Testosteron macht egoman

Wir ahnten es ja schon immer, jetzt haben Forscher am University College London um Nick Wright in einer Studie (Original hier) gezeigt, dass Testosteron die Fähigkeit zur Kooperation bremst und so die Ergebnisse in darauf abgestimmten Tests deutlich verschlechtert.

Das Experiment: 17 Paare von je zwei Frauen beurteilten kooperativ eine schwierige Einschätzungsfrage. Auf einem Monitor wurde ein Muster gezeigt, es sollte die richtige Aussage zum Kontrastverhältnis der Bilder gemacht werden. Beide Partner bewerteten die Aufgabe zuerst allein. Wenn sie nicht übereinstimmten, hatten sie den Auftrag, sich zu einigen. Durch diese Kooperation verbesserten die Partnerinnen unter normalen Bedingungen die Qualität des Ergebnissen, es setzte sich öfter die Partnerin durch, die richtig lag.

Die Intervention: In einem doppelblinden, randomisierten cross over design bekam eine Partnerin entweder Testosteron oder Placebo intravenös. Der Grund, warum keine Männer mitmachen durften, war, dass Männer ohnehin schon so viel Testosteron im Blut haben und auf Testosterongaben oft reagieren, indem sie selbst weniger Testosteron produzieren. Unübersichtlich. Bei Frauen, die physiologisch auch immer etwas Testosteron im Blut haben, führt die Gabe von Testosteron zu einem definierten, kurzen Anstieg dieses Hormons im Blut. Übersichtlich und für diese Studie sehr gut geeignet.

Das Ergebnis: Die Frauen, die Testosteron enthalten haben, haben sich sehr viel stärker bei den strittigen Fällen durchgesetzt. Aber eben auch dann, wenn sie falsch lagen. Die virilisierten Damen waren dominanter, durchsetzungsstärker und zeigten weniger Bereitschaft zur Kooperation. Und dadurch wurde das Ergebnis der Beratungen SCHLECHTER als ohne Testosteron.

Das Maß an Kooperation ist hier das Verhältnis aus Entscheidungen, bei denen sich die Versuchsteilnehmerin durchgesetzt hat (egozentische Entscheidung) im Verhältnis zu den Entscheidungen, bei denen sich die andere Partnerin durchgesetzt hat (allozentrische Entscheidung). Wen beide Entscheidungen gleich häufig aufgetreten wären, wäre das Verhältnis 1 gewesen.

Nach Gabe einer Spritze bei einer Versuchsteilnehmerin zeigte sich bereits unter Placebo eine Neigung zu egozentrischen Entscheidungsfindungen, das E(gozentrik) / A(llozentrik) Verhältnis stieg bereits unter Placebo auf 1,3. Schon das ist hochinteressant: Spritz einer Versuchsperson ein Placebo, von dem sie glaubt, es könnte Testosteron sein, und sie setzt sich in nachfolgenden Streit um eine Einschätzung stärker durch!

Unter tatsächlichem Testosteron nahm die Stärke dieser Durchsetzungsfreude aber eben noch signifikant und deutlich zu, das E/A Verhältnis stieg auf 1,6 Die Grafik unten zeigt dies.

Die Beurteilung: Wir wissen von Oxytocin, das auch „Kuschelhormon“ genannt wird, dass es kooperatives Verhalten fördert. Frauen schütten es beim Orgasmus, beim Stillen und beim Kuscheln (doch, wirklich, ehrlich, bei angenehmem Hautkontakt) aus, es fördert Nestschutzverhalten, Harmonie und Friedlichkeit. Es festigt die Paarbindung („Treuehormon“), verstärkt Liebe, Vertrauen und Ruhe. Und noch einmal, es fördert Kooperation. Auch Prolaktin und Vasopressin spielen eine wichtige Rolle bei der Regulation sexueller Paarbeziehungen (Übersicht hier)

Testosteron hat ja ebenfalls bekannte verhaltensbiologische Wirkungen. Bei Tieren steigert es Dominanzverhalten, Aggressivität und  Sexualtrieb. Bei Menschen wird es diesem Klischee nicht ganz so eindeutig gerecht. So förderte die einmalige Gabe von Testosteron beim Menschen die Fairness (Nature Artikel hier). Die Beobachtung bei jungen Sportlern, die sich mit Testosteron dopen, spricht für eine Zunahme von Aggression und Dominanzverhalten. Die hier beschriebene Studie zeigt nun nachdrücklich, dass Testosteron egomanes Verhalten fördert, und zwar so, dass das Ergebnis der Zusammenarbeit schlechter wird als ohne zusätzliches Testosteron. Sie zeigt, dass Kooperation das Ergebnis von Gruppen verbessern kann und dass zu starkes Dominanzverhalten bei bestimmten Aufgaben mehr schadet als nutzt.

Wichtige Hormone, die keiner kennt. Heute: Ghrelin

Ghrelin macht Appetit.

Das Akronym Ghrelin kommt von  Growth Hormone Release Inducing, d. h. Wachstumshormonfreisetzung einleitend. Das Hormon hat zwei Hauptwirkungen. Zum einen induziert es die Freisetzung von Wachstumshormon, daher der Name. Zum anderen spielt es eine wichtige Rolle bei der Regulation von Appetit und Hunger. Ghrelin wird hauptsächlich in der Magenschleimhaut produziert. Es wird produziert, wenn der Organismus hungert, besonders stark also beim Fasten.

Wie Forscher des Max-Planck Instituts München nun herausfanden, setzt allein der Anblick appetitlicher Bilder Ghrelin frei (Schüssler P, Kluge M, Yassouridis A, Dresler M, Uhr M, Steiger A. Ghrelin levels increase after pictures showing food. Obesity (Silver Spring). 12. Januar 2012, doi: 10.1038/oby.2011.385. [Epub ahead of print]). 

Man sollte also während einer Diät nicht unbedingt Bilder von appetitlichen Speisen anschauen, da allein der Anblick einem „das Wasser im Munde zusammen laufen läßt“, oder, neurobiologisch formuliert, den Ghrelin-Spiegel erhöht.   

Ghrelin Infusionen führen bei Mäusen und Menschen zu einer erhöhten Nahrungsaufnahme. Nach dem Essen sinkt der Ghrelin Spiegel wieder. 

In der Psychiatrie hat man beim Prader-Willi-Syndrom mit Ghrelin zu tun. Patienten, die an dieser Krankheit leiden, haben oft einen exzessiv erhöhten Ghrelinspiegel und ebenso oft mit unkontrollierbaren Eßattacken zu tun, da diesen Patienten das Sättigungsgefühl völlig zu fehlen scheint.

Schlafmangel induziert eine erhöhte Ghrelin-Ausschüttung und trägt auf diese Weise vermutlich zur Entwicklung der Adipositas bei. Darüber hinaus wirkt Ghrelin im Mausversuch Angst reduzierend. Eine texanische Studie aus dem Jahr 2008 deutet auf die antidepressive Wirkung von Ghrelin hin, und beleuchtet die Frage, warum chronischer Stress und Depressionen zu Übergewicht führen können.

Damit ist Ghrelin ein Gegenspieler des Leptins. Leptin wird in den Fettzellen produziert und vermittelt ein Sättigungsgefühl. Die Neurobiologie der Regulation von Hunger, Durst und Sättigung wurde in den letzten 10 Jahren wesentlich besser aufgeklärt. Noch gibt es jedoch keine wirklichen therapeutischen Ansatzpunkte. Die größte Hoffnung lag darin, adipösen Menschen das Hormon Leptin zu geben, dass normalerweise ein Gefühl der Sättigung vermittelt. Das war nicht erfolgreich. Adipöse Menschen haben interessanterweise keinen Mangel an Leptin, sondern einen Überschuss, aber wohl so etwas wie eine Leptinresistenz. Forschungen auf diesem Gebiet werden mit großem Interesse verfolgt, da sie große finanzielle Gewinne versprechen.

 

Bild: Wikipaedia, Creative Commons

Die Sache mit den MHC Komplexen, dem Geruch und der sexuellen Selektion

Geruch spielt eine wichtige Rolle bei der Partnerwahl. Das wissen wir alle. Aber welche Mechanismen sind schon aufgeklärt und wissenschaftlich gesichert? Welche Botenstoffe tragen welche Information? Wer selektiert nach welchen Kriterien? Gibt es Gerüche, die alle bevorzugen? Gibt es Gerüche, die zueinander passen? Bevorzugen Menschen immer die gleichen Gerüche?
Auf der Suche nach den schon aufgedeckten Mechanismen, die die Rolle des Geruchs bei der sexuellen Selektion aufklären, stößt man unumstößlich immer wieder auf folgende Arbeit aus dem Jahre 1995 von Claus Wedekind (Seite 1 der Originalarbeit hier). Er hat folgendes beschrieben und herausgefunden:
Ein Vorteil sexueller Reproduktion ist eine zügige Anpassungsfähigkeit an wechselnde immunologische Herausforderungen, etwa Parasiten. Es müsste einen evolutionären Vorteil bringen, wenn Frauen sich Männer aussuchen könnten, die immunologisch anders sind als sie selbst, so dass die Kombination aus beiden immunologischen Charakteristika bei den Nachkommen zu einer höheren Immunkompetenz führt. Ein genetisch sehr variables und zugleich für die Erkennung von fremden Antigenen äusserst wichtiges System ist der Haupthistokompatibilitätskomplex, auch HLA für Human Leucocyte Antigen, auch major histocompatibility complex, kurz MHC). Jeder Mensch kann bezüglich seiner HLA Antigene klassifiziert werden. Sie spielen eine Rolle bei der Immunerkennung und bei Gewebetransplantationen.

Wedekind konnte zeigen, dass der HLA-Typ sowohl den eigenen Körpergeruch als auch die Vorlieben für Körpergerüche anderer beeinflusst. Weiterhin konnte er zeigen, das die Vorliebe von Frauen für bestimmte HLA-Typen von ihrem Hormonstatus abhängig ist.

Das Experiment: Weibliche und männliche Studenten wurden zunächst HLA typisiert. Dann trugen sie zwei Nächte lang weiße Baumwoll-T-Shirts (wir kennen das, die nehmen dann den Geruch auf). Danach wurden die Studentinnen gebeten, die Gerüche der T-Shirts von 6 verschiedenen Studenten als angenehmer oder unangenehmer zu beurteilen. Die Studentinnen bevorzugten dabei T-Shirts von Studenten, die sich in ihrem HLA-Typ von ihrem eigenen HLA-Typ unterschieden (was immunologisch vorteilhaft ist). Der Geruch von HLA-unterschiedlicheren Studenten erinnerte die Studentinnen stärker an frühere oder jetzige Freunde.

Exkurs: Interessanterweise schlug diese Bevorzugung ins Gegenteil um, wenn die Studentinnen orale Kontrazeptiva einnahmen. Orale Kontrazeptiva, also in der Regel Östrogen, signalisiert dem Körper, er sei schwanger. In der Schwangerschaft ist es nicht mehr erforderlich, eine auf Unterschiede ausgerichtete Partnerwahl zu treffen. Andere Studien zeigen, dass Frauen, die keine Östrogene zu sich nehmen, „Männlichere, wildere“ Männer bevorzugen, während Frauen, die Östrogene zu sich nehmen, etwa durch die Pille, beschützendere, verläßlichere Männer bevorzugen, die sich vielleicht etwas besser in der Brutpflege engagieren. Den gleichen Unterschied beobachtet man auch zyklusabhängig: während des Eisprunges werden eher die harten Typen bevorzugt, im Intervall eher die guten daddys.

Der HLA-Typ ist wahrscheinlich nicht der einzige bereits identifizierte Botenstoff, der über den Geruchssinn die Partnerwahl beeinflusst. Aber der erste. Daher habe ich ihn hier vorgestellt. Ich suche nach weiteren (bei meiner bisherigen kurzen Suche habe ich noch keine weiteren gefunden) und werde sie gerne vorstellen.

… und auch Verwandtschaft kann man am Duft erkennen

Aufmerksame Leser dieses Blogs wissen schon, dass Menschen die Persönlichkeitsmerkmale „Offenheit für Neues“, „Neurotizitismus“ sowie die Eigenschaft „Dominanz“ allein aufgrund des Geruches eines Menschen erkennen können (siehe blogpost).
Eine Sudie des Bielefelder Biologen Thobias Krause zeigt nun, dass Zebrafinken ihre Verwandten am Geruch erkennen können: Originalarbeit.

Man hatte Zebrafinken nach der Geburt noch zwei Tage im Nest ihrer eigenen Familie gelassen, dann in ein neutrales Nest umgebettet. Kurz bevor sie flügge wurden, bot man ihnen zwei verschiedene Nester zur Wahl an. Das eine trug den Duft von Verwandten, das andere roch nach Nicht-Verwandten. Die kleinen Zebrafinken bevorzugten das Nest der Verwandten.

Wissenschaftlich neu daran ist eigentlich nur, dass auch Vögel das können, für Säugetiere und den Menschen war das schon bekannt. Aber es ruft uns in Erinnerung, wieviele wichtige Informationen wir über den Geruch wahrnehmen, und ich verspreche, bald noch etwas zum Thema Partnerwahl und Geruch beizutragen…

Sport Hormon Irisin beim Menschen entdeckt

In der aktuellen Ausgabe der nature wird eine bahnbrechende Entdeckung auf dem Gebiet der Stoffwechselregulation berichtet. Forscher am Bostoner Dana-Farber Cancer Institute berichten, dass sie bei Menschen und identisch bei Mäusen ein neues Hormon identifizieren konnten, dass sie nach der griechischen Götterbotin Iris Irisin genannt haben. Irisin wird in den Muskelzellen bei körperlicher Aktivität gebildet. Es signalisiert den Fettzellen, vom Programm „Energiespeichern“ auf das Programm „Energieverbrennen“ umzustellen. Es bewirkt dies, indem es dazu führt, dass normale weiße Fettzellen sich in braune Fettzellen umwandeln. Bis vor einiger Zeit dachte man, dass braune Fettzellen nur bei Säuglingen und Babys vorhanden seien, tatsächlich haben aber auch Erwachsene diese Variante der Fettzellen, die zu einer schnellen Fettverbrennung in der Lage ist.

Bei Mäusen, deren Irisin Produktion erhöht wurde, verbesserten sich bereits nach 10 Tagen Blutzucker- und Insulinwerte. Das Körpergewicht ging etwas zurück. Die möglichen therapeutischen Konsequenzen insbesondere in der Behandlung des metabolischen Syndromes sind noch nicht abzusehen, die beteiligten Forscher haben aber für alle Fälle schon mal ein spin-off gegründet, das sich der Vermarktung des Hormones widmen soll. Alle Botenstoffe, die Hoffnungsträger sind, der Adipositas entgegentreten zu können, zuletzt Leptin, gelten in den USA zurecht sofort als potentieller Milliardenmarkt. Die Zusammenfassung des nature Artikels mit einigen Grafiken findet sich hier.