Morbus Parkinson oder Parkinsonoid ?

Wenn ein älterer Patient, der mit einem Neuroleptikum behandelt wird, Zeichen eines Parkinsonsyndromes zeigt, also Rigor, Tremor und Akinese, kann es mitunter schwierig sein, zu unterscheiden, ob ein primärer Morbus Parkinson oder ein medikamenteninduziertes Parkinsonoid vorliegt. Heute habe ich von einer Kollegin, die Neurologin ist, folgenden Tipp gehört:

Der M. Parkinson beginnt typischerweise einseitig.
Ein medikamentös induziertes Parkinsonoid zeigt sich in der Regel beidseitig.

Wenn ich im Lichte dieser Faustregel meine Erinnerung an Patienten durchgehe, finde ich keine Ausnahme von der Regel. Sie hilft erstaunlich präzise, zwischen einem idiopatischen M. Parkinson und einem medikamenteninduzierten Parkinsonid zu unterscheiden.

Citalopram gegen Agitation bei Patienten mit Alzheimer Demenz

Es ist eine verbreitete Unsitte, agitierten dementen Patienten hochpotente Neuroleptika zu verordnen.  Natürlich kann es Ausnahmen geben. Wenn ein Patient im Rahmen seiner Demenz eine psychotische Symptomatik entwickelt, und diese Symptomatik ihn beunruhigt und verängstigt, dann ist die Verordnung eines Neuroleptikum selbstverständlich wirksam. Es ist jedoch häufig zu beobachten, dass Demenzpatienten, die sich im Altenheim oder auf einer Krankenhausstation unruhig verhalten, auch ohne jedes psychotische Symptom mit einem hochprozentigen Neuroleptikum behandelt werden. Dieses zeitigt üblicherweise keine großen Erfolge. Neuere Studien zeigen sogar, dass hierdurch die Sterblichkeit infolge kardiovaskulärer Ereignisse zunimmt. Eine aktuelle Studie (der vollständige Artikel ist dort als pdf frei zugänglich) im Journal of the American Medical Association hat nun die Frage untersucht, ob Citalopram einen beruhigenden Effekt auf die Agitation bei Alzheimer Demenz hat. Hier findet ihr ein Video, in dem der Autor der Studie die Ergebnisse in 5 Minuten für Euch zusammenfasst: 

Das Ergebnis ist, dass Citalopram bei diesen Patienten tatsächlich die Agitation reduzieren kann, dafür aber spürbare negative Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit hat. Darüber hinaus ist eine in der Gerontopsychiatrie besonders relevante Nebenwirkung des Citaloprams, eine mögliche Verlängerung der Qtc-Zeit, zu berücksichtigen. In der zitierten Studie wurden 30 mg Citalopram gegeben, inzwischen liegt die Empfehlung für ältere Patienten bei maximal 20 mg Citalopram pro Tag.

Meine Einschätzung:

Sicher ist, dass man nach der aktuellen Erkenntnislage nicht mehr 30 mg, sondern 10 oder 20 mg Citalopram versuchen sollte. Die Ergebnisse der Studie zeigen schon eine deutliche Reduktion der Agitation, und Citalopram in einer Dosis von 10-20 mg pro Tag ist allemal sicherer als ein Neuroleptikum. Aber die mit Citalopram behandelten Patienten zeigten auch einen um 1,05 Punkte niedrigeren Wert im MiniMental State Test. 1 Punkt hier ist viel. Die Behandlung der Agitation bei dementen Patienten stellt immer wieder eine Herausforderung dar. Sinnvoll ist es, zunächst alle nicht-medikamentösen Maßnahmen einzusetzen:

  • Spaziergänge
  • Bewegungstherapie
  • Ausgang im Garten
  • Architektur mit “Rundgängen” auf gerontopsychiatrischen Stationen

Im zweiten Schritt kann ein sedierendes niederpotentes gut verträgliches Neuroleptikum versucht werden.

Wie geht Ihr vor?

Welche weiteren Behandlungsmethoden gegen die Agitation bei dementen, nicht-psychotischen Patienten kennt Ihr? Hat jemand Erfahrung mit Citalopram in dieser Indikation? Setzt jemand 10-20 mg Citalopram ein?

Der Elefant, sein Reiter und ihr gemeinsamer Weg

In diesem Artikel des sehr lesenswerten Blogs Barking up the wrong tree erläutert Erik Barker eine sehr schöne Metapher über unser Gehirn: Der Elefant und sein Reiter. Dabei steht der Elefant für den alten, archaischen Teil unseres Gehirnes, der alle grundlegenden Entscheidungen trifft und in Zeiten der Not sowie bei wirklich lebensnotwendigen Dingen die Entscheidungshoheit hat. Der Reiter steht für den neueren, verbal ausgerichteten Teil unseres Gehirns. Der Teil, der Planungen macht, sich mit Ethik, Moral und unserem Selbstbild beschäftigt, und mit dem wir uns in der Regel besonders stark identifizieren. Wir identifizieren uns selbst fast ausschließlich mit diesem Teil des Gehirns, dieser Teil sind in unseren Augen wir selbst. Tatsächlich ist es so, dass der Reiter eines Elefanten diesen dirigieren kann, wenn der Elefant ruhig, satt und ausgeglichen ist. Dann kann der Reiter die Richtung vorgeben und den Elefanten auch zur Arbeit antreiben. Aber nur, wenn der Elefant auch will. Wenn der Elefant Hunger, Angst oder Schmerzen hat, wird er selbst entscheiden, was zu tun ist. Der Reiter ist dann eine nutzlose Dekoration, die rufen kann, was sie will, der Elefant wird erst mal das machen, was er für erforderlich hält. Sie haben das schon mal erlebt, als Sie eine Diät gemacht haben, sich gesagt haben, sie essen heute Abend nichts mehr, und mit sich und ihrem Entschluss ganz im Reinen waren. Sie haben sich selbst in diesem Entschluss wieder erkannt und hatten keinen Zweifel an ihrer Identität: “Der das sagt, bin ich.” Dann ist ihr Körper wie von Geisterhand geführt zum Kühlschrank gegangen und hat einen Schokopudding gegessen. Ja, wer war jetzt das? Das war der Elefant, der sich in Zeiten der Not nur ungern an die Leine legen lässt. Er hat sich dann mal was zu essen geholt, und Ihnen gezeigt, wer eigentlich der Herr im Hause ist. Danach hat er sie wieder sagen lassen: „Jetzt ess´ ich aber keinen zweiten!“. Und ist auch nicht mehr zum Kühlschrank gegangen. Er war so höflich, Ihnen Ihr Selbstbild zu lassen. Und hat sie gleichzeitig vor dem Verhungern geschützt. Ich finde diese Metapher aus mehreren Gründen sehr schön:

  • Weil sie wahr ist.
  • Weil sie uns ein wenig Demut lehrt.
  • Weil sie uns darauf aufmerksam macht, dass der Elefant uns beschützt und Gutes verfolgt, selbst, wenn wir das nicht erkennen. Sie kann uns helfen, den Elefantenanteil unseres Selbst besser zu würdigen und uns auch mit diesem Anteil mehr zu identifizieren.
  • Und sie kann uns manchmal helfen, das Verhalten anderer besser zu verstehen. Manchmal sagen uns Andere ganz vernünftige Dinge, setzen sie aber nicht in die Tat um oder tun genau das Gegenteil. Manchmal tun Menschen ganz irrational erscheinende Dinge. Das Bild vom Elefanten kann dann helfen, diese Menschen besser zu verstehen und ihr Handeln zu würdigen.
Entscheidend ist, dass wir die Rahmenbedingungen, die unser Gehirn für uns fordert, akzeptieren, auch wenn es uns manchmal etwas archaisch vorkommt. Nur innerhalb dieser Rahmenbedingungen sind wir frei, uns zu bewegen. Aber innerhalb dieser sind wir tatsächlich frei, uns zu bewegen.
 

Wir sind nicht nur der Reiter. Wir sind auch der Elefant. Und das ist auch gut so.
Reiter und Elefant können einen gemeinsamen Weg gehen, wenn beide das wollen.

Psychiatrievorlesungen online. Auf deutsch. Frei. Sehr gut.

Wer Psychiatrische Vorlesungen sucht, findet bei iTunesU und den bekannten Plattformen zumeist nur englischsprachige Angebote. Die sind oft von hoher Qualität, aber aufgrund ihres speziellen Vokabulars auch nicht immer ganz einfach zu verstehen.

Ich bin daher ziemlich begeistert, dass Prof. Gründer, Stellvertretender Direktor der Psychiatrischen Uni Klinik Aachen, neben seinem mind-and-brain-blog, einen YouTube Kanal mit seinen eigenen Vorlesungsvideos zur Verfügung stellt.

Diese Vorlesungsmitschnitte sind für jedermann frei zugänglich. Die Vorlesungen werden auf Deutsch gehalten und sie sind von exzellenter Qualität. Es werden fast immer auch Patienten exploriert, die der Veröffentlichung der Vorlesung auf Youtube selbstverständlich zugestimmt haben. Diese Patienten leisten einen sehr wertvollen Beitrag zu einem besseren Verständnis psychischer Erkrankungen und zu einer weiteren Verbreitung dieses Verständnisses.

Ich kann diese Vorlesungen jedem Interessierten uneingeschränkt empfehlen. Sie stellen den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in einer didaktisch sehr eingängigen Form dar.

Einige der bisherigen Vorlesungen sind:

(Wenn die Videos im RSS-Feed oder der email nicht angezeigt werden, bitte auf die website http://www.youtube.com/channel/UC93XbcfQSCz1rvGJ7vYujjA/feed gehen, dort werden sie auf jeden Fall angezeigt)

Gebärdendolmetscher in der Hosentasche

Ich habe hier ja schon ein paar mal Übersetzungsapps vorgeschlagen, die einem helfen können, mit Patienten in sehr fremden Sprachen zumindest notdürftig zu kommunizieren. Gegenwärtig verwende ich selbst hierfür iTranslate. Ich habe es tatsächlich einige Male im echten Betrieb wirklich angewendet. 
Heute hat mir eine Kollegin eine App gezeigt, die häufig gebrauchte medizinische Sätze in die Gebärdensprache übersetzt. Wenn man einen gehörlosen Patienten behandelt, der nicht gut im Lesen und Schreiben ist, kann diese App helfen. Für die Rückübersetzung aus der Gebärdensprache hilft sie natürlich nicht. Dennoch wird sich gerade ein psychiatrischer Patient gut aufgenommen fühlen, wenn man ihn mit einigen Sätzen in Gebärdensprache begrüßen kann. Man wählt in der App einen nach Themen geordneten Satz aus, und die App zeigt den Satz dann als Video in Gebärdensprache an. Hab ich noch nicht im echten Feldeinsatz ausprobiert, ist aber cool.
iSignIT ist kostenlos für´s iPhone und für´s iPad zu haben.

Hilft das Auswerfen des Ankers gegen Seekrankheit?

Auf hoher See

Stell Dir vor, du bist mit einem kleinen Boot auf unruhiger, manchmal stürmischer See unterwegs. Wind und Wellen schütteln Dein Boot ganz schön durch, es schaukelt und schlingert, was das Zeug hält. Nach einiger Zeit wird Dir schlecht. Klarer Fall von Seekrankheit. Doch was tun? Du kannst ja nicht den Winden befehlen, nicht mehr zu wehen, den Wellen nicht sagen, sie sollten einen Bogen um Dein Schiff machen. Würdest Du den Anker auswerfen, in der Hoffnung, dass er Dein Schiff festhällt und so beruhigt?

Stimmungslabilität

Eine ähnliche Frage stellt sich immer wieder in der Psychopharmakotherapie emotionaler Schwankungen. Ein gesundes Auf und Ab der Gefühle ist ja gut und richtig. Manche Menschen leiden aber so stark unter den extremen Ausschlägen ihrer Gefühle, dass ihnen quasi vom ganzen himmelhoch-jauchzend  –  zu-Tode-betrübt innerhalb weniger Stunden ganz schlecht wird. Morgens noch beim Aufstehen super gut drauf, eine kritische Bemerkung vom Partner, schon geht’s mit Vollgas in die Verzweiflung. Mittags herrscht wieder Sonnenschein. Am Nachmittag dann der Gedanke: “Schaffe ich es, die Abgabefrist meiner Hausarbeit einzuhalten?” Selbstzweifel, Angst, Erstarren. Abends wieder Party.

Bipolare Erkrankung?

Die Aufgabe des Psychiaters ist es in solchen Fällen, zu diagnostizieren, ob es sich um eine bipolare Erkrankung handelt. Bipolare Erkrankungen sind typischerweise davon gekennzeichnet, dass der Patient im Abstand von wenigen Jahren, manchmal sogar nur von einigen Monaten oder sogar nur einigen Wochen depressive und manchmal manische Phasen erlebt. In den depressiven Phasen kommt er nicht gut aus dem Bett, ist wochenlang traurig gestimmt und hat zu nichts Lust. In den deutlich selteneren und meist viel kürzeren manischen Phasen ist er überdreht, schläft einige Tage lang nur wenige Stunden pro Nacht, hat tausend Pläne im Kopf und springt gedanklich von einem Thema zum nächsten.
Obwohl die bipolare Erkrankung eine ernste Gesundheitsstörung ist, ist sie gut behandelbar. Die Gabe stimmungsstabilisierender Medikamente kann dazu führen, dass deutlich seltener pro Jahr deutlich weniger ausgeprägte manische oder depressive Phasen auftreten. Vereinzelt gibt es bei bipolaren Patienten in manischen Phasen auch psychotische Symptome. In diesen Phasen helfen Neuroleptika gegen die psychotischen Symptome.

Oder Stimmungsschwankungen?

Man muss gedanklich trennen zwischen einer bipolaren Erkrankung und Stimmungsschwankungen während eines Tages. Zwar gibt es den Begriff des rapid cyclings, was sehr häufige Wechsel von echten manischen und echten depressiven Episoden beschreibt. Fälle von rapid cycling sind aber sehr selten und stets eingebunden in eine seit vielen Jahren bestehende schwere bipolare Erkrankung.
Ungefähr 10.000 mal häufiger sind einfache Stimmungsschwankungen. Davon ist auszugehen, wenn die Stimmung mehrfach am Tag schwankt, oft ausgelöst von kleinen Auslösern. Stimmungsschwankungen kommen oft bei der Borderline-Erkrankung vor und werden hier emotionale Labilität oder emotionale Instabilität genannt. Sie kommen aber auch bei einer Reihe anderer psychiatrischer Krankheitsbilder und vor allem auch bei ganz ganz Gesunden vor.

Pharmakotherapie von Depressionen und Manien

Wenn man nun einen Psychiater fragt, ob er etwas gegen Stimmungsschwankungen hat, dann muss er sich gedanklich also disziplinieren:

  • Handelt es sich um eine Depression? Dann helfen Antidepressiva.
  • Handelt es sich um eine bipolare Erkrankung? Dann helfen Phasenprophylaktika wie Lithium, Valproat und Carbamazepin.
  • Handelt es sich um eine Manie mit psychotischen Symptomen? Dann helfen Phasenprophylaktika und Neuroleptika.

Pharmakotherapie der Stimmungschwankungen

  • Oder handelt es sich um ganz normale Stimmungsschwankungen?

In diesem Falle helfen meiner Erfahrung nach Medikamente nicht. OK, man kann ein sedierendes Medikament verordnen, dann ist der Patient müder. Aber die Stimmung wird dadurch nicht stabiler. Viele Psychiater sind auch versucht, Phasenprophylaktika einzusetzen, denn die heißen auf Deutsch ja ganz verlockend “Stimmungsstabilisierer”. Aber das stimmt nur, wenn man den Verlauf eines Jahres betrachtet, nicht, wenn man den Verlauf eines Tages betrachtet. Und ganz am Schluss denken Psychiater offenbar immer wieder auch daran, Neuroleptika zu versuchen. Neuroleptika sind unzweifelhaft in der Behandlung der Psychose sehr wirkstarke Medikamente, aber sie haben nichts in der Behandlung von Stimmungsschwankungen zu suchen. Auch nicht vermeindlich so sanfte und so stark beworbene Neuroleptika wie Quetiapin (z.B. Seroquel®) oder Aripiprazol (Abilify®).

Anker lichten!

Es ist normalerweise total über das Ziel hinaus geschossen, wenn man bei Stimmungsschwankungen “adjuvant”, “augmentativ” oder “zur Unterstützung” Neuroleptika gibt. Diese greifen in den Dopaminstoffwechsel ein, und Dopamin braucht man für wichtige Dinge wie Freude, Motivation, Erkennen und Einschätzen von Bedeutung, Antrieb und ähnliches. Ein Neuroleptikum gegen Stimmungsschwankungen zu verordnen ist, wie bei einem Boot auf unruhigem Wasser, das schwankt und schleudert, den Anker zu Wasser zu lassen. Anker sind zwar toll, wenn das Boot in einer Realitätsverkennung denkt, es sei ein Vogel und sich in die Lüfte erheben will. Aber es verhindert nicht die Schwankungen durch die stürmische See. Das Boot bleibt durch den Anker zwar am Boden festgekettet, die Schwankungen bleiben aber bestehen.

Die Nebenwirkungen der Neuroleptika überwiegen im Falle von Stimmungsschwankungen meiner Erfahrung nach fast immer ihre erhofften, aber meist nicht realen Wirkungen.

Auf zu ruhigeren Wassern

Was hilft, ist, das Leben in ruhigere, stabilere Gewässer zu führen. Weniger Streß, etwas Vorplanung, Konflikte lösen, um sie loszuwerden.

Psychotherapie kann helfen, das zu bewirken. Psychotherapie kann auch wie ein Segelkurs wirken: Sie kann helfen, sich bei aufkommenden Böen eleganter in den Wind zu legen und ihn zu nutzen, um vorwärts zu kommen, statt von ihm herumgepustet zu werden, oder gar zu kentern.

P.S.: Geschrieben in PixelPumper. Läuft!

PixelPumper: Ein neuer WordPress Editor für den Mac

Man hat ja nie genug WordPress Editoren. Nachdem das gute alte Mars-Edit schon ziemlich in die Jahre gekommen ist, und das Schweizer-Messer Byword zwar Text gut publishen kann, aber keine Bilder verarbeitet (außer in der markdown-Syntax, aber dann muss das Bild anders zu WordPress hochgeladen werden), habe ich frisch im Mac-App-Store PixelPumper gefunden. Es ist noch in der Beta-Phase, dafür aber kostenlos.

Es hat ein frisches und intuitives Interface, das Lust auf´s Schreiben macht. Alle häufig verwendeten Funktionen sind nur einen click weit entfernt. Ich werde es mal ´ne Zeit lang verwenden, und dann berichten, wie es so läuft…

Choreographie bei akut psychotischen Patienten

Wenn ich mit einem akut psychotischen Patienten spreche, der unruhig, getrieben und ängstlich ist, dann halte ich zwei Regeln ein, um die Situation zu beruhigen:

  1. Ich halte eine Armeslänge Abstand. Das ist erforderlich, für den Fall, dass der Patient einen psychotisch motivierten fremdaggressiven Impuls bekommt.
  2. Ich bleibe selbst ganz ruhig stehen. Wie angewurzelt. Je unruhiger der Patient durchs Zimmer tigert, desto klarer stelle ich mir vor, dass meine Füße auf dem Boden festgeleimt sind. Solange ich Regel 1 einhalte, bewege ich mich nicht. Auch meine Gestik und Mimik halte ich ruhig. Sollten noch weitere Personen im Raum sein, was insbesondere bei der Aufnahme von psychotisch getriebenen, unruhigen Patienten erforderlich ist, sollten diese ebenfalls möglichst ruhig bleiben.

Natürlich ist auch das Gespräch wichtig, um einen psychotisch getriebenen Patienten zu beruhigen. Es sollte einfach und klar sein. Eine wertschätzende, umgestresste Begrüßung. Kurze, einfache Sätze. Einige klare Fragen. Sobald klar ist, was los ist, sage ich dem Patienten, wie ich die Lage einschätze, und wie ich ihm helfen kann. Und bitte ihn dann in ebenso kurzen, einfachen und klaren Sätzen, das zu tun, was jetzt notwendig ist; zum Beispiel eine Medikation einzunehmen oder etwas ähnliches. Meiner Erfahrung nach hilft diese Choreografie unruhigen Patienten am besten, sich zu orientieren. Sie sind ja selber schon unruhig genug. Dann sollen wenigstens der Arzt und das Behandlungsteam Ruhe ausstrahlen.