Die Rezeptorbindungsprofile der Neuroleptika

Zusammenstellung Übersicht Neuroleptika Rezeptorprofile.jpg

Rezeptorbindungsprofile sind so etwa wie das „Persönlichkeitsprofil“ der Medikamente. Sie bestimmen im Wesentlichen die Wirkungen sowie die unerwünschten Wirkungen jedes einzelnen Medikamentes.

Das Rezeptorbindungsprofil eines Neuroleptikums sagt aus, wie stark dieses Medikament an welche Rezeptoren bindet; welche Affinität es zu den jeweiligen Rezeptortypen hat. Daraus kann man sich die pharmakologischen und klinischen Eigenschaften des Medikamentes im Wesentlichen erschließen. Die folgende Tabelle zeigt wichtige rezeptorblockadebedingte Wirkungen:

(Modifiziert nach Hiemke und Stahl, 2013)

Es gibt darüber hinaus noch vereinzelt weitere Nebenwirkungen, die sich nicht aus der Blockade eines Rezeptors erklären. Ein Beispiel hierfür ist die blutbildschädigende Wirkung des Clozapins, die eine allergische Reaktion ist.

Wenn man sich selbst ein Bild davon machen möchte, was man von einem Medikament zu erwarten hat, sind die Rezeptorbindungsprofile sicherlich der beste Einstieg. Die Übersichtsgrafik zeigt die häufigsten Neuroleptika sowie zum Vergleich das alte Chlorpromazin. Die Grafiken sind so zu lesen, dass die „Dicke“ einer Scheibe anzeigt, wie stark das Medikament den entsprechenden Rezeptor blockiert. Bewirkt ein Medikament an einem bestimmten Rezeptor keine Blockade, ist keine entsprechende Scheibe eingezeichnet. Bei den einzelnen Substanzen sind die typischen Wirkungen und Nebenwirkungen der jeweiligen Rezeptorblockade als Textanmerkung gleich mit eingezeichnet.

Die blauen Blöcke stehen für die Dopaminrezeptoren D1-D4. Die grauen Blöcke stehen für die Serotoninrezeptoren 5HT1-7, wobei der erste Block für einen 5HT1A-Partialagonismus steht. Alpha1 und Alpha2 repräsentieren die Alpha 1 und Alpha 2-Adrenorezeptoren. Es folgen der H1=Histamin-H1 und die M1/M3=muskarinischen Acetylcholinrezeptoren. DAT ist der Dopamin-Transporter, NAT der Noradrenalin-Transporter und SERT der Serotonin-Transporter.

Vorstellung der wichtigsten Neuroleptika mit ihrem jeweiligen Rezeptorbindungsprofil

Haloperidol

Haloperidol ist der Klassiker eines typischen Neuroleptikums. Es blockiert stark die Dopamin-D2-Rezeptoren, was zu einer sicheren antipsychotischen Wirkung, aber in höheren Dosierungen auch zu EPMS und Hyperprolaktinämie führt. Ein Teil der vegetativen Nebenwirkungen und ein Teil der Sedierung sind auf die Blockade der Alpha-1-Adrenozeptoren zurückzuführen.

Amisulprid

Amisulprid ist ein lupenreiner Dopamin-Rezeptor-Antagonist. Das erklärt seine gute antipsychotische Wirkung. In höheren Dosierungen verursacht es EPMS und Hyperprolaktinämie. Es hat praktisch keine sedierenden oder anderen vegetativen Nebenwirkungen, da es praktisch keine anderen Rezeptoren blockiert.

Risperidon

Risperidon blockiert zum einen wie ein typisches Neuroleptikum in relevantem Ausmaß die Dopamin-D2-Rezeptoren, und zum anderen wie viele atypische Neuroleptika den Serotonin-5HT2A-Rezeptor. Es verursacht nur in geringem Maße Gewichtszunahme und Müdigkeit, entsprechend seiner nur geringen, aber vorhandenen Aktivität am Histamin H1-Rezeptor.

Ziprasidon

Ziprasidon entspricht ganz dem Profil eines atypischen Neuroleptikums. Es blockiert zwar auch den D2-Rezeptor, hat seinen Schwerpunkt aber eher auf 5HT2A. Interessant ist die Noradrenalin- und Serotonin-Wiederaufnahmehemmung, die eine milde antidepressive und angstlösende Wirkung plausibel macht.

Aripiprazol

Im Falle des Aripiprazols muss man wissen, das die Affinität dieses Medikamentes zum Dopamin-D2-Rezeptor nicht nur antagonistische, sondern auch partiell agonistische Wirkungen hat. Dies relativiert einige der D2-bezogenen Nebenwirkungen, so verursacht Aripiprazol tatsächlich weniger EPMS, als dem Ausmaß der D2-Affinität in diesem Schaubild entsprechen würde. Man erhofft sich vom partiellen Dopamin-D2-Agonismus auch eine positive Wirkung auf Antrieb, Stimmung und kognitive Fähigkeiten.

Clozapin

Clozapin hat ein ganz spezielles Rezeptorbindungsprofil. Der hohe Anteil der Dopamin-D4-Blockade wird mit seiner guten antipsychotischen Wirkung bei wenig EPMS in Verbindung gebracht. Und die Affinität von Clozapin zu den Dopamin-D2-Rezeptoren ist ja vergleichsweise niedrig. Betrachtet man jedoch den oberen Teil der Grafik, weiß man, warum Clozapin so ausgeprägte Nebenwirkungen verursacht. Insbesondere Müdigkeit und Gewichtszunahme (H1) wirken sich klinisch stark aus. Der erhöhte Speichelfluß unter Clozapin ist auf eine reduzierte Schluckfähigkeit zurück zu führen; die durch die Blockade des Acetylcholin-M1-Rezeptors verursachte Mundtrockenheit wiegt diese Schluckstörung nicht auf.

Olanzapin

Olanzapin hat aus der Sicht des Rezeptorbindungsprofils viel Ähnlichkeit mit Clozapin. Interessant ist auch hier, dass Dopamin-D4-Rezeptoren fast so stark blockiert werden wie Dopamin-D2-Rezeptoren, was für eine gute antipsychotische Wirkung bei wenig EPMS spricht. Allerdings blockiert Olanzapin ebenfall stark den Histamin-H1-Rezeptor, was die Sedierung und Gewichtszunahme erklärt.

Quetiapin

Der Blick auf das Rezeptorbindungsprofil von Quetiapin zeigt ein solides mittelpotentes Neuroleptikum mit einer recht ausgeprägten Sedierung (Alpha1, H1, M1, M3) und einer milden antipsychotischen Wirkung (D2, 5HT2A).

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Ihr dürft diese Darstellungen gerne unter Nennung der Quelle http://www.psychiatrietogo.de weiterverwenden und auch weiter verbessern. Dann schickt mir doch gerne einen Link auf eure Version. Ich bin gespannt auf eure Kommentare!

19 Gedanken zu “Die Rezeptorbindungsprofile der Neuroleptika

  1. Alice 10. November 2017 / 19:16

    Wow danke für die tollen Erklärungen. Ich versuche gerade vom Quetiapin weg zu kommen und muss ggf an eine Alternative denken. Somit kann ich mit meiner Ärztin besser und bewusster darüber diskutieren, vielen Dank dafür. Herzlichst Alice

  2. Mario Koller 12. November 2017 / 16:06

    Wer hat wohl diese Listen erstellt?Haben die Leute den Menschen ins Gehirn geschaut?Wie kann man so einen Sch…behaupten?Alle die hier aufgeführten GIFTE sollten die Ärzte mal selber fressen!!!!

    • Oliver S. 12. November 2017 / 20:20

      Mir haben diese „GIFTE“ mein Leben gerettet und vielen anderen auch.

      • Ella 14. November 2017 / 18:41

        Danke, Oliver S. Mir geht es genauso: Wenn ich in eine Krise rutsche, geht’s bei mir meist um Leben oder Tod. Da sind diese „Gifte“ ein Segen. Ja, sie haben auch mir schon das Leben gerettet. Jetzt habe ich seit einer längeren Zeit die Kombination, mit der ich krisenfrei leben kann, und ich empfinde das als sehr wohltuend. Klar habe ich Nebenwirkungen, aber die sind nicht so schlimm wie die Erkrankung selbst. Danke auch an Herrn Dreher, die Übersicht der Wirkprofile in dieser Darstellung gefällt mir gut. So detailliert habe ich das bisher noch nicht erklärt bekommen, was wo wie genau wirkt. Das erklärt einiges.

  3. shgmobbinggraz 16. November 2017 / 23:02

    Vielen Dank für die geniale Übersicht!

  4. Google-Hupf 25. November 2017 / 05:37

    Bei Amisulprid könnte man noch in den Kommentar schreiben, dass es ähnlich wie das Sulpirid, von dem es abgeleitet ist, in niedrigen Dosierungen als Agonist statt als Antagonist wirkt. Wenn diese „Nebenwirkung“ nicht wäre, könnte man es als fast schon ideales Mittel ansehen, aber wie gesagt, dem ist leider nicht so, man muss eine gewisse Dosierung einhalten und mit dieser kommen dann auch die (dosisabhängigen) Nebenwirkungen.

  5. Anne-Marie 30. November 2017 / 11:56

    Könnten Sie bitte eine genaue, auffindbare Quellenangabe machen? Das würde mir sehr dabei helfen, die Daten zu überprüfen, die hinter den schönen Grafiken stecken.

    • Google-Hupf 4. Dezember 2017 / 08:28

      In der englischsprachigen Wikipedia findest du die Affinität der Neuroleptika zu den unterschiedlichen Botenstoffsystemen, einfach den Wirkstoff aufrufen und den entsprechenden Kasten lesen.

  6. Markus 30. November 2017 / 18:37

    Wirklich eine sehr gute Übersicht! Gibt es sowas ähnliches evtl. auch irgendwo für die gängigsten Antidepressiva (Trizyklika wie Amitriptylin, SSRIs wie Citalopram, Fluoxetin, …)? Das würde mich sehr interessieren! Ggf. auch tabellarisch in einschlägiger Fachliteratur? Danke im Voraus, falls jemand etwas kennt… Ich habe zwar hier und da etwas „ergoogeln“ können, aber meistens leider nur relativ unvollständige und z. T. widersprüchliche Angaben gefunden.

  7. Thomas Gerk 5. Dezember 2017 / 22:06

    Oh je ich nehme schon lange Seroquel Quentiapin ein und egal ob Diät oder weniger essen ich bleibe bei 10 bis 20 kilo übergewicht und habe ein starkes verlangen nach Süßem Fressflashs auch genannt mit 800mg Retardiert und Abends 100mg Unretard. Ich versuche jetzt alles weg zu lassen mein Körper ist mir wichtiger als meine Psyche die wiederum am Körper hängt was für ein Scheiß Kreislauf mit diesen Nebenwirkungen…

    • Susanne Meyer 21. Dezember 2017 / 05:33

      Das mit der Gewichtszunahme war bei mir echt das kleinere Problem von Quetiapin.

      Quetiapin hat bei mir dazu geführt, dass ich fast keine Einfälle mehr hatte und
      außerdem hatte es auch eine Freudlosigkeits-Nebenwirkung.

      Da war das mit dem Gewicht echt Nebensache…..

  8. Klaus 7. Dezember 2017 / 12:26

    Wie ist das Profil von Cariprazin?

  9. Silvia K. 21. April 2021 / 00:30

    Blockade am 5 HT1A-Rezeptor soll (gemäss Graphik) u. a. angstlösend sein. Doch aus einem anderweitigen Text geht hervor, dass 5 HT1A-Rezeptor-Knockout-Mäuse u. a. ein ängstlicher Verhalten zegten. Zudem linderte eine partielle Aktivierung am 5 HT1A-Rezeptoren die Ängste. Kann mir jemand diesen Widerspruch (bgl. Aktivierung oder Blockade des 5HT1A-Rezeptors bzw. dass beides (Aktivierung u. Blockade) Ängste löst) erklären?

  10. Patient83 13. Juli 2022 / 17:21

    Leider fehlt das Rezeptorbindungsprofil von Asenapin,
    wäre toll, wenn dies noch ergänzt würde

    Eine Einzelartikelvorstellung darüber wäre natürlich auch Klasse

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