Frohe Weihnachten !

Image Upload on 2015-12-24 at 08_03_01.jpgLiebe Blogleser, Kommentatoren, Mitblogger und Freunde,

ich wünsche euch aus dem sommerlichen Köln schöne und erholsame Weihnachten und ein frohes Fest.

Euer Psychiatrietogo

P.S.: Wer es schafft, einen Schneemann zu bauen, sendet bitte ein Foto an Psychiatrietogo2012@gmail.com, ich veröffentliche es dann. Alle anderen: Im Bikini ist auch schön feiern…

Pharmakodynamische und Pharmakokinetische Medikamentenwechselwirkungen

Medikamentenwechselwirkungen sind ein so komplexes Thema, dass man schon beim bloßen Gedanken daran oft den kaum überwindbaren Drang verspürt, zu sagen: Guck doch online nach, ob diese 7 Pillen miteinander können oder nicht. Ich persönlich finde diesen Impuls sehr verständlich und habe ihn auch fast täglich.

Um nun aber dem Untertitel dieses blogs “you live you learn“ gerecht zu werden, möchte ich euch gerne erklären, welche Unterteilung ich in der ersten und zweiten Stufe mache, wenn ich über mögliche Medikamentenwechselwirkungen nachdenke. Also auf zur Unterteilung der Medikamentenwechselwirkungen: Trallalala: Hier kommt sie:

1.) Pharmakodynamische Wechselwirkungen

Die

Pharmakodynamik

ist die Lehre davon,

was das Medikament mit dem Körper macht.

Pharmakodynamische Wechselwirkungen sind also all jene Wechselwirkungen, bei denen sich die Wirkungen zweier Medikamente auf den Körper gegenseitig verstärken, abschwächen oder auf eine andere Art bedenklich zusammenwirken.

1.1 Sich gegenseitig verstärkende pharmakodynamische Wechselwirkungen

Das einfachste Beispiel ist die Verstärkung einer Medikamentenwirkung durch zwei in die gleiche Richtung wirkende Medikamente. Wenn beispielsweise das stark serotonerg wirksame SSRI Citalopram zusammen gegeben wird mit dem ebenfalls serotonerg wirkenden Migräne-Mittel Sumatriptan, dann besteht eine deutlich erhöhte Gefahr, dass es zu einem Serotonin-Syndrom kommt. Und die Sache wird natürlich nicht besser, wenn man weitere serotonerge Substanzen ergänzt, wie Opiate oder Lithium. Alle diese Substanzen wirken pharmakodynamisch in die gleiche Richtung: Sie verstärken die Serotonin-Wirkung. Die gemeinsame Endstrecke kann dann das Serotonin-Syndroms sein. Also: Wenn ich zwei oder mehr Medikamente kombiniere, die beide die gleiche Wirkung auf den Körper auslösen, besteht die Gefahr einer sich verstärkenden pharmakodynamischen Wechselwirkung.

Ein zweites Beispiel einer additiven pharmakodynamischen Nebenwirkung wäre die Gabe von zwei potenziell das Blutbild schädigenden Substanzen wie Carbamazepin und Clozapin. In der Kombination ist die Gefahr einer klinisch relevanten Blubildschädigung einfach deutlich größer.

Ein weiteres Beispiel einer additiven pharmakologischen Nebenwirkung wäre die gleichzeitige Gabe von zwei Medikamenten, die die QTc-Zeit verlängern, wie bei Sertindol und Thioridazin (Melleril®). In der Kombination steigt die Wahrscheinlichkeit einer klinisch relevanten Herzrhythmusstörung wesentlich an.

1.2 Sich gegenseitig abschwächende pharmakodynamische Wechselwirkungen

Stellen dir vor, du kombinierst im Rahmen der Parkinson-Therapie den Dopaminagonisten Madopar® mit dem Dopaminantagonisten Haloperidol. Dann hebt sich ein Teil der Wirkung auf die Dopamin-Rezeptoren gegenseitig auf. Die beiden Medikamente haben eine sich gegenseitig abschwächende pharmakodynamische Wechselwirkung.

1.3 Andere pharmakodynamische Wechselwirkungen

Neben der Möglichkeit, dass sich die Wirkung zweier Medikamente gegenseitig verstärkt oder abschwächt, gibt es seltener auch die Möglichkeit, dass sich zwei unterschiedliche Wirkungen in einer anderen bedenklichen Art zusammenfinden. Ein Beispiel wäre die gleichzeitige Gabe einer hohen Dosis Insulin mit einem Beta-Blocker. Sollte das hochdosierte Insulin zu einer Hypoglykämie führen, würde der Beta-Blocker verhindern, dass der Körper durch eine Streßreaktion Glykogen freisetzt, und die Hypoglykamie würde möglicherweise eher ins Koma führen als ohne Betablocker.

2.) Pharmakokinetische Wechselwirkungen

Die

Pharmakokinetik

, beschreibt,

was der Körper mit dem Medikament macht.

In der Praxis wahrscheinlich eher häufiger sind pharmakokinetische Wechselwirkungen. Das sind Wechselwirkungen, die dadurch entstehen, dass man zwei oder mehr Medikamente gibt, die sich in Bezug auf die Aufnahme, den Abbau oder die Ausscheidung des Medikamentes in die Quere kommen. Die Pharmakokinetik einer Substanz kann durch eine zweite Substanz entweder beschleunigt oder verlangsamt werden.

2.1) Beschleunigter Abbau eines Medikamentes durch ein anderes Medikament

Das Antiepileptikum Carbamazepin ist ein Induktor des Cytochroms CYP-P450–3A4. Das bedeutet, dass Menschen, die mit Carbamazepin behandelt werden, nach einigen Tagen bis wenigen Wochen eine deutlich erhöhte Aktivität des Cytochroms CYP-P450–3A4 haben. Dieses Enzym ist unter anderem dafür da, Medikamente schnell abzubauen und so unwirksam zu machen. Eines dieser Medikamente, das vom CYP-P450–3A4 abgebaut wird, ist Quetiapin. Patienten, die seit einigen Wochen mit Carbamazepin vorbehandelt werden, werden also bei gleicher Quetiapin-Dosis einen niedrigeren Quetiapin-Blutspiegel und somit eine schwächere Quetiapin-Wirkung erleben als Patienten, die nicht gleichzeitig Carbamazepin erhalten. Es ist wichtig, diese Wechselwirkung zu berücksichtigen, da man sonst bei unveränderter Dosis eine möglicherweise unwirksame Medikation verordnet. Es kann sehr hilfreich sein, bei einer solchen Kombination, wenn man sie denn unbedingt geben will, den Blutspiegel der Medikamente zu bestimmen.

Andere typische Enzyminduktoren sind das Rauchen, Barbiturate, Rifampicin und auch das sonst so unverdächtige Johanniskraut.

2.2 Verlangsamter Abbau eines Medikamentes durch ein anderes Medikament

Das schon etwas betagte Antidepressivum Fluvoxamin ist ein Inhibitor des Cytochroms CYP-P450–1A2. Das bedeutet, dass bei Patienten, die Fluvoxamin bekommen, der Medikamentenabbau über CYP-P450–1A2 langsamer läuft. Dieses Enzym baut zum Beispiel das Neuroleptikum Clozapin ab. Patienten, die beide Medikamente erhalten, können also Clozapin nicht so schnell abbauen, der Clozapin-Blutspiegel steigt an. Dies kann schnell zu einem Clozapin-Delir führen.

Aber nicht nur die Oldtimer unter den Psychopharmako hemmen bestimmte Cytochrome. Auch aktuelle Substanzen wie Duloxetin, Omeprazol, der gewöhnliche Grapefruitsaft und schwer ersetzbare internistische Medikamente wie die Antibiotika Ciprofloxazin oder Ketoconazol sind Inhibitoren bestimmter Cytochrome.

Fazit

Es ist vielleicht doch nicht erforderlich, zu denken, dass Medikamentenwechselwirkungen zu kompliziert sind, um darüber im Einzelfall nachzudenken. Man muss sich bei der Kombination mehrerer Medikamente einfach fragen, ob diese sich in ihrer Wirkung beeinflussen (pharmakodynamische Wechselwirkung) oder in ihrem Abbau (pharmakokinetische Wechselwirkung). Bei beiden Hauptgruppen gibt es dann sich gegenseitig verstärkende oder sich gegenseitig abschwächende Wirkungen. Einzelne Interaktionen gehören in die Sonderkategorie: Andere. Eigentlich ganz einfach, oder?

 

Copyright

 

Dieser Beitrag ist ein Auszug beziehungsweise eine auszugsweise Vorabveröffentlichung des Werks „Psychopharmakotherapie griffbereit“ von Dr. Jan Dreher, © Georg Thieme Verlag KG. Die ausschließlichen Nutzungsrechte liegen beim Verlag. Bitte wenden Sie sich an permissions@thieme.de, sofern Sie den Beitrag weiterverwenden möchten.

Selbsthilfenetz.de

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Die Bedeutung von Selbsthilfegruppen für betroffene Patienten und ihre Angehörigen kann in den allermeisten Fällen gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. In Selbsthilfegruppen trifft man Menschen mit ähnlichen Problemen, und lernt von ihnen neue Lösungen. Man findet Rat und Unterstützung.

Wenn ich als Behandelnder empfehle, eine Selbsthilfegruppe aufzusuchen, gebe ich gerne eine Internetadresse an, um sich auf die Suche zu machen. Deutschlandweit für alle Krankheiten geeignet ist die Webseite www.selbsthilfenetz.de. Hier findet man Verlinkungen zu den Selbsthilfezentralen aller großen Städte, und man kann auch direkt auf der Seite nach einem Thema und einer Postleitzahl suchen. Klare Empfehlung!

Slow parenting

Eigentlich leide ich nicht unter dem Zwang, jedes neue amerikanische buzz-word gleich auf meinem blog posten zu müssen. Aber da unser Wortschatz bekanntlich die Grenzen unseres Denkens bestimmt, mache ich für slow parenting gerne mal eine Ausnahme.

Das Problem ist ja mehr als bekannt: Die 8-jährige Valentina hat Terminstreß, weil zwischen dem Geigenunterricht donnerstags nachmittags und der Turnstunde donnerstags abends nur 45 Minuten Pause sind, und da muss sie von Junkersdorf nach Lindenthal gefahren werden und noch zu abend essen. Der 7-jährige Finn-Kevin kann sich noch nicht selber anziehen, aber da er sonst zu spät zur Schule kommt, sucht der Papa die Kleidung aus, hilft beim Anziehen und macht den Reisverschluss der Jacke zu. Den Klettverschluss der Schuhe kann Finn-Kevin selber schließen, eine Schleife binden nicht. Braucht er auch nicht, die Schuhe habe ja diesen Klettverschluss. Und blinken beim Gehen.

Auftritt slow parenting. Du entscheidest Dich, dass sich Finn-Kevin alleine anzieht. OK, das dauert beim ersten mal 30 Minuten, und du bist die ganze Zeit damit beschäftigt, ihm zu helfen. Valentina wird vielleicht donnerstags abends immer noch im Jeep sitzend ein Sandwich vom Bäcker essen. Aber am Samstag kochst Du mit den Kindern zusammen. Ihr überlegt, was ihr essen wollt, geht gemeinsam auf den Markt, schält das Gemüse, kocht es und esst es gemeinsam. Dauert den ganzen Samstag vormittag. Und ist endlich wieder einmal das, was früher quality-time hieß. Nur mit einem neuen Erlebnis: Leben lernen. Und dann irgendwann leben können. Selbständig den eigenen Haushalt führen können. Gesund und lecker kochen können. Einen tropfenden Wasserhahn selbst reparieren können. Also ich finde, das sind ganz gute Ergebnisse für eine Kindererziehung. Und dabei Zeit haben. Also ich bin dabei.

Und wenn meine Kinder für irgend etwas mal wieder ewig brauchen, denke ich mir in letzter Zeit manchmal einfach: Kein Streß; die letzten 10 Minuten Buntstifte spitzen war einfach slow parenting, und da bin ich dabei!

Refugee Phrasebook

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Im psychiatrischen Krankenhaus ebenso wie in allen anderen medizinischen Einrichtungen kennt man die Situation nur zu gut: Bei Nacht und Nebel trifft ein Patient ein, der weder deutsch noch englisch spricht, mit dem man sich aber unbedingt unterhalten muss, um zu klären, was los ist und wie man helfen kann.

In der ersten Stufe sucht man nach Mitarbeitern im Hause, die gerade da sind, und die die Muttersprache des Patienten oder zumindest eine gemeinsame Sprache sprechen. In Stufe Zwei kommt oft Google translate zum Einsatz. Und in Stufe drei sucht man nach einem bezahlten professionellen Dolmetscher, der allerdings eher werktags tagsüber zur Verfügung steht.

Oft gibt es auch ein regional gut informiertes Netz von „Kulturvermittlern / Dolmetschern“, die zügig eine Übersetzung vermitteln, zur Not auch mal übers Telefon.

Ein Projekt, von dem ich unlängst gehört habe, ist ein Service professioneller Dolmetscher, die rund um die Uhr über eine Art Skype-Verbindung für Übersetzungstätigkeiten zur Verfügung stehen, allerdings habe ich damit noch keine eigenen Erfahrungen gesammelt.

Eine Hilfe, die irgendwo dazwischen angesiedelt ist, ist das von einer Gruppe von Berliner Freiwilligen Helfern ausgehende Projekt „Refugees Phrasebook„.  Dieses bietet für insgesamt etwa 800 im Hilfesystem relevante Fragen die Übersetzungen in 28 Sprachen an. Unterteilt sind die Sätze nach Wortschätzen; es gibt einen zur Orientierung, einen zu medizinischen Fragen und einen neuen zu juristischen Fragen. Das „Refugees Phrasebook“ ist eine Google-Docs-Tabelle, und es darf frei verwendet, ausgedruckt und verbreitet werden. Ihr findet das Projekt und die einzelnen Tabellen hier.

Das Herz wird nicht dement

Vor Kurzem habe ich die Einweihung des St. Augustinus-Memory-Zentrums in Neuss besucht. Hier werden Seniorenwohnheim, Kurzzeitpflege, Ambulante Hilfen, Institutsambulanz, Beratung, Forschung und Lehre zusammengebracht.

Sehr schön finde ich die Idee, dass in diesem auf Demenzerkrankungen spezialisierten Seniorenwohnheim vieles getan wird, damit sich die Bewohner wohlfühlen und besser orientieren können. Die Zimmer werden nicht nach Stationen benannt, sondern nach Straßen. So wohnt man beispielsweise in der Pappelalle 5. Das ist das Zimmer 5 auf der Station Pappelallee. Pappelallee 5 ist doch eine ordentliche Adresse, oder?

Bei den Zimmern kann man zwischen drei Grundtypen wählen: Modern, Landhaus oder Rustikal. Da die unterschiedlichen Typen nicht nur unterschiedliche Möbel haben, sondern auch unterschiedliche Zimmertüren, kann man sich auch von außen gut orientieren. An den Zimmertür-Klingeln ist ein kleines Regal, in das man persönliche Dinge tun kann, auch das hilft bei der Orientierung. Selbst der Therapieplan sieht liebevoll gestaltet aus. Auf den Fluren gibt es „Kabinette“ mit unterschiedlichen Themen, die zum gemeinsamen Ausprobieren einladen. Wirklich alles sehr schön gemacht.

Besonders beeindruckt hat mich allerdings etwas, was die Leitende Sozialarbeiterin der Einrichtung gesagt hat. Sie hat darüber gesprochen, dass bei dementen Patienten zwar die intellektuellen Fähigkeiten Schritt für Schritt verloren gehen. Aber die Gefühle bleiben genau so stark und genau so wichtig, wie bei Gesunden. Wenn ein dementer Patient Angst hat, dann ist diese Angst genau so furchtbar und bedarf genau so einer Zuwendung, wie wenn ein Gesunder solche Angst hat. Und wenn ein dementer Patient sich freut und mit einem anderen Menschen lacht, dann geht genau so die Sonne auf… Und das fasste sie in dem Satz zusammen:

Das Herz wird nicht dement

Wenn die Betreuer diese Haltung haben, kann man auch mit einer Demenz würdevoll wohnen.