In diesem Video beschreibe ich, welche Nebenwirkungen unter Neuroleptika häufig vorkommen. Ich beginne mit einem Fallbeispiel, dass zeigt, dass Neuroleptika gut gegen Psychosen wirken, aber oft aufgrund von Nebenwirkungen abgesetzt werden. Ich erkläre die Einteilung der Neuroleptika in niedrigpotente Neuroleptika und hochpotente Neuroleptika. Hochpotente Neuroleptika sollte man besser Antipsychotika nennen, da sie die psychotische Symptome gut behandeln können. Die hochpotenten Antipsychotika werden noch einmal in typische und atypische Neuroleptika unterteilt. Ich erkläre dann die vier wichtigsten dopaminergen Bahnen im Gehirn. Bei der Therapie mit Neuroleptika werden diese Bahnen in ihrer Aktivität gebremst.
Dies führt zu typischen Nebenwirkungen:
Das Mesolimbische System
Dies ist das System, das wohl bei der Psychose am ehesten überhitzt ist. Beim Gesunden ist es für Freude, Lust und Motivation da. Wenn in diesem System Dopamin ausgeschüttet wird, dann weiß der Mensch: Hier passiert gleich etwas Wichtiges, hier lohnt es sich, aufzupassen und dranzubleiben.
Wenn man dieses System mit Antipsychotika zu stark drosselt, ergeben sich daraus oft Lustlosigkeit und Interessenverlust.
Das Nigrostriatale System
Dieses System ist beim Gesunden für Bewegungen zuständig.
Eine bekannte Krankheit, bei der zu wenig Dopamin in diesem System zur Verfügung steht, ist der M. Parkinson.
Die gleichen Beschwerden wie beim Parkinson treten auf, wenn antipsychotische Medikamente das nigrostriatale System zu stark drosseln, es entsteht ein medikamentös verursachter Parkinsonismus. Die Patienten gehen mit steifen Armen und Beinen, man sagt „wie ein Teddybär“, sie zittern, die Mimik ist reduziert und spontane Bewegungen fallen schwer.
Das Mesocortikale System
Ist beim Gesunden für Denken, Gefühle und Motivation zuständig.
Wird es durch Antipsychotika zu stark gedämpft, können Antriebslosigkeit und Affektverflachung entstehen. Die Patienten „kommen einfach nicht mehr aus dem Quark“ und verlieren das Interesse an allem. Nichts macht mehr richtig Spaß und daher scheint es sich für nichts mehr zu lohnen, sich aufzuraffen.
Das Tuberoinfundibuläre System
Regelt beim Gesunden die Freisetzung des Hormons Prolactin. Das Hormon Prolactin führt zur Milchproduktion in den Brustdrüsen. Dies ist bei Frauen in der Stillzeit ja auch sinnvoll.
Dopamin ist das „Prolactin inhibitin factor“ eine Dopaminblockade durch Antipsychotika führt also zu einer Überproduktion von Prolactin, einer Hyperprolactinämie.
Wenn zu viel Prolactin im Blut ist kommt es bei Frauen und Männern zu einem Milchfluß. Es fließt also sowohl bei Frauen als auch bei Männern aus den bei Männern ja auch angelegten Brustdrüsen Milch. Darüber hinaus kann es durch einen zu hohen Prolactinspiegel zu sexuellen Funktionsstörungen kommen.
Dann gehe ich kurz auf einige spezifische Nebenwirkungen bestimmter Neuroleptika ein, wie z.B. QTc-Zeit-Verlängerungen, das metabolische Syndrom oder die Agranulozytose. Schließlich nenne ich einige Vorgehensweisen, die helfen können, Nebenwirkungen zu verhindern und spreche darüber, was man tun kann, wenn dennoch Nebenwirkungen aufgetreten sind.
Corona ist schrecklich. Aber auch wenn wir im Moment alle dazu gezwungen werden, unser Leben zu verlangsamen, kann es hilfreich sein, im Sinne der Resilienz an der einen oder anderen Stelle zu gucken, wie man eben doch das Beste draus machen kann. In diesem Video, das ich gemeinsam mit DocCheck aufgenommen habe, erkläre ich, wie ich das in meinem Alltag versuche…
Ich habe hier mal ein Video gedreht, das eine ehrliche, ausführliche Aufklärung über Antidepressiva zeigt. Eigentlich müsste bei jeder Verordnung eines Antidepressivums jeder dieser Punkte genannt werden, insbesondere bei den Punkten Indikation, Kontraindikationen und Wechselwirkungen natürlich individuell für den Patienten angepasst.
In der Realität sehen die Aufklärungen aus Zeitgründen allerdings eher so aus:
Sie haben eine Depression. Das ist eine chemische Imbalance im Gehirn. Sie haben da zu wenig Serotonin. Wir können ihnen mit einem Serotoninwiederaufnahmehemmer helfen. Das normalisiert das chemische Gleichgewicht und stabilisiert die Stimmung. Dann geht es Ihnen nach einigen Wochen wieder gut. Ich habe da was für sie ausgesucht, das nicht dick macht, nicht abhängig macht und in der Regel gut vertragen wird. Nehmen sie davon morgens eine.
Das Problem mit dieser Darstellung ist, dass praktisch jedes Wort falsch oder zumindest vereinfacht ist. Welche Punkte würde denn eine korrekte Aufklärung enthalten?
Das Serotoninmangelmodell ist falsch. Die Wirkungsweise der Antidepressiva ist unklar. Sicher ist nur, dass kein Serotoninmangel vorliegt. Denn wäre das der Grund der Depression, würde sie direkt nach der Einnahme des Medikamentes verschwinden. Vielleicht wirken Antidepressiva über eine Zunahme der Bildung neuer Synapsen, man weiß es aber nicht.
Richtige Indikation? Bei Angststörungen und Zwangsstörungen wirken Antidepressiva gut, ihre Wirkung bei Depressionen ist aber umstritten. Sicher ist nur, dass sie bei leichten Depressionen nicht wirken (Quelle 1). Und man muss dazu sagen, dass die Schwere der Depression von Krankenhaus-Ärzten, aber auch von niedergelassenen Ärzten gerne zu hoch angegeben wird, um Probleme mit dem eigenen Kostenträger zu umgehen. Und es braucht auch nicht jede psychoreaktive Traurigkeit gleich mit einem Antidepressivum behandelt zu werden.
Antidepressiva können Manien auslösen: Und zwar nicht nur theoretisch, sondern diese Nebenwirkung muss ich auch praktisch immer mal wieder beobachten. Besonders gefährdet sind bipolare Patienten.
Innere Unruhe: Vor allem bei höheren Dosierung verursachen Antidepressiva oft innere Unruhe, als habe man zu viel Kaffee getrunken.
Suizidalität: Es gibt Hinweise darauf, dass Antidepressiva zumindest einige Wochen, nachdem diese neue angesetzt worden sind, Suizidgedanken verstärken. Insgesamt gehen die Psychiater davon aus, dass sie mehr Suizide verhindern als auslösen, diese Aussage ist jedoch nicht unumstritten. (Quelle 2)
QTc-Zeit Verlängerung: Manche Antidepressiva verlängern die QTc-Zeit und können so in seltenen Fällen tödliche Herzrhythmusstörungen verursachen. (Quelle 3)
Übelkeit: Mindestens 20 % der mit einem Antidepressivum behandelten Patienten leiden unter Übelkeit. Die geht zwar bei einem Teil der betroffenen Patienten nach ca zwei Wochen wieder weg, bei manchen Patienten bleibt sie aber auch lange bestehen.
Sexuelle Funktionsstörungen: Antidepressiva können sexuelle Funktionsstörungen verursachen, insbesondere eine reduzierte genitale Sensitivität und damit einen verzögerten Orgasmus. Es wird diskutiert, dass es auch nach dem Absetzen noch länger bestehende sexuelle Funktionsstörungen geben kann. (Quelle 4)
Kontraindikationen: Bestimmte Begleiterkrankungen führen zu Problemen bei der Verordnung von Antidepressiva. So soll man bei einem Glaukom keine Trizyklischen Antidepressiva geben. Der verordnende Arzt prüft das natürlich in jedem Einzelfall, aber hier kann leicht etwas übersehen werden.
Wechselwirkungen: Antidepressiva können mit anderen Medikamenten Wechselwirkungen eingehen, die zu Komplikationen führen können. So können die häufig verordneten SSRI die Blutungsneigung erhöhen.
Unverträglichkeitsreaktionen: SSRI werden meist gut vertragen, aber es gibt auch Hautreaktionen, allergisch anmutende Reaktionen oder andere Unverträglichkeitsreaktionen aus Antidepressiva.
Serotoninsyndrom: Bei unglücklichen Kombinationen, insbesondere mit MAO-Hemmern, können Antidepressiva das Serotoninsyndrom auslösen, eine gefährliche Form von Agitation, Verwirrtheit und vegetativer Erregung. (Quelle 5)
Spontanverlauf: Auch ohne den Einsatz von Antidepressiva klingen depressive Episoden wieder ab. Antidepressive Medikamente können die Dauer einer depressiven Erkrankung möglicherweise nur um etwa eine Woche verkürzen. Eine unbehandelte depressive Episode würde dann vielleicht zehn Wochen dauern, eine mit Medikamenten behandelt der April depressive Episode würde dann neun Wochen dauern.
Vernachlässigen von aktiver Problemlösung: Patienten, die ein Antidepressivum einnehmen, können dazu verleitet sein, ihre Probleme nicht aktiv anzugehen, sondern auf die Wirkung der Antidepressiva zu warten. Das ist in keinem Falle hilfreich.
Absetzphänomen: Einmal auf ein Antidepressivum eingestellt, kann es schwierig sein, dieses in der Dosis zu reduzieren oder wieder abzusetzen. Es gibt Berichte über Monate lange Entzugsbeschwerden.
Literatur
Kirsch I, Deacon BJ, Huedo-Medina TB, Scoboria A, Moore TJ, Johnson BT. Initial Severity and Antidepressant Benefits: A Meta-Analysis of Data Submitted to the Food and Drug Administration. Plos Med 2008; 5: e45
Und zwar hier. In mehreren Modulen kannst Du in didaktisch hervorragenden deutschsprachigen Vorlesungen online und kostenlos eine ausgezeichnete Vorlesung zur Psychopharmakologie sehen und hören. Wenn Corona nur einen Vorteil hätte, dann wäre es vielleicht die Tatsache, dass diese Vorlesung nun für alle zugänglich ist.
Die meisten Ärzte sagen dazu: „Nein, verzichten sie am Besten ganz auf Alkohol, wenn sie Medikamente einnehmen“. Das ist ja auch ein gut gemeinter Rat. Aber die Wahrheit ist etwas differenzierter. Wenn du wirklich wissen willst, welche Wechselwirkungen zwischen Alkohol und bestimmten Psychopharmaka typischerweise auftreten können, und welche Überlegung ich anstelle, wenn ich diese Frage beantworte, dann guck dir dieses Video an…
Im Delir gebe ich doch immer Haldol und Diazepam, oder? Warum das fast immer falsch ist, und wie ich es nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft richtig machen kann, erkläre ich euch in diesem Video.
Wenn man von einem Antidepressivum zu einem anderen wechselt, will man ja wissen, welche Dosis des neuen Medikamentes äquivalent zur Dosis des vorigen Medikamentes ist. Natürlich gibt es da so ein Bauchgefühl, was ungefähr gleichstark ist, aber erfreulicherweise gibt es auch vernünftig zusammengestellte Äquivalenzdosierungen. Das Paper „Dose equivalents of antidepressants: Evidence-based recommendations from randomized controlled trials“1 kann hier kostenlos im Volltext heruntergeladen werden. Eine Forschergruppe, in der unter anderem Stefan Leucht aus München mitwirkte, wertete 83 Studien mit insgesamt 14131 Patienten aus, in denen verschiedene Antidepressiva in flexibler Dosis gegen Fluoxetin oder Paroxetin verglichen wurden. Die tatsächlich gegebenen mittleren Dosierungen der verschiedenen Substanzen wurden dann zu 40 mg Fluoxetin ins Verhältnis gesetzt. In der Zusammenfassung heißt es:
Nun hat dieser Vergleich der Wirkstärke insgesamt natürlich so seine Limitationen. Eigentlich kann man ein SSRI nicht mit einem SNRI vergleichen, weil dessen noradrenerge Wirkung bei einem SSRI gar nicht vorhanden ist. Auch bestimmte Nebenwirkungen wie Sedierung, Gewichtszunahme, Müdigkeit und andere kommen bei einem Medikament vor, beim anderen aber nicht. Das schränkt die Aussage einer solchen Vergleichstabelle natürlich ein. Aber die Tabelle soll auch nicht so tun, als könne man jedes Antidepressivum einfach in ein anderes umrechnen. Sie soll nur einen Hinweis geben, bei welcher ungefähren Dosierung ähnliche Wirkstärken zu erwarten sind. In der oben genannten Veröffentlichung kommen Duloxetin, Milnacipran und Trimipramin leider nicht vor. Für meine eigene Aufstellung habe ich selbst für diese drei Substanzen jeweils die zulässige Tageshöchstdosis mit 40 mg Citalopram gleichgesetzt, wohlwissend, dass diese Dosierungen nicht gleich stark sein müssen. Dann habe ich die Dosierungen auf solche Dosierungen gerundet, die man mit den verfügbaren Medikamenten auch tatsächlich geben kann. Dabei habe ich manchmal die errechnete Dosis um ein paar Prozent nach oben oder unten angepaßt, um real verfügbare Tablettendosierungen zu erreichen. Bei Escitalopram habe ich der Einfachheit halber 40 mg Citalopram mit 20 mg Escitalopram gleich gesetzt. Der Studie nach wären hier 18 mg einzusetzen, aber das macht weder pharmakologisch Sinn, noch ist diese kleine Abweichung klinisch relevant.
Dann habe ich alle Werte auf Citalopram umgerechnet und nur die Medikamente aufgeführt, die ich in meinem Buch behandele. Daraus ergibt sich folgende Tabelle der Äquivalenzdosierungen:
Die resultierenden Dosierungen finde ich klinisch plausibel. Sie bilden zwar nicht das genaue und von Substanz zu Substanz unterschiedliche Wirkspektrum ab, als Anhalt für vergleichbare Dosierungen vergleichbarer Wirkstärken finde ich sie aber gut verwendbar.
Was haltet ihr von dieser Überlegung? Sind die Werte plausibel? Entsprechen sie eurer klinischen Praxis? Macht eine solche Tabelle Sinn? Oder sind die Vereinfachungen, die ihr zugrunde liegen, zu groß?
Hayasaka Y, Purgato M, Magni LR, Ogawa Y, Takeshima N, Cipriani A, et al. Dose equivalents of antidepressants_ Evidence-based recommendations from randomized controlled trials. Journal of Affective Disorders. Elsevier; 2015 Jul 15;180(C):179–84. ↩︎
Man braucht ja immer mal einen Lehrbuchtext zum Delir. Ich habe hier einen Vorschlag erstellt. Dieser Vorschlag steht mit Blick auf die mögliche zukünftige Verwertung mal nicht unter creative commons, sondern das Copyright bleibt bei mir. Wer Lust und Zeit hat, mag ihn lesen und mir Hinweise geben, wie ich ihn noch weiter verbessern könnte. Oder sagen, dass er schon ganz gut ist… 🙂
(tl;dr: too long, didn´t read): Delir – Das Delir ist eine reversible, typischerweise fluktuierende organisch bedingte Störung der Orientierung, des Gedächtnisses und der Aufmerksamkeit. Oft sind der Schlaf-Wach-Rhythmus gestört, es können Agitation und psychotische Symptome bestehen.
– Therapeutisch müssen immer die Ursachen des Delirs behandelt werden. Darüber hinaus sollen Basismaßnahmen durchgeführt werden, wie ausreichende Flüssigkeitssubstitution, Schmerzbehandlung, Absetzen anticholinerger Medikamente, Schutz vor störenden Reizen, gute Orientierung schaffen, eigenes Hörgerät und eigene Brille zur Verfügung stellen und ähnliches.
– Benzodiazepine dann und nur dann geben, wenn Agitation besteht.
– Antipsychotika dann und nur dann geben, wenn psychotische Symptome / Halluzinationen vorliegen.
– Im Alkoholentzugsdelir sind Clomethiazol oder Benzodiazepine sowie Antipsychotika indiziert.
Psychiater haben immer wieder mit der Behandlung von Delirien zu tun. Ob als Komplikation einer Alkoholentzugsbehandlung, in der Gerontopsychiatrie bei einer einfachen Exsikkose, auf der Intensivstation als postoperatives Delir oder bei einem Übermaß an anticholinerger Medikation: Delirien zu erkennen und zu behandeln gehört zu den grundlegenden Aufgaben des Psychiaters.
Der Begriff Delir stammt vom Lateinischen „De lira ire“. „De“ heißt „aus“; „lira“ bedeutet „Gleis, Spur“ und „ire“ heißt „gehen“. Übersetzt heißt es also „aus dem Gleis gehen“ oder „aus der Spur geraten“.
Das Delir beginnt meist plötzlich aufgrund einer körperlichen Störung der Gehirnfunktion. Es zeigt typischerweise einen fluktuierenden Verlauf und ist grundsätzlich reversibel. Klinisch imponieren Desorientierung, Verkennung der Umgebung, Störungen von Gedächtnis und Aufmerksamkeit und in manchen Fällen Halluzinationen. Psychomotorisch zeigen sich Auffälligkeiten, die vom Stupor über nestelnde, ungerichtete Bewegungen hin bis zu starker Agitation reichen können. Der Schlaf ist oft im Sinne einer Schlaf-Wach-Rhythmus-Umkehr mit nächtlicher Unruhe gestört.
In der ICD-10 wird das Delir so charakterisiert:
Störung des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit
Wahrnehmungsstörung (Gedächtnis, Orientierung)
Psychomotorische Störungen
Schlafstörungen
Akuter Beginn und fluktuierender Verlauf
Nachweis einer organischen Grundlage
Auf Intensivstationen sind delirante Zustände mit ca. 30-80% aller dort behandelten Patienten sehr häufig. Insbesondere postoperativ kommt es bei vielen Patienten zu Verwirrtheitszuständen.
Die früher oft verwendete Bezeichnung “Durchgangssyndrom” für postoperative Delirien verharmlost die Symptomatik allerdings und ist in dieser Hinsicht irreführend. Tatsächlich verlängern Delirien die Krankenhausbehandlungsdauer, gehen in bis zu einem Viertel der Fälle mit bleibenden kognitiven Funktionsstörungen einher und führen zu einer erhöhten Sterblichkeit.
Prävention
Es gibt gut etablierte und einfache Maßnahmen, um die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Delirs zu reduzieren. Dazu gehören unter anderem:
Orientierungshilfen wie Uhr und Kalender
Eigenes Hörgerät, eigene Brille
Angemessene Schmerzbehandlung
Vermeidung unnötiger Stationswechsel
Feste und gleichbleibende Ansprechpartner
Frühe Mobilisierung
Schutz vor vermeidbarem Lärm, auch durch medizinische Geräte
Nachts möglichst dunkles Patientenzimmer
Schlafverbesserung
Vermeidung unnötiger Polypharmazie
Vermeidung unnötiger anticholinerger Medikamente
Medikamentöse Prophylaxe
In den bisherigen Studien zeigte sich, dass zumindest Antipsychotika keine prophylaktische Wirksamkeit gegen die Entwicklung eines Delirs haben. Neben den oben genannten Basismaßnahmen gibt es somit aktuell keine wirksame medikamentöse Delirprophylaxe.
Diagnostik
Die Diagnostik vor allem des hypoaktiven Delirs gelingt sicherer mit etablierten Testverfahren, wie dem kostenlos in deutscher Sprache erhältlichen CAMICU für Intensivpatienten und dem CAM-S für Patienten auf Normalstationen. Da insbesondere das hypoaktive Delir leicht übersehen werden kann, sollte insbesondere auf Intensivstationen routinemäßig ein Screenings auf Delirien mit einem solchen standardisierten Testverfahren durchgeführt werden.
Klassifikation der Delirien
Aus klinisch-therapeutischer Sicht ist es am sinnvollsten, das Delir nach der vermuteten Ursache zu klassifizieren, also beispielsweise Delir bei Exsikkose oder Alkoholentzugsdelir.
Innerhalb dieser Gruppen kann man dann nach dem Grad der psychomotorischen Erregung in hypoaktive Delirien, Delirien vom Mischtyp und hyperaktive (agitierte) Delirien unterscheiden.
Eine weitere Differenzierung mit therapeutischer Konsequenz ist die Frage, ob es sich um ein Delir ohne psychotische Symptome/Halluzinationen oder mit psychotischen Symptomen/Halluzinationen handelt.
Man stellt sich also immer diese drei Fragen, um zu einer therapieleitenden Arbeitsdiagnose zu kommen:
Wie ist die Psychomotorik? (Hypoaktives Delir, Delir vom Mischtyp, hyperaktives Delir)
Welche Ursache für das Delir vermute ich? (Postoperatives Delir, Delir bei Exsikkose, Alkoholentzugsdelir, Benzodiazepinentzugsdelir, Delir, Delir bei Demenz,…)
Liegen psychotische Symptome vor? (Delir ohne psychotische Symptome / Halluzinationen, Delir mit psychotischen Symptomen / Halluzinationen)
So entsteht eine aus diesen drei Komponenten zusammengesetzte Diagnose wie zum Beispiel „Hypoaktives postoperatives Delir ohne psychotische Symptome“ oder „Agitiertes Alkoholentzugsdelir mit psychotischen Symptomen“. Diese Art der Diagnose ist geeignet, uns den Weg zur richtigen Therapie zu leiten.
Therapie
Das Delir ist ein medizinischer Notfall, der ein zügig beginnendes und wirksames multifaktorielles Therapiekonzept erfordert.
Behandelbare Ursachen eines Delirs müssen natürlich immer zuerst behandelt werden. Zu den häufig anzutreffenden und gut behandelbaren Delirursachen gehören unter anderem Infektionen, Elektrolytstörungen, Substanzentzug, Blutzuckerentgleisungen, Schmerzen und Hypoxien. Eine ausreichende Versorgung mit Flüssigkeit gelingt oft nur durch die Gabe von Infusionen.
Wie sieht es mit der Gabe von Benzodiazepinen aus?
Früher war es üblich, jedes Delir mit Benzodiazepinen zu behandeln. Das ist inzwischen nicht mehr geboten.
Unstrittig sinnvoll ist die Gabe von Benzodiazepinen im Alkoholentzugsdelir und im Benzodiazepinentzugsdelir.
Bei allen anderen Delirien soll man Benzodiazepine oder verwandte Sedativa dann und nur dann geben, wenn eine Agitation besteht, also beim agitierten / hyperaktiven Delir oder einem Delir vom Mischtyp. Im hypoaktiven Delir soll man nach Möglichkeit keine Benzodiazepine geben. Eine Ausnahme im hypoaktiven Delir kann bestehen, wenn der Patient deutlich geängstigt wirkt, dann ist die Gabe des Benzodiazepins zur Anxiolyse sogar sinnvoll, um eine der delirverstärkenden Ursachen, die Angst, zu behandeln.
Man muss aber sagen, dass die Versorgungsrealität hier etwas anders aussieht. Es gibt viele Ärzte, die auch im hypoaktiven Delir niedrig dosiert Benzodiazepine, vorzugsweise Lorazepam, geben, in der Hoffnung, dadurch die Dauer des Delirs zu verkürzen. Dieses Vorgehen wird nicht durch Studien gestützt und es wird davon abgeraten, man sieht diese Behandlungspraxis dennoch nicht selten.
Antipsychotika
Früher war es auch üblich, bei allen Delirien Antipsychotika zu geben. Auch das ist nicht mehr indiziert.
Im Alkoholentzugsdelir und im Benzodiazepinentzugsdelir ist der Nutzen von Antipsychotika belegt1. Üblich ist die Gabe von Haloperidol, alternativ kann man auch Risperidon geben.
Bei allen anderen Delirien gilt: Man soll Antipsychotika dann und nur dann geben, wenn auch psychotische Symptome, zum Beispiel Halluzinationen bestehen.
Übersicht Therapie des Delirs
Seitz DP, Gill SS, Psychiatry LZJOC, 2007. Antipsychotics in the treatment of delirium: a systematic review.
Zoremba N, Coburn M. Acute confusional states in hospital. Dtsch Arztebl Int. 2019;:1–8.
van den Boogaard M, Slooter AJC, Brüggemann RJM, et al. Effect of Haloperidol on Survival Among Critically Ill Adults With a High Risk of Delirium: The REDUCE Randomized Clinical Trial. JAMA. 2018;319(7):680–690. doi:10.1001/jama.2018.0160
S3-Leitlinie Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der Intensivmedizin (DAS-Leitlinie 2015)
Alle zwei Jahre veranstalten die LVR-Kliniken und das LVR-Institut für Versorgungsforschung ein state-of-the-art Symposium zu einem ausgewählten Thema. Heute und morgen lautet das Thema „Psychiatrie als therapeutische Disziplin” Die Vorträge sind gut zusammengestellt. Am Ende des heutigen Tages gab es eine Plenardiskussion (im ersten Foto zu sehen), in der ein Betroffener, eine Angehörige und einige Psychiater:innen den Nutzen und die Nebenwirkungen psychiatrischer Behandlungen besprachen. Gut moderiert vom WDR-Moderator Ralph Erdenberger und tatsächlich aufschlußreich. Was ich heute gehört habe? Ich stelle jetzt mal nicht alle interessanten Gedanken hier zusammen, aber einige unsortierte Schlaglichter, die mir in Erinnerung geblieben sind:
Es sterben mehr Patienten an einer Clozapin-induzierten Obstipation, als an einer Clozapin-induzierten Agranulozytose.
In der nächsten, aktuell fast fertigen Version der Leitlinie Schizophrenie wird nicht mehr davon gesprochen, einem Patienten in einer bestimmten Situation ein bestimmtes Medikament zu verordnen, sonder immer geschrieben, dass man es ihm anbieten kann. Das ist das korrekte wording. Nicht der Arzt entscheidet, was der Patient nimmt, sondern der Patient. Die Rolle des Arztes ist es, sie / ihn zu informieren und ihm dann eine oder mehrere Therapieoptionen anzubieten. Gut so.
Es bleibt dabei: Die Evidenz für die Wirksamkeit von Antidepressiva bei leichten Depressionen ist nicht vorhanden, es gibt erst Evidenz ab mittleren Schweregraden der Depression. Die allerdings gibt es und dazu kann man auch stehen. Die neue Metaanalyse von Cipriani 2018, die ihr hier im Open Access kostenlos laden könnt, ist wirklich eindeutig und zeigt, dass die Wirksamkeitsnachweise antidepressiver Medikamente bei mittelschweren und schweren depressiven Episoden auf einer robusten Datengrundlage basieren. Cipriani et al. (2018). Comparative efficacy and acceptability of 21 antidepressant drugs for the acute treatment of adults with major depressive disorder: a systematic review and network meta-analysis. The Lancet, 391(10128), 1357–1366. http://doi.org/10.1016/S0140-6736(17)32802-7
Es gibt Forschungen, die untersuchen, ob eine sehr lange Gabe von SSRI zu einer Veränderung des Hirnstoffwechselgleichgewichts führen, die nach dem Absetzen von Antidepressiva die Anfälligkeit des Gehirns für eine erneute depressive Episode erhöht. Die aktuellen Daten dazu sind aber sehr spärlich, die untersuchten Gruppen super klein, eine Aussage dazu ist noch nicht möglich.
Wenn man eine Studie zur Wirksamkeit von Antidepressiva mit einer „wash-out-Phase“ beginnt, dann entzieht man den antidepressiv vorbehandelten Patienten das Medikament. Es entstehen Absetzsymptome, die durch die Gabe des Studien-Antidepressivums abklingen, nicht aber unter Placebo. Das ist ein systematischer Fehler zugunsten der Antidepressiven Studienmedikation.
Morgen beginnt es mit einem Vortrag zu den Nebenwirkungen von Psychotherapie, das ist eines meiner Lieblingsthemen, ich freue mich schon darauf!
In meinem post heute morgen hatte ich sowohl in der Einzeldarstellung des Rezeptorbindungsprofils von Clozapin als auch in der Übersicht der Neuroleptika bei der Substanz Clozapin im dritten Block von oben einen Fehler. Der dritte und der vierte Block von oben waren mit H1 beschriftet, richtig ist, dass der obere dieser beiden Teile M1 heißen muss. Mir war das nicht aufgefallen, und auch im Buch hat sich dieser (kleine) Fehler eingeschlichen.
Dankenswerterweise ist es dem Leser Daniel aufgefallen, und ich habe die Grafiken im letzten post jetzt korrigiert und ausgetauscht. In die nächste Überarbeitung des Buches geht diese Korrektur natürlich auch ein.
Das ist ja einer der großen Vorteile dieses Blogs, dass viele Augen auf die Posts schauen und Fehler damit eine viel kleinere Chance haben, durchzukommen.