Szenesprache für Außenstehende

Jede Szene hat ihre eigene Sprache. So auch die Drogenszene. Für Psychiater, die in ihrem übrigen Leben nicht sooo viel Kontakt mit der Szene haben, kann dieses Glossar der wikipedia helfen, manche mysteriösen Begriffe richtig zuzuordnen…

http://de.wikipedia.org/wiki/Drogen-Glossar#M

Ach was wäre man ohne die wikipedia…

Und daher bitte ich Euch, Euch am Spendenaufruf der Wikipedia zu beteiligen, und sei es nur mit 1 €!

Neue S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie bipolarer Störungen

S3 Leitlinie Bipolare Erkrankungen

Neue Behandlungsleitlinie Bipolare Störungen

Wer Leitlinien mag, wird diese lieben: Eine neue S3 Leitlinie zur Diagnostik und Therapie bipolarer Erkrankungen ist erschienen. Es gibt noch keine Kurzfassung, so dass man die Freude hat, sich durch insgesamt 500 Seiten schmökern zu dürfen. Muss man aber nicht. Die Inhalte sind gut sortiert, und so kann man sich schnell einen guten Überblick verschaffen, welche Studienlage beispielsweise zur Wirksamkeit von Lithium in der Rezidivprophylaxe der bipolaren Erkrankung vorliegt und welche Empfehlungen sich daraus ergeben:

Lithium in der Phasenprophylaxe: Seite 239 ff. Sehr gute Wirksamkeit, gut untersucht, Hinweise auf antisuizidale Wirksamkeit. Es finden sich auch Ergebnisse zur Dosis, wobei der neuere Trend, einen Spiegel von „nur“ etwa 0,6 mmol/l zur Phasenprophylaxe zu wählen, gestützt wird.

Oder wie gut die Studienlage zu Quetiapin in der Rezidivprophylaxe ist:

Quetiapin in der Phasenprophylaxe: Seite 256 ff. Es findet sich lediglich eine randomisierte Studie mit 14 mit Quetiapin und 14 mit anderen Phasenprophylaktika behandelten Patienten. Die Leitlinie rät explizit davon ab, Quetiapin in Monotherapie zur Phasenprophylaxe einzusetzen, da es nicht ausreichend untersucht ist.

Die Leitlinie als pdf gibt es hier.

Wie es sich gehört, findet sich bei jeder Studie eine Aussage über Interessenkonflikte, also z.B. die Finanzierung der Studie durch den Hersteller eines der beteiligten Präparate oder Mitwirkung an der Studie durch Angestellte einer Herstellerfirma. Es ist erforderlich, diese Informationen bei der Beurteilung der Studien zu berücksichtigen.

Ebenfalls interessant ist die Erklärung zu Interessenkonflikten der Autoren der Leitlinie (hier). Wie immer haben viele der wesentlichen Mitautoren Vortragshonorare und teilweise Honorare als Berater der Pharmafirmen erhalten, die die in der Rede stehenden Medikamente herstellen.

Ich würde mich freuen, wenn Du an dieser Umfrage hier teilnimmst: „Wenn Du selbst eine bipolare Erkrankung hättest, welches Phasenprophylaktikum würdest Du dann einnehmen?“

Interessant vielleicht auch zwei meiner früheren Umfragen:

  • „Wie dosiere ich Lithium“, nachzuschauen hier.
  • „Welches Neuroleptikum würdest Du selbst einnehmen?“ (Wobei hier jemand 135 mal „Other“ gewählt hat…), nachzuschauen hier.

Homepage S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie bipolarer Störungen « Projektgruppe Leitlinie Bipolar Universitätsklinikum Dresden Carl Gustav Carus:

Was Phasenprophylaktika können…

Phasenprophylaktika (mood stabilizer) sind geeignet, die Anzahl und Schwere depressiver und manischer Episoden bei Patienten mit bipolaren Erkrankungen zu reduzieren. Das bedeutet, dass sie die Stimmungskurve über einen Zeitraum von einem Jahr oder länger betrachtet stabilisieren. Stellen Sie sich einen Patienten vor, der unbehandelt beispielsweise in einem 10 Jahreszeitraum 10 manische und 20 depressive Episoden gehabt hätte. In den Manien wäre er sehr ausgeprägt manisch, gäbe sehr viel Geld aus, schadete sich selbst. In den depressiven Episoden wäre er tief depressiv, teilweise suizidal, bräuchte längere Krankenhausaufenthalte. Von der Behandlung mit einem Phasenprophylaktikum verspräche man sich dann, dass er im 10 Jahreszeitraum beispielsweise statt 10 nur noch 3 manische und statt 20 nur noch 12 depressive Episoden hätte. Und die manischen Episoden wären vielleicht nur noch Hypomanien, die depressiven Episoden weniger schwer und vielleicht ambulant behandelbar. Suizidalität bestünde möglicherweise sehr viel seltener.
Das ist, was ein wirksames Phasenprophylaktikum wirklich ausrichten kann. Dabei sehe ich die Wirkstärke der einzelnen Phasenprophylaktika unterschiedlich. Meiner Einschätzung nach ist Lithium am wirksamsten (aber manchmal auch mit besonders ausgeprägten Nebenwirkungen verbunden), dann kommt Valproat, dann Carbamazepin und schließlich – in meinen Augen deutlich weniger wirksam – die Gruppe der anderen Antiepileptika wie Lamotrigen oder Keppra.
Sehr häufig stelle ich fest, dass Patienten und Behandler sich von einem mood stabilizer auch erhoffen, dass die Stimmung sich über eine Beobachtungszeit von einem Tag oder einer Woche stabilisiert. Aber genau das beobachte ich leider nicht wirklich. Manchmal können Phasenprophylaktika vielleicht tatsächlich etwas die Impulsivität dämpfen, aber gegen labile Stimmung wirken sie meiner Erfahrung nach eigentlich nicht.

Wie seht ihr das? Welche Erfahrung habt ihr mit mood stabilizern gemacht? Machen sie aus einem stimmungslabilen Menschen einen stimmungsstabilen Menschen, auch betrachtet für einen Tag oder eine Woche? Ich bin gespannt auf Eure Kommentare!

Citalopram – TOP 1 der deutschen Psychopharmaka

Citalopram

Citalopram war 2009 das häufigste in Deutschland verordnete Psychopharmakon. Es wurden 241 Millionen definierte Tagesdosen (DDD) zu je 20 mg verordnet, insgesamt also 4 820 000 000 mg.

Citalopram liegt auf Platz eins der Verordnungshäufigkeit, weil es das Medikament der ersten Wahl bei Depressionen ist. Es ist gut verträglich und wirkstark. Darüber hinaus wird es – in höherer Dosierung – auch bei Angst- und Zwangskrankheiten erfolgreich eingesetzt.

Geschichte

Die dänische Pharmafirma Lundbeck war ursprünglich auf der Suche nach einem Antiepileptikum, als sie Citalopram fand. Eine antiepileptische Wirkung hat Citalopram nicht, aber eine starke antidepressive Wirkung. Lundbeck patentierte 1989 Citalopram und konnte es 14 Jahre lang als einziger Anbieter herstellen und verkaufen. Seit Ablauf des Patentes 2003 gibt es zahlreiche Generika, zu einem weit niedrigeren Preis. Lundbeck hat dann zu einem beliebten Manöver gegriffen, den viele Pharmafirmen in ähnlichen Situationen wählen: Citalopram ist ein Gemisch aus zwei Molekülen, die Enantiomere von einander sind.

Enantiomere verhalten sich wie die linke Hand zur rechten. Sie sind zueinander spiegelbildlich, aber nicht deckungsgleich: versuchen Sie einmal, die linke Hand auf die rechte zu legen…

Genau so verhält es sich mit den beiden Molekülen, die im Citalopram enthalten sind. Citalopram ist eine Mischung zu gleichen Teilen aus S-(+)-citalopram und R-(–)-citalopram. Das wirksame Enantiomer ist das S-(+)-citalopram, getauft auf den handlicheren Namen Escitalopram. Nur dieses entfaltet die gewünschten Wirkungen.

2002, kurz bevor das Patent von Citalopram 2003 auslief, patentierte Lundbeck Escitalopram, das bis 2011 – in der Pädiatrie bis 2012 – Patentschutz genoss und daher zu einem deutlich höheren Preis ausschließlich von Lundbeck vertrieben werden könnte. Es wurde beworben als nebenwirkungsärmer als Citalopram, und über den Vertrieb von Escitalopram konnte Lundbeck über lange Zeit den Umsatzeinbruch des nun nicht mehr patentgeschützten Citaloprams ausgleichen.

Pharmakologie

Citalopram ist ein selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI).

Es hat eine verhältnismäßig lange Halbwertszeit von etwa 36 Stunden (1,5 Tage). Die Substanz wird in der Leber verstoffwechselt. Da sie nicht sedierend wirkt, kann die tägliche Dosis auch morgens eingenommen werden.

Klinischer Einsatz

Citalopram wird bei depressiven Episoden als Mittel der ersten Wahl eingesetzt. Das gilt sowohl für unipolare Depressionen als auch depressive Episoden im Rahmen einer bipolaren Erkrankung. Man beginnt in der Regel mit 20 mg pro Tag, morgens. 20 mg pro Tag reichen für die Therapie mittelschwerer Depressionen, wie sie bei ambulanten Behandlungen häufig sind, meist aus.  Zeigt sich nach drei Wochen noch keine ausreichende Besserung, kann die Dosis auf 30 mg, später auf 40 mg pro Tag erhöht werden. Im psychiatrischen Krankenhaus wird zur Therapie schwerer Depressionen oft frühzeitiger eine Dosis von 30-40 mg pro Tag gewählt.

Nebenwirkungen

Bis 2011 hat man bei unzureichender Wirkung oft die Dosis auf mehr als 40 mg pro Tag gesteigert. Inzwischen gibt es aber Hinweise darauf, dass Citalopram dosisabhängig das QTc Intervall verlängern kann, was gefährliche Herzrhythmusstörungen verursachen kann. Daher gilt für junge Patienten eine Höchstdosis von 40 mg, für Patienten ab 60 Jahren, Patienten mit Leberfunktionsstörungen und Patienten, die Citalopram langsam metabolisieren gilt eine Höchstdosis von 20 mg pro Tag.

Wie bei allen Medikamenten, deren Anwendung das QTc Intervall verlängern kann, sollte bei Gabe von Citalopram der Elektrolytstatus regelmäßig kontrolliert und ggf. normalisiert werden. Die Gabe von weiteren, die QTc Zeit verlängernden Substanzen stellt eine relative Kontraindikation dar und die Patienten sollten darauf hingewiesen werden, bei „Herzstolpern“, Luftnot oder Ähnlichem einen Arzt aufzusuchen.

Alle SSRI können Übelkeit verursachen, und dies häufiger, als man meint. Man sollte damit rechnen, dass etwa 20-30% der Patienten hierunter leiden. In diesem Fall sollte zunächst einige Tage abgewartet werden. Geht diese Nebenwirkung nicht von selbst weg, sollte zunächst die Dosis reduziert werden. Persistiert die Übelkeit, ist der Wechsel auf ein anderes Präparat der nächste Schritt.

Eine weitere nicht seltene Nebenwirkung aller SSRI ist ein verzögerter Orgasmus. Auch diese kann nach einigen Tagen bis wenigen Wochen von selbst verschwinden, bei einigen Patienten bleibt diese Nebenwirkung allerdings bestehen.

Leichte unerwünschte Wirkungen wie Mundtrockenheit, Magen-Darm-Beschwerden, Nervosität, Kopfschmerzen, Zittern, Herzklopfen, vermehrtes Schwitzen, Akkommodationsstörungen der Augen oder Kraftlosigkeit treten sehr häufig sofort ein, legen sich aber meist nach wenigen Tagen.

Interaktionen

darf nicht gemeinsam mit MAO Hemmern verordnet werden, da sonst ein Serotonin-Syndrom auftreten kann. Es ist bei einem Wechsel von einem Mao-Hemmer auf Citalopram und auch bei einem Wechsel von Citalopram auf einen MAO Hemmer eine 14 tägige wash-out Phase einzuhalten.

Siehe auch: „Welches Antidepressivum gebe ich wem?

Copyright

 

Dieser Beitrag ist ein Auszug beziehungsweise eine auszugsweise Vorabveröffentlichung des Werks „Psychopharmakotherapie griffbereit“ von Dr. Jan Dreher, © Georg Thieme Verlag KG. Die ausschließlichen Nutzungsrechte liegen beim Verlag. Bitte wenden Sie sich an permissions@thieme.de, sofern Sie den Beitrag weiterverwenden möchten.