Geschichte
1989 patentierte Lundbeck das Citalopram, das seither in vielen Ländern zum mit Abstand häufigst verordneten Antidepressivum geworden ist, darunter auch Deutschland. Nachdem das Patent für Citalopram ausgelaufen war, patentierte Lundbeck das S-Enantiomer des Citaloprams, das Escitalopram (siehe Kapitel Pharmakologie). Inzwischen ist auch dieses patentfrei. Escitalopram wird zu einem nur noch geringfügig höheren Preis vertrieben als Citalopram, so dass in letzter Zeit zunehmend viele Ärzte in ihrem Verschreibungsverhalten Citalopram durch das möglicherweise besser verträgliche Escitalopram ersetzen.
Pharmakologie
Citalopram besteht aus zwei Enantiomeren. Enantiomere verhalten sich wie die linke Hand zur rechten Hand. Leg einmal deine linke Hand auf deine rechte Hand, so dass die Finger übereinander liegen. Du siehst, dass sie nicht deckungsgleich sind. Der Daumen der linken Hand liegt über dem kleinen Finger der rechten Hand und der kleine Finger der linken Hand liegt über dem Daumen der rechten Hand. Die beiden Hände sind nicht gleich. Sie sind nur spiegelbildlich. Genau so kommen die meisten Moleküle in der Natur vor. Häufig hat nur eine der beiden Varianten eine chemische Wirkung. Stellen dir einen Rezeptor diesbezüglich wie einen Handschuh vor. In einen linken Handschuh passt auch nur eine linke Hand. Genau so verhält es sich mit den beiden Molekülen, die im Citalopram enthalten sind. Citalopram ist eine Mischung aus gleichen Teilen S-(+)-citalopram und R-(-)-citalopram. Das wirksame Enantiomer ist das S-(+)-citalopram, getauft auf den handlicheren Namen Escitalopram. Nur dieses entfaltet die gewünschten Wirkungen (Zitiert aus: Dreher, J. (2014). Psychopharmakotherapie griffbereit. Schattauer Verlag.)
In 20 mg Citalopram sind 10 mg S-Citalopram (=Escitalopram) und 10 mg des wirkungslosen R-Citalopram enthalten. Aus diesem Grunde entsprechen 20 mg Citalopram immer 10 mg Escitalopram.
Klinischer Einsatz
Citalopram hat in den letzten Jahren ein breites Anwendungsgebiet in der Therapie von Depressionen, Angststörungen, Zwangsstörungen und somatoformen Störungen erobert. Es ist in aller Regel gut verträglich und stark wirksam. In den letzten Jahren ist allerdings die Erkenntnis hinzugekommen, dass Citalopram, vor allem in höheren Dosierungen, zu einer Verlängerung der QTc-Zeit führen kann, was im Einzelfall zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen führen kann. Daher findet sich in der Fachinformation zu Citalopram eine Begrenzung der Höchstdosis und die Empfehlung von regelmäßigen EKG-Kontrollen.
Eine Zeit lang galt Escitalopram in dieser Hinsicht als verträglicher, was darauf zurück geführt wurde, dass R-Enantiomer des Citaloprams im Escitalopram ja eben nicht enthalten ist. Es ist aber unklar, ob nur das S-Citalopram Nebenwirkungen verursacht, ob sowohl das S-Citalopram als auch das R-Citalopram zu gleichen Teilen Nebenwirkungen verursacht, oder ob sogar nur das R-Citalopram Nebenwirkungen verursacht.
In der Hoffnung, dass zumindest ein Teil der Nebenwirkungen auf das R-Citalopram verursacht wird, verordneten daher zunehmend viele Ärzte Escitalopram anstelle des Citaloprams. Dieser Trend setzt sich fort, da inzwischen auch Escitalopram als Generikum verfügbar ist und die Preise sich daher denen des Citaloprams angleichen.
Inzwischen finden sich allerdings auch in der Fachinfo von Escitalopram die gleichen Warnhinweise wie in der für Citalopram, namentlich wird dort auch erwähnt, dass Escitalopram eine dosisabhängige Verlängerung des QTc-Intervalls verursachen kann.
Preise
100 Tabletten Citalopram 20 mg kosten gegenwärtig etwa 17 €. 100 Tabletten Escitalopram 10 mg (die gleich wirkstark sind, sie Kapitel Pharmakologie), kosten etwa 23 €.
Dosierung
Escitalopram wird immer in der halben Dosis des Citaloprams verordnet, 10 mg Escitalopram entsprechen 20 mg Citalopram.
Man verordnet bei Patienten bis zum 65. Lebensjahr 10-20 mg Escitalopram, bei Patienten ab dem 66. Lebensjahr 5-10 mg Escitalopram.
Nebenwirkungen
Escitalopram kann wie alle SSRI zu Übelkeit und gastrointestinalen Beschwerden führen. Auch können Unruhezustände mit Symptomen wie Nervosität, Zittern und Unrast auftreten. Oft gehen diese Nebenwirkungen nach einigen Tagen der Behandlung wieder weg.
Wie bei allen SSRI kann es nach dem Absetzen des Medikamentes – vor allem nach plötzlichem Absetzen – zu unangenehmen Absetzerscheinungen kommen. Diese äußern sich häufig in sogenannten „brain-zaps“, unangenehmen elektrisierenden Mißempfindungen vor allem am Kopf, aber auch Schwindel, Schlaflosigkeit, Schwitzen, Unruhe und anderen Symptomen. Diese klingen in der Regel etwa zwei Wochen nach dem Absetzen des Präparates ab, können im Einzelfall aber auch länger anhalten.
Mein persönliches Fazit
Ich selbst vermute, dass die Nebenwirkungen des Citaloprams, insbesondere die dosisabhängige QTc-Zeit-Verlängerung, vom wirksamen Enantiomer des Citaloprams, dem Escitalopram verursacht werden. Anhand einer Untersuchung nachweisen kann ich das aber nicht. Insofern ergibt sich kein wesentlicher Vorteil von Escitalopram. Die Preise haben sich aber inzwischen sehr weit angenähert, 100 Tabletten Escitalopram 10 mg kosten nur noch 6 € mehr als 100 Tabletten Citalopram 20 mg. Der bisher relevante wesentliche Nachteil des Escitaloprams ist damit weitgehend weggefallen.
Es bleibt aber ein Vorteil des Escitaloprams bestehen: Wenn man halb so viele potentiell nebenwirkungsreiche Moleküle eines Medikamentes geben kann, ist dies einfach besser, als wenn man doppelt so viele Moleküle gibt. Man soll, wenn man medikamentös behandelt, so milde und so gezielt wie irgend möglich in den Transmitter-Stoffwechsel des Menschen eingreifen. Daher präferiere ich in letzter Zeit Escitalopram gegenüber Citalopram.
Eure Meinung
Wie geht ihr mit diesen beiden Substanzen um? Bevorzugt ihr weiterhin Citalopram? Wechselt ihr jetzt, wo der Preisunterschied geringer wird, auf Escitalopram? Wie seht ihr die Unterschiede zwischen den beiden Medikamenten? Schreibt eure Einschätzung in die Kommentare!
Copyright
Dieser Beitrag ist ein Auszug beziehungsweise eine auszugsweise Vorabveröffentlichung des Werks „Psychopharmakotherapie griffbereit“ von Dr. Jan Dreher, © Georg Thieme Verlag KG. Die ausschließlichen Nutzungsrechte liegen beim Verlag. Bitte wenden Sie sich an permissions@thieme.de, sofern Sie den Beitrag weiterverwenden möchten.
Ich frage mich gerade, wenn das R-Teilchen unwirksam ist, kann es dann überhaupt Nebenwirkungen verursachen? Nebenwirkungen sind ja letztendlich auch Wirkungen nur eben nicht erwünscht.
Gruß
Annie
Ein sehr gutes Medikament! Meiner Ansicht nach das beste SSRI momentan. Wenig Nebenwirkungen und auch schon in Dosierungen von 5 mg/d teilweise überraschend wirksam. Speziell bei Angststörung mit Schlaflosigkeit als Mittel der ersten Wahl (noch vor Venlafaxin, meiner Ansicht nach ist die zusätzlich noradrenerge Komponente meist zu Anfang der Therapie eher ein Nachteil). Bei zu wenig Ansprechen (speziell bei Schlaflosigkeit) mit 50-150 mg Trittico retard (trazodon) kombinieren. Meist kann das Trittico dann nach einigen Wochen bis Monaten langsam abgesetzt werden. Die QTc-Problematik sollte meiner Meinung nach ernstgenommen werden! Ich meine auch für kardial unauffällige Patienten gehört sich minimal ein Initiales EKG (als Ausgangspunkt) und dann erneut nach der Einstellungsphase.
übrigens tolle Seite, macht weiter so!
Gruss
paul
Mm. Nehme zur zeit 45 mg Escitalopram, weil ich 20 mg einfach viel zu wenig finde. Mit 20 mg hab ich Angst , unruhe und zwangsstörung nicht im Griff. In Studien wurden bis 50 mg getestet und gut vertragen.
On Studien War ebenso das QTC Intervall unter Citalopram deutlich höher während es bei Escitalopram wesentlich niedriger War. Was das mit persönlichem Glauben zu tun hat , weiß ich nicht. Das kann man messen.
Ebenso wurden citalopram mehr Antihistaminika Hemmung nachgewiesen. Mich persönlich macht es mehr müde. Es gibt eigentlich tonnenweise Literatur hierzu wo man die Unterschiede nachlesen kann. Da ist Glauben unangebracht.
Unruhe verursacht escitalopram eher am Anfang und in niedriger Dosis. Danach macht es eher träge und müde , hilft aber sehr gut gegen Unruhe und Angst. Citalopram macht noch viel müder und noch mehr Appetit.
All das lässt sich aber auch in verschiedenen Vergleichen nachlesen.
http://www.crazymeds.us
http://www.emedsexpert.com
Und diverse Studien
Finde es immer schade , dass psychiater sich so wenig auskennen.
Richtig ist http://www.emedexpert.com
Die hier beschriebene – und logische- Verordnungstheorie unterscheidet sich stark von den praktischen Erfahrungen die ich gemacht habe. Als ich auf das S-Enantiomer umgestellt wurde, wurde zB die Dosis beibehalten. Diese lag vorher wie nachher immer deutlich über 20mg. Auch EKG Kontrollen gab es zu keinem Zeitpunkt – und ich habe das Medikament zw. meinem 16. und 20. LJ durchgängig genommen und auf Grund mehrerer Wohnortwechsel von verschiedenen Ärzten verschrieben bekommen.
Wie gut anxiolytisch dieses SSRI wirkt, habe ich erst nach spontanem Absetzen erlebt. Ich hatte nie pathologische Ängste, habe (Es-)Citalopram auch primär gegen Depressionen genommen. Aber als ich das Medikament dann nicht mehr nahm, entwickelte ich im Alltag Ängste, die mir vorher nie aufgefallen, oder eben durch den Wirkstoff gut kontrolliert gewesen, waren.
Insgesamt fand ich es gut vertraglich. Wie bei anderen Antidepressiva empfand ich jedoch auch untrr (Es-)Citalopram die „gute Stimmung“ als irgendwie künstlich. Sie verhielt sich zum gesunden Zustand wie der Geschmack Süßstoff zu dem von Zucker.
Ja. Vielen Ärzten muss man bezüglich EKG und blutwerte regelmäßig hinterher rennen und sie immer erinnern. Teilweise hat man sogar das gefühl , dass sie sich mit den Wirkstoffen kaum auskennen. Da wird oft einfach nur ausprobiert , da nur wenige Ärzte die Unterschiede der Medikamente zu kennen scheinen. Bei der geringen Zeit , die man pro Termin hat ist es sowieso fast unmöglich , dass sich der Arzt ein umfassendes Bild macht.
Mir gab man 10 Jahre Fluoxetin gegen zwangsstörung und ignorierte stets dass ich über unruhe und Angst klagte. Dabei steht es sogar in der packungsbeilage , dass Fluoxetin das verstärkt . Irgendwann informierte ich mich dann selber und musste den Ärzten sagen , dass wohl escitalopram besser wäre. Ich hab mir mittlerweile angewöhnt , mich stets selbst zu informieren , weil man leider oft merkt , dass das wissen von Ärzten Grenzen kennt. Ist unterschiedlich , aber erlebe und höre nicht selten davon.
Und irgendwie scheint auch die Werbung der Pharmaindustrie bei einigen Ärzten zu wirken. Viele der neuen Präparate sind in so einigen Fällen eine sehr teure aber nicht unbedingt immer die beste Wahl.
Ich nehme derzeit 40mg und merke nichts. Bei einem Bluttest und einer Dosierung von 20mg hatte ich einen Konzentration von 8 (mol?). Mein Körper baut das Zeug anscheinend zu stark ab. Das komische ist, dass ich in den ersten 2 Wochen mit einer 5mg Dosierung eine extrem positive Veränderung feststellte, die mittlerweile völlig verflogen ist.
Ist die QTc Erhöhung nicht eine Nebenwirkung von Serotonin und Histamin? Bei den anderen SSRI weniger ausgeprägt,da diese zusätzlich teilweise auf Noradrenalin oder Dopamin wirken und somit den Puls pushen. Serotonin senkt den Puls ja eher.
Citalopram wirkt im Gegensatz zu Escitalopram noch auf Histamin H1, Anti noradrenerg und wird leicht über CYP2D6 metabolisiert. Außerdem bindet es leicht anders an Serotonin.
Ich persönlich habe bei bisher ungefähr 200 früheren Patienten die ich zuerst mit Citalopram und bei zu starken nicht vital akut bedrohlichen NW oder mangelnder Wirkung, bei gut 2\3 diese Probleme durch umstellen auf Sertralin bzw. Mirtazapin , sowie bei einem kleinen Teil auf moclobemid beheben oder ausreichend vermindern können. Das andere Drittel hatte dagegen nach einem Wechsel zu escitalopram signifikant weniger NW bzw. Beschwerden ( !!!: 1 Suizid nach Wechsel von Citalopram auf Escitalopram, -ambulant!!!!! :/)
Zudem ist es sehr oft möglich escitalopram ohne kardiale u. Gastroinale NW bei Nicht ausreichender Symptomsupression auf 30 mg aufzudosieren, was der früheren Citalopram maximal Dosis entsprach.
Anhängend noch ein paar persönliche Denkansichten :
Ich habe persönlich die grundsätzliche Ansicht ( alles pharmazeutische Profil einzelner Substanzen, sowie ökonomische Sachverhalte bitte kurz einfach mal außen vor lassen), das es „der Logic nach“ gesünder für den Organismus ist, bei einem Medikament wie z.B. Citalopram, nur die Hälfte des chemischen Stoffes, als eigentlich die üblichen Mengen für die selbe neurochemische modulierung zuzuführen und eine chemische Substanz, die nach dem aktuellen Wissensstand, nicht annähernde Signifikante Anteile an dem Wirkungsgrad besitzt, aber auf jeden Fall nicht die Belastung für den Körper, bei der Elimination vermindert….:o…verzichtbar ist, und dadurch die bessere Verordnung darstellen würde……
Guten Tag!
Hat jemand Erfahrungen mit Schlafstörungen (vor allem nächtliches Erwachen, Tagesmüdigkeit) unter Escitalopram gemacht?
@ Hagendorf:
Nehme seit 2009 Escitalopram, anfangs über’s Frühjahr aus- und im Herbst wieder eingeschlichen.
Seit 2013 nehme ich es ganzjährig. Früherwachen erlebte (und erlebe) ich durchgängig.
7-10x im Jahr greife ich auf 1/2 Zopiclon zurück, um bei tieferer Erschöpfung mal 7-8 Stunden
durchzuschlafen.
Etwa 2-4 Stunden (es variiert) nach der Einnahme von Escitalopram bin ich so müde, dass ich mich ausruhen muss. Oft schalfe ich dann auch eine Stunde oder mehr. Das bringt meinen Tagesrythmus ziemlich durcheinander und erschwert die Leistungsfähigkeit im Job. Daher meine Frage: Kann man das eigentlich antriebssteigernde SSRI auch abends nehmen? Hat jemand Erfahrung damit? Mein Arzt ist was eine abendliche Einnahme betrifft eher dagegen. Berechtigterweise oder ist sitzt er da einem weit verbreiteten Irrtum auf, dass antriebssteigernde Antidepressiva nicht am Abend eingenommen werden dürfen?
Danke für Eurer Feedback!