Cariprazin (Reagila®)

Es hat in Deutschland in den letzten 15 Jahren keine Neuzulassung eines Neuroleptikums mehr gegeben, lediglich neue Applikationsformen bereits bekannter Substanzen sind auf den Markt gekommen.

Mit Cariprazin ist nun endlich ein neues Medikament zugelassen, das auch tatsächliche einen etwas anderes Wirkprofil hat als bisherige Neuroleptika. Es ähnelt noch am ehesten dem Aripiprazol, das ein partieller Antagonist am D2-Rezeptor ist. Aber Cariprazin hat diese partiell antagonistische Wirkung noch mehr am D3- als am D2 Rezeptor. Da der D3-Rezeptor weniger stark mit EPMS assoziiert ist, ist es vorstellbar, dass Cariprazin nebenwirkungsärmer und möglicherweise anders oder besser wirksam ist als ähnliche Neuroleptika.

Geschichte

Cariprazin wurde 2015 in den USA unter dem Handelsnamen Vraylar® eingeführt. Dort ist es für die Indikationen Schizophrenie und Bipolare Störung zugelassen. Seit Mitte April 2018 wird es in Deutschland von Recordati Pharma unter dem Handelsnamen Reagila®- vertrieben (Webseite des Herstellers zu Reagila®). Inzwischen hat das IQWiG einen Zusatznutzen beschrieben und auch der GB-A hat in seiner Sitzung vom 4.10.18 einen Zusatznutzen für Patienten mit Schizophrenie und überwiegender Negativsymptomatik in Langzeitbehandlung festgestellt (Beschluss hier). Es wurde ein Preis vereinbart, der nun den langfristigen Vertrieb des Medikamentes möglich macht.

Pharmakologie

Resorption: Cariprazin wird nach oraler Aufnahme gut resorbiert. Es ist nicht erforderlich, es zu einer Mahlzeit einzunehmen.

Metabolisierung: Cariprazin wird in der Leber überwiegend von CYP3A4 und in geringerem Maße von CYP2D6 metabolisiert. Cariprazin hat eine sehr lange Halbwertszeit, der steady state wird erst nach etwa drei Wochen erreicht. Daher machen sich Dosisänderungen sowohl in Bezug auf die gewünschte Wirkung als auch auf mögliche Nebenwirkungen erst nach einigen Wochen bemerkbar.

Wirkungsweise: In der Fachinformation heißt es hierzu:

Der Wirkmechanismus von Cariprazin ist nicht vollständig bekannt. Der therapeutische Effekt von Cariprazin wird jedoch möglicherweise über eine Kombination aus einer partialagonistischen Aktivität an den Dopamin-D 3 -, Dopamin-D 2 – (Ki-Werte von 0,085 – 0,3 nM bzw. 0,49 – 0,71 nM) und Serotonin–5-HT 1A -Rezeptoren (Ki-Werte von 1,4 – 2,6 nM) und einer antagonistischen Aktivität an den Serotonin–5-HT 2B -, Serotonin–5-HT 2A – und Histamin-H 1 -Rezeptoren (Ki-Werte von 0,58 – 1,1 nM, 18,8 nM und 23,3 nM) vermittelt. Cariprazin weist eine niedrige Affinität zu den Serotonin–5-HT 2C Rezeptoren und den α1-Adrenozeptoren auf (Ki-Werte von 134 nM und 155 nM). Cariprazin besitzt keine nennenswerte Affinität zu cholinergen Muskarinrezeptoren (IC 50 > 1.000 nM).

Cariprazin Rezeptorbindungsprofil.png

Diese selbst erstellte Grafik vereinfacht stark. Sie stellt den Kehrwert der gemittelten Ki-Werte der einzelnen Rezeptorbindungen dar. So weit so gut. Aber Cariprazin ist ein partieller Agonist und ein partieller Antagonist sowohl am D2 als auch am D3-Rezeptor. Diesen Aspekt stellt die Grafik gar nicht dar. Dennoch vermittelt sie einen Eindruck, bei welchen Rezeptoren die Musik spielt und in welchem Verhältnis die Rezeptorwirkungen zueinander stehen.

Die tatsächliche pharmakologische Wirkung von Cariprazin ist komplex, zumal sie sich je nach Dosis, Gehirngebiet und vielen anderen Faktoren unterscheidet. Das Profil, mehr Wirkung auf den D3-Rezeptor als auf den D2-Rezeptor zu entfalten, ist interessant, da Blockierungen am D2-Rezeptor stärker mit EPMS assoziiert sind als Blockierungen am D3-Rezeptor.

Klinischer Einsatz

Cariprazin ist in Deutschland zugelassen zur Behandlung der Schizophrenie bei Erwachsenen.

Dosierung

Die empfohlene Anfangsdosis von Cariprazin beträgt 1,5 mg einmal täglich. Anschließend kann die Dosis, sofern erforderlich, langsam in 1,5-mg-Schritten bis zur Maximaldosis von 6 mg/Tag gesteigert werden.

Preis

Nebenwirkungen

Cariprazin kann dosisabhängig EPMS sowie Hypertonie hervorrufen. Akathisie scheint sehr selten zu sein. Bislang ist unter Cariprazin keine wesentliche QTc-Zeit-Verlängerung aufgefallen.

Mein persönliches Fazit

Das Rezeptorbindungsprofil ist sehr interessant. Die Hauptwirkung dürfte in der Blockade am D3, weniger auch am D2-Rezeptor liegen. Die partialagonistischen Wirkkomponenten könnten geeignet sein, Nebenwirkungen zu reduzieren. Aufgrund des Rezeptorbindungsprofils ist davon auszugehen, dass Sedierung oder Gewichtszunahmen nicht so ausgeprägt sein werden, wenngleich der Hersteller in der Fachinfo dies explizit als mögliche Nebenwirkungen nennt. Bislang scheint es keine Hinweise auf eine relevante Verlängerung der QTc-Zeit zu geben, was erfreulich ist. Es wird also interessant sein, mit dem Medikament Erfahrungen zu sammeln.

Habt Ihr schon Erfahrungen mit Cariprazin? Postet sie gerne in die Kommentare!

Quellen

 

Copyright

 

Dieser Beitrag ist ein Auszug beziehungsweise eine auszugsweise Vorabveröffentlichung des Werks „Psychopharmakotherapie griffbereit“ von Dr. Jan Dreher, © Georg Thieme Verlag KG. Die ausschließlichen Nutzungsrechte liegen beim Verlag. Bitte wenden Sie sich an permissions@thieme.de, sofern Sie den Beitrag weiterverwenden möchten.

25 Gedanken zu “Cariprazin (Reagila®)

  1. Klaus 9. Mai 2018 / 12:49

    Ich hatte als Nebenwirkungen noch Schlaflosigkeit. Bei mir wirkt aber Olanzapin besser, insbesondere auch auf die Kognition.

  2. Dshinewra Knecht 28. Mai 2018 / 15:53

    Ich habe Reagila drei Wochen Reagila probiert, einerseits fühlte ich mich viel lebendiger, und spührte besser das Leeben, aber andererseits hatte Schlaflosigkeit, 1,5 mg war nicht ausreichend und bei 3 mg hatte ich sehr starke Nebenwirkung, wie starke tremor und unwilkürliche Bewegungen des Körpers, sehr stark, leider bin zurück auf Amisulpirid umgestiegen 😦

  3. Florian 13. Juni 2018 / 19:25

    Sehr geehrte Herr Dr. Dreher,

    vielen herzlichen Dank für die uns zur Verfügung gestellten Informationen in komprimierter Form: kurz und bündig und wie immer auf den Punkt! Unter zur Hilfenahme u.a. Ihres Blog-Artikels habe ich mir Reagila vor Wochen von meiner Psychiaterin erfolgreich verschreiben lassen!

    Da das Medikament unter dem Namen Reagila erst kürzlich auf dem zumindest europäischen bzw. deutschen Markt erhältlich ist, kennen sich die meisten Ärzte mit den Verschreibungsrichtlinien verständlicherweise noch nicht gut (genug) aus.

    Obwohl ich persönlich in der Vergangenheit sehr empfindlich auf grundsätzlich jedwede Art von Neuroleptikum mit verstärkten Nebenwirkungen reagiert habe, zeitige ich bei Cariprazin -zur Zeit in der Dosis von 3mg morgens- soweit keine Nebenwirkung (wie z.B. Akathisie) bis auf die eine: Ich schlafe nachts schlechter, d.h. vor allen Dingen kürzer.
    Da dies auf Dauer keine Lösung ist, weil ich den Schlaf dann tagsüber nachholen muss, ich auf Reagila jedoch auch in Zukunft nicht verzichten will, möchte ich mich mit der folgender Frage an Sie wenden:

    Mit welchem schlafanstoßenden Medikament könnte ich Reagila am besten kombinieren?
    Mit Promethazin bis 50 mg habe ich bisher keine ausreichend guten Erfahrungen gemacht. Daneben stünden mir per bereits erfolgter Verschreibung etwa noch Perazin (25 mg) oder Quetiapin (25 mg) zur Verfügung, also beides mehr oder weniger gleichberechtigte Neuroleptika, sieht man vom kaum noch als Antipsychotikum eingesetzten Promethazin ab.

    Womöglich raten Sie mir an dieser Stelle aber auch zu einem ganz anderen zweiten Medikament, eventuell etwa zu einem schlafanstoßenden Antidepressivum? Bei den oben bereits aufgezählten Neuroleptika, hatte ich wie bereits erwähnt, den Vorteil, dass bei mir schon eine Verschreibung vorläge.
    Wie gesagt geht es mir lediglich um die erwünschte (Neben)wirkung der Müdigkeit bzw. des Schlafens.

    Auf irgendeine Art möchte ich das Reagila gerne weiterhin einnehmen. Vielleicht wissen Sie ja mehr und können mir eine kleine Hilfestellung geben, selbst wenn das keinen eigenständigen Arztbesuch ersetzt?!

    Freundliche Grüße!

    F.K.

  4. Klaus 26. Juni 2018 / 14:41

    @Florian: Ich nehme zum Einschlafen Quetiapin unretardiert zu Cariprazin.

    • Florian 26. Juni 2018 / 19:00

      Hallo @Klaus, vielen Dank für deine/Ihre Antwort! Ja, nunmehr nehme ich Quetiapin (unretardiert) 25-50mg ebenfalls auf die Nacht.

  5. Evilkid 5. Oktober 2018 / 21:37

    Hallo Zusammen,

    habe Reagila probiert und muss sagen, dass ich es nicht vertrage. Es hat mir Ängste bereitet und Schlaflosigkeit. Außerdem hat man immer ein gedämpftes Gehirn. diese ist nicht sehr schön. Werde versuchen mich auf Ziprasidon versuchen umzustellen.

  6. marco schultz 6. November 2018 / 10:51

    zahlt das die Krankenkasse?

    • Paul 8. Dezember 2018 / 20:40

      Ja.

      • 024680 24. September 2023 / 10:13

        Lustig: Die gesetzlichen Krankenversicherungsunternehmen müssen anscheinend (Quelle: http://www.docmorris.de-Verkaufsportal) weniger erstatten/zahlen als die privaten (Faktor drei!). Google’le AMNOG, warum! Da wurden halt die Daumenschrauben angezogen. Der Nutzen für die Patienten ist aber in diesem speziellen Fall vorhanden, IMHO. So ist z. B. meine fachÄrztin freier in der Verordnung, ich habe es anstandslos erhalten, wahrscheinlich genau deshalb. 🙂

  7. Björn 6. Dezember 2018 / 16:22

    Ich nehme Reagila seit 3 Wochen und leide unter extremen Einschlafproblemen. Es wurden zahlreiche Mittel probiert, die schlafanstoßend wirken sollten (Doxepin,Mirtazapin,Quetiapin,Trimipramin,Melperon usw.). Langsam weiß ich nicht mehr weiter. Kann mir jemand weiterhelfen, dem es ähnlich geht?

    • Paul 8. Dezember 2018 / 20:27

      Dosis reduzieren?

  8. Ivan Kekin 26. Juli 2020 / 19:49

    Ich nehme seit einigen Monaten reagila.Dadurch schlafe ich nicht mehr so gut.Und im Bett läuft auch nichts mehr.Da ich eine Freundin habe wird das für mich langsam zu einem Problem.Meine frage ist ob das jetzt für immer so bleibt.Vielleicht gibt es jemanden der auch diese Erfahrungen gemacht hat.

    • Durch de Wind 29. Juli 2020 / 18:25

      Hört sich eigentlich untypisch an. Vielleicht werden Depressionen nicht angegangen, weil auf das Medikament vertraut wird? Dadurch könnte sich auch eine „Überlastsituation“ ergeben, in der die beschriebenen Einschränkungen auftreten. Jedenfalls ist Reagila neben Aripiprazol auf dem deutschen Markt das Mittel der Klasse Antipsychotika, das mit die wenigsten unerwünschten Nebenwirkungen aufweist. Heißt es jedenfalls. Alles Gute.

    • RAWrrl8 31. Oktober 2023 / 18:03

      Hatte zu Beginn der Behandlung mit reagila die selbe Problematik, jedoch hat sich diese Nebenwirkung nach ca. 2 Monaten normalisiert.
      Wie ist es dir ergangen?

  9. Cornelia Hoffmann 10. März 2021 / 10:05

    Hat schon mal jemand Erfahrungen gesammelt mit CBD? Soll ja sehr ausgleichend und beruhigend wirken

    • RAWrrl8 31. Oktober 2023 / 18:07

      Konsumiere (mehr oder weniger leider) seit Jahren Täglich thc und in gewissen Punkten unterstützt es mich mit meiner Shizophrenie, in anderen Punkten natürlich kontraproduktiv, jedoch überwiegen die positiven Effekte.

      CBD ist da die weit aus bessere Variante, nur bekommt man es in unzureichender Quantität und Qualität. In großen Städten hat man meistens Glück und es gibt 1,2 vernünftige CBD Shops.

  10. Walter Anzalone 21. Juni 2021 / 20:46

    Hallo ihr lieben… ich wurde vor 2 Monaten von Risperidon auf Reagila umgestellt bis 4 mg hab ich super vertragen und meine Lebensqualität hat sich stark verbessert. Hab auch keine Schlafprobleme. Seit 4 Tagen nehme ich 6 mg. Seit dem hab ich bei längerem sitzen und aufstehen leichten Schwindel. Schleicht sich das aus oder sollte ich wieder auf 4 mg zurück gehen? Liebe Grüße Walter

  11. Dirk 1. Mai 2022 / 10:37

    Hallo,

    vielleicht habe ich es noch nicht gelesen: Ich nehme Reagila und Amilsuprid gegen Negativsymptome.

    Trotzdem bin ich täglich morgens noch lange müde, obwohl ich etwa 8 Stunden täglich schlafe.

    Ich leide unter meiner Morgenmüdigkeit.

    Woran mag das liegen?

    • RAWrrl8 31. Oktober 2023 / 18:09

      Geht mir genau so, komme seit der Einnahme und der Stabilisierung der Wirkmechanismen in der Regel auf 12 bis manchmal sogar 16 Stunden Schlaf am Tag..

  12. R. 14. März 2023 / 22:19

    Guten Tag

    Ich nehme Reagila bei bipolarer Störung Typ l jetzt seit über einem Jahr. Die Eingewöhnung war mit drei Wochen Erbrechen sehr schwierig, aber sonst geht es mir deutlich besser, als unter Lithium, was auch typischerweise gegeben wird.

    Leider erkenne ich mich bei den Schlafstörungen sehr gut wieder. Ich bin noch gar nicht darauf gekommen, dass das auch an dem Medikament liegen könnte. Mit der Müdigkeit kann ich mich ebenfalls anschliessen.

    Ich habe im vergangenen Jahr 20 Kilo zugenommen und damit mein absolutes Spitzengewicht erreicht.

    Ich leide auch immer wieder an Sehstörungen.

    Wie gesagt, es war schon schlimmer, daher habe ich das jetzt mal für ein Jahr mitgemacht. Ich würde den Versuch mit Reagila sicherlich mal wagen und auch zumindest einen Monat warten, bis die ganz anfänglichen Nebenwirkungen durch sind. Vielleicht fällt meinem Arzt gegen Sehstörungen und Gewicht ja noch etwas ein.

    Viel Glück!

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