die Unterbringung im Maßregelvollzug mit einem sehr viel höheren Risiko einhergeht, unverhältnismäßig lang zu werden, als die Unterbringung in einem normalen Gefängnis. Die Unterbringung im Gefängnis wird immer mit einer zeitlichen Frist verhängt, also zum Beispiel zwei Jahre und drei Monate. Spätestens dann kommt der Gefangene frei. Es gibt wenige Ausnahmen (lebenslange Haft, Sicherungsverwahrung), und es gibt Möglichkeiten, früher entlassen zu werden (Zwei-Drittel-Regelung, Halbstrafe). Aber insgesamt ist die Sache berechenbar und aufgrund des Urteils gibt es eine klare Verknüpfung der Schwere der Tat und der Dauer der Freiheitsstrafe.

Im Maßregelvollzug ist das anders. Bei suchtbedingten Unterbringungen nach §64 gilt in der Regel eine Höchstdauer von zwei Jahren (cum grano salis).
Aber bei anderen Unterbringungen im Maßregelvollzug nach §63 gibt es keine Begrenzung der Zeitdauer. Hier soll die Gefährlichkeit im Laufe der Behandlung immer wieder neu eingestuft werden, und bei einem ausreichenden Abklingen der Gefährlichkeit soll die Entlassung erfolgen. Nur tun sich der Sachverständige aus guten Gründen oft schwer, nach ein paar Jahren Maßregelvollzugsunterbringung festzustellen: „Jetzt besteht keine große Gefahr mehr, lasst ihn frei!“ Und das kann im ungünstigen Fall zu unverhältnismäßig langen Unterbringungen führen. Der Fall Mollath hat die Politik darauf zuletzt aufmerksam gemacht.
Aktuell gab es eine Anhörung im Bundestag, die eine Änderung des Unterbringungsgesetzes vorbereitet. Das Original der Änderungen findet ihr hier.
In der Zusammenfassung der Ziele dieser Änderung heißt es:

Der Entwurf sieht eine Konkretisierung der Anordnungsvoraussetzungen in § 63
StGB-E im Sinne einer stärkeren Fokussierung auf gravierende Fälle vor, eine
zeitliche Begrenzung der Unterbringung bei weniger schwerwiegenden Gefahren 
durch eine Konkretisierung der Anforderungen an die Fortdauer der Unterbringung über sechs und zehn Jahre hinaus (§ 67d Absatz 6 StGB-E) und in der Strafprozessordnung (StPO) den Ausbau der prozessualen Sicherungen (§ 463 Absatz 4 und 6 StPO-E), um unverhältnismäßig lange Unterbringungen besser zu
vermeiden.

Die beiden wesentlichen Punkte sind also, dass die Maßregel nur noch bei wirklich erheblichen Straftaten, die dem Opfer einen deutlichen körperlichen oder seelischen Schaden verursachen, angeordnet werden soll, und dass eine Dauer von 6 oder 10 Jahren angepeilt werden kann, deren Überschreitung dann begründungsbedürftig wäre. Es bliebe im Maßregelvollzug so, dass die Gefährlichkeitsprognose weiterhin von Bedeutung für die Dauer der Unterbringung bleibt.

Ich persönlich finde diese Gesetzesnovelle absolut sinnvoll und überfällig. Auch ist sie praxisnah und sorgsam erarbeitet, finde ich. Was haltet ihr davon?

(Quelle: Ärzteblatt, hier.)

Zeitliche Befristung der Unterbringung nach §63 StGB

Eickelborn
Das Foto zeigt einen nicht zu Ende gebauten Zaun der Forensischen Klinik in Eickelborn. Copyright by psychiatrietogo, under a creative commons licence.

Hat jemand eine erhebliche Straftat im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen, verhängt das Gericht keine Haftstrafe (keine Strafe ohne Schuld; keine Schuld bei Schuldunfähigkeit), sondern es weist den psychisch kranken Straftäter in eine forensische Klinik ein.

Liegt hauptsächlich eine Suchtkrankheit vor, insbesondere eine Alkoholabhängigkeit, wird der Täter gemäß §64 StGB verurteilt. Die Dauer der Unterbringung in der forensischen Klinik ist dann auf maximal zwei Jahre begrenzt.

Liegt hauptsächlich eine allgemeinpsychiatrische Krankheit vor, wird der Täter gemäß §63 StGB verurteilt. Die Dauer der Unterbringung ist bei diesem Gesetz nicht begrenzt, sondern wird einmal jährlich durch Begutachtungen und Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer geprüft.

Bei dieser Prüfung wird jedes mal wieder geprüft, ob sich etwas Grundlegendes an der Gefährlichkeit des Täters geändert hat, und ob die Maßregel immer noch erforderlich ist.

Das Problem ist nun, dass es sein kann, dass die Verhältnismäßigkeit von Straftat und Dauer der forensischen Unterbringung mit der Zeit immer weiter auseinander rücken.

Hat beispielsweise ein unzweifelhaft chronifiziert psychotisch Erkrankter jemandem mit der Faust ins Gesicht geschlagen und ihn damit verletzt, kann eine Unterbringung in die Forensik erfolgen, wenn das Gericht davon ausgeht, dass eine weitere Gefährdung für die Allgemeinheit besteht. Es wird dann in regelmäßigen Abständen geprüft, ob sich etwas geändert hat, und ob noch eine Gefahr besteht. Möglicherweise ändert sich bei einem Patienten mit einer chronifizierten Psychose an der Gefährlichkeit nichts Grundsätzliches, und im geschlossenen Rahmen beweisen sich auch keine Fortschritte. Dann kann es passieren, dass die Maßregel über 10 Jahre weiterhin vollstreckt wird, weil Gutachter und Strafvollstreckungskammer von einem Fortbestehen der Gefährlichkeit ausgehen.

Das Problem ist nun, dass der gleiche Täter, wäre er schuldfähig gewesen, wahrscheinlich nach spätestens zwei Jahren aus der Haft entlassen werden würde, unabhängig davon, ob es passieren könnte, dass er noch einmal straffällig werden könnte oder nicht. Die Dauer der Maßregel kann dann irgendwann unverhältnismäßig werden.

Daher gibt es eine zunehmende Anzahl von Stimmen, die befürworten, dass der §63 StGB dahingehend geändert wird, dass das Gericht in einigen, passenden Fällen, von vornherein eine maximale Dauer der Unterbringung im Urteil festlegt. Für andere Fälle könnte dann weiterhin im Urteil festgelegt werden, dass die maximale Dauer der Unterbringung nicht beschränkt wird, sondern regelmäßig geprüft werden muss, wie bislang.

Es gibt offenbar auch im Bundesjustizministerium Überlegungen zur Reform des §63, die in diesem Papier, das sehr lesenswert ist, diskutiert werden. Auch hier wird unter anderem über eine gestaffelte zeitliche Befristung des §63 nachgedacht.

Ich selbst halte so eine Regelung für erforderlich und verantwortbar, um die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Das Gericht hat sonst oft genug erhebliche Schwierigkeiten, zum einen die gebotene forensische Unterbringung anzuordnen, und gleichzeitig sicherzustellen, dass die Dauer der Unterbringung nicht unverhältnismäßig lange sein wird.