Meine neue Darstellung der Rezeptorbindungsprofile

Ich habe auf dem diesjährigen DGPPN-Kongress zum wiederholten Mal den Workshop „Psychopharmakologie-Update“ von Francesca Regen, Arnim Quante und Eric Hahn besucht. Die drei berichten sehr kompetent und zugleich sehr verständlich von den nennenswerten Neuerungen im letzten Jahr.

Noch eine Variante: Das klassische Kreisdiagramm

Üblicherweise stellt man die Rezeptorbindungsprofile so dar, wie in dem oben wiedergegebenen Kreisdiagramm zu Risperidon. Diese Abbildung ist aus meinem Buch Psychopharmakotherapie griffbereit, Dritte Auflage, entnommen. Die Darstellung ist übersichtlich, aber interpretationsbedürftig.

Wie interpretiere ich das Rezeptorprofil eines Neuroleptikums?

Ich hatte in diesem post schon einmal die wesentlichen Wirkungen der Blockade (oder partiellen Aktivierung) bestimmter Rezeptoren dargestellt.

Die Darstellung á la Hiemke gefällt mir besonders gut, da ich mir das Medikament in dieser Darstellung wie einen Schlüssel vorstelle. Die Balken darauf entsprechen den Zacken des Bartes des Schlüssels. Man hat ja immer die Analogie im Kopf, dass sich ein Wirkstoff zum Rezeptor wie ein Schlüssel zum Schloss verhält. Das stimmt auch für die primären Wirkstoffe wie Dopamin oder Serotonin. Wobei man im Kopf behalten muss, dass diese Wirkstoffe die Rezeptoren aktivieren, die Medikamente die Rezeptoren aber in der Regel blockieren. Ausnahmen stellen Medikamente wie Aripiprazol dar, die überwiegend Rezeptoren blockieren, einige wenige Rezeptoren aber partiell aktivieren.

Neuer Ansatz: Rezeptoraktivität und deren Wirkungen in einem Schaubild

Nun habe ich mir überlegt, dass es etwas mühsam ist, die Rezeptoraktivität in einem Diagramm darzustellen und die Wirkung, also die erwünschten Wirkungen und die unerwünschten Wirkungen dieser Aktivität am Rezeptor, in einer zweiten Tabelle nachzulesen. Daher habe ich in meiner neuen Darstellung die jeweilige Rezeptoraktivität mit der erklärenden Tabelle überlagert. Die Darstellungen sind so zu lesen, dass die Länge des farbigen Balkens die Aktivität des jeweiligen Medikamentes an diesem Rezeptor wiedergibt. Wenn ein Medikament einen bestimmten Rezeptor gar nicht blockiert, dann ist der Text daneben entsprechend ausgegraut.

Vorstellung der wichtigsten Neuroleptika mit ihrem jeweiligen Rezeptorbindungsprofil

Haloperidol

Haloperidol ist der Klassiker eines typischen Neuroleptikums. Es blockiert stark die Dopamin-D2-Rezeptoren, was zu einer sicheren antipsychotischen Wirkung, aber in höheren Dosierungen auch zu EPMS und Hyperprolaktinämie führt. Ein Teil der vegetativen Nebenwirkungen und ein Teil der Sedierung sind auf die Blockade der Alpha-1-Adrenozeptoren zurückzuführen.

Amisulprid

Amisulprid ist ein lupenreiner Dopamin—Rezeptor-Antagonist. Das erklärt seine gute antipsychotische Wirkung. In höheren Dosierungen verursacht es EPMS und Hyperprolaktinämie. Es hat praktisch keine sedierenden oder anderen vegetativen Nebenwirkungen, was der Abwesenheit von Rezeptorblockaden anderer Rezeptoren entspricht.

Risperidon

Risperidon blockiert zum einen wie ein typisches Neuroleptikum in relevantem Ausmaß die Dopamin-D2-Rezeptoren, und blockiert zum anderen wie viele atypische Neuroleptika den Serotonin-5HT2A-Rezeptor. Es verursacht nur in geringem Maße Gewichtszunahme und Müdigkeit, entsprechend seiner nur geringen, aber vorhandenen Aktivität am Histamin H1-Rezeptor.

Ziprasidon

Ziprasidon entspricht ganz dem Profil eines atypischen Neuroleptikums. Es blockiert zwar auch den D2-Rezeptor, hat seinen Schwerpunkt aber eher auf 5HT2A. Interessant ist die Noradrenalin- und Serotonin-Wiederaufnahmehemmung, die eine milde antidepressive und angstlösende Wirkung plausibel macht.

Aripiprazol

Diese Darstellung ist für Aripiprazol eigentlich ungeeignet, da Aripiprazol am Dopamin-D2-Rezeptor sowohl antagonistische Wirkungen hat (das ist auch dargestellt), als auch partiell agonistisch am Dopamin-D2-Rezeptor wirkt (das ist hier nicht dargestellt). Diese partialagonistische Wirkung an D2 relativiert einige der Nebenwirkungen und natürlich auch einige der Wirkungen des Medikamentes an diesem Rezeptor. Und das auch noch dosisabhängig. OK, die Darstellung ist natürlich eine Vereinfachung. Im übrigen zeigt sich das Profil eines atypischen Neuroleptikums mit milden Nebenwirkungen.

Chlorpromazin

Chlorpromazin wird in Deutschland praktisch nicht mehr verordnet. Es ist ein mittelpotentes Neuroleptikum mit eher sedierenden Eigenschaften. Ein Nischendasein führt es noch in der Behandlung des chronischen Schluckaufs…

Clozapin

Clozapin ist zwar ein Oldtimer, hat aber ein ganz spezielles Rezeptorbindungsprofil. Der hohe Anteil der Dopamin-D4-Blockade wird allgemein mit seiner guten antipsychotischen Wirkung bei wenig EPMS in Verbindung gebracht. Und D2-Rezeptoren läßt Clozapin ja ziemlich in Ruhe. Sieht man sich aber den unteren Teil der Grafik an, weiß man auch, warum es so ausgeprägte Nebenwirkungen verursacht. Insbesondere Müdigkeit und Gewichtszunahme (H1) wirken sich klinisch stark aus. Der erhöhte Speichelfluß unter Clozapin ist ursächlich auf eine reduzierte Schluckfähigkeit zurück zu führen. Die durch die Blockade des Acetylcholin-M1-Rezeptors verursachte Mundtrockenheit wiegt die Schluckstörung nicht auf.

Olanzapin

Olanzapin hat aus der Sicht des Rezeptorbindungsprofils viel Ähnlichkeit mit Clozapin. Interessant ist auch hier, dass D4-Rezeptoren fast so stark blockiert werden wie D2-Rezeptoren, was für eine gute antipsychotische Wirkung bei wenig EPMS spricht. Allerdings blockiert Olanzapin eben auch stark den Histamin-H1-Rezeptor, was die Sedierung und Gewichtszunahme erklärt.

Quetiapin

Quetiapin wurde ja lange als neuroleptisches Wundermittel vermarktet. Der Blick auf das Rezeptorbindungsprofil zeigt ein solides mittelpotentes Neuroleptikum mit einer recht ausgeprägten Sedierung (Alpha1, H1, M1, M3) und einer milden antipsychotischen Wirkung (D2, 5HT2A).

Bitte um Feedback

Ich selbst bin ein großer Freund des Studiums des Rezeptorbindungsverhaltens der Medikamente. In meinen Augen entsprechen die neuroleptische Wirkstärke, das typische / atypische Wirkprofil und auch die Nebenwirkungen, die man in der Praxis beobachtet, ziemlich genau diesen Profilen.

Nun bitte ich euch um euer Feedback!

  • Wie verständlich ist diese Art der Darstellung?
  • Gibt es falsche oder unklare Beschreibungen im Text der Tabelle?
  • Was könnte man verbessern, um die Darstellung noch eingängiger zu gestalten?

Ihr dürft die Darstellung gerne unter Nennung der Quelle weiterverwenden und auch weiter verbessern. Dann schickt mir doch gerne einen Link auf eure Darstellung. Ich bin gespannt auf eure Kommentare!

17 Gedanken zu “Meine neue Darstellung der Rezeptorbindungsprofile

  1. Joachim v. Königsmarck 5. November 2017 / 14:06

    großartige Darstellung, gefällt mir deutlich besser als die Kuchendiagramme (von denen ich immer Hunger bekomme 🙂 ). Sehr schön wäre es natürlich auch noch, „Schlüsselbilder“ der anderen Antipsychotika und Antidepressiva zu sehen. Vielen Dank für Ihre Arbeit!

  2. Peter Teuschel 5. November 2017 / 14:24

    Super gemacht, Jan!

    • psysom 5. November 2017 / 16:31

      Oh, das ist es ja, das hast Du aber schnell nachgereicht!! Danke!!

  3. Anne 6. November 2017 / 16:32

    Die Schlüssel finde ich super. Die Tortendiagramme haben mir nie so richtig gut gefallen. Finde die irgendwie unübersichtlich. Aber so ists wirklich richtig gut!

  4. Michael 8. November 2017 / 18:38

    Ich finde die Diagramme auch super allerdings wundert mich bei Quetiapin die Darstellung. Die D2 Blockade ist ja fast so hoch wie die von NET und 5HT1A….. Dabei beträgt Sie für D2 fast 200 und für 5HT1A 49.

    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18059438

    Zudem würde ich die schönen Diagramme gerne in meinen Block verlinken wenn das ok ist?

    Gruß

    • psychiatrietogo 9. November 2017 / 12:08

      Wenn ich das richtig lese, bezieht sich Ihre Zahl auf den Metaboliten des Quetiapins, das N-desalkylquetiapine. Dessen Bindungskonstanten unterscheiden sich von denen von Quetiapin. Danke für die Rückmeldung!

  5. Clara 12. November 2017 / 15:32

    Die Schlüsseldarstellung gefällt mir am besten, da am meisten Informationen auf einen Blick erfassbar sind. Klasse Arbeit!

  6. Patrick 18. November 2017 / 10:41

    Die Darstellung ist wirklich sehr sehr gut und das Beste, was ich bisher gesehen habe. Was mir fehlt ist ein wenig die Skala wie hoch die Bindungsaffinität (bei welcher Dosis, z.B. alle auf 10mg dargestellt, aber mit Hinweis was maximal geht) ist, also was der Balken-Ausschlag als Zahl bedeutet. Hintergrund ist, dass ich von meinem Psychiater relativ freie Hand habe bei den Medikamenten und Umstellung vornehmen wollte. Ich glaube es war von Mirtazapin auf ein AD (also ohne H1), oder auf Trimipramin. Der Apotheker war mit der Frage nach Bindungsaffinität schon überfragt und im Internet fand ich dazu leider auch nichts.

  7. MM 18. November 2017 / 15:01

    Ich finde die Darstellung richtig gut und übersichtlich! Gut fände ich, wenn die Schrift in den dunkelfarbigen Zacken (D4, H1, DAT, NAT und SERT) weiß wäre. Das würde die Lesbarkeit noch erhöhen.
    Insgesamt sind die Schlüssel absolut top!

  8. MM 18. November 2017 / 15:02

    …D3 und Alpha2 auch

  9. Mario Koller 5. Dezember 2017 / 12:06

    Neuroleptika sind der größte Azneimittelskandal des 20.Jahrhunderts.So einen Quatsch zu schreiben.Kein Arzt oder Psychologe kann ein Diagramm feststellen das so wie hier beschreiben ist.Das Gehirn des Menschen ist zu komplex um irgendwelche Diagramme da zu erstellen.Neuroleptika dienen nur der Pharmaindustrie um Geld zu machen.Es hilft den Menschen nicht.Es zerstört den Menschen.Tod den Pharmafirmen und deren Vertreter.(Psychiater,Psychologen Nervenärzte)Soll eine Verblödung der Menschheit.NL helfen keinen Menschen.Man schaue mal nach Amerika was da für Prozesse geführt werden gegen die Pharmariesen Lilly,Pizer etc!!!.Psychopharmaka sind nur Schrott.Sie helfen und heilen nicht.Diese Präparate zerstören den Menschen.So schauts aus.

    • Bianca 3. September 2020 / 17:34

      Da gebe ich dir vollkommen Recht. Muss seit Oktober 2019 Neuroleptika nehmen aufgrund einer Psychose, mir geht’s von Tag zu Tag schlechter.

    • Sylvana 15. Juli 2021 / 19:53

      Völlig richtig, Neuroleptika sind ein sehr grosser Arzneimittelskandal und verletzen den Körper und die Seele der davon bertroffenen Menschen. Die Schlüssel zeigen zwar das Rezeptorbindungsprofil an, doch welcher Psychiater setzt sich damit auseinander, wenn der Patient/ die Patientin an Angst, innerer Unruhe oder Agitation oder an Bluthochdruck, etc. leidet? Prüft der Psychiater, ob das mit der Neuroleptika-bewirkten Blockade der Alpha2 (a2) – Rezeptoren im Zusammenhang steht? Und falls ja, klärt der Psychiater danach den Patienten/ die Patientin auf – dies dahingehend, dass die schweren Ängste oder der Bluthochdruck durch die Neuroleptika-bewirkte Alpha2-Rezeptoren-Blockade kommt, da das Neuroleptikum an diesem Alpha2-Rezeptor, wie z. B. auch Kokain,antagonistisch wirkt. Selbst wenn ein Psychiater den Patienten nicht so genau aufklären will, er gibt ja nicht mal zu, dass Ängste, die mitunter schwer sein können, und dann schliesslich irgendwann eine manifeste Angsterkrankung von den Neuroleptika erzeugt werden. Auch klären die Psychiater die Patienten fast nie auf, dass ihre chronisch erhöhten Lipide,die Lipid-, und Proteinoxidationen, die Fettleber (letzteres betrifft ca. 40% der Patienten), die immer wieder erhöhten Leukozyten oder auch die immer wieder chronisch erhöhten Entzündungsfaktoren wie z. B. TNFa, der oxidative Stress in ihrem Körper und u. a. verminderte Schutzenzyme (wie z. B. GSH) Neuroleptika-bedingt sind. Neuroleptika sind für den Körper und die Psyche verheerend. Und die schweren Gesundheitsschäden sind gerade bei Langzeit-Verabreichung gravierend und oft irreversibel. Es ist brutal wie viele Menschen dieser „Behandlung“ hilflos ausgesetzt sind.

  10. Monika Fischer 6. März 2019 / 09:01

    Das ist eine sehr hilfreiche Darstellung! Ich habe mir beim Lesen gedacht, dass eine solche Übersicht aicher nicht nur beim lernen giut ist, sondern auch als Handreichung im Alltag, von der letztlich Patieten profitieren. Weswegen ich hier kommentiere: Das Problem der agonistischen Wirkung von Aripipraol an den D2-Rezeptoren hat mich auf die Idee gabracht, dass man die Darstellung noch komplexer, aber nur wenig komplizierter machen könnte, indem man man die Säule, in der die Rezeptoren aufgeführt sind, in die Mitte rückt. Links davon könnten dann die agonistischen Wirkungen stehen und rechts die antagonistischen (oder aumgelehrt).

  11. Bianca 3. September 2020 / 17:32

    Also das Quetiapin z. Bsp unterscheidet sich ja deutlich von der vorherigen Darstellung, da ist ja nun einiges dazu gekommen. Was stimmt denn nun? Ich bin verunsichert, ob das alles so richtig ist.

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