Zur Umrechnung der Dosierungen von Citalopram zu Escitalopram

Ich hatte in meinem gestrigen Artikel angefangen, über dieses Thema zu berichten, heute setze ich es fort. Meine bisherigen Recherchen haben dies ergeben:

3.6.2 Escitalopram Dosierung

Es gibt eine wachsende Anzahl von pharmakologischen und klinischen Hinweisen darauf, dass das Umrechnungsverhältnis von Escitalopram zu Citalopram nicht 1 zu 2 ist, wie man auf den ersten Blick denken sollte, sondern dass es tatsächlich sogar bei 1 zu 4 liegen könnte (Quelle). 10 mg Escitalopram entsprächen also nicht 20 mg Citalopram, sondern 40 mg. Drei Gründe werden hierfür diskutiert: 

  • Zum einen legt eine SPECT-Studie nahe, dass das scheinbar wirkungslose Enantiomer, das R-Citalopram, die Empfindlichkeit des Serotoninwiederaufnahmetransporters für Escitalopram reduziert. (Quelle)
  • Zum zweiten gibt es Hinweise darauf, dass bei wiederholter Gabe von Citalopram, also beider Enantiomere, die Ausscheidung des R-Enantiomers langsamer erfolgt als die des S-Enantiomers, und sich nach wiederholter Gabe ein Verhältnis von 3 zu 1 für das R-Enantiomer zum S-Enantiomer ergibt. 
  • Und schließlich weisen auch klinische Studien darauf hin, dass Escitalopram schneller uns stärker wirkt als die im Verhältnis 1 zu 2 umgerechnete Dosis Citalopram (Quelle 1, Quelle 2).

Diese Argumente zeigen, dass eine einfache Umrechnung nicht möglich ist, und es ist nicht klar, ob man mit 1 zu 2 richtiger liegt oder mit 1 zu 4. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass Escitalopram wirksamer sein kann, als die doppelte Dosis Citalopram. Hier sind sicherlich weitere Untersuchungen erforderlich.

Antidepressiva Vergleichsdosierungen: Stimm mit ab!

Das schöne an so einem blog ist ja, dass man auch wissenschaftlich wenig fundierte Erfahrungswerte aufschreiben kann. Die veröffentlicht man, und dann kann man die Community fragen, welche Erfahrungen jeder einzelne Leser zu dieser speziellen Frage gesammelt hat.

Ich überlege schon seit einiger Zeit, ob es möglich ist, Vergleichsdosierungen der Antidepressiva zu bestimmen. Bei manchen Medikamenten ist das aus pharmakologischer Sicht einfach, so entsprechen 10 mg Escitalopram sowohl pharmakologisch als auch der Wirkung nach 20 mg Citalopram. Aber welche Dosis Duloxetin entspricht welcher Dosis Vortioxetin?

Ich habe zwei Varanten aufgeschrieben und möchte Euch bitten, mir zu sagen, welche für euch eher schlüssig ist.

Los geht´s:

Variante 1

Variante 1 hat für einige Medikamente einen Bruch zwischen der mittleren und der hohen Dosis, für andere Medikamente nicht. Die Dosissteigerungen sind nicht immer linear. Der schwierige Schritt ist der Unterschied zwischen einer hohen Dosis und einer sehr hohen Dosis. Bei einigen Medikamenten meine ich, dass die Verdoppelung der der mittleren Dosis eine hohe Dosis ergibt, so beim Citalopram, Escitalopram und Vortioxetin. Bei anderen Medikamenten meine ich, dass eine um 50 % höhere Dosis als die mittlere Dosis zu einer hohen Dosis führt, so bei Venlafaxin, Duloxetin, Mirtazapin und Amitriptylin. Eine Verdoppelung der mittleren Dosis erscheint mir hier schon sehr hoch und oft nebenwirkungsreich. Natürlich sind die Kategorien “Hoch” und “Sehr hoch” nicht so gut kalibriert…

Medikament Niedrige Dosis Mittel Hoch Sehr hohe Dosis
Citalopram 10 mg 20 mg 40 mg
Escitalopram 5 mg 10 mg 20 mg
Venlafaxin 75 mg 150 mg 225 mg 300mg
Duloxetin 30 mg 60 mg 90 mg 120 mg
Vortioxetin 5 mg 10 mg 20 mg
Mirtazapin 15 mg 30 mg 45 mg 60 mg
Amitriptylin 50 mg 100 mg 150 mg 200 mg

Mathematisch überzeugender ist natürlich Variante 2:

Varante 2

Hier werden alle Dosierungen linear über die vier Dosisstufen erhöht. Wirkt diese Tabelle für Dich passender?

Medikament Niedrige Dosis Mittel Hoch Sehr hohe Dosis
Citalopram 10 mg 20 mg 30 mg 40 mg
Escitalopram 5 mg 10 mg 15 mg 20 mg
Venlafaxin 75 mg 150 mg 225 mg 300mg
Duloxetin 30 mg 60 mg 90 mg 120 mg
Vortioxetin 5 mg 10 mg 15 mg 20 mg
Mirtazapin 15 mg 30 mg 45 mg 60 mg
Amitriptylin 50 mg 100 mg 150 mg 200 mg

Stimm hier ab:

(Wenn Du dies in einem RSS-Reader oder per email liest, geh auf die Webseite http://www.psychiatrietogo.de und stimm da ab! Nach der Stimmabgabe siehst Du die Antworten der anderen Leser)

Wirkung und Nebenwirkungen von Venlafaxin in Abhängigkeit von der Dosis

Venlafaxin, zum Beispiel Trevilor, ist ein sehr gut wirksames Antidepressivum. Es wird eingesetzt zur Therapie der Depression, der Angststörungen und manchmal zur Behandlung von Zwangserkrankungen. Typische Dosierungen im ambulanten Bereich sind etwa 37,5-150 mg pro Tag, im statIonären Bereich etwa 75-225 mg, vereinzelt werden auch bis zu 300 mg pro Tag gegeben.

Venlafaxin hat eine gute und verlässliche Wirkung, wobei meiner Erfahrung nach ein guter Kompromiss aus Wirksamkeit und Nebenwirkungen bei einer Dosierung von etwa 150 mg pro Tag liegt. Nach Beginn der Behandlung verspürt der Patient typischerweise in den ersten zwei Wochen wenig Nebenwirkungen und kaum Wirkung. Nach zwei Wochen tritt häufig eine allgemeine Unruhe, Rastlosigkeit und Angetriebenheit ein, die in der Regel als unangenehm wahrgenommen wird. Der Vorteil dieser Rastlosigkeit ist, dass Patienten, die dies erleben, meiner Erfahrung nach praktisch immer auch die antidepressive Wirkung zwei Wochen später erleben. Die Nebenwirkung „Unruhe“ ist also ein verläßlicher Vorbote der antidepressiven Wirkung.

Meiner Erfahrung nach bringen höhere Dosierungen sehr wohl eine etwas höhere Wirkung. Allerdings zahlt der Patient einen zunehmend hohen Preis in Form einer dauerhaft anhaltenden, unangenehmen Unruhe und Getriebenheit. Diese ist bei 225 mg pro Tag oft den ganzen Tag über spürbar und fühle sich so an, als ob man 8 Tassen Kaffee am Tag getrunken hätte. Bei 300 mg am Tag kann die Unruhe unerträglich werden.

Natürlich reagiert jeder Mensch unterschiedlich auf eine bestimmte Dosis. Manche Patienten vertragen 300 mg pro Tag völlig frei von Nebenwirkungen, andere haben unter 150 mg schon ausgeprägte Unruhe. Wer zusätzlich zur Depression noch eine körperliche Erkrankung hat, die ihn schwächt, verträgt oft nur recht niedrige Dosierungen.

Das Dosis-Wirkungs und Dosis-Nebenwirkungs-Verhältnis ist nicht bei allen Antidepressiva gleich. Citalopram und Escitalopram verursachen auch in höheren Dosierungen deutlich weniger Getriebenheit und Unruhe als Venlafaxin. Das liegt wahrscheinlich daran, dass Venlafaxin in höheren Dosen nicht nur als Serotonin-Wiederaufnahmehemmer wirkt, sondern zusätzlich als Noradrenalin-Aufnahmehemmer wirkt, was eben unruhig macht. In den sehr hohen Dosierungen von 300 mg Venlafaxin pro Tag kann auch noch eine Dopamin-agonistische Wirkung dazu kommen, was im Einzelfall psychotische Symptome auslösen kann.

Aufgrund dieser Dosis-Wirkungs- und Dosis-Nebenwirkungskurve ist es aus meiner Sicht oft sinnvoll, lieber etwas länger bei einer gut verträglichen Dosis zu bleiben, als nach wenigen Wochen, wenn ungeduldig festgestellt wird, dass noch nicht genügend Besserung zu verzeichnen ist, auf eine unverträglich hohe Dosis zu erhöhen. Ich habe die Erfahrung gemacht, das sowohl Ärzte als auch Patienten die Wirkung von Antidepressiva eher überschätzen und die Nebenwirkungen der Medikamente eher unterschätzen.

Welche Erfahrungen habt ihr mit dem Verhältnis aus Wirkung und Nebenwirkungen bei unterschiedlichen Dosierungen von Venlafaxin gemacht. Ab welcher Dosis habt ihr eine unangenehme Unruhe beobachtet oder selbst erlebt? Schreibt eure Erfahrungen gerne in die Kommentare!

 

Benzodiazepine bei akuten Psychosen: Entspricht die Dosis dem Bedarf?

Benzodiazepindosis bei akuten Psychosen

In der stationären Behandlung akuter Psychosen kann es oft sinnvoll sein, am Anfang eine wirksame Dosis von Benzodiazepinen zu geben, da die akute Psychose oft mit einem hohen Maß an Angst und Anspannung einher geht. Angst und Anspannung lassen dann meist recht zügig nach, nach einer Woche sind sie oft weitgehend abgeklungen. Wenn zu Beginn Benzodiazepine gegeben worden sind, dann sollen diese nun zügig reduziert und so bald wie möglich abgesetzt werden.
In der Realität sehe ich oft, dass an den ersten zwei Tagen eher zu wenig Benzodiazepine gegeben werden, und danach die Dosis deutlich zu langsam reduziert wird. Natürlich gibt es nicht einen immer gleichen Benzodiazepin-Bedarf bei Patienten mit akuten Psychosen. Ich habe das Diagramm oben aber dennoch gezeichnet, um zu verdeutlichen, wie ich das meine. In den ersten Tagen brauchen manche Patienten eine hohe Dosis, dann ist eine rasche Dosisreduktion sinnvoll. 

Merke:
Prüfe täglich, wie hoch Angst und Anspannung wirklich sind und passe die Benzodiazepin-Dosis täglich daran an.

In welcher Dosis wirkt Mirtazapin am besten schlafanstoßend?

David, Weiterbildungsassistent im ersten Jahr für den Facharzt Psychiatrie und Psychotherapie im ersten Jahr, stellt folgende Frage:

In welcher Dosis wirkt Mirtazapin am besten schlafanstoßend? Ich habe von mehreren Oberärzten gehört, dass es in niedriger Dosis (15 mg) besser schlafanstoßend wirkt als in höherer Dosis, und ich habe das auch bei einigen meiner Patienten so beobachtet.

Lieber David, genau diese Beobachtung habe ich auch gemacht. Meist reichen sogar 7,5 mg zur Nacht, um einen guten Effekt auf das Einschlafen und Durchschlafen zu erziehlen, und bei 15 mg ist dieser Effekt noch stärker als bei 7,5 mg. In den höheren Dosierungen (30 mg und mehr) ist dieser Effekt zumindest nicht stärker, aber manche Patienten berichten, dass sie bei höheren Mirtazapin-Dosierungen am Abend (45-60 mg) morgens immer noch müde sind, also einen overhang haben.
Ich selbst gebe Mirtazapin bei agitierten Depressionen aus diesem Grunde oft abends in einer Dosis von 15 mg, oft kombiniert mit Citalopram morgens 20 mg. Das ist eine gut wirksame und verträgliche Kombination. Wenn dann die Depression etwas abgeklungen ist und der Schlaf sich etwas verbessert hat, setze ich das Mirtazapin abends ab und behalte das Citalopram morgens bei. Dies kann nun über einige Monate gegeben werden, ohne dass es zu Gewichtzunahme oder Müdigkeit durch die Medikation kommt.

Danke für die Frage, David. Und lerne weiter so, wie Du es jetzt tust: Beobachte genau, welche Auswirkungen das, was Du verordnest, auf Deine Patienten hat. Und tausche Dich weiter mit anderen aus. Und dann wieder genau beobachten, was wie wirkt….

Wie dosiere ich Lithium

Vorgestern hatte ich über Wirkungen und Nebenwirkungen von Lithium berichtet (hier), heute wurde ich gefragt, wie ich Lithium dosiere. Also dann: Die Lithium Dosis wähle ich nach dem Lithium Spiegel.

Lithium Dosierung

  • Bei einer akuten manischen Phase, die stationär behandelt wird, mit RICHTIG manischem Verhalten: Schlaflosigkeit, beschleunigter Gedankengang, enthemmtes Verhalten, maniform gereizte Stimmung: Angestrebter Spiegel: 1,0 mmol/l.
  • Bei einer hypomanen Episode, die stationär behandelt wird, mit etwas manischer Symptomatik: Gestörter Schlaf, Umtriebigkeit, expansives Verhalten, Kritikminderung, aber geordnetem Gedankengang und wenig maniform gereiztem Affekt: Angestrebter Spiegel: 0,8 mmol/l.
  • Zur Phasenprophylaxe, in Abwesenheit jeder manischen Symptomatik: Angestrebter Spiegel: 0,6 mmol/l.

Die Eindosierung mache ich unterschiedlich schnell. Bei akuter Manie fange ich am ersten Tag mit 450–675 mg Lithium an, steigere dann jeden Tag um 225–450 mg, messe dann erstmalig den Spiegel, wenn ich eine Dosis von 900–1125 mg erreicht habe und diese Dosis über einen Tag gleich belassen habe. Bei Hypomanien und noch mehr zur Phasenprophylaxe steigere ich die Dosis langsamer und messe den Spiegel erst, wenn ich die Dosis zwei Tage lang konstant gehalten habe.

Danach gehe ich gedanklich nach folgender Regel vor: Der Lithiumspiegel verhält sich ziemlich proportional zur Dosis, d.h. doppelte Dosis, doppelter Spiegel. So kann ich per Dreisatz berechnen, um wieviel mg ich steigern muss, um vom aktuellen Spiegel auf den Zielspiegel zu kommen.

Hat dieser Patient früher schon einmal Lithium erhalten und wurde ein Spiegel gemessen, dann orientiere ich mich hieran.

Tritt Tremor auf, strebe ich einen niedrigeren Spiegel an.

Früher neigte man insgesamt zu etwas höheren Spiegeln, in der letzten Zeit ist eine Tendenz zu beobachten, insbesondere in der Phasenprophylaxe niedrigere Spiegel anzustreben.

Das Ergebnis meiner  letzen Umfrage “Welches Neuroleptikum würdest Du selbst einnehmen” fand ich sehr interessant, die Mehrheit entschied sich für Risperidon. Ich möchte nun wissen, welche Spiegel ihr in der Phasenprophylaxe bei symptomfreien Patienten, die eine bipolare Erkrankung haben, anstrebt.

Nehmt bitte hier an der Umfrage teil: 

Copyright

 

Dieser Beitrag ist ein Auszug beziehungsweise eine auszugsweise Vorabveröffentlichung des Werks „Psychopharmakotherapie griffbereit“ von Dr. Jan Dreher, © Georg Thieme Verlag KG. Die ausschließlichen Nutzungsrechte liegen beim Verlag. Bitte wenden Sie sich an permissions@thieme.de, sofern Sie den Beitrag weiterverwenden möchten.