Alles, was Du über Escitalopram und Citalopram wissen möchtest

Diesen Text habe ich auch als Video aufgezeichnet, das findest du hier.

Ich habe das Kapitel für die nächste Auflage des Buches (die aber nicht vor 2023 kommen wird) überarbeitet, besser lesbar gemacht und übersichtlicher gestaltet. Wie es gute alte Tradition ist, veröffentliche ich hier den Textentwurf (dieser Text steht daher ausnahmsweise unter Copyright). Ich bitte Euch, mir Rückmeldung zum Text zu geben, auf Fehler oder Unvollständigkeiten hinzuweisen und mir zu sagen, wie ich es verständlicher beschreiben könnte.

Ansonsten: viel Spaß mit diesem Kapitel zu Escitalopram / Citalopram!

3.6.2 Escitalopram und Citalopram

  • Citalopram ist seit den 90er-Jahren auf dem Markt. Sein wirksamer Bestandteil ist das Escitalopram, das inzwischen zunehmend häufiger eingesetzt wird.
  • beide sind selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI).
  • werden eingesetzt gegen Angsterkrankungen, Depressionen und Zwangserkrankungen.
  • sind zumeist gut verträglich.
  • Allerdings müssen bei beiden regelmäßig EKG-Kontrollen durchgeführt werden, weil beide die QTc-Zeit verlängern können.
  • 10 mg Escitalopram entsprechen in ihrer Wirkung zumindest 20 mg Citalopram, aus bestimmten Gründen vielleicht sogar 30 bis 40 mg Citalopram.
  • Escitalopram ist genauso wirksam und im Zweifel nebenwirkungsärmer, daher gibt es keinen triftigen Grund mehr, Citalopram zu verordnen.

Seit den 90er-Jahren ist Citalopram eines der am häufigsten verschriebenen Psychopharmaka. Das liegt unter anderem daran, dass Depressionen und Angststörungen sehr häufig sind, und dass Citalopram meist gut verträglich und wirkstark ist. Mit Escitalopram steht nun auch das wirksame Enantiomer des Citaloprams zur Verfügung, das möglicherweise sogar weniger Nebenwirkungen hat. Deswegen ist es für viele Psychiater das Antidepressivum der ersten Wahl geworden, vor Citalopram.

In diesem Kapitel beschreibe ich beide Substanzen zusammen, und weise auf Unterschiede hin, wenn sie von Bedeutung sind. Das betrifft insbesondere die Dosierung: 10 mg Escitalopram entsprechen 20 – 40 mg Citalopram. Auch die Nebenwirkungen können sich unterscheiden: Citalopram gilt als etwas nebenwirkungsreicher, weil auch das nicht wirksame R-Enantiomer Nebenwirkungen verursachen kann.

Pharmakologie

Was sind Enantiomere?

Citalopram besteht aus zwei Enantiomeren. Enantiomere verhalten sich wie die linke Hand zur rechten Hand. Wenn man seine linke Hand auf die rechte Hand legt, sieht man, dass diese nicht deckungsgleich sind. Der Daumen der linken Hand liegt über dem kleinen Finger der rechten Hand und der kleine Finger der linken Hand liegt über dem Daumen der rechten Hand. Die beiden Hände sind spiegelbildlich. Genau so kommen die meisten Moleküle in der Natur vor. Häufig hat nur eine der beiden Molekülvarianten eine chemische Wirkung. Stellen Sie sich einen Rezeptor diesbezüglich wie einen Handschuh vor. In einen linken Handschuh passt auch nur eine linke Hand. Genauso verhält es sich mit den beiden Molekülen, die im Citalopram enthalten sind. Citalopram ist eine Mischung aus gleichen Teilen S-Citalopram und R-Citalopram. Das wirksame Enantiomer ist das S-Citalopram, kurz genannt Escitalopram. Nur dieses entfaltet die gewünschten Wirkungen. In 20 mg Citalopram sind 10 mg S-Citalopram (= Escitalopram) und 10 mg des wirkungslosen R-Citalopram enthalten. Daher entsprechen 10 mg Escitalopram zumindest 20 mg Citalopram. Da das nicht-wirksame R-Enantiomer des Citaloprams aber vielleicht Wirkungen des L-Enantiomers blockiert, sehen viele die Äquivalenzdosis sogar höher, so könnten 10 mg Escitalopram auch 30 – 40 mg Citalopram entsprechen. Und da das nicht-wirksame R-Enantiomer des Citaloprams im Verdacht steht, sehr wohl zu den Nebenwirkungen beizutragen, gilt Citalopram als nebenwirkungsreicher als Escitalopram.

Pharmakodynamik

Escitalopram und Citalopram sind reine selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI). Sie haben praktisch keine Wirkung auf den Noradrenalin-Stoffwechsel und auf andere Rezeptoren. Daher verursachen sie typischerweise keine Müdigkeit oder Gewichtszunahme.

Pharmakokinetik

Beide Substanzen werden in der Leber hauptsächlich vom Cytochrom P450-2C19 in weitere wirksame Metabolite umgewandelt, die dann über die Niere ausgeschieden werden. Die Halbwertszeit von Escitalopram liegt bei ca. 30 Stunden, die des Citaloprams bei ca. 36 Stunden. Beide haben wirksame Metabolite mit teilweise deutlich längeren Halbwertzeiten.

Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln

In Kombination mit anderen serotonergen Substanzen wie MAO-Hemmern, Opioiden u. a. kann ein Serotonin-Syndrom (siehe Kapitel 3.7.1) auftreten. Ansonsten sind Wechselwirkungen selten.

Klinischer Einsatz

Depressionen

Bei leichtgradigen depressiven Episoden, die nicht im Rahmen einer rezidivierenden Depression auftreten, sondern eher als psychoreaktiv eingestuft werden, ist die Therapie der ersten Wahl die Psychotherapie. In dieser Indikation überwiegen die möglichen Nachteile einer Pharmakotherapie oft den realistischerweise erwartbaren Nutzen, und die Leitlinienempfehlung sowie der Stand der Wissenschaft unterstützen ein zurückhaltendes Vorgehen in diesen Fällen.

Bei mittelgradigen und schweren depressiven Episoden empfiehlt sich in der Regel eine Kombination aus Psychotherapie und Pharmakotherapie.

In dieser Indikation beobachtet man oft nach ca. 2 Wochen eine Verbesserung des Antriebs, in dieser Phase können andererseits in einigen Fällen vermehrt Suizidgedanken auftreten. Nach vier bis sechs Wochen tritt oft auch die Verbesserung der Stimmungslage ein, der Antrieb normalisiert sich und gegebenenfalls begleitend vorhandene Angstsymptome klingen ab.

Nach einmaliger depressiver Episode sollte man spätestens sechs Monate nach Ende der Episode eine Dosisreduktion und das Absetzen erwägen. In diesen Fällen gibt es in den letzten Jahren einen Trend zu eher zu langen Erhaltungstherapien.

Bei rezidivierenden Depressionen können Erhaltungstherapien von mehreren Monaten und wenigen Jahren sinnvoll sein, in schweren Fällen auch Dauerbehandlungen.

Angsterkrankungen

Bei Angsterkrankungen ist die Therapie der ersten Wahl die Psychotherapie. Viele Patienten erleben hierdurch eine ausreichende Besserung der Symptomatik. Noch stärkere Effekte lassen sich erzielen, wenn man Psychotherapie und ein antidepressives Medikament kombiniert.

Citalopram und Escitalopram sind zugelassen zur Behandlung generalisierter Angsterkrankungen, der Panikstörung und bei der Posttraumatischen Belastungsstörung.

Escitalopram ist darüber hinaus auch zugelassen zur Behandlung der sozialen Phobie.

Bei Angsterkrankungen setzt man üblicherweise eher höhere Dosierungen ein. In dieser Indikation sind SSRI oft verlässlicher wirksam als in der Behandlung von Depressionen.

In der Therapie von Angst und Panik ist besonders viel Geduld erforderlich. Panikanfälle hören oft schon nach zwei bis vier Wochen auf; bis eine deutliche Abnahme der Ängste eintritt, können aber erfahrungsgemäß vier bis zwölf Wochen vergehen.

Wenn die Symptomatik abgeklungen ist, sollte man einige Monate bis zu zwei Jahren warten, bevor man die Medikation langsam reduziert und schließlich absetzt.

Zwangserkrankungen

Für die Behandlung der Zwangserkrankung ist nicht das Citalopram, wohl aber das Escitalopram zugelassen. In dieser Indikation wählt man am ehesten die höchste Escitalopramdosis, die vertragen wird, bei unter 65-Jährigen also 20 mg. Die Kombination mit Psychotherapie ist immer sinnvoll, der Behandlungserfolg kann sich langsam über mehrere Wochen und Monate aufbauen. Die Behandlung sollte bei schwereren Erkrankungen auf mehrere Jahre angelegt sein.

Dosierung Escitalopram

  • Unter 65 Jahre: max. 20 mg Escitalopram/Tag
  • Über 65 Jahre: max. 10 mg Escitalopram/Tag
  • Patienten mit Leberfunktionsstörungen: max. 10 mg Escitalopram/Tag
  • Therapeutischer Referenzbereich: 15 – 80 ng/ml

Dosierung Citalopram

  • Unter 65 Jahre: max. 40 mg Citalopram/Tag
  • Über 65 Jahre: max. 20 mg Citalopram/Tag
  • Patienten mit Leberfunktionsstörungen: max. 20 mg Citalopram/Tag
  • Therapeutischer Referenzbereich: 50 – 110 ng/ml

Nebenwirkungen

Übelkeit

Escitalopram und Citalopram können wie alle SSRI zu Übelkeit und anderen gastrointestinalen Beschwerden führen. Auch können Unruhezustände mit Symptomen wie Nervosität, Zittern und Unrast auftreten. Oft gehen diese Nebenwirkungen nach einigen Tagen der Behandlung wieder weg. Etwa 10 bis 30 % der Patienten sind zumindest in der Eindosierungsphase von Übelkeit betroffen.

In diesem Fall sollte zunächst einige Tage abgewartet werden. Geht die Übelkeit nicht von selbst weg, sollte die Dosis reduziert werden. Bleibt die Übelkeit bestehen, ist der Wechsel auf ein anderes Präparat der nächste Schritt.

QTc-Zeit-Verlängerung

Sowohl Citalopram als auch Escitalopram können zu einer dosisabhängigen QTc-Zeit-Verlängerung führen. Diese begünstigt das Auftreten einer bestimmten Herzrhythmusstörung, der Torsade-de-point Tachykardie, die tödlich enden kann. Daher sind regelmäßige EKG-Kontrollen erforderlich. Für beide Substanzen gibt es einen Rote-Hand-Brief, der auf die Gefahr einer dosisabhängigen QTc-Zeit-Verlängerung hinweist, die maximalen Dosierungen beschränkt und Kombinationen mit anderen die QTc-Zeit verlängernden Medikamenten untersagt. Ein vorbestehendes Long-QT-Syndrom ist eine Kontraindikation.

Wie bei allen Medikamenten, deren Einnahme das QTc-Intervall verlängern kann, sollte bei Gabe von Citalopram der Elektrolytstatus regelmäßig kontrolliert und ggf. normalisiert werden. Die Patienten sollten darauf hingewiesen werden, bei „Herzstolpern“, Luftnot oder Ähnlichem einen Arzt aufzusuchen.

Gefahr der Begünstigung einer manischen Episode bei bipolar Erkrankten

Die entscheidende pharmakologische Behandlung bei bipolaren Erkrankungen ist die Phasenprophylaxe. In manischen Phasen wird diese höher dosiert und mit einem Antipsychotikum kombiniert.

Auf der anderen Seite sollte man nicht jede depressive Episode im Rahmen einer bipolaren Erkrankung auch mit Antidepressiva behandeln. Dies birgt eine ernsthafte Gefahr, den Umschlag in eine Manie zu begünstigen und hilft bei dieser Patientengruppe oft viel weniger gegen die depressive Symptomatik, als dies bei unipolaren Depressionen der Fall ist1.

Sexuelle Funktionsstörungen

SSRI und SNRI können die Empfindlichkeit der Schleimhäute der Klitoris und des Penis für sexuelle Reize reduzieren. Dies kann zu einem verzögertem Orgasmus führen. Tatsächlich wird das SNRI Duloxetin gegen vorzeitigen Orgasmus verschrieben.

Diese sexuellen Nebenwirkungen können möglicherweise lange Zeit nach dem Absetzen der SSRI/SNRI bestehen bleiben; dies wird PSSD (Post-SSRI Sexual Dysfunction) genannt. (Siehe Kapitel 3.7.4)

Citalopram / Escitalopram in Schwangerschaft und Stillzeit

Beide Substanzen sollen in der Schwangerschaft nur nach gründlicher Abwägung von Risiken und möglichem Nutzen gegeben werden. Eine dänische Studie aus dem Jahr 20172 hatte Hinweise darauf gegeben, dass die Einnahme von SSRI in der Schwangerschaft das Risiko von psychiatrischen Erkrankungen bei den Kindern erhöhen könnte. Wenn Citalopram/Escitalopram abdosiert werden soll, dann sollte dies auch in der Schwangerschaft schrittweise erfolgen.

Beide Substanzen gehen in die Muttermilch über, daher wird vom Stillen mit Muttermilch abgeraten.

Absetzsymptome

Wie bei allen SSRI kann es nach dem Absetzen des Medikaments – insbesondere nach plötzlichem Absetzen – zu unangenehmen Absetzerscheinungen (siehe Kapitel 3.7.3) kommen.

Sonstige Nebenwirkungen

Weitere unerwünschte Wirkungen wie Mundtrockenheit, Magen-Darm-Beschwerden, Nervosität, Kopfschmerzen, Zittern, Herzklopfen, vermehrtes Schwitzen, Akkommodationsstörungen der Augen oder Kraftlosigkeit treten manchmal zu Beginn der Behandlung auf, legen sich aber meist nach wenigen Tagen.

Sinnvolle Kontrolluntersuchungen

Mein persönliches Fazit

Escitalopram ist ebenso wie Citalopram ein gut und sicher wirksames Antidepressivum. Bei beiden Medikamenten sind regelmäßige EKG-Kontrollen notwendig. Seit es keinen relevanten Preisunterschied zwischen den beiden Präparaten mehr gibt, bevorzuge ich Escitalopram. In der Behandlung von Ängsten, Depressionen und Zwangserkrankungen zeigt es eine gute und verlässliche Wirkung bei meist guter Verträglichkeit. Dabei halte ich das Ende der Pharmakotherapie im Blick, zu lange Behandlungen von symptomfreien Patienten nach einmaliger depressiver Episode halte ich nicht für richtig.

Dieser Beitrag ist ein Auszug beziehungsweise eine auszugsweise Vorabveröffentlichung des Werks „Psychopharmakotherapie griffbereit“ von Dr. Jan Dreher, © Georg Thieme Verlag KG. Die ausschließlichen Nutzungsrechte liegen beim Verlag. Bitte wenden Sie sich an permissions@thieme.de, sofern Sie den Beitrag weiterverwenden möchten.

  1. DGBS e.V. und DGPPN e.V.: S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie Bipolarer Störungen. Seite 181 ff.https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/038-019.html
  2. Liu X, Agerbo E, Ingstrup KG, Musliner K, Meltzer-Brody S, Bergink V et al. Antidepressant use during pregnancy and psychiatric disorders in offspring: Danish nationwide register based cohort study. BMJ. 2017; j3668. DOI: 10.1136/bmj.j3668. http://dx.doi.org/10.1136/bmj.j3668

Darf ich mit Medikamenten Auto fahren?

In diesem Video erkläre ich, welche Überlegungen ich anstelle, wenn ich einen Patienten berate, ob er trotz psychiatrischer Erkrankung und Medikation wieder Auto fahren darf.

Welches Antidepressivum gebe ich wem? Jetzt auch als Video verfügbar

Der Post „Welches Antidepressivum gebe ich wem?“ wurde hier auf dem Blog ja ausführlich diskutiert und ich bedanke mich noch einmal sehr herzlich für die Rückmeldung. Ich habe die Ergebnisse auch als Video aufgezeichnet. Welche Form mögt ihr lieber? Welche Themen mögt ihr lieber im Blog, was eignet sich gut als Video und wann ist beides sinnvoll? Schreibt eure Vorlieben mal hier in die Kommentare!

Welches Antidepressivum gebe ich wem? Mein Update 2019!

Citalopram, Escitalopram, Venlafaxin, Duloxetin, Milnacipran. Wem empfehle ich denn nun wann welches Antidepressivum? Ich hatte 2012 schon einmal meinen Algorithmus hier veröffentlicht. Inzwischen hat sich einiges getan. Insbesondere ist Escitalopram nun meine erste Wahl vor Citalopram, und mit Milnacipran ist eine weitere Option hinzugekommen.

Ich habe den Inhalt dieses Posts auch als Video aufgenommen, das findet ihr hier.

Hier findet ihr meinen neuen Algorithmus:

Wenn ich mich entschieden habe, eine antidepressive Therapie durchzuführen, muss ich mich entscheiden, ob und wenn ja welchen Wirkstoff ich auswähle. Es gibt einige unterscheidbare Konstellationen, aber natürlich keine Patentlösungen. Dieser Abschnitt beschreibt, wie ich in bestimmten wiederkehrenden Situationen oft vorgehe. Der hier beschriebene Weg ist nicht der einzig richtige. Es ist lediglich eine vereinfachte Darstellung meines typischen Vorgehens.

Leichte erlebnisreaktive Depressionen

Bei leichten erlebnisreaktiven depressiven Verstimmungen gebe ich keine Medikamente. Auch nicht Valdoxan, Tianeptin oder Quetiapin zur Nacht. Die Nachteile überwiegen die Vorteile. Hier wiegt insbesondere der Nachteil schwer, dass der Patient denkt, eine Verbesserung seiner Lage werde von der Medikation kommen. Dies kann seine Motivation lähmen, selbst etwas an seiner Lage zu ändern. Stattdessen fokussiere ich auf Life-Coaching, Psychotherapie und empfehle Sport.

Der erfolgreich vorbehandelte Patient

Hat ein Patient schon mal ein bestimmtes Antidepressivum erhalten und hat es bei guter Verträglichkeit überzeugend gewirkt, dann empfehle ich das gleiche Medikament in der gleichen Dosis wieder.

Depressive Episode mit normaler Antriebslage

In aller Regel ist meine erste Empfehlung für die Behandlung einer depressiven Episode Escitalopram. Es ist wirkstark und gut verträglich, hat kaum Wechselwirkungen und bis auf die mögliche QTc-Zeit-Verlängerung kaum relevante Nachteile. Insbesondere macht es keine Müdigkeit, keine Gewichtszunahme und nur sehr selten Unruhe, so dass ich es auch langfristig geben kann.

Stark verminderter Antrieb bei depressiver Episode

Auch bei reduziertem Antrieb im Rahmen einer depressiven Episode erwäge ich zunächst eine Behandlung mit Escitalopram. Ist der Antrieb aber sehr stark reduziert oder zeigt sich nach zwei Wochen Therapie mit Escitalopram keine Besserung des Antriebs, dann wechsele ich auf ein SNRI. Je stärker die noradrenerge Komponente ist, desto stärker antriebssteigernd ist das Medikament. Am mildesten noradrenerg ist Venlafaxin, dann kommt Duloxetin, und am stärksten noradrenerg und somit am stärksten antriebssteigernd ist Milnacipran.

Stark erhöhter Antrieb bei depressiver Episode

Besteht ein stark erhöhter Antrieb wie bei einer agitierten Depression, empfehle ich morgens Escitalopram und abends zusätzlich vorübergehend Mirtazapin 7,5 – 30 mg. Mirtazapin sediert und hilft gut und schnell gegen Schlafstörungen und Agitation. Dauerhaft ist es aber aufgrund der Sedierung und möglichen Gewichtszunahme oft ungünstig. Wenn der Patient unter der Kombinationsbehandlung eine Besserung erfährt, kann ich Mirtazapin schrittweise absetzen und die Erhaltungstherapie mit dem besser verträglichen Escitalopram fortsetzen.

SSRI / SNRI werden nicht vertragen, es besteht aber eine Indikation für Antidepressiva

Es gibt Patienten, die nicht in die Kategorie „Leichte erlebnisreaktive Depression“ gehören, die von einer antidepressiven Medikation profitieren würden, die aber SSRI und SNRI in der Vergangenheit nicht vertragen haben oder diese Medikamentengruppe ablehnen. In dieser Situation sind Behandlungsversuche mit Agomelatin oder Tianeptin aufgrund der besseren Verträglichkeit gerechtfertigt, wenngleich meiner Erfahrung nach die Wirkstärke dieser beiden Substanzen niedriger sein kann als die der SSRI. In der Metaanalyse von Cipriani et al. schneidet Agomelatin aber gut ab.

Kardiologisch vorerkrankter Patient oder Patient mit verlängerter QTc-Zeit

Ist ein Patient kardiologisch vorerkrankt, hat er eine verlängerte QTc-Zeit oder nimmt er ein oder mehrere andere Medikamente, die die QTc-Zeit verlängern, dann empfehle ich Sertralin, da dies die QTc-Zeit nicht verlängert.

Augmentation bei nicht ausreichender Wirkung der Depressionsbehandlung

Wenn trotz ausreichend langer Behandlung mit zumindest zwei geeigneten Substanzen unter Blutspiegelkontrollen die depressive Symptomatik nicht ausreichend rückläufig ist, erwäge ich eine Augmentation mit Lithium. Hier habe ich häufig deutliche Verbesserungen beobachten können.

Generalisierte Angststörung und Zwangserkrankung

  • Bei milderen Fällen beginne ich mit Escitalopram in der höchsten zugelassenen Dosis.
  • In schwereren Fällen beginne ich direkt mit einem SNRI, weil diese Medikamentengruppe hier erfahrungsgemäß stärker wirkt. In der Regel beginne ich aufgrund der guten Verträglichkeit mit Duloxetin. Reicht die Wirksamkeit von Duloxetin nicht aus, wechsele ich zuerst auf Milnacipran und danach auf Venlafaxin. Wird Duloxetin aufgrund von Unruhe nicht vertragen, mache ich einen Behandlungsversuch mit Escitalopram.
  • Im Falle einer schweren Zwangserkrankung empfehle ich in der Regel zusätzlich zum SNRI in der höchsten zugelassenen Dosis noch 75 mg Clomipramin zur Nacht.

Somatoforme Störung und chronifizierte Schmerzstörung

Hier empfehle ich in der Regel im ersten Schritt ein SNRI wie Duloxetin oder Milnacipran. Bei chronifizierten Schmerzen empfehle ich in der Regel zusätzlich zum SNRI noch 50 mg Amitriptylin zur Nacht.

Wahnhafte Depression: EKT

Therapie der ersten Wahl bei einer wahnhaften Depression ist die EKT. Wenn diese abgelehnt wird oder aus anderen Gründen nicht durchführbar ist, gebe ich Escitalopram in Kombination mit einem Antipsychotikum, oft Risperidon oder Olanzapin.

Behandlung von begleitender Angst

Bei Patienten mit großer Angst und keiner Abhängigkeit in der Vorgeschichte erwäge ich, vorübergehend ein Benzodiazepin zu ergänzen.

Suizidalität

Bei Suizidalität erwäge ich, ein Benzodiazepin zu ergänzen. Bei akuter Suizidalität kann es sinnvoll sein, das Benzodiazepin für einige Tage in einer hohen Dosis zu geben.

Ich würdige den normalen Zeitverlauf der Besserung

  • Etwa zwei Wochen nach Beginn einer antidepressiven Medikation kommt oft eine Antriebssteigerung, nach etwa vier Wochen kommt oft die Stimmungsverbesserung.
  • Angststörungen verbessern sich oft etwa nach vier bis sechs Wochen
  • Zwangsstörungen verbessern sich oft nach sechs bis zwölf Wochen.

Wie wählt ihr das passende Medikament aus? Schreibt mir euer Vorgehen hier in die Kommentare!

Copyright

Dieser Beitrag ist ein Auszug beziehungsweise eine auszugsweise Vorabveröffentlichung des Werks „Psychopharmakotherapie griffbereit“ von Dr. Jan Dreher, © Georg Thieme Verlag KG. Die ausschließlichen Nutzungsrechte liegen beim Verlag. Bitte wenden Sie sich an permissions@thieme.de, sofern Sie den Beitrag weiterverwenden möchten.

Zur Umrechnung der Dosierungen von Citalopram zu Escitalopram

Ich hatte in meinem gestrigen Artikel angefangen, über dieses Thema zu berichten, heute setze ich es fort. Meine bisherigen Recherchen haben dies ergeben:

3.6.2 Escitalopram Dosierung

Es gibt eine wachsende Anzahl von pharmakologischen und klinischen Hinweisen darauf, dass das Umrechnungsverhältnis von Escitalopram zu Citalopram nicht 1 zu 2 ist, wie man auf den ersten Blick denken sollte, sondern dass es tatsächlich sogar bei 1 zu 4 liegen könnte (Quelle). 10 mg Escitalopram entsprächen also nicht 20 mg Citalopram, sondern 40 mg. Drei Gründe werden hierfür diskutiert: 

  • Zum einen legt eine SPECT-Studie nahe, dass das scheinbar wirkungslose Enantiomer, das R-Citalopram, die Empfindlichkeit des Serotoninwiederaufnahmetransporters für Escitalopram reduziert. (Quelle)
  • Zum zweiten gibt es Hinweise darauf, dass bei wiederholter Gabe von Citalopram, also beider Enantiomere, die Ausscheidung des R-Enantiomers langsamer erfolgt als die des S-Enantiomers, und sich nach wiederholter Gabe ein Verhältnis von 3 zu 1 für das R-Enantiomer zum S-Enantiomer ergibt. 
  • Und schließlich weisen auch klinische Studien darauf hin, dass Escitalopram schneller uns stärker wirkt als die im Verhältnis 1 zu 2 umgerechnete Dosis Citalopram (Quelle 1, Quelle 2).

Diese Argumente zeigen, dass eine einfache Umrechnung nicht möglich ist, und es ist nicht klar, ob man mit 1 zu 2 richtiger liegt oder mit 1 zu 4. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass Escitalopram wirksamer sein kann, als die doppelte Dosis Citalopram. Hier sind sicherlich weitere Untersuchungen erforderlich.

Antidepressiva Äquivalenzdosierungen

Wenn man von einem Antidepressivum zu einem anderen wechselt, will man ja wissen, welche Dosis des neuen Medikamentes äquivalent zur Dosis des vorigen Medikamentes ist. Natürlich gibt es da so ein Bauchgefühl, was ungefähr gleichstark ist, aber erfreulicherweise gibt es auch vernünftig zusammengestellte Äquivalenzdosierungen.
Das Paper „Dose equivalents of antidepressants: Evidence-based recommendations from randomized controlled trials“1 kann hier kostenlos im Volltext heruntergeladen werden. Eine Forschergruppe, in der unter anderem Stefan Leucht aus München mitwirkte, wertete 83 Studien mit insgesamt 14131 Patienten aus, in denen verschiedene Antidepressiva in flexibler Dosis gegen Fluoxetin oder Paroxetin verglichen wurden. Die tatsächlich gegebenen mittleren Dosierungen der verschiedenen Substanzen wurden dann zu 40 mg Fluoxetin ins Verhältnis gesetzt.
In der Zusammenfassung heißt es:

„In the primary analysis, fluoxetine 40 mg/day was equivalent to paroxetine dosage of 34.0 mg/day, agomelatine 53.2 mg/day, amitriptyline, 122.3 mg/day, bupropion 348.5 mg/day, clomipramine 116.1 mg/day, desipramine 196.3 mg/day, dothiepin 154.8 mg/ day, doxepin 140.1 mg/day, escitalopram 18.0 mg/day, fluvoxamine 143.3 mg/day, imipramine 137.2 mg/ day, lofepramine 250.2 mg/day, maprotiline 118.0 mg/day, mianserin, 101.1 mg/day, mirtazapine 50.9 mg/ day, moclobemide 575.2 mg/day, nefazodone 535.2 mg/day, nortriptyline 100.9 mg/day, reboxetine 11.5 mg/day, sertraline 98.5 mg/day, trazodone 401.4 mg/day, and venlafaxine 149.4 mg/day.“

Nun hat dieser Vergleich der Wirkstärke insgesamt natürlich so seine Limitationen. Eigentlich kann man ein SSRI nicht mit einem SNRI vergleichen, weil dessen noradrenerge Wirkung bei einem SSRI gar nicht vorhanden ist. Auch bestimmte Nebenwirkungen wie Sedierung, Gewichtszunahme, Müdigkeit und andere kommen bei einem Medikament vor, beim anderen aber nicht. Das schränkt die Aussage einer solchen Vergleichstabelle natürlich ein. Aber die Tabelle soll auch nicht so tun, als könne man jedes Antidepressivum einfach in ein anderes umrechnen. Sie soll nur einen Hinweis geben, bei welcher ungefähren Dosierung ähnliche Wirkstärken zu erwarten sind.
In der oben genannten Veröffentlichung kommen Duloxetin, Milnacipran und Trimipramin leider nicht vor. Für meine eigene Aufstellung habe ich selbst für diese drei Substanzen jeweils die zulässige Tageshöchstdosis mit 40 mg Citalopram gleichgesetzt, wohlwissend, dass diese Dosierungen nicht gleich stark sein müssen. Dann habe ich die Dosierungen auf solche Dosierungen gerundet, die man mit den verfügbaren Medikamenten auch tatsächlich geben kann. Dabei habe ich manchmal die errechnete Dosis um ein paar Prozent nach oben oder unten angepaßt, um real verfügbare Tablettendosierungen zu erreichen. Bei Escitalopram habe ich der Einfachheit halber 40 mg Citalopram mit 20 mg Escitalopram gleich gesetzt. Der Studie nach wären hier 18 mg einzusetzen, aber das macht weder pharmakologisch Sinn, noch ist diese kleine Abweichung klinisch relevant.

Dann habe ich alle Werte auf Citalopram umgerechnet und nur die Medikamente aufgeführt, die ich in meinem Buch behandele. Daraus ergibt sich folgende Tabelle der Äquivalenzdosierungen:

Die resultierenden Dosierungen finde ich klinisch plausibel. Sie bilden zwar nicht das genaue und von Substanz zu Substanz unterschiedliche Wirkspektrum ab, als Anhalt für vergleichbare Dosierungen vergleichbarer Wirkstärken finde ich sie aber gut verwendbar.

Was haltet ihr von dieser Überlegung? Sind die Werte plausibel? Entsprechen sie eurer klinischen Praxis? Macht eine solche Tabelle Sinn? Oder sind die Vereinfachungen, die ihr zugrunde liegen, zu groß?

Copyright

 

Dieser Beitrag ist ein Auszug beziehungsweise eine auszugsweise Vorabveröffentlichung des Werks „Psychopharmakotherapie griffbereit“ von Dr. Jan Dreher, © Georg Thieme Verlag KG. Die ausschließlichen Nutzungsrechte liegen beim Verlag. Bitte wenden Sie sich an permissions@thieme.de, sofern Sie den Beitrag weiterverwenden möchten.


  1. Hayasaka Y, Purgato M, Magni LR, Ogawa Y, Takeshima N, Cipriani A, et al. Dose equivalents of antidepressants_ Evidence-based recommendations from randomized controlled trials. Journal of Affective Disorders. Elsevier; 2015 Jul 15;180(C):179–84. ↩︎

Was ist hier falsch?

Aktuelle Medikation

  • Amiodaron
  • Citalopram 20-0-0-0 mg

Was ist hier falsch?

Amiodaron ist ein Antiarrhythmikum. Es kann eine deutliche Verlängerung der QTc-Zeit verursachen. Auch Citalopram kann die QTc-Zeit verlängern. Die Kombination beider Substanzen ist daher kritisch, da die Wahrscheinlichkeit einer deutlichen QTc-Zeit Verlängerung mit der Gefahr einer lebensbedrohlichen Torsade-de-point-Tachycardie erhöht ist.

Welche Alternative besteht?

In diesem Fall könnte man Amiodaron beibehalten, aber Citalopram auf beispielsweise Sertralin umstellen. Sertralin ist nicht dafür bekannt, die QTc-Zeit zu verlängern. Natürlich soll man zusätzlich in regelmäßigen Abständen ein EKG durchführen und die Elektrolyte bestimmen, da auch Hypokaliämien Rhythmusstörungen begünstigen können.

Escitalopram

Geschichte

1989 patentierte Lundbeck das Citalopram, das seither in vielen Ländern zum mit Abstand häufigst verordneten Antidepressivum geworden ist, darunter auch Deutschland. Nachdem das Patent für Citalopram ausgelaufen war, patentierte Lundbeck das S-Enantiomer des Citaloprams, das Escitalopram (siehe Kapitel Pharmakologie). Inzwischen ist auch dieses patentfrei. Escitalopram wird zu einem nur noch geringfügig höheren Preis vertrieben als Citalopram, so dass in letzter Zeit zunehmend viele Ärzte in ihrem Verschreibungsverhalten Citalopram durch das möglicherweise besser verträgliche Escitalopram ersetzen.

Pharmakologie

Citalopram besteht aus zwei Enantiomeren. Enantiomere verhalten sich wie die linke Hand zur rechten Hand. Leg einmal deine linke Hand auf deine rechte Hand, so dass die Finger übereinander liegen. Du siehst, dass sie nicht deckungsgleich sind. Der Daumen der linken Hand liegt über dem kleinen Finger der rechten Hand und der kleine Finger der linken Hand liegt über dem Daumen der rechten Hand. Die beiden Hände sind nicht gleich. Sie sind nur spiegelbildlich. Genau so kommen die meisten Moleküle in der Natur vor. Häufig hat nur eine der beiden Varianten eine chemische Wirkung. Stellen dir einen Rezeptor diesbezüglich wie einen Handschuh vor. In einen linken Handschuh passt auch nur eine linke Hand. Genau so verhält es sich mit den beiden Molekülen, die im Citalopram enthalten sind. Citalopram ist eine Mischung aus gleichen Teilen S-(+)-citalopram und R-(-)-citalopram. Das wirksame Enantiomer ist das S-(+)-citalopram, getauft auf den handlicheren Namen Escitalopram. Nur dieses entfaltet die gewünschten Wirkungen (Zitiert aus: Dreher, J. (2014). Psychopharmakotherapie griffbereit. Schattauer Verlag.)

In 20 mg Citalopram sind 10 mg S-Citalopram (=Escitalopram) und 10 mg des wirkungslosen R-Citalopram enthalten. Aus diesem Grunde entsprechen 20 mg Citalopram immer 10 mg Escitalopram.

Klinischer Einsatz

Citalopram hat in den letzten Jahren ein breites Anwendungsgebiet in der Therapie von Depressionen, Angststörungen, Zwangsstörungen und somatoformen Störungen erobert. Es ist in aller Regel gut verträglich und stark wirksam. In den letzten Jahren ist allerdings die Erkenntnis hinzugekommen, dass Citalopram, vor allem in höheren Dosierungen, zu einer Verlängerung der QTc-Zeit führen kann, was im Einzelfall zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen führen kann. Daher findet sich in der Fachinformation zu Citalopram eine Begrenzung der Höchstdosis und die Empfehlung von regelmäßigen EKG-Kontrollen.

Eine Zeit lang galt Escitalopram in dieser Hinsicht als verträglicher, was darauf zurück geführt wurde, dass R-Enantiomer des Citaloprams im Escitalopram ja eben nicht enthalten ist. Es ist aber unklar, ob nur das S-Citalopram Nebenwirkungen verursacht, ob sowohl das S-Citalopram als auch das R-Citalopram zu gleichen Teilen Nebenwirkungen verursacht, oder ob sogar nur das R-Citalopram Nebenwirkungen verursacht.

In der Hoffnung, dass zumindest ein Teil der Nebenwirkungen auf das R-Citalopram verursacht wird, verordneten daher zunehmend viele Ärzte Escitalopram anstelle des Citaloprams. Dieser Trend setzt sich fort, da inzwischen auch Escitalopram als Generikum verfügbar ist und die Preise sich daher denen des Citaloprams angleichen.

Inzwischen finden sich allerdings auch in der Fachinfo von Escitalopram die gleichen Warnhinweise wie in der für Citalopram, namentlich wird dort auch erwähnt, dass Escitalopram eine dosisabhängige Verlängerung des QTc-Intervalls verursachen kann.

Preise

100 Tabletten Citalopram 20 mg kosten gegenwärtig etwa 17 €. 100 Tabletten Escitalopram 10 mg (die gleich wirkstark sind, sie Kapitel Pharmakologie), kosten etwa 23 €.

Dosierung

Escitalopram wird immer in der halben Dosis des Citaloprams verordnet, 10 mg Escitalopram entsprechen 20 mg Citalopram.

Man verordnet bei Patienten bis zum 65. Lebensjahr 10-20 mg Escitalopram, bei Patienten ab dem 66. Lebensjahr 5-10 mg Escitalopram.

Nebenwirkungen

Escitalopram kann wie alle SSRI zu Übelkeit und gastrointestinalen Beschwerden führen. Auch können Unruhezustände mit Symptomen wie Nervosität, Zittern und Unrast auftreten. Oft gehen diese Nebenwirkungen nach einigen Tagen der Behandlung wieder weg.

Wie bei allen SSRI kann es nach dem Absetzen des Medikamentes – vor allem nach plötzlichem Absetzen – zu unangenehmen Absetzerscheinungen kommen. Diese äußern sich häufig in sogenannten „brain-zaps“, unangenehmen elektrisierenden Mißempfindungen vor allem am Kopf, aber auch Schwindel, Schlaflosigkeit, Schwitzen, Unruhe und anderen Symptomen. Diese klingen in der Regel etwa zwei Wochen nach dem Absetzen des Präparates ab, können im Einzelfall aber auch länger anhalten.

Mein persönliches Fazit

Ich selbst vermute, dass die Nebenwirkungen des Citaloprams, insbesondere die dosisabhängige QTc-Zeit-Verlängerung, vom wirksamen Enantiomer des Citaloprams, dem Escitalopram verursacht werden. Anhand einer Untersuchung nachweisen kann ich das aber nicht. Insofern ergibt sich kein wesentlicher Vorteil von Escitalopram. Die Preise haben sich aber inzwischen sehr weit angenähert, 100 Tabletten Escitalopram 10 mg kosten nur noch 6 € mehr als 100 Tabletten Citalopram 20 mg. Der bisher relevante wesentliche Nachteil des Escitaloprams ist damit weitgehend weggefallen.

Es bleibt aber ein Vorteil des Escitaloprams bestehen: Wenn man halb so viele potentiell nebenwirkungsreiche Moleküle eines Medikamentes geben kann, ist dies einfach besser, als wenn man doppelt so viele Moleküle gibt. Man soll, wenn man medikamentös behandelt, so milde und so gezielt wie irgend möglich in den Transmitter-Stoffwechsel des Menschen eingreifen. Daher präferiere ich in letzter Zeit Escitalopram gegenüber Citalopram.

Eure Meinung

Wie geht ihr mit diesen beiden Substanzen um? Bevorzugt ihr weiterhin Citalopram? Wechselt ihr jetzt, wo der Preisunterschied geringer wird, auf Escitalopram? Wie seht ihr die Unterschiede zwischen den beiden Medikamenten? Schreibt eure Einschätzung in die Kommentare!

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Dieser Beitrag ist ein Auszug beziehungsweise eine auszugsweise Vorabveröffentlichung des Werks „Psychopharmakotherapie griffbereit“ von Dr. Jan Dreher, © Georg Thieme Verlag KG. Die ausschließlichen Nutzungsrechte liegen beim Verlag. Bitte wenden Sie sich an permissions@thieme.de, sofern Sie den Beitrag weiterverwenden möchten.

Citalopram gegen Agitation bei Patienten mit Alzheimer Demenz

Es ist eine verbreitete Unsitte, agitierten dementen Patienten hochpotente Neuroleptika zu verordnen.  Natürlich kann es Ausnahmen geben. Wenn ein Patient im Rahmen seiner Demenz eine psychotische Symptomatik entwickelt, und diese Symptomatik ihn beunruhigt und verängstigt, dann ist die Verordnung eines Neuroleptikum selbstverständlich wirksam. Es ist jedoch häufig zu beobachten, dass Demenzpatienten, die sich im Altenheim oder auf einer Krankenhausstation unruhig verhalten, auch ohne jedes psychotische Symptom mit einem hochprozentigen Neuroleptikum behandelt werden. Dieses zeitigt üblicherweise keine großen Erfolge. Neuere Studien zeigen sogar, dass hierdurch die Sterblichkeit infolge kardiovaskulärer Ereignisse zunimmt. Eine aktuelle Studie (der vollständige Artikel ist dort als pdf frei zugänglich) im Journal of the American Medical Association hat nun die Frage untersucht, ob Citalopram einen beruhigenden Effekt auf die Agitation bei Alzheimer Demenz hat. Hier findet ihr ein Video, in dem der Autor der Studie die Ergebnisse in 5 Minuten für Euch zusammenfasst: 

Das Ergebnis ist, dass Citalopram bei diesen Patienten tatsächlich die Agitation reduzieren kann, dafür aber spürbare negative Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit hat. Darüber hinaus ist eine in der Gerontopsychiatrie besonders relevante Nebenwirkung des Citaloprams, eine mögliche Verlängerung der Qtc-Zeit, zu berücksichtigen. In der zitierten Studie wurden 30 mg Citalopram gegeben, inzwischen liegt die Empfehlung für ältere Patienten bei maximal 20 mg Citalopram pro Tag.

Meine Einschätzung:

Sicher ist, dass man nach der aktuellen Erkenntnislage nicht mehr 30 mg, sondern 10 oder 20 mg Citalopram versuchen sollte. Die Ergebnisse der Studie zeigen schon eine deutliche Reduktion der Agitation, und Citalopram in einer Dosis von 10-20 mg pro Tag ist allemal sicherer als ein Neuroleptikum. Aber die mit Citalopram behandelten Patienten zeigten auch einen um 1,05 Punkte niedrigeren Wert im MiniMental State Test. 1 Punkt hier ist viel. Die Behandlung der Agitation bei dementen Patienten stellt immer wieder eine Herausforderung dar. Sinnvoll ist es, zunächst alle nicht-medikamentösen Maßnahmen einzusetzen:

  • Spaziergänge
  • Bewegungstherapie
  • Ausgang im Garten
  • Architektur mit “Rundgängen” auf gerontopsychiatrischen Stationen

Im zweiten Schritt kann ein sedierendes niederpotentes gut verträgliches Neuroleptikum versucht werden.

Wie geht Ihr vor?

Welche weiteren Behandlungsmethoden gegen die Agitation bei dementen, nicht-psychotischen Patienten kennt Ihr? Hat jemand Erfahrung mit Citalopram in dieser Indikation? Setzt jemand 10-20 mg Citalopram ein?

Absetz-Phänomene unter Antidepressiva

Voila_Capture2Man liest immer mal wieder von Absetz-Phänomenen unter Antidepressiva. Damit ist gemeint, dass Patienten, die über eine längere Zeit ein Antidepressivum erhalten haben, nach dem Absetzen unerwünschte Symptome wahrnehmen. Insbesondere wird über Unruhe, Schlafstörungen und eine schlechtere Stimmung geklagt.

Pharmakopsychiatrisch kann es für so ein Absetz-Phänomen nur eine Erklärung geben: Rezeptoren, die durch längere Stimulation in ihrem Gleichgewicht verändert worden sind, reagieren, wenn diese Stimulation abrupt endet. Typischerweise trifft das bei histaminergen Substanzen zu, manchmal auch bei Alpha-adrenergen Substanzen.

Absetz-Phänomene unter älteren Antidepressiva

Unter den älteren Antidepressiva wie Amitriptylin gibt es genau diese Absetz-Phänome unzweifelhaft. Amitriptylin zum Beispiel hat eine deutliche histaminerge Wirkkomponente. Diese histaminerge Wirkkomponente beruhigt und macht müde, und diese Wirkung tritt nach jeder Einnahme des Medikamentes sofort ein.

Wenn der Körper sich nun durch längere regelmäßige Einnahme von Amitriptylin an diese histaminerge Stimulation gewöhnt hat, ist es nur allzu verständlich, dass das plötzliche Absetzen dieser Substanz zum genauen Gegenteil führt, also zu Unruhe, Getriebenheit und Schlafstörungen.

Ich selbst habe diese Absetz-Phänomene nach plötzlichem Absetzen von Amitriptylin schon bei vielen Patienten beobachtet.

Dieses Phänomen klingt innerhalb weniger Tage nach Absetzen des Medikamentes wieder ab, was aus pharmakopsychiatrischer Sicht auch naheliegt, da sich Histamin-Rezeptoren schnell (und Alpha-adrenerge Rezeptoren noch schneller) wieder in ihr altes Gleichgewicht einfinden.

Um Schlafstörungen und Unruhe beim geplanten Absetzen von einer höheren Dosis Amitriptylin zu vermeiden, sollte man daher die Dosis schrittweise über zwei bis vier Wochen reduzieren und das Medikament dann schließlich ganz absetzen.

Absetz-Phänomene unter SSRI

Anders sieht es bei der Behandlung mit reinen SSRI wie Citalopram oder Escitalopram aus. Diese haben praktisch keine histaminerge oder Alpha-adrenerge Wirkung. Der oben beschriebene Mechanismus kann hier also nicht auftreten.

Es ist sehr fraglich, strittig und meiner Kenntnis nach nicht gut untersucht, ob das Absetzen eines reinen SSRI überhaupt zu Absetz-Phänomenen führen kann. Die Erklärung müsste dann ja sein, dass der Abfall der Serotonin-Konzentration im synaptischen Spalt zu bestimmten Symptomen führt.

Meine Beobachtung ist, dass in den ersten Tagen einer Behandlung mit einem reinen SSRI wie Citalopram überhaupt keine Wirkung festzustellen ist. Das spräche dafür, dass nach einem plötzlichen Absetzen auch überhaupt kein Absetz-Phänomen zu erwarten ist.

Ich selbst habe bei den von mir behandelten Patienten noch nicht erlebt, dass es nach dem abrupten Absetzen eines reinen SSRI wie Citaloprams zu erkennbaren Absetz-Phänomenen gekommen wäre.

Eure Erfahrungen mit Absetz-Phänomenen unter Antidepressiva?

Aber man sieht ja auch nur, was man kennt, und ich selbst kenne die Frage nach Absetz-Phänomenen unter SSRI erst aus wiederholten Anfragen und Kommentaren in diesem Blog.

Daher möchte ich euch fragen: Habt ihr an euch selbst oder an von Euch behandelten Patienten, die Citalopram oder Escitalopram oder ein anderes reines SSRI erhalten haben, das plötzlich abgesetzt wurde, Absetz-Phänomene beobachtet? Wenn ja, welche? Kennt jemand eine vernünftige Studie dazu?

Welche QTc-Zeit ist eigentlich kritisch?

Inzwischen hat sich ja rumgesprochen, dass bestimmte Medikamente wie Citalopram, Escitalopram und Sertindol die QTc-Zeit verlängern können. Dies begünstigt Torsade de pointes Tachykardien, die tödlich sein können. Daher soll man bei Verschreibung dieser Substanzen regelmäßig die QTc-Zeit kontrollieren. Aber ab wann wird’s eigentlich kritisch?

  • Ab 420 msec ist die QTc-Zeit verdächtig und muss kontrolliert werden, die Medikation muss überdacht werden.

  • Ab 500 msec oder einer Zunahme von 60 msec oder mehr ist die QTc-Zeit so hoch, dass man die entsprechenden die QTc-Zeit verlängernden Medikamente absetzen sollte.

  • Nicht die Dosis, sondern die Wirkstoffkonzentration am Wirkort bestimmen über die Stärke der Nebenwirkungen. Es ist daher sinnvoll, bei Patienten, die mehrere Risikofaktoren für eine verlängerte QTc-Zeit haben (hohes Alter, weiblich, mehrere CYP-p450 hemmende Medikamente), den Blutspiegel verdächtiger Medikamente zu messen.

Linke und rechte Hand sind nicht gleich…

Mater fragte in den Kommentaren: “Gibt es eigentlich einen signifikanten Unterschied zwischen Citalopram und Escitalopram? Lohnt sich der Umstieg?”

Chiralität:

Leg bitte mal Deine rechte Hand auf Deine linke Hand. Sind sie deckungsgleich? Nein. Sie sind lediglich spiegelsymmetrisch gleich. Bei chemischen Molekülen gibt es das auch. Zwei Moleküle sind spiegelsymmetrisch, aber eben nicht deckungsgleich. Bei Molekülen heißt das chiral (vom griechichen Wort für Hand, von dem auch das Wort Chirurgie abstammt). Bei Arzneimitteln ist es in der Regel so, dass beide Varianten eines Moleküls zu je gleichen Teilen in der Medizin enthalten sind, es wirkt aber nur eines der beiden Enantiomere.
So ist es auch beim Citalopram. Das ist eine 50 zu 50 Mischung des antidepressiv wirksamen S-Citaloprams (handlicher benannt als Escitalopram) und des nicht wirksamen spiegelbildlichen R-Citaloprams.

20 mg Citalopram enthalten 10 mg Escitalopram

20 mg Citalopram entsprechen 10 mg Escitalopram. Logisch, denn in 20 mg Citalopram sind ja auch 10 mg S-Citalopram drin, und halt noch 10 mg R-Citalopram.
Lundbeck hat, kurz bevor das Patent von Citalopram ausgelaufen ist, einen in der Pharmabranche üblichen Trick angewendet. Das S- und R-Citalopram-Gemisch, das als Citalopram verkauft wird, wurde chemisch getrennt, und nur noch die wirksame Hälfte, das S-Citalopram verkauft. Name Escitalopram. 10 Jahre neues Patent drauf, und damit wesentlich höhere Gewinnmarge. Dann macht man mit Escitalopram noch Zulassungsstudien für Indikationen, bei denen man für Citalopram keine Zulassungsstudie gemacht hat, und schon erscheint es ein breiteres Wirkspektrum zu haben als Citalopram.
Dabei ist aus logischen Gründen ausgeschlossen, dass 10 mg Escitalopram besser wirken können als 20 mg Citalopram, denn in 20 mg Citalopram sind ja auch 10 mg S-Citalopram drin.
Es ist theoretisch möglich, dass das R-Citalopram Nebenwirkungen macht. Aber es macht nicht die typischen serotonergen Nebenwirkungen wie Übelkeit, QT-Zeit-Verlängerung oder verzögerten Orgasmus, denn das R-Citalopram ist ja eben gerade nicht aktiv am Serotonin-Transporter. Es könnte vielleicht Allergien auslösen, die Escitalopram nicht auslöst.

Fazit:

Meine Einschätzung ist also: Was auch immer die Marketing-Experten uns erzählen möchten: Escitalopram ist nicht wirksamer als (die zweifache Menge) Citalopram. Es könnte theroretisch weniger Nebenwirkungen machen. Aber nicht die klassischen Nebenwirkungen.

Spermien zeigen unter SSRI erhöhte Rate an DNA-Fragmentierungen

SSRI und Fruchtbarkeit

SSRI haben bekanntermaßen Auswirkungen auf die Sexualität; bei Männern führen SSRI nicht selten zu einem verzögerten Orgasmus. Nun ist im Fachmagazin „Fertility and Sterility“ eine Studie erschienen (abstract hier), die bei 35 gesunden Männern die Spermienqualität unter Therapie mit SSRI untersucht hat. Das Ergebnis ist, dass bei 30,3 % der behandelten Probanden DNA-Fragmentierungen, also Brüche in der DNA der Spermien, festgestellt worden sind, verglichen mit 13,8 % vor Beginn der Therapie. Dazu kam, dass 35 % der behandelten Männer über erektile Dysfunktion klagten und 47 % die bekannten Orgasmusstörungen beschrieben. Alle diese Nebenwirkungen verschwanden nach Absetzen der SSRI wieder. Da DNA-Fragmentierungen die Fruchtbarkeit reduzieren können, sollten Männer mit Kinderwunsch über diese Nebenwirkung von SSRI aufgeklärt werden.

Quelle: http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/54357/Spermien-Krise-unter-Antidepressiva

Citalopram – TOP 1 der deutschen Psychopharmaka

Citalopram

Citalopram war 2009 das häufigste in Deutschland verordnete Psychopharmakon. Es wurden 241 Millionen definierte Tagesdosen (DDD) zu je 20 mg verordnet, insgesamt also 4 820 000 000 mg.

Citalopram liegt auf Platz eins der Verordnungshäufigkeit, weil es das Medikament der ersten Wahl bei Depressionen ist. Es ist gut verträglich und wirkstark. Darüber hinaus wird es – in höherer Dosierung – auch bei Angst- und Zwangskrankheiten erfolgreich eingesetzt.

Geschichte

Die dänische Pharmafirma Lundbeck war ursprünglich auf der Suche nach einem Antiepileptikum, als sie Citalopram fand. Eine antiepileptische Wirkung hat Citalopram nicht, aber eine starke antidepressive Wirkung. Lundbeck patentierte 1989 Citalopram und konnte es 14 Jahre lang als einziger Anbieter herstellen und verkaufen. Seit Ablauf des Patentes 2003 gibt es zahlreiche Generika, zu einem weit niedrigeren Preis. Lundbeck hat dann zu einem beliebten Manöver gegriffen, den viele Pharmafirmen in ähnlichen Situationen wählen: Citalopram ist ein Gemisch aus zwei Molekülen, die Enantiomere von einander sind.

Enantiomere verhalten sich wie die linke Hand zur rechten. Sie sind zueinander spiegelbildlich, aber nicht deckungsgleich: versuchen Sie einmal, die linke Hand auf die rechte zu legen…

Genau so verhält es sich mit den beiden Molekülen, die im Citalopram enthalten sind. Citalopram ist eine Mischung zu gleichen Teilen aus S-(+)-citalopram und R-(–)-citalopram. Das wirksame Enantiomer ist das S-(+)-citalopram, getauft auf den handlicheren Namen Escitalopram. Nur dieses entfaltet die gewünschten Wirkungen.

2002, kurz bevor das Patent von Citalopram 2003 auslief, patentierte Lundbeck Escitalopram, das bis 2011 – in der Pädiatrie bis 2012 – Patentschutz genoss und daher zu einem deutlich höheren Preis ausschließlich von Lundbeck vertrieben werden könnte. Es wurde beworben als nebenwirkungsärmer als Citalopram, und über den Vertrieb von Escitalopram konnte Lundbeck über lange Zeit den Umsatzeinbruch des nun nicht mehr patentgeschützten Citaloprams ausgleichen.

Pharmakologie

Citalopram ist ein selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI).

Es hat eine verhältnismäßig lange Halbwertszeit von etwa 36 Stunden (1,5 Tage). Die Substanz wird in der Leber verstoffwechselt. Da sie nicht sedierend wirkt, kann die tägliche Dosis auch morgens eingenommen werden.

Klinischer Einsatz

Citalopram wird bei depressiven Episoden als Mittel der ersten Wahl eingesetzt. Das gilt sowohl für unipolare Depressionen als auch depressive Episoden im Rahmen einer bipolaren Erkrankung. Man beginnt in der Regel mit 20 mg pro Tag, morgens. 20 mg pro Tag reichen für die Therapie mittelschwerer Depressionen, wie sie bei ambulanten Behandlungen häufig sind, meist aus.  Zeigt sich nach drei Wochen noch keine ausreichende Besserung, kann die Dosis auf 30 mg, später auf 40 mg pro Tag erhöht werden. Im psychiatrischen Krankenhaus wird zur Therapie schwerer Depressionen oft frühzeitiger eine Dosis von 30-40 mg pro Tag gewählt.

Nebenwirkungen

Bis 2011 hat man bei unzureichender Wirkung oft die Dosis auf mehr als 40 mg pro Tag gesteigert. Inzwischen gibt es aber Hinweise darauf, dass Citalopram dosisabhängig das QTc Intervall verlängern kann, was gefährliche Herzrhythmusstörungen verursachen kann. Daher gilt für junge Patienten eine Höchstdosis von 40 mg, für Patienten ab 60 Jahren, Patienten mit Leberfunktionsstörungen und Patienten, die Citalopram langsam metabolisieren gilt eine Höchstdosis von 20 mg pro Tag.

Wie bei allen Medikamenten, deren Anwendung das QTc Intervall verlängern kann, sollte bei Gabe von Citalopram der Elektrolytstatus regelmäßig kontrolliert und ggf. normalisiert werden. Die Gabe von weiteren, die QTc Zeit verlängernden Substanzen stellt eine relative Kontraindikation dar und die Patienten sollten darauf hingewiesen werden, bei „Herzstolpern“, Luftnot oder Ähnlichem einen Arzt aufzusuchen.

Alle SSRI können Übelkeit verursachen, und dies häufiger, als man meint. Man sollte damit rechnen, dass etwa 20-30% der Patienten hierunter leiden. In diesem Fall sollte zunächst einige Tage abgewartet werden. Geht diese Nebenwirkung nicht von selbst weg, sollte zunächst die Dosis reduziert werden. Persistiert die Übelkeit, ist der Wechsel auf ein anderes Präparat der nächste Schritt.

Eine weitere nicht seltene Nebenwirkung aller SSRI ist ein verzögerter Orgasmus. Auch diese kann nach einigen Tagen bis wenigen Wochen von selbst verschwinden, bei einigen Patienten bleibt diese Nebenwirkung allerdings bestehen.

Leichte unerwünschte Wirkungen wie Mundtrockenheit, Magen-Darm-Beschwerden, Nervosität, Kopfschmerzen, Zittern, Herzklopfen, vermehrtes Schwitzen, Akkommodationsstörungen der Augen oder Kraftlosigkeit treten sehr häufig sofort ein, legen sich aber meist nach wenigen Tagen.

Interaktionen

darf nicht gemeinsam mit MAO Hemmern verordnet werden, da sonst ein Serotonin-Syndrom auftreten kann. Es ist bei einem Wechsel von einem Mao-Hemmer auf Citalopram und auch bei einem Wechsel von Citalopram auf einen MAO Hemmer eine 14 tägige wash-out Phase einzuhalten.

Siehe auch: „Welches Antidepressivum gebe ich wem?

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Die Grammy Verleihung der Psychopharmaka 2009

Der Arzneiverordnungsreport 2010 (Schwabe, Paffrath) berichtet über die Verordnungen von Medikamenten im Jahr 2009 durch die niedergelassenen Ärzte der GKV (neuere Daten liegen noch nicht vor…). Hier sind die am häufigsten verschriebenen Psychopharmaka aufgelistet. Die Tabelle gibt zu den genannten Substanzen die Anzahl der verordneten definierten Tagesdosen (defined daily dose, DDD) in Millionen wieder. Die defined daily dose für Citalopram ist beispielsweise mit 20 mg festgelegt. Die Tabelle gibt an, dass von Cipramil 241,7 Millionen Tagesdosen verschrieben worden sind. Legt man zugrunde, dass jeder Patient, der Citalopram erhalten hat, dies das ganze Jahr, also 365 Tage lang erhalten hat, ergibt sich, dass 241,7/365=0,66 Millionen Menschen damit ein Jahr lang behandelt worden wären. Nimmt man an, dass die mittlere Verordnungsdauer 4 Monate betrug, was sehr viel realistischer ist, wären in Deutschland zu Lasten der GKV im Jahre 2009 3*0,66=knapp zwei Millionen Menschen mit Citalopram behandelt worden.

Die ersten 4 Plätze der Tabelle überraschen nicht. Antidepressiva sind die mit Abstand am häufigsten verordneten Psychopharmaka, weil Depressionen und Angsterkrankungen die häufigsten psychischen Erkrankungen sind. Platz 5 und 6 überraschen. Opipramol habe ich daher einen eigenen Artikel gewidmet, zu Metylphenidat will ich noch einen schreiben.

Doch hier nun erst einmal zwei Tabellen, die erste zeigt die Verordnungshäufigkeit, die zweite auszugsweise die Kosten:

Substanz Mio. DDD
Citalopram 241,7
Mirtazapin 123,1
Amitriptylin 94,5
Venlafaxin 75,1
Opipramol 74
Methylphenidat 55,3
Sertralin 55,1
Doxepin 54,2
Escitalopram 47,5
Zopiclon 47,3
Fluoxetin 43,3
Paroxetin 42,3
Lorazepam 36,8
Duloxetin 34,7
Quetiapin 33,3
Olanzapin 32,7
Zolpidem 32,5
Trimipramin 31,6
Diazepam 31
Risperidon 29
Johanniskraut 27,7
Lithiumsalze 20,3
Haloperidol 18,4
Lormetazepam 15,3
Perazin 15,2
Oxazepam 14,1
Clozapin 13,3

Für die Kosten ergibt sich eine ganz andere Tabelle (Auszug, nach Verordnungshäufigkeit sortiert):

Name Rang Verordnungen Kosten
Seroquel 83 1,17 Mio 259 Mio €
Amitriptylin-neurax 105 0,98 Mio. 18 Mio. €
Tavor 130 0,85 Mio. 12 Mio. €
Diazepam-ratiopharm 154 0,76 Mio. 8 Mio. €
Trevilor 367 0,38 Mio. 69 Mio. €

Quelle für beide Tabellen: http://www.psywiki.org/index.php?title=Psychopharmaka_Verordnungen_2009

Welches Antidepressivum gebe ich wem?

Cipramil, Cipralex, Cymbalta, Trevilor. Wem gebe ich denn nun wann welches Antidepressivum?

Wenn ich mich entschieden habe, ein Antidepressivum zu verordnen, habe ich einen bestimmten Algorithmus im Kopf, nach dem ich aussuche, welches Medikament ich gebe. 1. Frage: Hat diese Patientin, hat dieser Patient schon mal ein bestimmtes Antidepressivum erhalten, und hat es überzeugend gewirkt? Wenn Ja, dann gebe ich das gleiche wieder. Punkt. Ende des Algorithmus. 2. Frage: Verordne ich das Antidepressivum gegen eine generalisierte Angststörung? Dann gebe ich Duloxetin (Cymbalta) oder Venlafaxin (Trevilor), letzteres ist explizit gegen die generalisierte Angststörung zugelassen. Beide sind sehr gut wirksam in dieser Indikation. Beide sollten hoch dosiert werden. 3. Frage: Verordne ich das Antidepressivum gegen eine Zwangsstörung? Dann gebe ich zuerst Citalopram (Cipramil). Ich strebe eine höhere Dosis an, zunächst 40 mg pro Tag, im Einzelfall ist dann zu prüfen, ob trotz der bekannten Risiken eine höhere Dosis zu wählen ist. Die QTc Zeit muss dabei gemonitort werden, der Pat. über den Warnhinweis aufgeklärt werden. Citalopram kann in höheren Dosierungen als 40 mg die QTc Zeit verlängern und zu gefährlichen Rhythmusstörungen führen (siehe auch hier). Bleiben im Wesentlichen die unipolaren und bipolaren Depressionen. 4. Frage: Handelt es sich um eine Depression mit reduziertem Antrieb, normalem Antrieb oder gesteigertem Antrieb (agitierte Depression)?

  • Bei Patienten, die einen sehr stark reduzierten Antrieb haben, beginne ich mit Duloxetin (Cymbalta), Zieldosis 60-90 mg.
  • Bei etwas reduziertem und normalem Antrieb verordne ich im ersten Schritt Citalopram, Zieldosis 40 mg pro Tag. In der Regel führt dies zu einem guten Ergebnis.
  • Reicht der Erfolg nicht, wechsele ich bei einer Depression mit reduziertem Antrieb zügig (zwei Wochen) auf Duloxetin (Cymbalta), weil dies nicht nur die Serotonin Wiederaufnahme hemmt, wie das Citalopram, sondern zusätzlich noch die Noradrenalin Aufnahme hemmt, was den Antrieb steigert.
  • Bei Patienten mit einem normalen Antrieb wechsele ich erst nach etwa 3-4 Wochen ohne erkennbaren Therapieerfolg auf Duloxetin.
  • Bei gesteigertem Antrieb und insbesondere bei Schlafstörungen bevorzuge ich Mirtazapin (Remergil) zur Nacht. Dies empfehle ich aber nur, wenn kein Gewichtsproblem besteht und nachdem ich über die Möglichkeit einer Gewichtszunahme unter Mirtazapin informiert habe und der Patient zustimmt. Ich beginne dann mit 15 mg zur Nacht. Je nach Schwere der Schlafstörung und Agitation steigere ich Mirtazapin auf bis zu 45 mg pro Tag. Reicht das, um die Schlafstörung zu beheben und den Antrieb zu normalisieren, bleibe ich bei 15 mg Mirtazapin zur Nacht und ergänze 20-40 mg Citalopram am Morgen.

Mit diesem Algorithmus komme ich in 95 % der Fälle hin. Reicht die Wirkung nicht aus oder kommt es zu Nebenwirkungen, verwende ich folgende Austauschpräparate:

  • Citalopram (Cipramil) wird nicht vertragen: -> Escitalopram (Cipralex) versuchen. Beide sind reine Serotonin-Wiederaufnahme Hemmer und werden in der Regel recht gut vertragen und sind sehr wirkstark.
  • Duloxetin wirkt nicht stark genug: -> Venlafaxin versuchen. Beide hemmen sowohl die Serotonin Wiederaufnahme als auch die Noradrenalin Wiederaufnahme. Venlafaxin hemmt in hoher Dosis unerwünschterweise auch die Dopamin Wiederaufnahme und kann daher wahnhafte Symptome triggern oder verstärken und es macht oft stärker unruhig als Duloxetin, wirkt aber in einzelnen Fällen besser.

Was ist mit den „Alten Antidepressiva“ ?

  • Clomipramin gebe ich manchmal als Augmentation bei Zwangserkrankungen.
  • Amitriptylin gebe ich manchmal bei chronifizierten Schmerzstörungen.
  • Fluoxetin, Fluvoxamin, Mianserin, Paroxetin und die ganzen anderen älteren Antidepressiva gebe ich nur nach Regel 1: Hat schon mal geholfen, dann verordne ich sie wieder. Ansonsten verwende ich sie nicht.

Wenn das alles nicht hilft?

  • Augmentation mit Lithium. Hilft oft.
  • Augmentation mit Schilddrüsenhormon. Hilft selten. Mache ich nur in Einzelfällen.

Was noch zu beachten ist:

  • Schwere wahnhafte Depression: EKT.
  • Bei Vorliegen einer wahnhaften Komponente oder wahnähnlichem Grübeln ein niedrigdosiertes Neuroleptikum ergänzen.
  • Bei Patienten mit sehr großer Angst und keiner Abhängigkeit in der Vorgeschichte ein Benzodiazepin erwägen.
  • Bei Suizidalität ein Benzodiazepin ergänzen.
  • Den normalen Zeitverlauf der Besserung würdigen: Etwa zwei Wochen nach Beginn einer antidepressiven Medikation kommt oft eine Antriebssteigerung, nach etwa vier Wochen kommt oft die Stimmungsverbesserung. Angststörungen verbessern sich etwa nach vier bis sechs Wochen, Zwangsstörungen oft erst nach sechs bis zwölf Wochen.

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