Gustl Mollaths später Erfolg

Experten hatten schon seit vielen Jahren darauf hingewiesen, dass die Unterbringung im Maßregelvollzug mit einem sehr viel höheren Risiko einhergeht, unverhältnismäßig lang zu werden, als die Unterbringung in einem normalen Gefängnis. Die Unterbringung im Gefängnis wird immer mit einer zeitlichen Frist verhängt, also zum Beispiel zwei Jahre und drei Monate. Spätestens dann kommt der Gefangene frei. Es gibt wenige Ausnahmen (lebenslange Haft, Sicherungsverwahrung), und es gibt Möglichkeiten, früher entlassen zu werden (Zwei-Drittel-Regelung, Halbstrafe). Aber insgesamt ist die Sache berechenbar und aufgrund des Urteils gibt es eine klare Verknüpfung der Schwere der Tat und der Dauer der Freiheitsstrafe.

Im Maßregelvollzug ist das anders. Bei suchtbedingten Unterbringungen nach §64 gilt in der Regel eine Höchstdauer von zwei Jahren (cum grano salis).
Aber bei anderen Unterbringungen im Maßregelvollzug nach §63 gibt es keine Begrenzung der Zeitdauer. Hier soll die Gefährlichkeit im Laufe der Behandlung immer wieder neu eingestuft werden, und bei einem ausreichenden Abklingen der Gefährlichkeit soll die Entlassung erfolgen. Nur tun sich der Sachverständige aus guten Gründen oft schwer, nach ein paar Jahren Maßregelvollzugsunterbringung festzustellen: „Jetzt besteht keine große Gefahr mehr, lasst ihn frei!“ Und das kann im ungünstigen Fall zu unverhältnismäßig langen Unterbringungen führen. Der Fall Mollath hat die Politik darauf zuletzt aufmerksam gemacht.
Aktuell gab es eine Anhörung im Bundestag, die eine Änderung des Unterbringungsgesetzes vorbereitet. Das Original der Änderungen findet ihr hier.
In der Zusammenfassung der Ziele dieser Änderung heißt es:

Der Entwurf sieht eine Konkretisierung der Anordnungsvoraussetzungen in § 63
StGB-E im Sinne einer stärkeren Fokussierung auf gravierende Fälle vor, eine
zeitliche Begrenzung der Unterbringung bei weniger schwerwiegenden Gefahren 
durch eine Konkretisierung der Anforderungen an die Fortdauer der Unterbringung über sechs und zehn Jahre hinaus (§ 67d Absatz 6 StGB-E) und in der Strafprozessordnung (StPO) den Ausbau der prozessualen Sicherungen (§ 463 Absatz 4 und 6 StPO-E), um unverhältnismäßig lange Unterbringungen besser zu
vermeiden.

Die beiden wesentlichen Punkte sind also, dass die Maßregel nur noch bei wirklich erheblichen Straftaten, die dem Opfer einen deutlichen körperlichen oder seelischen Schaden verursachen, angeordnet werden soll, und dass eine Dauer von 6 oder 10 Jahren angepeilt werden kann, deren Überschreitung dann begründungsbedürftig wäre. Es bliebe im Maßregelvollzug so, dass die Gefährlichkeitsprognose weiterhin von Bedeutung für die Dauer der Unterbringung bleibt.

Ich persönlich finde diese Gesetzesnovelle absolut sinnvoll und überfällig. Auch ist sie praxisnah und sorgsam erarbeitet, finde ich. Was haltet ihr davon?

(Quelle: Ärzteblatt, hier.)

Maßregel vor oder nach oder statt Strafe oder was?

Wenn ein Gericht bei reduzierter Schuldfähigkeit sowohl eine Unterbringung in einer Therapieeinrichtung anordnet als auch eine Freiheitsstrafe im Gefängnis, stellt sich regelmäßig die Frage, in welcher Reihenfolge diese abzuleisten sind.

§67 StGB regelt die Reihenfolge der Vollstreckung: In der Regel wird zuerst die Maßregel, also die Behandlung in der Forensischen Klinik vollstreckt. Nach Gesundung wird dann die Haftstrafe im Anschluß verbüßt. Man kann sich vorstellen, welche demotivierende Kraft von dem Gedanken ausgeht, nach der Unterbringung in der Forensik, wenn die ersten Lockerungen vielleicht schon gut funktioniert haben, noch mal eine Knaststrafe absitzen zu müssen. Aus diesem Grunde erlaubt Absatz 2 des §67 eine Umkehrung der Reihenfolge des Vollzuges, wenn dies dem Zweck der Maßregel dienlich ist. Insbesondere bei Unterbringungen aufgrund einer Sucht zur Entziehung soll das Gericht sogar den Vollzug der Freiheitsstrafe vor der Maßregel anordnen. Diese Regel kann auch für einen Teil der Freiheitsstrafe getroffen werden oder nachträglich entschieden werden. Die Maßregel kann auf die Strafe angerechnet werden, aber nur bis zu zwei Dritteln der Strafzeit (aber der Rest kann ja bei guter Prognose zur Bewährung erlassen werden).

Das heißt, das Gericht hatte hier immer schon ein gewisses Maß an Freiheit, was die Reihenfolge angeht, es konnte durch den Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe verhindern, dass nach der Maßregel noch Knast drohte.

Anders war es bislang bei alten Freiheitsstrafen, die noch ausstanden, wenn in einem zweiten Prozeß eine Maßregel verhängt wurde. Dann konnten die Freiheitsstrafen nur nachher verbüßt werden.

Uwe Vetter berichtet jetzt in seinem immer lesenswerten lawblog von einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das unter Berufung auf die Menschenwürde, die Verhältnismäßigkeit sowie den Zweck der Freiheitsstrafe in einem besonders gelagerten Härtefall urteilte, dass die sich an die Maßregel anschließende Freiheitsstrafe nicht zu vollstrecken war. Sehr gut.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 27. März 2012, Aktenzeichen 2 BvR 2258/09.

Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass private Träger forensische Kliniken betreiben dürfen

Bislang galt die Vorstellung, dass in Forensischen Kliniken so weit die Freiheitsrechte der Untergebrachten eingeschränkt werden, dass dies an Beamte und damit an eine Institution in staatlicher Trägerschaft gebunden ist. Die Richter des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts billigten mit ihrem Urteil vom 18.01.2012, (Az. 2 BvR 133/10) entsprechende Vorschriften des hessischen Gesetzes zum Maßregelvollzug, die eine private Trägerschaft zulassen.. In Hessen sind forensische Kliniken auch in der Hand der privaten Trägergesellschaft der Vitos-Klinik, die seit2007 von einer Gesellschaft privaten Rechts, einer gemeinnützigen GmbH, betrieben wird. Diese wiederum liegt vollständig in der Hand des Landeswohlfahrtsverbandes. Damit sei der Maßregelvollzug weiterhin in öffentlicher Hand, hieß es. Er sei nicht den Interessen des privatwirtschaftlichen Wettbewerbs ausgeliefert, die den Standards der Unterbringung und deren Zielen zuwiderliefen.

Das Urteil hat grundsätzliche Bedeutung auch für die insgesamt 15 Bundesländer, die den Maßregelvollzug teilweise oder vollständig privatisiert haben. 

Dieser Artikel beruht auf einer Nachricht der Legal Tribune Online, die auch einen RSS Feed sowie eine iPhone App hat, die beide über die homepage zugänglich sin.