Welche QTc-Zeit ist eigentlich kritisch?

Inzwischen hat sich ja rumgesprochen, dass bestimmte Medikamente wie Citalopram, Escitalopram und Sertindol die QTc-Zeit verlängern können. Dies begünstigt Torsade de pointes Tachykardien, die tödlich sein können. Daher soll man bei Verschreibung dieser Substanzen regelmäßig die QTc-Zeit kontrollieren. Aber ab wann wird’s eigentlich kritisch?

  • Ab 420 msec ist die QTc-Zeit verdächtig und muss kontrolliert werden, die Medikation muss überdacht werden.

  • Ab 500 msec oder einer Zunahme von 60 msec oder mehr ist die QTc-Zeit so hoch, dass man die entsprechenden die QTc-Zeit verlängernden Medikamente absetzen sollte.

  • Nicht die Dosis, sondern die Wirkstoffkonzentration am Wirkort bestimmen über die Stärke der Nebenwirkungen. Es ist daher sinnvoll, bei Patienten, die mehrere Risikofaktoren für eine verlängerte QTc-Zeit haben (hohes Alter, weiblich, mehrere CYP-p450 hemmende Medikamente), den Blutspiegel verdächtiger Medikamente zu messen.

Kann die Psychiatrie helfen, zu verstehen, was Breivik getan hat?


Heute habe ich einen sehr interessanten Vortrag von Prof. Malt gehört. Prof. Malt war einer der Gutachter, der Breivik begutachtet hat.

Er sagt, dass bei Breivik eine ganze Reihe von Umständen und Besonderheiten zusammen gekommen sind. Die Mutter von Breivik sei sehr sonderbar gewesen, vielleicht am ehesten wie eine Asperger-Autistin. Die Mutter-Kind-Interaktion mit Breivik sei bis zuletzt fatal abnorm gewesen. Breivik selbst zeige einige Symptome des Asperger-Autismus, darunter ein Mangel an Empathie, eine gute verbale Kompetenz bei mangelhafter Empathie, eine pathologische Fixierung auf wenige lebensfremde Aspekte des Lebens, ohne adäquate Verknüpfung mit dem restlichen Leben.

Dazu gekommen sei eine zunehmende Fanatisierung der Gedanken im Sinne eines ausländerfeindlichen Denkens. Gefolgt von einer realitätsentrückten Größenphantasie; so dachte Breivik wohl, er sei auserwählt, Fehler in der Gesellschaft durch eigene Entscheidungen über Leben oder Tod zu korrigieren. Diese Größenideen und das extreme Ausmaß der Entfernung von jeder irgendwie noch nachvollziehbaren Realitätsauffassung beurteilt auch Prof. Malt als „delusional“ also am ehesten wahnhaft. Dabei darf man gerade in Deutschland nicht vergessen, dass es eine Zeit gab, in der eine unfassbare Menge an Menschen eben so gedacht hat: „Wir müssen eine andere Rasse auslöschen, sonst löscht sie uns aus!“ Und diesen schrecklichen Teil unserer Geschichte interpretieren wir ja nicht entschuldigend als kollektiven Wahn, sondern als menschenverachtend böse, fanatisch und verwerflich, aber eben nicht als einfache Krankheit. 

Breivik habe dann auch noch Zeichen eines Gille-de-la-Tourette-Syndromes gezeigt, namentlich Phasen von aggressivem Impulssturm: „Rage“. 

Auch sehr ausgeprägte Elemente eines pathologischen Narzissmuss sind bei Breivik zwanglos zu diagnostizieren.

Er habe sich dann in diese Welt immer mehr zurück gezogen, habe ein Jahr lang nur vor seinem Computer gesessen. Dann habe er noch diesen Waffen-Fanatismus gehabt, habe Zugang zu Waffen gehabt und habe seinen Fanatismus über Jahre gepflegt und ausgebaut.

All dies reicht nicht, um eine so unglaubliche Tat wie das Massaker, das Breivik angerichtet hat, zu verstehen. Aber es gibt das Phänomen des Amok-Laufes offenbar schon seit Jahrtausenden. Die Häufigkeit sei dabei erstaunlich konstant.

Breivik habe dann zunächst diese Bombe gezündet. Er habe im Gerichtssaal berichtet, er habe im Radio gehört, dass acht Menschen dabei gestorben seien. Da habe er sich entschieden, auf die Insel zu gehen und weitere Menschen zu töten. Hätte die Bombe mehr als 10 Menschen getötet, wäre er nicht auf die Insel gegangen. 

Auch zwei Jahre nach dem Massaker zeige Breivik nicht einen Anflug von Reue. 

Kann die Psychiatrie nun helfen, solche unfassbaren Gewaltexzesse wie den von Breivik verübten zu verstehen? 

Die Antwort von Prof. Malt war: 

„Sie soll es versuchen.“  
„Aber es wird ihr wohl niemals gelingen, dieses Verhalten wirklich zu verstehen.“

Für mich hat der Vortrag gezeigt, dass psychiatrische Klassifikationssysteme dafür geschaffen sind, häufige Krankheiten zu kategorisieren. Sie sind aber nicht dafür geschaffen, Amokläufer zu beschreiben. Sie sind dafür auch völlig ungeeignet. Dass es keine Diagnose gibt, in die Breivik wirklich paßt, weder in die Schublade „Psychotisch“, noch in die Schublade „Narzisstischer und fanatischer Asperger“, noch in die Schublade „Gesund, aber böse“, ist für mich nicht überraschend. Man kann auch nicht mit dem Klassifikationssystem für Schmetterlinge das Aussterben der Dinosaurier verstehen. 

Unser ICD-10 Klassifikationssystem ist nicht dafür gemacht. Werfen wir ihm nicht vor, dass es im Falle von Breivik gänzlich unpassend ist.

Mind and Brain blog


Auf einem Kongress interessiert einen ja oft irgend etwas am meisten, von dem man vorher gar nicht wußte, dass es einem den Weg kreuzt. Heute bin ich beim DGPPN Kongress angekommen, der lauter interessante Vorträge bietet. Ich war bei einem Seminar zur Planung der Neugestaltung des Psychopharmakologischen Teils der Facharztweiterbildung, und einen Vortrag hielt der wohl renomierteste deutsche Psychopharmakologe, Prof. Gründer aus Aachen. Und die letzte Folie war:

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Tja, das mach ich dann jetzt mal. Für jeden an Psychopharmakologie oder an psychiatrischer Lehre interessierten ist das eine Goldgrube. Unbedingt vorbeischauen!

Willkommen in meiner blogroll: Menschenhandwerkerin

MenschenhandwerkerinWillkommen, Menschenhandwerkerin (http://menschenhandwerkerin.tumblr.com)

Die Menschenhandwerkerin bloggt als junge Ärztin, Österreicherin, Frau, Mensch, Handwerkerin und eben als Menschenhandwerkerin.

Wer dabei sein will, fügt diesen RSS-Feed in seinen Feed-Reader ein: http://menschenhandwerkerin.tumblr.com/rss

Chiralität die Zweite…

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Gestern habe ich erklärt, dass Medikamente oft eine 50:50 Mischung aus einem wirksamen Enantiomer und einem spiegelbildlichen, aber unwirksamen Enantiomer sind. Ein zweites in der Psychiatrie bekanntes Beispiel hierfür ist das Methadon. Wirksam ist nur das L-Methadon, das auch Levo-Methadon oder Polamidon genannt wird. Im D-L-Methadon sind sowohl das wirksame L-Methadon als auch das allenfalls etwas sedierende, aber im übrigen nicht wirksame D-Methadon enthalten.

Die Umrechnung erfolgt daher auch so: 1 ml 0,5%iges Polamidon=5 mg Polamidon entsprechen 1ml 1%igem D-L-Methadon=10 mg D-L-Methadon. Eine Tabelle hierzu findet ihr hier.

Linke und rechte Hand sind nicht gleich…

Mater fragte in den Kommentaren: “Gibt es eigentlich einen signifikanten Unterschied zwischen Citalopram und Escitalopram? Lohnt sich der Umstieg?”

Chiralität:

Leg bitte mal Deine rechte Hand auf Deine linke Hand. Sind sie deckungsgleich? Nein. Sie sind lediglich spiegelsymmetrisch gleich. Bei chemischen Molekülen gibt es das auch. Zwei Moleküle sind spiegelsymmetrisch, aber eben nicht deckungsgleich. Bei Molekülen heißt das chiral (vom griechichen Wort für Hand, von dem auch das Wort Chirurgie abstammt). Bei Arzneimitteln ist es in der Regel so, dass beide Varianten eines Moleküls zu je gleichen Teilen in der Medizin enthalten sind, es wirkt aber nur eines der beiden Enantiomere.
So ist es auch beim Citalopram. Das ist eine 50 zu 50 Mischung des antidepressiv wirksamen S-Citaloprams (handlicher benannt als Escitalopram) und des nicht wirksamen spiegelbildlichen R-Citaloprams.

20 mg Citalopram enthalten 10 mg Escitalopram

20 mg Citalopram entsprechen 10 mg Escitalopram. Logisch, denn in 20 mg Citalopram sind ja auch 10 mg S-Citalopram drin, und halt noch 10 mg R-Citalopram.
Lundbeck hat, kurz bevor das Patent von Citalopram ausgelaufen ist, einen in der Pharmabranche üblichen Trick angewendet. Das S- und R-Citalopram-Gemisch, das als Citalopram verkauft wird, wurde chemisch getrennt, und nur noch die wirksame Hälfte, das S-Citalopram verkauft. Name Escitalopram. 10 Jahre neues Patent drauf, und damit wesentlich höhere Gewinnmarge. Dann macht man mit Escitalopram noch Zulassungsstudien für Indikationen, bei denen man für Citalopram keine Zulassungsstudie gemacht hat, und schon erscheint es ein breiteres Wirkspektrum zu haben als Citalopram.
Dabei ist aus logischen Gründen ausgeschlossen, dass 10 mg Escitalopram besser wirken können als 20 mg Citalopram, denn in 20 mg Citalopram sind ja auch 10 mg S-Citalopram drin.
Es ist theoretisch möglich, dass das R-Citalopram Nebenwirkungen macht. Aber es macht nicht die typischen serotonergen Nebenwirkungen wie Übelkeit, QT-Zeit-Verlängerung oder verzögerten Orgasmus, denn das R-Citalopram ist ja eben gerade nicht aktiv am Serotonin-Transporter. Es könnte vielleicht Allergien auslösen, die Escitalopram nicht auslöst.

Fazit:

Meine Einschätzung ist also: Was auch immer die Marketing-Experten uns erzählen möchten: Escitalopram ist nicht wirksamer als (die zweifache Menge) Citalopram. Es könnte theroretisch weniger Nebenwirkungen machen. Aber nicht die klassischen Nebenwirkungen.

Wie Benperidol Geister vertreiben kann

Benperidol war das erste Psychopharmakon, dessen Wirkung ich selbst bewusst beobachtet und kennengelernt habe. Im zweiten klinischen Semester machte ich meine erste Famulatur. Ich überlegte einige Zeit, in welchem Bereich ich meine erste Famulatur machen sollte. Am skeptischsten war ich gegenüber der Psychiatrie. Ich hatte nun schon einiges darüber gehört, wußte aber nicht, ob Psychiatrie wirklich funktioniert. Also wählte ich dieses Fachgebiet für meine erste Famulatur aus. Ich wollte wissen, ob Psychiatrie wirklich helfen kann, ob sie wirklich nutzt. Ich wurde auf einer geschlossenen Aufnahmestation eingesetzt.

An meinem ersten Tag lernte ich eine Patientin kennen, die einige Jahre jünger war als ich. Sie berichtete mir, dass sie immer wieder Geister höre und dass sie spüre, dass Geister um sie herum seien. Sie hatte große Angst und bat um Hilfe.

Die Patientin litt an einer Psychose. Die Stationsärztin beauftragte mich, ihr jeden Tag morgens und nachmittags 4 mg Benperidol, besser bekannt unter dem Handelsnamen Glianimon®, intravenös zu injizieren. Bereits nach der ersten Spritze, dem Anfang der Behandlung, konnte ich eine Veränderung beobachten. Hatte sie zuvor noch etwas durcheinander und beschleunigt gesprochen, war der Gedankengang nun besser geordnet. Sie glaubte immer noch an die Geister, war aber ruhiger und sprach nicht mehr so durcheinander. Sie hatte weniger Angst. Ich verabreichte ihr jeden Morgen und jeden Abend eine Spritze und beobachtete von Tag zu Tag die Fortschritte. In den ersten zwei Wochen nahm sie weiterhin Geister wahr, hörte deren Stimmen und spürte ihre Präsenz. Doch dann zweifelte sie langsam an den Geistern und sagte mir, sie wisse doch eigentlich, dass es keine Geister gebe. Aber die Stimmen schienen ihr echt, sie könne sich diese Stimmen nicht anders erklären, schließlich sehe sie überhaupt niemanden, wenn sie die Stimmen höre, es könnten doch also nur Geister sein. Ich sprach viel mit ihr darüber, was die Stimmen sagten, konnte aber keinen nachvollziehbaren Sinn darin ausmachen. Unsere Erklärungen, es handele sich um Sinnestäuschungen im Rahmen einer Erkrankung, hörte sie sich mit großer Skepsis an.

Die Behandlung mit Benperidol wurde fortgeführt. Nach drei Wochen berichtete sie erstmalig, dass sie nun keine Stimmen mehr höre. Sie nehme keine Präsenzen von unerklärlichen Wesen mehr wahr. Sie war ihre Ängste los und wirkte wieder ganz normal, allerdings etwas erschöpft und müde. In der vierten Woche meiner Famulatur wurde das Glianimon auf ein verträglicheres Medikament umgestellt.

Benperidol hatte die Geister vertrieben. Und ich war  überzeugt, dass Psychiatrie funktioniert. Die Neuroleptika helfen Menschen mit einer Psychose, die Halluzinationen zu verlieren und wieder klar und angstfrei zu denken. Hochpotente Neuroleptika wie Benperidol wirken sehr stark gegen Halluzinationen und Wahn.

Die Kehrseite dieser Wirkstoffgruppe sind allerdings oft Nebenwirkungen im Sinne von Extrapyramidal Motorischen Symptomen (->EPMS) wie Steifigkeit der Gelenke, Schluckstörungen oder einer Verarmung der Mimik. Auch Anhedonie und Antriebsstörungen treten häufig auf.

Aus diesem Grunde sind klassische hochpotente Neuroleptika wie Benperidol und Haloperidol heute im Regelfall nicht mehr die Medikamente der ersten Wahl. In der Mehrzahl der Fälle beginnt man heute eine neuroleptische Behandlung mit einem atypischen Neuroleptikum. Es gibt jedoch Situationen, in denen die Wahl eines klassischen Neuroleptikums auch heute noch erforderlich ist. Ein Grund ist, dass es noch kein Atypikum gibt, das man intravenös injizieren kann. Es gibt Atypika, deren sofort wirksame Darreichungsform man intramuskulär geben kann (Olanzapin, Ziprasidon und Aripiprazol), aber das ist nicht immer der beste Weg. Auch ist es so, dass klassische Neuroleptika sehr schnell, sehr verlässlich und sehr stark wirken. Das begründet in einigen Fällen den Einsatz eines typischen Neuroleptikums zu Beginn der Behandlung. Es gibt auch Patienten, die ihre psychotischen Symptome unter atypischen Neuroleptika nicht verlieren, denen ein Typikum aber gut hilft und wenig Nebenwirkungen verursacht. Diese Patientengruppe profitiert ebenfalls von einer solchen Substanz.

Die Mehrzahl der Patienten wird allerdings am ehesten davon profitieren, von Anfang an mit einem Atypikum behandelt zu werden und während der gesamten Dauer der Behandlung und der gesamten Dauer der Rezidivprophylaxe dabei zu bleiben.

Copyright

 

Dieser Beitrag ist ein Auszug beziehungsweise eine auszugsweise Vorabveröffentlichung des Werks „Psychopharmakotherapie griffbereit“ von Dr. Jan Dreher, © Georg Thieme Verlag KG. Die ausschließlichen Nutzungsrechte liegen beim Verlag. Bitte wenden Sie sich an permissions@thieme.de, sofern Sie den Beitrag weiterverwenden möchten.

Psychiatrische Kliniken aus aller Welt: Universitäre Psychiatrien Basel

Psychiatrische Uni Klinik Basel

Video-Doku über die Psychiatrische Uni-Klinik Basel

Das schweizer Fernsehen hat diese halbstündige Reportage über die Psychiatrische Uni-Klinik Basel gedreht, der für Leute, die noch kein Bild von einer psychiatrischen Klinik haben, geeignet ist, ein sehr schönes Bild zu gewinnen. Ich muss allerdings warnen: Nicht in jeder Klinik ist die Innenarchitektur so schön wie in der UPK Basel. Interessant auch, dass die Ärzte alle hochdeutsch sprechen, die Patienten aber Schweizer-Deutsch.

Danke für den link, Steffi!

Zum Unterschied von Intrusionen und Flashbacks

In der Traumatherapie spielt eine präzise Sprache eine ganz besonders wichtige Rolle. Ein Punkt ist, dass die häufigeren Intrusionen von den selteneren, dafür sehr viel pathologischeren Flashbacks unterschieden werden müssen. Es ist nicht gut, einem Patienten, der Intrusionen hat, zu sagen, er habe Flashbacks, und ihn entsprechend falsch zu behandeln… Zur Rekapitulation:

Intrusionen

Intrusionen sind laut Wikipedia der Überbegriff über unangenehme Erinnerungen, Flashbacks und Albträume. 

Im allgemeinen Sprachgebrauch werden als Intrusionen am ehesten Erinnerungen aus der Vergangenheit benannt, die dem Patienten in den Sinn kommen, und die er als störend oder belastend erlebe. Dabei besteht Distanz zu diesen Erinnerungen und er kann diese Erinnerungen als solche zuordnen. Er kann dabei ganz normal weiterarbeiten. Er bleibt Herr des Geschehens.

Flashbacks

Flashbacks gelten als Unterbegriff der Intrusionen. Ein Flashback ist ein Zustand, in dem jemand mit Haut und Haaren in ein vergangenes Erlebnis hinein gerissen wird, und es jetzt noch einmal durchlebt, als geschehe es gerade jetzt noch einmal. Dabei durchlebe er nicht nur die abstrakte Erinnerung, sondern auch die damit verbundenen Sinneswahrnehmungen wie Gerüche, Berührungen und die damit verbundenen Gefühle wie Angst etc. noch einmal mit durch. Der Flashback ist hier Herr über das Erleben.

Ärzte Bestechung wird strafbar

Bislang gab es interessanterweise keine Strafnorm, die es niedergelassenen Ärzten verbot, Bestechungsgelder anzunehmen, wie der BGH unlängst feststellen musste. Der bislang schon vorhandene Straftatbestand der “Bestechung” galt nur für Vorteilsannahme im Amt. Ein Amt übt ein niedergelassener Arzt aber nicht aus, das tut nur ein Beamter oder ein Funktionär im öffentlichen Dienst u.ä. Daher war rechtlich nichts zu machen, wenn ein Pharmavertreter einem Arzt Geld gezahlt hat, dafür dass er das Medikament des Pharmavertreters verschreibt.

Zwar ist es so, dass auch andere Freiberufler bestochen werden dürfen (Rechtsanwälte, Architekten…), aber das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient braucht auch besonderen Schutz.

Daher ist es überfällig und sehr zu begrüßen, dass in den Koalitionsverhandlungen nun offenbar entschieden wurde, dass sowohl derjenige, der einen Arzt besticht als auch der Arzt, der eine Bestechung annimmt, gemäß einem neu zu schaffenden Strafrechtsparagrafen bestraft werden kann, offenbar bis zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren.

Bestechung war vor etwa 10 Jahren ein noch sehr viel größeres Thema als gegenwärtig, die Pharmafirmen haben sich in den letzten Jahren selbst einen Kodex gegeben, der zu einer sehr deutlichen Abnahme von unangemessenen Zuwendungen führte. Das neue Gesetz wird hoffentlich auch noch die letzten Sümpfe trocken legen. Und die Patienten können sicher sein, dass die Entscheidung über ein Medikament sowie die Auswahl des einzelnen Präparates zu ihrem Besten getroffen wird.

Das Ziel eines solchen Gesetzes sind primär die wenigen schwarzen Schafe, die Geld annehmen für gefällige Verordnungen. Es ist aber anzunehmen, dass der Ruch der Strafbarkeit auch eine Strahlkraft auf die möglicherweise noch erlaubten kleinen Gefälligkeiten, wie USB-Sticks und Einladungen zum Essen, den Spaß nehmen wird. Und das ist gut so.